Zehn

Drakon hielt erschrocken inne. »Das Schlachtschiff?«

»Ja, natürlich«, sagte Iceni leise. »Wir haben versucht, den Status des Schlachtschiffs zu verschweigen, aber vermutlich gibt es in diesem und jedem umliegenden Sternensystem keine einzige Menschenseele, die nicht längst weiß, dass sich an Bord nur eine Minimalbesatzung befindet und das Schiff von einer Fertigstellung noch immer weit entfernt ist. Die haben vor, hier einzufallen, das Schlachtschiff an sich zu reißen und es abzuschleppen, um es zu Hause zu komplettieren.«

»Also genau das, was wir zuvor bei Kane gemacht haben.«

Sie warf ihm einen verärgerten Blick zu. »Ich bin fest entschlossen, dass unser Diebstahl des Schlachtschiffs die letzte erfolgreiche Aktion dieser Art bleiben wird. Wenn Supreme CEO Haris zu einer lokalen Macht aufsteigen will, dann braucht er mehr Feuerkraft, und so wie es aussieht, will er die auf die gleiche Weise erlangen wie wir, indem er sich bei jemandem bedient, der schlechter ausgerüstet ist als er. Warum muss dieser Haris auch unbedingt einen Schlachtkreuzer haben?«

Iceni schüttelte ungeduldig den Kopf. »Selbst wenn die Heimkehrermission nicht die Hälfte unserer Schiffe mitgenommen hätte, wäre es ein gewagtes Spiel, sich mit einer Flotte anzulegen, die um einen Schlachtkreuzer herum aufgebaut ist.«

»Irgendwelche Vorschläge?«, wandte sich Drakon an Malin.

»Keine brauchbaren«, gab der Colonel zurück. »Unsere mobilen Streitkräfte sind einfach hoffnungslos unterlegen. Wir könnten versuchen, das Schlachtschiff woanders hinzubringen und es dort zu lassen, bis Haris’ Flotte sich zurückgezogen hat.«

»Wir können nicht das Schlachtschiff hier im System lassen und dieser Flotte mit ihm einfach aus dem Weg gehen?«, fragte Drakon.

Aber Iceni schüttelte den Kopf. »Kein Schlachtschiff kann vor einem Schlachtkreuzer davonfliegen. Es würde binnen kürzester Zeit eingeholt werden. Das Gleiche könnte passieren, wenn wir die Midway in ein anderes Sternensystem schicken. Wer immer das Schiff dort entdeckt, wird es sofort als eine sehr kostbare Beute erkennen und an sich nehmen.«

»In diesem Fall«, fuhr Malin fort, »ist die beste noch verbleibende Option die, den Schlachtkreuzer so nahe wie möglich an das Schlachtschiff heranzulocken, es dann zu sprengen und den Schlachtkreuzer auf diese Weise gleich mit zu zerstören.«

»Das ist überhaupt keine Option!«, widersprach Iceni, die vor Wut einen roten Kopf bekam. »Wir brauchen dieses Schlachtschiff!«

»Madam Präsidentin«, sagte Malin. »Wenn wir keinen anderen Weg finden, um Haris davon abzuhalten, das Schlachtschiff in seine Gewalt zu bringen, nehmen wir ihm immerhin die Möglichkeit uns zu bedrohen, wenn wir seinen Schlachtkreuzer eliminieren.«

»Und was haben wir davon, wenn das Syndikat gleich darauf die nächste Flotte herschickt?«, wollte Iceni wissen.

Malin zögerte, dann schüttelte er den Kopf. »Gar nichts, Madam Präsidentin.«

»Beide Schiffe zu sprengen ist eine schlechte Lösung«, fand Drakon. »Aber was können wir sonst noch machen?«

Nun ließ Iceni ihren Frust an ihm aus. »Warum verraten Sie mir das nicht? Sie sind der Militärexperte, General! Ich habe ein wenig Erfahrung mit mobilen Streitkräften, aber ich habe da nicht meine Karriere verbracht.«

»Meine Erfahrung betrifft Bodenstreitkräfte«, machte Drakon ihr in ruhigem Tonfall klar. »Ich habe durchaus schon solche Situationen erlebt, in denen jede Option schlecht ist. Es bleibt einem dann nichts anderes übrig, als die Vorgehensweise zu wählen, die einem noch die geringsten Schmerzen zufügt. Aber wir können nicht die Umstände verändern, mit denen wir konfrontiert werden.«

Sie warf ihm einen bösen Blick zu, dann sah sie weg, atmete tief durch und erlangte ihre Fassung zurück. »Ihnen fällt gar nichts anderes ein?«

Drakon konnte kaum sein Erstaunen über ihre enttäuschte Miene verbergen. War sie von ihm enttäuscht? Hatte sie erwartet, er würde schnell ein paar mobile Streitkräfte aus dem Hut zaubern? »Ich kämpfe nach ein paar Grundprinzipien. Eines dieser Prinzipien besagt, dass es ein Fehler ist, sich den Stärken des Feindes mit den eigenen Schwächen oder sich seinen Stärken mit den eigenen Stärken entgegenzustellen. Stattdessen sollte man sich den Schwächen des Feindes mit den eigenen Stärken entgegenstellen.«

»Und wie soll das hier funktionieren?«, fragte Iceni.

»Gar nicht. Bodenstreitkräfte können nicht gegen mobile Streitkräfte kämpfen, es sei denn, die mobilen Streitkräfte kommen zu ihnen und machen sich selbst zum Ziel. Es gibt aber keinen Grund, weshalb …« Er unterbrach sich und versuchte festzunageln, was an diesen letzten Worten so wichtig war.

»General?«, fragte Iceni zögerlich.

»Madam Präsidentin«, redete Drakon bedächtig weiter, während sein Verstand einen Gedanken zu fassen versuchte, der zum Greifen nah erschien. »Wie wird der Schlachtkreuzer versuchen, das Schlachtschiff zu erobern?«

»Da gibt es nur einen Weg. Man schickt ein Enterteam rüber, das groß genug ist, um die Minimalbesatzung des Schlachtschiffs zu überwältigen.«

»Mit Shuttles?«

»Nein. Ein einzelner Schlachtkreuzer hat nicht genug Shuttles an Bord, um das für den Überfall erforderliche Personal zu transportieren. Außerdem riskieren sie abgeschossen zu werden. Wenn das Schlachtschiff auch nur über ein paar funktionstüchtige Waffen verfügt, stellen Shuttles leichte Ziele dar.«

»Wir haben aber Shuttles eingesetzt, um das Schlachtschiff bei Kane zu erobern«, hielt Drakon dagegen.

»Richtig. Aber«, fuhr Iceni fort und tippte mit dem Zeigefinger auf den Tisch, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, »wir waren in sehr großer Sorge, dass die Shuttles während des Anflugs zerstört werden könnten. Wir haben die Shuttles genommen, weil es nicht anders ging. Wir waren uns bewusst, dass wir sie verlieren konnten. Ich hätte diese Angriffsmethode nicht gewählt, wenn es möglich gewesen wäre, unmittelbar von einer meiner Kampfeinheiten aus anzugreifen.«

»Man braucht also eine zahlenmäßig überlegene Truppe, die schnell handelt«, folgerte Drakon.

