Neunzehn

»Als Morgan sagte, sie kenne mein Geheimnis, da dachte ich, sie meint damit, dass sie nicht nur die DNS-Abweichung, sondern auch unsere wahre Beziehung kennt«, erläuterte Malin, der immer noch ruhig und gelassen redete, obwohl das der Situation nicht angemessen war. »Ich gebe zu, ich habe nicht richtig reagiert.«

Drakon hatte bislang hinter seinem Schreibtisch gestanden, aber jetzt setzte er sich abrupt hin und fragte: »Wie soll das möglich sein? Sie beide sind doch fast gleich alt … Die Mission!«

»Richtig, Sir«, bestätigte Malin, der jetzt zügiger redete, da das Geheimnis gelüftet worden war. »Die Mission. Als Colonel Morgan sich mit nicht mal achtzehn Jahren freiwillig für ein Selbstmordkommando meldete, mit dem man mehr über die Enigmas herausfinden wollte, da legte man sie und die anderen Freiwilligen in einen künstlichen Kälteschlaf. Zweiundzwanzig Jahre später wurde die Mission vorzeitig beendet, und nur sie und ein weiterer Freiwilliger kehrten lebend heim.«

»Das ist mir bekannt«, sagte Drakon. »Auch wenn man schnell vergisst, dass Morgan genau genommen zweiundzwanzig Jahre jünger ist, als sie äußerlich den Anschein erweckt. Zweiundzwanzig Jahre, weil man im gefrorenen Zustand nicht altert. Aber wie …?«

»Meine Mutter war eine von den Medizinischen Executives, die die Freiwilligen auf den Kälteschlaf vorbereiteten«, erklärte er. »Als sie mit Morgan beschäftigt war, stellte sie fest, dass die noch nicht mal achtzehn Jahre alte Morgan schwanger war, allerdings in einem so frühen Stadium, dass sie selbst noch nicht mal etwas davon wissen konnte.«

»Eine letzte Affäre, bevor sie sich auf eine Mission ohne Wiederkehr begab«, mutmaßte Drakon.

»Sehr wahrscheinlich, Sir. Die Vorschriften besagten, dass der Embryo in einer solchen Situation vernichtet werden sollte. Die Medizinische Executive Flora Malin konnte ihrerseits nicht schwanger werden, weil sie durch die Forschungsprojekte, die später ihren Tod bewirken sollten, körperlich bereits in Mitleidenschaft gezogen worden war. Da ihr sehr zu schaffen machte, dass sie ihren Mann im Krieg verloren hatte, betrachtete sie die Entdeckung des Embryos als ein Geschenk. Anstatt ihn zu vernichten, bewahrte sie ihn auf und ließ ihn sich einige Zeit später einsetzen, um ihn auszutragen. Nach einer Weile brachte sie mich dann zur Welt.« Einen Moment lang kniff Malin die Augen zu. »Ich wusste es nicht. Ich hatte keine Ahnung und kam erst dahinter, als ich im Begriff war, mich den Streitkräften des Syndikats anzuschließen und dafür meine Heimat zu verlassen. Da vertraute mir meine Mutter die Wahrheit an, weil ich wissen musste, dass es Abweichungen zwischen meiner offiziellen DNS-Identität und demjenigen gibt, der ich tatsächlich bin. Durch ihre Position im medizinischen Dienst war es Flora Malin möglich gewesen, diese Tatsache zu vertuschen, und nun würde ich das Gleiche tun müssen, wenn ich mich nicht öffentlich zu meiner leiblichen Mutter bekennen wollte.«

Drakon lehnte sich zurück und brauchte einen Augenblick, ehe er etwas sagen konnte. »Und Morgan war von ihrer Mission zurückgekehrt.«

»Richtig, Sir, und zwar genau zu diesem Zeitpunkt. Deshalb war das Täuschungsmanöver notwendig geworden. Meine Mutter Flora, die ursprünglich damit befasst gewesen war, Morgan in den Kälteschlaf zu versetzen, sollte sie nun wiederbeleben.« Malin verzog den Mund zu einem ironischen Grinsen. »Sie wurde von Schuldgefühlen geplagt, weil sie Morgans Kind zu ihrem eigenen Kind gemacht hatte. Also beschloss sie, Morgan zu helfen, so gut sie nur konnte.«

Damit erklärte sich auch das Rätsel, das Drakon nicht hatte ruhen lassen. »Morgan wurde für den aktiven Dienst und später für die Beförderung in den Offiziersrang freigegeben, obwohl sich ihre psychologische Beurteilung im Grenzbereich bewegte. Sie hatte keinen Gönner, der sich für sie einsetzen konnte, aber Ihre Mutter war im medizinischen Dienst, und sie sorgte dafür, dass Morgan diese Unbedenklichkeitsbescheinigung bekam.«

»Ja, Sir. Allerdings hätte sie davon nicht viel gehabt, wenn Sie nicht Morgan eine Chance gegeben hätten, obwohl ihre psychologische Einschätzung nicht die beste war.« Malin senkte den Blick. »Nachdem ich mich den Streitkräften angeschlossen hatte, dauerte es eine Weile, bis ich herausfand, wo Morgan war. Ich war mir nicht im Klaren, ob ich ihr tatsächlich begegnen wollte. Flora warnte mich, weil ich es vielleicht bereuen würde, aber als sie dann im Sterben lag, drängte sie mich, ich solle auf mein Herz hören. Das tat ich und arrangierte eine Versetzung unter Ihr Kommando, da Morgan unter Ihnen diente.« Ein kurzes, spöttisches Lachen kam ihm über die Lippen. »Und so kam ich her, um meine leibliche Mutter kennenzulernen.«

»Und dann fanden Sie Morgan vor.«

»Ja, dann fand ich Morgan vor«, bestätigte Malin.

Drakon musterte den Mann, während er in seinen Erinnerungen suchte. »Morgan konnte Sie vom ersten Moment an nicht leiden.«

»Ich habe mich gefragt, ob sie schon in diesem ersten Moment irgendetwas bemerkt hatte«, sagte Malin.

»Danach dauerte es nicht lange, und Sie konnten sie auch nicht mehr leiden.«

»Sie ist Morgan, Sir.«

»Und sie ist Ihre Mutter.« Drakon schlug mit der Faust auf den Tisch. »Dieser Zwischenfall auf der Orbitalplattform … Sie wollten sie tatsächlich nicht umbringen, sondern Sie haben nur versucht, Morgan das Leben zu retten. Sie haben versucht, Ihrer …«

»… meiner Mutter das Leben zu retten.«

Drakon sah Malin lange Zeit an, während weitere Erinnerungen an die Oberfläche drangen. »Sie haben diesen Posten hier behalten, damit Sie Ihre Mutter beschützen können? Die ganze Zeit über … Malin, sie ist Morgan!«

»Ich weiß«, brachte er nur erstickt heraus.

»Und sie hat keine Ahnung?«

»Jedenfalls nicht auf einer bewussten Ebene, Sir. Allerdings bin ich mir sicher, dass sie es auf einer unterbewussten Ebene sehr wohl weiß.«

»Ich würde sagen, es ist verdammt sicher, dass sie es weiß, selbst wenn es ihr nicht bewusst ist!«, fuhr Drakon den Mann an. »Normalerweise legt sie eine brennende Entschlossenheit an den Tag, wenn sie es auf jemanden abgesehen hat. Aber was Ihnen von ihr entgegenschlägt, das ist blanker Hass. Warum um alles in der Welt sind Sie in ihrer Nähe geblieben? Warum fühlen Sie sich verpflichtet, sie zu beschützen?«

Malin sah vor sich auf den Schreibtisch und hielt die Hände so fest verschränkt, dass Muskeln, Adern und Knochen sich deutlich unter der Haut abzeichneten. »Meine Mutter Flora ist nicht die Einzige, die von Schuldgefühlen geplagt wird.«

Kein Täuschungsmanöver festgestellt, ließen die Sensoren Drakon wissen.

Als Malin ihn dann wieder anschaute, wirkte er entspannter. »Und nachdem ich Sie, Sir, und Morgan besser kennengelernt hatte, fühlte ich mich verpflichtet, Sie vor ihr zu beschützen.«

Kein Täuschungsmanöver festgestellt.

»Spielt die Tatsache dabei eine Rolle, dass sie Ihre leibliche Mutter ist? Fühlen Sie sich deswegen ihr gegenüber verpflichtet?«

Diesmal dauerte es ein wenig, ehe er antwortete. »Ja, Sir. Mir ist klar, dass das eigentlich keinen Sinn ergibt, aber … Ja.«

Kein Täuschungsmanöver festgestellt.