»Ganz genau. Unterscheidet sich das so sehr von der Vorgehensweise der Bodenstreitkräfte?«

»Nein.« Drakons Blick wanderte wieder in die Ferne, während er überlegte. »Ich habe noch keine Entermanöver mitgemacht. Erklären Sie mir, was der Schlachtkreuzer tun wird.«

Iceni zuckte mit den Schultern. »In diesem Fall ist das ziemlich einfach. Das Schlachtschiff verfügt über keinerlei funktionstüchtige Waffen, und die Crew ist nicht groß genug, um es zu bedienen. Ein Fluchtversuch ist sinnlos, weil der Schlachtkreuzer das Schiff mühelos einholen würde. Der Schlachtkreuzer wird sich dicht neben dem Schlachtschiff in Position bringen und jede Flugbewegung nachvollziehen, damit die beiden Schiffe sich im Verhältnis zueinander nicht bewegen. Dann wird ein Enterteam mit einem Sprung die Distanz zwischen beiden Schiffen überwinden und gleichzeitig bei verschiedenen Hauptluken eintreffen. Diese Luken werden geöffnet, man dringt in das Schlachtschiff vor und überrennt die Verteidiger. Kapitan-Leytenant Kontos und seine Crew können sich in den Verteidigungszitadellen für die Brücke, den Maschinenraum und die Waffenabteilungen verschanzen, aber das Enterteam wird entsprechend gerüstet sein und Gerät mitbringen, mit dem man innerhalb relativ kurzer Zeit die Zitadellen aufbrechen kann.«

»Dicht neben dem Schlachtschiff?«, warf Drakon ein. »Wie groß ist die Distanz zwischen beiden Schiffen?«

»Fünfzig Meter, vielleicht hundert, abhängig davon, wie risikofreudig der Befehlshaber des Schlachtkreuzers ist.«

»Und wie groß fällt dieses Enterteam aus?«

Iceni spreizte die Hände. »Kommt ganz drauf an. Ein Schlachtkreuzer sollte ungefähr tausendfünfhundert Mann Besatzung an Bord haben. Die Syndikatsdoktrin gibt nicht vor, wie viele Leute man abhängig von der Art und dem Zustand des Zielobjekts einsetzen sollte, legt aber die Hälfte der verfügbaren Crew als Maximum fest.«

»Also sieben- oder achthundert Angreifer maximal?«, fragte Drakon.

»Vorausgesetzt, Haris’ Schiffskommandant hält sich an die Doktrin.«

Malin hatte unterdessen erkannt, worauf Drakons Fragen abzielten, und begann flüchtig zu lächeln. »Siebenhundert Mann in Schutzanzügen und mit Handfeuerwaffen?«

»Ja«, stimmte Drakon ihm zu. »Vielleicht noch ein paar Leute von einer Spezialeinheit dazwischen, aber höchstens ein paar Züge.«

»Höchstens ein Zug«, korrigierte ihn Iceni. »Und statt einer Spezialeinheit wohl eher Haris’ Schlangen. Woran denken Sie, General?«

»Ich denke, Madam Präsidentin, wenn das auf eine Enteroperation hinausläuft, dann haben wir es mit einer Situation zu tun, in der Bodenstreitkräfte die Chancen deutlich verbessern dürften.« Drakon beugte sich zu ihr vor. »Wäre das Schlachtschiff mit Personal der mobilen Streitkräfte komplett bemannt, dann könnten wir es nicht mit gepanzerten Bodenstreitkräften vollstopfen. Aber es ist sogar so gut wie leer, also gibt es da Platz genug für Soldaten. Und wenn das Enterteam dieses Schlachtkreuzers die Lücke zwischen zwei Schiffen mit einem großen Sprung überwinden kann, dann können meine Soldaten auch die Lücke zum Schlachtkreuzer mit einem solchen Sprung bewältigen.«

»Ganz so einfach ist das nicht.« Iceni biss sich auf die Lippe, und ihre Augen ließen erkennen, dass sie etwas durchrechnete. »Aber es könnte zu schaffen sein. Die Spezialisten meiner mobilen Streitkräfte können Ihren Leuten sagen, welche Verteidigungsmittel der Schlachtkreuzer zum Einsatz bringen kann, um seinerseits Enterversuche abzuwehren. Das müsste aber völlig überraschend geschehen. Die dürfen nicht erfahren, dass es auf dem Schlachtschiff von Soldaten wimmelt.«

»Sechs Tage.« Drakon sah Malin an. »Kriegen wir das hin? Können wir genügend Soldaten zum Schlachtschiff bringen, bevor Haris’ Flotte im System eintrifft und auf unsere Vorbereitungen aufmerksam werden kann?«

Malin kniff ein wenig die Augen zusammen, während er im Geiste den Ablauf durchging. Schließlich nickte er. »Ich werde meine Schätzung noch überprüfen müssen, Sir, aber wir sollten es schaffen können, wenn wir unsere Leute schnellstens in den Orbit bringen. Im Orbit befindet sich ein Frachter, der zum Passagiertransporter umgebaut worden ist und der in Kürze abreisen wird. Wenn die Kriegsschiffe der Präsidentin diesen Frachter auffordern zu warten, können wir ihn für unsere Leute benutzen.«

Iceni wandte sich zu Togo um. »Informieren Sie die Orbitalüberwachung, dass der Frachter den Orbit nicht verlassen soll.« Sie sah wieder zu Drakon. »Sie haben mit Enteroperationen keine Erfahrung, oder?«

»Nein, aber ich finde, wir sollten es so versuchen, und ich sollte die Operation befehligen.«

Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und ließ die Stirn auf ihre verschränkten Hände sinken. »Sagen Sie, wir sollen es versuchen, weil es unsere einzige Option ist, General?«, fragte sie ihn schließlich. »Oder sagen Sie es, weil es funktionieren könnte?«

»Es ist nicht unsere einzige Option. Wie Colonel Malin bereits erwähnt hat, können wir das Schlachtschiff sprengen und damit auch den Schlachtkreuzer zerstören. Aber ich bin der Meinung, dass eine Enteroperation von unserer Seite machbar sein könnte. Wenn es zutrifft, was Sie mir über die Vorgehensweise des Schlachtkreuzers gesagt haben, dann ist es einen Versuch wert.«

»Und wenn es Haris nur darum geht, unser Schlachtschiff zu zerstören?«

Drakon dachte kurz darüber nach, dann verzog er missmutig die Mundwinkel. »Dann wären wir angeschmiert.«

»Wir würden das Schlachtschiff verlieren«, sagte Iceni, »außerdem jeden, der sich an Bord befindet. Crew, Soldaten und deren Befehlshaber, wer immer das in dem Moment auch sein wird. General, wir können es uns nicht leisten, diese Leute zu verlieren.«

Drakon zog die Brauen hoch und lehnte sich nach hinten. »War das gerade eben ein imperiales ›wir‹?«

»Das können Sie halten, wie Sie wollen.« Iceni reagierte mit einem finsteren Blick. »Wer wird Ihr Nachfolger als Befehlshaber der Bodenstreitkräfte, wenn Sie auf dem Schlachtschiff umkommen? Wer wird Ihr Nachfolger als Mitherrscher über diese Welt? Ich bin nicht dumm. Ich weiß, es gibt Leute, die Ihnen folgen, die mir aber nicht folgen würden. Diese Operation muss von jemand anders befehligt werden.«

»Es freut mich zwar, dass Sie nicht wollen, dass mir etwas zustößt, aber das Erteilen von Befehlen …«

»Ich kann Sie nicht zwingen, Vernunft anzunehmen, und ich kann Sie auch nicht zwingen, meine Befehle auszuführen, aber ich weiß, das muss ich auch gar nicht.« Iceni nickte ihm zu. »Sie sind klug genug, um zu wissen, dass ich recht habe.«

Drakon schaute zur Seite. Sie ist wirklich gut. Sie lobt mich, klug genug zu sein, um zu wissen, dass sie recht hat. Wenn ich jetzt widerspreche, benehme ich mich so, als wäre ich doch nicht klug genug.

Colonel Malin räusperte sich. »Sir, Colonel Gaiene hat mindestens eine Enteroperation durchgeführt.«

»Tatsächlich?«, gab Drakon zurück, froh darüber, dass Malin ihm mit seinem Vorschlag einen Ausweg aus dieser Situation ermöglichte. »Er wäre der richtige Mann für diese Operation. Die verlangt nach jemandem mit seinen Talenten.«

»Colonel Gaiene?«, fragte Iceni frostig. »Seine Talente? Heißt das, die Operation erfordert den Konsum großer Mengen Alkohol und die Verführung jedes weiblichen Wesens, das in Begrapschreichweite von Gaiene gerät?«

Drakon schüttelte den Kopf. »Conner Gaiene weiß, wann Schluss ist. Und er ist genau in den Dingen gut, die diese Operation erfordert.«

»Das kann ich wirklich nur schwer glauben«, konterte sie.

»Sie wissen, warum er so ist, wie er ist. Und Sie haben auch gesehen, wie er sich auf Taroa geschlagen hat.« Drakon legte die Faust zwischen ihnen auf den Tisch. »Ich werde Colonel Gaiene nicht aufs Abstellgleis schieben.«

Einen Moment lang sah sie ihn nur an. »Sie meinen, weil er nicht lange durchhalten wird, wenn er keine Verantwortung mehr hat, die ihn mit dem Mann verbindet, der er mal gewesen ist?«

Drakon zögerte, dann reagierte er mit einer absichtlich vagen Geste. »Ich meine das, weil er seine Aufgaben erledigt; besonders diese hier. Weil er der beste Offizier für diese Mission ist.«

»Wäre Colonel Rogero noch hier, würde ich Ihnen vermutlich weiterhin widersprechen. Was ist mit Colonel Kai?«

»Colonel Kai«, antwortete Malin, »hat keinerlei Erfahrung mit Weltraumeinsätzen.«

Für ein paar Sekunden schaute Iceni vor sich auf den Boden, schließlich nickte sie. »Also gut, Gaiene kann das Kommando führen.« Sie beugte sich vor und sagte sehr leise zu Drakon: »Sie haben zu viele wandelnde Kranke in Ihrem Stab, General.«

»So etwas bringt ein Krieg mit sich«, erwiderte er im gleichen Tonfall.

»Trifft das auf Sie auch zu?«

»Aber natürlich.«

Sie lehnte sich wieder nach hinten. »Ich muss die Entscheidung treffen.«

»Wieso?«

»Es geht um mobile Streitkräfte. Wenn wir das so machen, dann sind zwar etliche von Ihren Leuten daran beteiligt, aber letztlich ist es eine Operation der mobilen Streitkräfte. Es fällt in meine Verantwortung, diesen Befehl zu geben.«

Drakon lächelte sie schief an. »Das haben Sie aber nicht gelernt, als Sie eine CEO für das Syndikat wurden.«

»Sie meinen, Verantwortung für meine Entscheidungen zu übernehmen? Nein, das habe ich beim Syndikat in der Tat nicht gelernt«, bestätigte sie und seufzte leise. »Ich sage, wir machen es so.«

Drakon drehte sich zu Malin um. »Nehmen Sie Kontakt mit Colonel Gaiene auf. Sagen Sie ihm, der größte Teil seiner Brigade soll am besten vorgestern bereit für einen Flug in den Orbit sein. Volle Gefechtsausrüstung und Verpflegung für zwei Wochen. Wie viele Truppentransporter haben wir?«

»Wir haben genügend Shuttles«, sagte Malin.

»Haben wir den Frachter aufgefordert im Orbit zu bleiben?«, wollte Iceni von Togo wissen.

»Ja, Madam Präsidentin.« Togo war wie üblich nicht anzumerken, was er von dem soeben entschiedenen Plan hielt. »Der Frachter sollte eigentlich innerhalb der nächsten Stunde nach Kahiki abreisen, aber er wurde angewiesen, den Orbit nicht zu verlassen. Der Executive des Schiffes hat offiziell Protest eingelegt.«

»O nein, ein Protest?« Iceni musste lachen. »Sagen Sie diesem Executive, dass sein Frachter soeben angeheuert worden ist. Er kann das wahlweise mit der Aussicht auf eine Entlohnung akzeptieren, oder aber …«

Fast schien Togo zu lächeln. »Der Executive wird sicher verstehen, welche Konsequenzen zu erwarten sind, wenn er ein Angebot der Präsidentin ablehnt.«

»General«, sagte Malin und sah von seinem Datenpad auf. »Wenn wir den Frachter in weniger als acht Stunden beladen, könnte er den Gasriesen so zügig erreichen, dass er weniger als einen Tag dafür benötigt.«

»Dann wollen wir doch mal sehen, wie viele Truppen wir innerhalb von acht Stunden an Bord unterbringen können«, wies Drakon ihn an. »Und schaffen Sie alles und jeden von dem Schiff, den wir nicht unbedingt brauchen.«

Nachdem Malin gegangen war, um die Befehle weiterzuleiten, hob Drakon die Hand, damit Iceni nicht auch aus dem Raum eilte. »Können wir uns unter vier Augen unterhalten?«

Sie sah zu Togo und zeigte auf die Tür. Der Mann zögerte kurz, ließ sie beide dann aber allein. »Was gibt es denn?«

»Ich muss wissen, welches Problem es seit ein paar Tagen gibt. Hat Ihnen jemand erzählt, ich hätte die Bombe in Ihrem Büro platziert?«

Iceni lächelte ihn humorlos an. »Natürlich hat das jemand gemacht, aber ich habe keine Belege, die diese Behauptung stützen könnten.«

»Sie scheinen es trotzdem zu glauben«, sagte Drakon schroffer als eigentlich gewollt.

»Ich … wieso sagen Sie das?«

»Weil Sie sich entsprechend verhalten«, antwortete er geradeheraus. »Hören Sie, ich kann ja verstehen, dass Sie mich nicht mögen. Wenn Sie so empfinden, bitte. Aber ich dachte, wir könnten zivilisiert zusammenarbeiten.«

Iceni betrachtete ihn verdutzt. »Sie glauben, ich mag Sie nicht?«

»Ich bin kein Idiot.«

»In diesem Punkt scheinen wir völlig gegensätzlicher Meinung zu sein, General Drakon.«

»Was?«

Sie seufzte und sah nach oben, als flehe sie eine höhere Macht um Beistand an, an die sie nach der Lehre des Syndikats gar nicht glauben durfte. Dann schaute sie wieder Drakon an. »Es ist nicht so, dass ich Sie nicht mag.«

»Was? Es ist nicht so, dass Sie mich nicht mögen?«

»Das habe ich doch gerade gesagt.«

»Könnten Sie mir auch erklären, wie ich das verstehen soll?«

»Sie sollen es so verstehen, dass wir zusammenarbeiten können«, sagte sie und schaute aufgebracht drein. »Artur, Sie können kein so völliger Idiot sein!«

Will sie mich wütend machen? Plötzlich kam ihm etwas in den Sinn. »Augenblick mal, wenn es nicht so ist, dass Sie mich nicht mögen …«

»Vorfahren!«, rief sie an die Zimmerdecke gerichtet. »Rettet mich!« Dann warf sie Drakon einen giftigen Blick zu. »Von uns beiden muss ich wohl der völlige Idiot sein!«

Ihr Tonfall ärgerte ihn nur noch mehr. »Was zum Teufel reden Sie denn da?«

»Vielleicht werden Sie ja dahinterkommen, solange wir beide noch leben! Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, wir müssen ein Schlachtschiff retten!«

Mit diesen Worten stürmte Iceni aus dem Raum, während Drakon noch immer rätselte, was das Ganze nun sollte.

»Ich sollte das erledigen«, beklagte sich Morgan.

»Gaiene kriegt das schon hin«, erwiderte Drakon.