Drakon musterte Malin eine Zeit lang und überlegte, was er tun sollte. Der Tatbestand der Manipulation offizieller Unterlagen war hier eindeutig erfüllt, und so etwas galt nicht als Kavaliersdelikt. Aber die Gründe für die Fälschung waren nur allzu verständlich. Wäre Morgan meine Mutter, wäre das das Mindeste, was ich getan hätte, um die Verbindung zu verheimlichen.

Morgan war also Malins Mutter. Das erklärte einiges. Vor allem bestimmte Ähnlichkeiten im Wesen, die Drakon schon seit langer Zeit irritierten, die er aber immer wieder als Zufälle abgetan hatte.

Die Frage war aber auch, wie sich das Verhältnis zwischen den beiden wirklich gestaltete. Drakon war immer davon ausgegangen, dass die zwei sich gegenseitig kontrollierten und auf die Finger schauten, aber wenn sich Malin gegenüber Morgan verpflichtet fühlte … Wie weit reichte dann diese Verpflichtung? Er war der Meinung gewesen, die Beziehungen zwischen Malin und Morgan verstanden zu haben, doch jetzt war er sich gar nicht mehr so sicher. Mir war nicht bewusst, dass sie auf diese Weise miteinander verbunden sind. Was gibt es noch alles, das mir nicht klar ist? Spielen sich hinter der Fassade, die ich für die Realität gehalten habe, noch ganz andere Dinge ab?

Colonel Malin räusperte sich schließlich, um der Totenstille ein Ende zu setzen. »Sir, was meine Verpflichtung angeht, Sie vor Morgan zu beschützen … Genau die ist der Grund dafür, dass ich zu Ihnen gekommen bin. Es gibt da eine Sache, die Sie über Morgan wissen müssen.«

Drakon legte die Hände vors Gesicht und übte leichten Druck aus, um Ruhe in seinen Kopf zu bringen, in dem sich die Gedanken überschlugen. »Ich kann es nicht erwarten, das zu erfahren, und ich bin mir sicher, Sie haben entsprechende Beweise. Wenigstens weiß ich, dass es nicht darum geht, dass Morgan die Mutter von noch jemandem ist.«

Es folgte ein so langes und beharrliches Schweigen, dass Drakon schließlich die Hände sinken ließ und er Malin auffordernd ansah. »Also, was ist es?«

»Das haben Sie gerade eben selbst gesagt, General.« Malin deutete vage in die Richtung, in der Morgans Quartier lag. »Colonel Roh Morgan hat noch kein anderes Kind, aber ich habe herausgefunden, dass sie schwanger ist.«

Na, großartig! Wer zum Teufel hat denn … Plötzlich erfasste ihn eine eisige Kälte. »Morgan ist schwanger.«

»Ja, Sir.« Malin musste sich sichtlich zum Weiterreden durchringen. »Sie sind der Vater. Deshalb hat sie Sie auf Taroa verführt.«

Diesmal kam ihm ins Gedächtnis, wie Morgan ihn tags darauf angelächelt hatte. »Würden Sie mir verraten, was Sie damit bezwecken wollten?«, hatte Drakon von ihr wissen wollen.

»Ich glaube, es war doch ziemlich offensichtlich, was ich letzte Nacht erreichen wollte. Und es ist mir auch gelungen«, hatte ihre Antwort gelautet.

Da war ihm nicht klar gewesen, wie sie das gemeint hatte, und er wäre nicht mal im Traum auf die Idee gekommen, eine solche Absicht überhaupt nur in Erwägung zu ziehen. Nicht bei Morgan. »Aber … warum?«, brachte Drakon schließlich raus.

Malin zuckte mit den Schultern, er hatte seine Fassung weitestgehend zurückerlangt. »Wir können wohl ausschließen, dass sie so etwas wie Muttergefühle entwickelt hat. So … eigen sie auch ist, kann Morgan für Männer doch sehr begehrenswert sein. Das heißt, wenn sie einfach ein Kind gewollt hätte, dann hätte sie sich dafür einen beliebigen Mann suchen können. Aber sie wollte speziell von Ihnen ein Kind, General.«

Morgan als Mutter seines Kindes? Ein altes Sprichwort besagte, wenn man etwas getan hatte, von dem man wusste, es war verkehrt, dann musste man früher oder später dafür teuer bezahlen. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass der Preis so hoch ausfallen könnte.