»Er und dieses Bübchen auf dem Schlachtschiff?«

Drakon stützte das Kinn auf seiner Faust auf, während er Morgan ansah. »Sie mögen Kontos nicht? Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie ihm lange, geschwätzige Mitteilungen geschickt haben.«

Anstatt sich schuldbewusst zu zeigen, grinste Morgan bloß. »Ich flirte wie verrückt mit ihm.«

»›Flirten‹ ist eine ziemlich harmlose Bezeichnung«, stellte er fest.

»Gut, dann will ich ein bisschen mehr als nur flirten. Ich will den Jungen auf mich aufmerksam machen. Ich will, dass er mit seinem Schlachtschiff tut, was ich und was Sie wollen.«

»Sie versuchen, Kontos gegen Icenis Willen aufzuwiegeln?« Die Seite an ihm, die nur die nackte Realität und die mit ihr einhergehenden Anforderungen wahrnahm, konnte den Nutzen einer solchen Taktik erkennen. Die andere Seite dagegen, nämlich die, die Gwen Iceni kannte, sträubte sich gegen den Gedanken, auf dem Umweg über einen Offizier der mobilen Streitkräfte ihre Autorität zu unterhöhlen.

Wenn Morgan aber Kontos umdrehen kann, dann muss Gwen das erfahren. Auch wenn sie sich so verhält, als ärgert sie sich den ganzen Tag lang über mich, verdient sie weiterhin meinen Rückhalt. Schließlich bin ich auch auf sie angewiesen.

»Und wie kommt Ihr Plan voran?«, erkundigte sich Drakon.

Morgan winkte ab. »Der ist noch in Arbeit. Wenn ich es schaffe, mit ihm allein zu sein, dann kann ich den unschuldigen Jungen bestimmt dazu bringen, ihre königliche Majestät die Präsidentin völlig zu vergessen.«

Drakon schüttelte den Kopf und versuchte, seine Reaktion auf ihre Worte zu überspielen. »Mir behagen solche Taktiken nicht.«

»Ich werde Kontos ja gar nicht an mich ranlassen«, fuhr Morgan amüsiert fort. »Männer lassen sich vor allem dann zu allen möglichen Dummheiten verleiten, wenn man ihnen in Aussicht stellt, dass man sie später zum Zug kommen lassen könnte.« Als hätte sie gemerkt, dass Drakon das als eine herabwürdigende Anspielung auf das auslegen könnte, was zwischen ihnen bei Taroa vorgefallen war, wurde sie mit einem Mal ernst. »Außerdem gehe ich nicht mit jedem erstbesten Mann ins Bett, auch wenn dieser Wurm Malin vermutlich was anderes über mich verbreitet.«

»Colonel Malin ist nicht Gegenstand unserer Unterhaltung, und er hat auch keine derartigen Anschuldigungen gemacht.« Wenn man überlegt, wie groß Malins Abneigung gegenüber Morgan ist, dann ist es schon etwas eigenartig, dass er noch nie auf Morgans Eskapaden zu sprechen gekommen ist. Aber er ist auch eigentlich nicht der Typ, der solchen Tratsch als Waffe gegen eine Frau einsetzte. Mag sein, dass er Morgan bei diesem Zwischenfall im Orbit versucht hat zu töten. Aber es kann auch sein, dass er sie davor bewahrt hat, getötet zu werden; worauf er ja auch beharrt, obwohl diese Version sehr unwahrscheinlich ist. Aber zumindest hat er Morgan noch nie als Schlampe bezeichnet. Ich schätze, seine Mutter hat ihn gut erzogen. »Selbst wenn Sie nichts weiter tun, als ihm etwas in Aussicht zu stellen, was Sie ihm nie geben werden, erinnert mich das Ganze viel zu sehr an eine Hinterlist, zu der die Schlangen greifen würden, um jemanden in eine Falle zu locken.«

Morgan zuckte gelassen mit den Schultern. »Wenn der Feind etwas Geschicktes tut, weigern Sie sich dann, das Gleiche zu tun, nur weil der Feind vor Ihnen auf diese Idee gekommen ist? General, es wäre extrem nützlich für uns, wenn wir die eigentliche Kontrolle über dieses Schlachtschiff hätten. Sie wissen immer noch nicht, wer Ihnen und vielleicht ja auch mir diese Attentäter auf den Hals gehetzt hat. Aber Sie können die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die Präsidentin unliebsame Konkurrenz aus dem Weg räumen will. Wenn Sie wollen, dass Gaiene diese Operation leitet — von mir aus. Aber lassen Sie mich mitgehen, damit ich Kontos etwas … näher kommen kann. Um sein Interesse zu verstärken, damit er tut, was wir wollen.«

»Nichts für ungut, Roh, aber mit der Taktik sind Sie schon bei Black Jack nicht sehr weit gekommen.«

Sie schnaubte verächtlich. »Malins Anwesenheit hat gestört. Und die Anwesenheit dieser Frau, mit der Black Jack offenbar schläft. Ich hätte Black Jack schon rumgekriegt, wenn Malin nicht da gewesen wäre. Dieses Allianz-Mauerblümchen war nicht der Rede wert.«

»Dieses Allianz-Mauerblümchen«, gab Drakon lachend zurück, »ist die Befehlshaberin eines Schlachtkreuzers. Und Black Jacks Ehefrau.«

»Ehefrau?« Morgan zog eine Braue hoch. »Wann ist denn das passiert?«

»Scheint noch nicht lange her zu sein.«

»Die wird ihn nicht lange interessieren. Aber zurück zu unserem lieben Kontos. Was machen wir mit ihm?«

Es gefällt mir nicht, und ich möchte auch nichts tun, was Gwens Verdachtsmomente mir gegenüber bestätigen könnte. Aber ich muss es so formulieren, dass Morgan das auch begreift. »Es sieht doch so aus, Colonel. Wenn Sie einen Annäherungsversuch unternehmen, und Kontos beißt nicht an, sondern meldet den Vorfall seinen Vorgesetzten — wie stehen wir dann da? Sie bewegen sich auf seinem Schiff, und er kann dort alles aufzeichnen, was Sie sagen und tun, selbst wenn Sie beide sich in einem Quartier aufhalten, das angeblich nicht überwacht werden kann.«

Morgan zog die Brauen zusammen. »Das würde er wahrscheinlich machen, allein schon, um sich selbst zu schützen. Wenn das passiert, könnten unsere Pläne aufgedeckt werden.«

»Außerdem brauche ich Sie hier«, ergänzte Drakon. »Sie haben völlig recht, dass wir den Drahtziehern dieses Anschlags auf die Spur kommen müssen. Und das können Sie am besten.«

»Allerdings. Wer immer dieses Attentat befohlen hat, war sehr gut darin, seine Spuren zu verwischen.« Von Drakons Lob beschwichtigt erklärte sie gut gelaunt: »Aber ich werde die Hintermänner schon ausfindig machen.«

»Und wenn Sie die Hintermänner kennen, werden Sie mir erst sagen, um wen es sich handelt, und dann werde ich entscheiden, wie wir vorgehen. Richtig?«

»Ja, Sir«, erwiderte sie grinsend.

»Insbesondere, wenn Sie glauben, Colonel Malin oder Präsidentin Iceni sind darin verstrickt«, betonte Drakon und warf ihr einen warnenden Blick zu. »Präsidentin Iceni wird nichts zustoßen.«

Morgan erwiderte fröhlich: »Jawohl, Sir.«

»Madam Präsidentin, der militärische Sprengsatz, der für die Bombe unter Ihrem Schreibtisch benutzt wurde, konnte zurückverfolgt werden. Er stammt aus einem Munitionslager einer Untereinheit der Brigade, die dem Kommando von Colonel Rogero aus General Drakons Division untersteht.«

»Jemand muss dort den Sprengstoff herausgegeben haben«, überlegte Iceni. Sie befanden sich in ihrem Büro, also in einem Raum, der so abhörsicher war, wie es nur ging. Das Display über ihrem Schreibtisch zeigte einen Strom von Shuttles, die aus einer von Drakons Kasernen zu dem einzelnen Frachter hoch oben im Orbit flogen.

Togo, der ihrem Schreibtisch zugewandt dastand, nickte zurückhaltend. »Ich wollte Befragungen durchführen lassen, um herauszufinden, wer den Sprengstoff herausgegeben hat und unter welchem Vorwand das geschah. Allerdings wurde einer der zuständigen Sergeants vor Beginn dieser Verhöre tot in seinem Quartier aufgefunden. Todesursache scheint die Überdosis einer illegalen Droge namens Rapture zu sein.«

»Eine Überdosis? Vor Beginn der Befragung? Das war für irgendwen ja wohl sehr praktisch. Wer wusste davon, dass dieses Personal befragt werden sollte?«

»General Drakons Büro wurde davon in Kenntnis gesetzt, zwanzig Minuten bevor unser Team dort eintraf.«

»Zwanzig Minuten? Wer hat diese Aktion so lange im Voraus angekündigt?«, wollte Iceni wissen. »Muss ich jetzt etwa schon die einfachsten Sicherheitsaufgaben höchstpersönlich erledigen?«

»Das Verhörpersonal wurde durch einen Defekt an ihrem Fahrzeug aufgehalten«, antwortete Togo ohne Gefühlsregung. »Ich bin bereit, die volle Verantwortung für diesen Fehler zu übernehmen.«

»Das macht diesen Sergeant auch nicht wieder lebendig.« Iceni lehnte sich nach hinten und rieb sich nachdenklich mit einer Hand über den Mund. »Aber es ist nicht gesagt, dass er überhaupt etwas gewusst hat. Vergessen Sie nicht, ich habe Erfahrung mit den mobilen Streitkräften. Die Kontrollen können noch so streng sein, es ist immer möglich, kleine Mengen Sprengstoff aus dem Lager zu schaffen. Man muss nur zu Trainings- oder Demonstrationszwecken ganz offiziell eine bestimmte Menge entnehmen, aber in Wahrheit greift man sich etwas mehr und schafft den Rest beiseite.«

Der Sub-CEO, der ihr solche Tricks für den Umgang mit Rivalen beigebracht hatte, war ein charmanter Mann gewesen, der sich selbst zu ihrem Mentor ernannt hatte. Seine Absicht war es gewesen, Iceni mit List in sein Bett zu bekommen, anstatt Druck auf sie auszuüben. Der Plan wäre vermutlich auch aufgegangen, hätte seine Frau ihn nicht wegen einer anderen Frau mitsamt seinem Bett in die Luft gejagt. So hatte er Gwen letztlich noch ein paar Erkenntnisse mehr mit auf den Weg gegeben als eigentlich beabsichtigt.

»Es ändert nichts an der Tatsache, Madam Präsidentin«, beharrte Togo, »dass der Sprengsatz bis zu einem Lager unter dem Kommando von Colonel Rogero zurückverfolgt werden konnte. Der ist, wie Sie wissen, ein treuer Anhänger von General Drakon.«

»Und das macht Sie kein bisschen misstrauisch?«, gab Iceni frostig zurück. »Keiner von diesen Männern ist ein Idiot.« Auch wenn man das von Drakon zumindest dann nicht sagen kann, wenn es darum geht, wie begriffsstutzig er sich in persönlichen Dingen verhält. »Einer von ihnen soll Sprengstoff verwenden, der so mühelos zu seiner Quelle zurückverfolgt werden kann? Selbst der einfachste Sub-Executive weiß, dass man alles vermeidet, was auf einen selbst deuten könnte.«

»Vielleicht war das ja die Absicht«, wandte Togo nach einer kurzen Pause ein. »Die beiden wissen, dass Sie eine solche Vorgehensweise als amateurhaft bezeichnen würden. Indem sie also Beweise hinterlassen, die eindeutig zu ihnen führen, überzeugen sie Sie davon, dass sie damit nichts zu tun haben können.«

Iceni lachte spöttisch. »Solche Dinge passieren in schlechten Romanen. Drakon ist ein erfolgreicher Befehlshaber. Er weiß, wie kurzsichtig es ist, einen Plan auf der Annahme aufzubauen, dass der Widersacher exakt so handelt, wie man sich das wünscht. Und je verwickelter dieser Wunsch ist, umso unwahrscheinlicher wird es, dass der andere jeden einzelnen Schritt so macht, wie es für ein Gelingen des Plans erforderlich ist. Was können Sie mir über den Zünder für die Bombe sagen?«

»Das, was ich bereits gesagt hatte, Madam Präsidentin. Er war auf Ihre Biometrik eingestellt und auf den Stuhl hinter Ihrem Schreibtisch gerichtet.«

Sie lehnte sich ein wenig vor und musterte Togo eindringlich. »Und wie konnten Sie dann von der Tür aus die Bombe aufspüren?«

Togo zögerte keine Sekunde lang. »Es gab ein kleines Leck, ein stecknadelgroßes Loch an der Seite, durch das die gerichteten Wellen seitlich und nach hinten austreten konnten.«

»Ah, verstehe. Was für ein Glück für mich. Gibt es irgendwelche Hinweise, wer hinter dem Attentat auf Drakon steckt und ob die Allianz-Offizierin ebenfalls im Visier der Angreifer war?«

»Nein, Madam Präsidentin. Die meisten Mitglieder von Volkes Wort wissen gar nichts von den Aktionen ihrer radikalsten Genossen. Und die sind spurlos verschwunden. Allerdings deuten Überreste darauf hin, dass sie Opfer dieser Sprengstoffgürtel geworden sein könnten. Drei weitere wurden ebenfalls tot aufgefunden, Todesursache waren bei ihnen die injizierten Nanos.«

»Die gleiche Art von Nanos, die den Mann umgebracht haben, den Colonel Morgan gefangen nehmen konnte?«

Togo verkrampfte sichtlich, als Morgans Name fiel, aber seine Stimme war weiterhin frei von Gefühlsregungen. »Ja, Madam Präsidentin.«

»Ich erwarte in beiden Punkten bessere Ergebnisse, und vor allem erwarte ich sie sehr bald. Wir müssen diesen von innen kommenden Bedrohungen ein Ende setzen. Wir haben mit den von außen kommenden Gefahren bereits genug zu tun.« Wieder sah sie zu ihrem Display, auf dem weitere Shuttles in Richtung Orbit und zurück in Richtung Planetenoberfläche unterwegs waren.

»Madam Präsidentin«, sagte Togo, »darf ich den Gedanken ins Spiel bringen, dass das Attentat auf General Drakon inszeniert war? Dass er es nur überlebt hat, weil die Schützen den Befehl hatten, ihn nicht zu töten?«

»Wollen Sie damit sagen, Drakon hat das Ganze selbst inszeniert? Und dass man nur die Allianz-Offizierin umbringen wollte?«

»Es wäre möglich. Captain Bradamont hatte zuvor mit Kommodor Marphissa zusammengearbeitet, weshalb man sie als Ihrem Lager zugehörig betrachtet haben könnte, Madam Präsidentin. Die enge Verbindung zwischen Ihnen und Black Jack ist schließlich weithin bekannt.«

»Was hat das … Was, wenn der Angriff ausschließlich Colonel Morgan galt?« Wir werden nicht mein Privatleben diskutieren. Aber was den Rest angeht — du hast das Thema zur Sprache gebracht, du kannst mir jetzt auch erzählen, was deiner Meinung nach dahintersteckt.

Togo schwieg ein paar Sekunden lang. »Wenn das der Fall gewesen sein sollte, dann war es ausschließlich im Hinblick auf Ihre Interessen bedauerlich, dass das Attentat gescheitert ist.«

Fast hätte Iceni darauf mit einem Lächeln reagiert. »Geben Sie mir sofort Bescheid, wenn Sie etwas Neues herausfinden.«

Nachdem Togo gegangen war, richtete sie ihren Blick abermals auf die Shuttles. Weniger als sechs Tage Zeit, um das alles über die Bühne zu bringen. Innerhalb der nächsten Stunde sollte der Frachter den Orbit verlassen.

Sie sah zum Hypernet-Portal ganz am Rand des Sternensystems. Marphissa und die anderen waren immer noch auf dem Weg ins Indras-System. Dort würden sie das Hypernet zu einem Zeitpunkt verlassen, an dem die Angelegenheit rund um Haris’ Flotte bereits erledigt war. Bis zu ihrer Rückkehr würden sie nicht wissen, ob das Schlachtschiff Midway weiterhin an der Orbitalstation festgemacht war, um jene Tausende Crewmitglieder an Bord zu nehmen, die zuvor zur Reserveflotte gehört hatten. Immer vorausgesetzt, die Heimkehrerflotte schaffte es bis nach Varandal, überzeugte die Allianz-Behörden davon, ihr die Gefangenen zu überlassen, und kehrte dann unversehrt nach Midway zurück.

Und hier hatte in der Zwischenzeit irgendjemand versucht, sie und General Drakon bei zwei separaten Anschlägen zu töten und es so aussehen zu lassen, als würden sie sich gegenseitig nach dem Leben trachten.

»Madam Präsidentin?« Die Anfrage kam über ihren allgemeinen Komm-Kanal rein. »Die Presseleute sind da und wollen Ihre Erklärung zu den Wahlen auf der unteren politischen Ebene hören. Es könnte sein, dass sie versuchen Fragen zu stellen.«

Iceni seufzte leise und antwortete: »Schon in Ordnung. Schicken Sie sie rein, und sagen Sie ihnen, ich werde jede Frage beantworten, die ich für angemessen halte.«

Ganz gleich, wie unangenehm diese Fragen auch werden sollten, sie waren zweifellos leichter zu beantworten als die Fragen, die ihr privat zu schaffen machten.

»Das gefällt mir überhaupt nicht«, beklagte sich Kapitan Stein und schaute genauso unglücklich drein, wie sie sich anhörte. Ihr Schwerer Kreuzer war einer von zweien im Orbit um den Gasriesen, deren Aufgabe es war, das Schlachtschiff Midway und die Orbitaleinrichtung zu beschützen. Ihr Schiff war zwei Lichtsekunden vom Dock der Einrichtung entfernt, auf dem sich Gaiene aufhielt, sodass es bei der Unterhaltung zu keinen spürbaren Verzögerungen kam.

Colonel Conner Gaiene zuckte mit den Schultern, um eine Entschuldigung anzudeuten, und hob die Hände, was so viel bedeuten sollte wie: Was bleibt uns anderes übrig? »Sie tun ja nur so, als würden Sie die Flucht ergreifen«, fügte er dann noch an.

»Kämen unsere Befehle nicht von der Präsidentin persönlich, würden die Gryphon und die Basilisk in der Nähe der Einrichtung bleiben und kämpfen!«

War er jemals so enthusiastisch gewesen wie diese Kapitan Stein? Es fiel ihm schwer, sich daran zu erinnern. So wie viele andere Offiziere bei den mobilen Streitkräften war Stein für ihren Dienstrang recht jung. Die dienstälteren Offiziere waren auf unterschiedliche, aber in jedem Fall fatale Weise vom Schicksal heimgesucht worden, als das Sternensystem gegen das Syndikat rebelliert hatte. »Entfernen Sie sich nicht zu weit. Es könnte sein, dass wir die vier Jäger rund um den Schlachtkreuzer vertreiben müssen.«

»Wir werden mehr tun als sie nur zu vertreiben«, versicherte Stein ihm und ergänzte: »Lassen Sie sich von Kontos keine Vorschriften machen.«

»Kommen Sie, Kapitan. Ich weiß, Kapitan-Leytenant Kontos wurde ziemlich schnell bis weit nach oben befördert, aber so ist es doch uns allen ergangen, nicht wahr?«

Stein lächelte ihn an. »Nicht Sie bei den Bodenstreitkräften. Sie hätten mehr von Ihren Supervisoren töten sollen.«

»Ich war einer dieser Supervisoren«, machte Gaiene ihr klar. »Und ich fühle mich auf meinem Platz in der Befehlshierarchie sehr wohl. Wenn Sie irgendwann mal die Oberfläche besuchen, dann kommen Sie bei mir vorbei, damit wir bei einem Drink das Thema vertiefen können.«

Kapitan Stein hatte diesen Gesichtsausdruck, als würde sie sich fragen, ob er wirklich gerade eben versucht hatte, sich an sie ranzumachen. Dann schien sie aber zu dem Schluss gekommen zu sein, dass Gaiene das so nicht gemeint haben konnte. »Der Sprungpunkt von Maui ist von unserer momentanen Position am Gasriesen zweieinhalb Lichtstunden entfernt. Wenn wir die Ankunft der feindlichen Flotte sehen, werden wir mindestens drei Stunden warten. Bis dahin sollten sie sich auf Vektoren festgelegt haben, die klar erkennen lassen, ob sie hierher unterwegs sind. Dann werden wir so tun, als würden wir uns entfernen und Sie Ihrem Schicksal überlassen.«

»Versuchen Sie nicht, sich meinetwegen mit diesem Monster anzulegen«, warnte Gaiene. »Ich habe keine Lust, eine Traueransprache für die Gryphon zu halten.«

Stein lachte, weil sie entweder den Witz verstanden hatte oder weil sie nicht unhöflich sein wollte. Ihm war aufgefallen, dass mit den Jahren jüngere Frauen verstärkt dazu neigten, ihn höflich zu behandeln. Für jeden Mann mit eindeutigen Absichten war das ein sehr schlechtes Zeichen. Aber zumindest wurde er von jungen Frauen nicht ausgelacht, sagte er sich, als er die Unterhaltung mit Stein beendete. Bevor es dazu kommt, werde ich bestimmt noch Gelegenheit haben, einen ehrenvollen Tod in der Schlacht zu finden. Oder einen ehrlosen Tod, herbeigeführt vom aufgebrachten Verwandten einer Geliebten. Ich frage mich, wie lange es noch dauern wird, bis der Moment kommt, an dem es mir egal ist, ob es auf die eine oder die andere Weise geschieht.

»Da sind sie.« Lieutenant Colonel Safir, die befördert worden war, um den Platz als Gaienes Stellvertreter zu übernehmen, der nach der Versetzung von Lieutenant Colonel Lyr auf das Orbitaldock bei Taroa frei geworden war, betätigte eine Taste, um ein Display gleich neben ihr zu aktivieren.

Colonel Gaiene legte den Kopf ein wenig schräg, als betrachte er intensiv das Display. »Das sind nur Lichtpunkte.«

»Ich kann das vergrößern.« Die kleinen Punkte wurden größer und nahmen schließlich die Gestalt von Haien an, die die Bodenstreitkräfte zu fürchten und zu hassen gelernt hatten. Ein großer Hai flog voran, vier deutlich kleinere Schiffe folgten ihm wie Putzerfische.

»Unsere Ziele«, kommentierte Gaiene. »Wieso habe ich mich dafür bloß freiwillig gemeldet?«

»Haben Sie nicht«, widersprach ihm Safir. »Keiner von uns hat das. Uns wurde einfach gesagt, was wir zu tun haben.«

»Ach, deshalb sind wir hier.«

Safir grinste ihn an. Sie hatte kein Problem mit seinem Sarkasmus, und sie wusste genau, wann er etwas ernst meinte und wann es ihm nur darum ging, Gefühle zu überspielen und zu verdrängen. Sie hatte ihm auch zu verstehen gegeben, dass sie kein Interesse an einer engeren Beziehung hatte, selbst wenn Gaiene sich über Drakons ausdrücklichen Befehl hinweggesetzt und sein Glück bei ihr versucht hätte. Alles in allem war sie eine wertvolle Stellvertreterin. »Wann ist der Frachter aufgebrochen?«, wollte er wissen.

»Vor sechs Stunden.« Safir deutete auf einen Teil des Displays. »Er fliegt gemütlich zurück, so als wäre er auf dem Rückweg von einem routinemäßigen Versorgungsflug. Der letzte Soldat und der letzte Rest Ausrüstung sind vor fünf Stunden an Bord geholt worden.

»Gut gemacht!« Gaiene unterstrich sein Lob mit einer extravaganten Geste. »Unsere neuen Freunde aus Ulindi werden hier nichts Ungewöhnliches entdecken.«

»Nur ein funktionsunfähiges Schlachtschiff mit minimaler Besatzung, das man sich einverleiben kann.« Safir wurde ernst und sah Gaiene skeptisch an. »Was meinen Sie, wie unsere Chancen stehen?«

»Wenn unsere Gegner siegessicher sind? Dann gar nicht so schlecht. Und sie haben allen Grund siegessicher zu sein, denn wenn wir nicht mal einen Tag Vorwarnung gehabt hätten, dann wäre ihre Haltung sogar gerechtfertigt. Und dieses Schlachtschiff wäre für uns verloren.« Gaiene schürzte nachdenklich die Lippen. »Wir müssen überlegt vorgehen und dafür sorgen, dass unsere Leute richtig aufgeteilt werden, damit sie unsere Gäste angemessen empfangen können. Wie schnell sind die überhaupt?«

»0,1 Licht. Die mobilen Streitkräfte haben das korrekt eingeschätzt.«

»Immerhin ist das ja auch ihr Schlachtfeld.« Gaiene betrachtete die weit entfernten Hai-Konturen und die darunter angezeigten Vektordaten. »Wenn sie die Geschwindigkeit beibehalten, haben wir mehr als einen Standardtag Zeit, um uns auf ihren Empfang vorzubereiten.«

Wieder musste Safir lächeln. »Irgendwie eigenartig, dass wir jetzt zusehen können, wie unser Gegner fünfundzwanzig Stunden lang auf uns zurast. Es sieht aus, als würden sie in irgendeiner Masse feststecken und könnten sich kaum von der Stelle rühren.«

»Und in Wahrheit befinden sie sich mitten im Nichts und bewegen sich rasend schnell.« Gaiene sah Safir an. »Sie haben doch schon mal Enteroperationen mitgemacht, nicht wahr?«

»Nur einmal. Als Junior Executive. Das ist schon eine Weile her.«

»So geht es uns allen«, sagte Gaiene mit gespielter Traurigkeit und entlockte ihr mit seiner kaum verhüllten Anspielung erneut ein Lächeln. »Aber wir reden hier von Enteroperationen, nicht von persönlichen Problemen. Wir von den Bodenstreitkräften sind hier im All nicht in unserem Element. Das All ist zu groß, zu schnell, zu fremdartig; ganz im Gegensatz zu einem Planeten, einem Asteroiden oder einer Orbitalstation. Begrenzen wir also die Zeit, die wir während dieser Operation im All verbringen müssen, auf ein Minimum. Wir kämpfen hier auf dem Schiff, anschließend kämpfen wir auf dem anderen Schiff weiter. So einfach ist das.«

»Nur mit dem Problem, dass alles Einfache eigentlich sehr schwierig ist.«

Gaiene nickte anerkennend. »Sie haben die Klassiker gelesen. Sehr gut. Haben Sie vor, diese Brigade zu befehligen?«

Safir lächelte diesmal viel verhaltener. »Ich bin damit zufrieden, Stellvertreterin zu sein.«

»Das war ich auch.« Der damalige Brigadekommandant war im gleichen Gefecht gefallen wie … Gaiene spürte, wie sich die Finsternis auf ihn legte, und er versuchte das Thema zu wechseln. »Gehen wir noch einmal durch, wo jeder Einzelne in dieser großen mobilen Einheit seine Position einnehmen wird. Ich will, dass die gesamte Brigade eine Stunde vor Eintreffen unserer Gäste einsatzbereit ist.«

»Jawohl, Sir.« Safir rief einen Deckplan des Schlachtschiffs auf, dann machten sie sich an die Arbeit.

Schlachtschiffe hatten normalerweise mehrere tausend Besatzungsmitglieder an Bord. Bis vor Kurzem hatten sich auf der Midway aber nur ein paar hundert aufgehalten, und der größte Teil davon war auf die Ausrüster entfallen, also Spezialisten, die sich um die Einrichtung eines Schiffs kümmerten, die nicht zu den mobilen Streitkräften gehörten. Sie hätten zwar versuchen können, sich gegen die Art von Enterteams zu wehren, die sehr wahrscheinlich vom Schlachtkreuzer an Bord übersetzen würden, aber sie hätten letztlich nichts gegen sie ausrichten können.

Doch ein Kriegsschiff, das Tausenden von Besatzungsmitgliedern Platz bot, konnte mühelos auch tausend Soldaten Platz bieten.

»Die letzten Ausrüster haben die Midway verlassen und auf der Orbitalstation Schutz gesucht«, meldete der tatsächlich sehr junge Kapitan-Leytenant Kontos. »Wenn der Schlachtkreuzer das von mir erwartete Manöver ausführt und mit hoher Geschwindigkeit näher kommt, um dann massiv abzubremsen, werden sie in weniger als einer Stunde hier eintreffen.«

Wie seine Soldaten trug auch Colonel Gaiene Gefechtsrüstung und wartete an der Stelle im Schlachtschiff, von wo aus er den Kampf beginnen würde. Er musterte den jugendlichen Kapitan-Leytenant Kontos mit einem wohlwollenden Blick, der jeden Anflug von Melancholie oder Wehmut überdeckte. So jung und enthusiastisch war er auch einmal gewesen; doch das war schon allzu lange her, wie es ihm heute schien. Aber hin und wieder gelang es jemandem wie Kontos, ihm dabei zu helfen, sich zu erinnern. »Haben die Ausrüster auch ein überzeugendes Maß an Panik zur Schau gestellt?«, fragte er.

»Wenn ich nicht wüsste, dass es nur gespielt war, hätte ich ihnen ihre Eile tatsächlich abgenommen«, erwiderte Kontos erfreut. »Unter uns gesagt vermute ich, dass ein paar Ausrüster tatsächlich in Panik waren.«

»Das denke ich auch.«

»Die Gryphon und die Basilisk sind zwei Lichtminuten von uns entfernt. Sie erwecken tatsächlich den Eindruck, als würden sie nur auf einen Vorwand warten, um ganz schnell auf noch größeren Abstand zu gehen. Die Streitkräfte von Supreme CEO Haris haben beiden Kreuzern das Angebot unterbreitet, zu ihnen überzulaufen. Man bietet ihnen Reichtum, schnelle Beförderung und mehr Glück, als sich irgendein Mensch vorstellen kann.«

Gaiene konnte darüber nur spöttisch lächeln. »Klingt ja verführerisch.«

»Ich glaube nicht, dass die Gryphon und die Basilisk sich in Versuchung führen lassen werden«, erwiderte Kontos völlig ernst. »Das Personal der mobilen Streitkräfte, das sich noch an Bord der Midway befindet, hat sich komplett in die Zitadellen zurückgezogen. Wir werden die Zugänge versiegeln, wenn sich der Schlachtkreuzer nähert.« Kontos machte einen unzufriedenen Eindruck. »Ich wünschte, ich könnte Sie bei Ihrer Operation stärker unterstützen, aber wenn wir eine von unseren wenigen verfügbaren Waffen abfeuern, treffen wir möglicherweise Ihre eigenen Soldaten.«

»Und der Schlachtkreuzer würde das Feuer erwidern«, machte Gaiene dem Mann klar. »Wir wollen nicht, dass Ihr hübsches neues Schiff irgendwelche Schrammen abbekommt. Das würde Ihrer Präsidentin gar nicht passen, und ich möchte nicht bei ihr in Ungnade fallen.«

»Präsidentin Iceni ist eine großartige Führerin«, gab Kontos zurück.

Er glaubt, was er da sagt. Und vielleicht hat er damit auch recht. Aber ihm fehlt die nötige Erfahrung um zu erkennen, dass auch der großartigste Führer sein Volk in verheerende Katastrophen führen kann. Hoffentlich ist das hier nicht der Fall. Iceni ist schon eine verdammt tolle Frau. Zu schade, dass sie nie versucht hat, mich zu verführen. Ich würde es bei ihr nicht wagen. Wenn sie mich dafür nicht umbrächte — General Drakon würde es tun. »Sie ist beeindruckend«, kommentierte Gaiene.

»Ja.« Kontos klang fast ehrfürchtig.

Er betet diese Frau an. Armer Junge. Ich hoffe, es reißt ihm kein allzu großes Loch ins Herz, wenn er irgendwann mit der Wirklichkeit konfrontiert wird.

»Ich habe eine weitere Nachricht vom Schlachtkreuzer erhalten«, sagte Kontos und klang wieder etwas sachlicher.

»Ihr persönliches Angebot für Reichtum, Beförderung und alles andere?«

»Nein, das wurde mir nicht angeboten. Vermutlich weiß der gegnerische Befehlshaber, dass ich unsere Präsidentin niemals verraten würde.«

Oder weil der Mann keine Veranlassung sieht, dir irgendwas anzubieten. Immerhin glaubt er, dass das Schlachtschiff nichts weiter als eine reife Frucht ist, die er nur noch pflücken muss. »Und was sagen die Ihnen?«, wollte Gaiene wissen.

»Sie verlangen, dass ich ihre Aufforderung zur Kapitulation bestätige.«

»Lehnen Sie ab, und sagen Sie ihnen, dass Sie dieses Schiff bis zum letzten Atemzug verteidigen werden.«

Kontos kniff verwundert die Augen zusammen. »Ich soll sie wissen lassen, dass sie mit erheblichem Widerstand rechnen müssen?«

»Was Sie damit machen«, erklärte Gaiene geduldig, »ist, sie glauben zu lassen, dass Sie sich dem Enterteam mit aller Macht widersetzen werden. Viel kann das natürlich nicht sein, schließlich sollte sich ja nur eine Minimalcrew an Bord befinden. Aber die Aussicht darauf, dass Sie entschlossen sind Widerstand zu leisten, wird sie veranlassen, ein großes Enterteam rüberzuschicken, um Ihre Gegenwehr so schnell wie möglich zu überrennen. Wenn dieses Enterteam an Bord kommt, werden meine Soldaten es eliminieren, und wenn wir dann an Bord des Schlachtkreuzers gehen, haben wir dort weniger Crewmitglieder, die ihrerseits uns Gegenwehr leisten können.«

»Ah, verstehe. Ich soll also verzweifelt und entschlossen wirken.«

»Ganz genau.« Gaiene brachte es fertig, den jungen Kapitan-Leytenant dabei anzulächeln.

»Das kriege ich hin«, gab Kontos etwas leiser zurück. »Ich weiß, wie sich das anfühlt. Bei Kane. Auf diesem Schlachtschiff, auf dieser Brücke, während wir Tag für Tag damit rechnen mussten, dass die Schlangen durchkommen.«

Mit einem Mal sah er Kontos mit ganz anderen Augen. Der Junge hat schon einiges durchgemacht. Das will man gar nicht glauben. Er zeigt seine Narben nicht, aber sie sind da, nicht wahr, Junge? Manchmal verblassen sie mit der Zeit. Wenn man Glück hat. »Was Sie bei Kane geleistet haben, war außergewöhnlich, Kapitan-Leytenant Kontos. Danach dürfte diese kleine Operation hier eine Leichtigkeit werden. Entweder funktioniert unser Plan, dann können wir schon in Kürze unseren Sieg feiern, oder es wird ein völliger Fehlschlag, und wir sind in Kürze alle tot.«

Kontos lächelte und nickte, ohne Gaiene aus den Augen zu lassen. »Das ist wahr. Ich werde den Kommandanten dieses Schlachtkreuzers unterhalten und ihn ablenken, so gut es geht. Geben Sie mir Bescheid, wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann.«

»Sorgen Sie nur dafür, dass die Zitadellen fest verschlossen bleiben. Den Rest erledigen diesmal wir.«

Kontos salutierte förmlich, dann wechselte das Bild und zeigte, was sich draußen im All abspielte.

»Weniger als eine Stunde«, wandte sich Gaiene über den Komm-Kanal an die Soldaten seiner Brigade. »Ich erwarte in einer halben Stunde volle Gefechtsbereitschaft.«

Im Verlauf der nächsten fünfundvierzig Minuten beobachtete Gaiene, wie der Schlachtkreuzer herangeschossen kam. Zunächst nur als Punkt in dem flammenden Licht der mit Höchstleistung abbremsenden Antriebseinheiten, bis es sich in einer relativen Position zum Schlachtschiff befand und den Eindruck erweckte, als wäre es zum Stillstand gekommen. Als es dann nur noch deutlich langsamer näher kam, entstand die optische Täuschung, dass das riesige Kriegsschiff sich immer weiter aufblähte.

»Ich habe Enteroperationen noch nie leiden können«, ließ Lieutenant Colonel Safir von ihrem Posten irgendwo auf dem Schiff verlauten. Die fast tausend Soldaten, die sie mitgebracht hatte, waren auf vier große Verladehangars verteilt. Jeder Hangar beherbergte damit rund zweihundertfünfzig Soldaten, die so positioniert waren, dass fast jeder von ihnen freie Schussbahn auf die Angreifer haben würde, ohne seine Kameraden zu gefährden. Angesichts des verfügbaren Raums war eine sorgfältige Planung erforderlich gewesen, um dieses Resultat zu erzielen. »Ich habe nur eine mitgemacht, und damit verbinde ich keine guten Erinnerungen.«

»Wir werden an dieser Operation mehr Spaß haben als die Gegenseite«, erwiderte Gaiene. Das Universum war für ihn lange Zeit nur ein düsteres, trübes Etwas gewesen, in dem nur Gefechte, Alkohol oder Frauen für ein wenig Licht sorgen konnten. Erinnerungen hätten etwas mehr Licht und Farbe reinbringen können, doch damit wäre auch der Schmerz zurückgekehrt, also gab er sein Bestes, um alles von sich fernzuhalten.

Der Ring an seiner linken Hand war unter dem Schutzhandschuh verborgen, aber er vergaß nie, dass er sich dort befand. Auch wenn sonst nichts blieb, der Ring war stets da.

Seine Laune besserte sich dank der Aussicht auf den bevorstehenden Kampf, und für den Augenblick vermochte er die Leere und die Erinnerungen zu vergessen, gegen die er Tag für Tag ankämpfte.

Die Verbindung zu den externen Sensoren des Schlachtschiffs bildete den Schlachtkreuzer ab, der jetzt ganz nahe herangekommen war. »Fünf Minuten«, warnte Kapitan-Leytenant Kontos über die Bordlautsprecher. »Die Gryphon und die Basilisk haben die Nachricht übermittelt, dass sie Haris’ Angebot annehmen. Sie ändern die Vektoren, um sich dem Schlachtkreuzer anzuschließen!«

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