Drakon sah Malin an, da ihm etwas dämmerte. »Deshalb waren Sie auch so wütend auf sie. Deshalb hatten Sie Ihre Waffe gezogen und auf sie gerichtet. Das geschah nicht aus Angst davor, dass sie die Wahrheit über das Verhältnis zwischen Ihnen beiden herausgefunden haben könnte. Sie wussten, dass sie von mir schwanger ist. Dass die Frau schwanger ist, von der Sie als ihr leibliches Kind vom ersten Moment an instinktiv zurückgewiesen worden sind.«

»Es geht nicht um mich«, widersprach Malin. Die Sensoren in seinem Stuhl waren sich uneins in ihrer Bewertung und gelangten schließlich zu einem gemäßigten Urteil: Wahrscheinlich kein Täuschungsmanöver.

Oder Selbsttäuschung, ergänzte Drakon insgeheim.

»Sie hat eine Verwendung für das Kind«, fuhr Malin fort. »Sie kennen sie. Morgan wollte aus einem bestimmten Grund das Kind von Ihnen. Den Grund kenne ich nicht, aber …«

»Ein Kind von mir wird ganz sicher nicht von Roh Morgan großgezogen!« Drakon stand auf und atmete schnaubend ein und aus, während er sich gegen das Verlangen wehrte, zu Morgan zu stürmen und sie … Was denn eigentlich?

»General.« Malins eindringlicher Tonfall durchdrang Drakons verworrene Gedanken. »Morgan darf nichts über mich erfahren. Ich weiß nicht, wie sie dann reagieren würde.«

Drakon lachte rau auf. »Morgan? Ich glaube nicht, dass Sie davor Angst haben müssen, sie könnte vor Rührung in Tränen ausbrechen und ihr so lange verschollenes Baby an ihre Brust drücken.« Er verstummte und versuchte, klarer zu denken. »Nein, ich werde ihr nichts sagen. Aber woher wollen Sie wissen, dass sie nicht selbst versucht, diese DNS abzugleichen?«

»Vermutlich aus dem gleichen Instinkt heraus, der ihren Hass auf mich auslöst«, antwortete er schulterzuckend. »Morgan wird diesen Abgleich nicht vornehmen, weil ihre innere Stimme ihr sagt, dass ihr die Antwort nicht gefallen wird. Aber falls sie es doch macht, habe ich vorsorglich in allen Systemen Melder installiert, die anschlagen, sobald dieser Abgleich vorgenommen wird. Ich erfahre dann auch sofort, wer die Abfrage gestartet hat, und dann werde ich die notwendigen Schritte unternehmen, um mich zu schützen.«

»Warum haben Sie mir davon nie etwas gesagt?«, wollte Drakon wissen.

»Sir, müssen Sie mich das wirklich erst noch fragen?« Malin schüttelte den Kopf. »Zeitweise war ich versucht, es zu tun, aber ich konnte mich nie dazu durchringen.«

Kein Täuschungsmanöver festgestellt.

Aber was sagt mir Malin nicht? Welche Antworten vermeidet er, weil er weiß, dass sie als Täuschungsmanöver gedeutet würden? Malin ist ein Experte darin, Verhörsysteme zu überlisten. Darum ist er ja auch einer meiner besten Verhörspezialisten. Er kennt alle Tricks, die man in so einer Situation anwenden kann. Gwen hat mich gewarnt, dass ich auf meine Untergebenen gut aufpassen soll. Ich dachte, ich weiß alles Wichtige über Morgan und Malin, und dann muss ich erfahren, dass ich von der wichtigsten Sache überhaupt keine Ahnung habe.

Aber ich muss mich jetzt erst mal mit Morgan befassen. »Colonel Malin, ich muss wissen, dass ich Ihnen vertrauen kann.«

»Ich werde Ihre Interessen nicht hintergehen«, sagte Malin.

Kein Täuschungsmanöver festgestellt.

Schön und gut, aber was genau sollte das bedeuten?

Drakon warf ihm die Waffe zu. »Das wäre für den Augenblick alles. Ich werde jetzt zu Morgan gehen. Vermutlich wird es das Beste sein, wenn Sie mich nicht begleiten.«

Morgan saß lässig in ihrem Sessel und ließ einen Arm über die Rückenlehne baumeln. Als Drakon hereinkam, lächelte sie ihn an. »Ist er tot?«, fragte sie. »Ging es schnell, oder haben Sie sich Zeit gelassen?«

Drakon blieb vor ihr stehen, ohne dabei in ihre Reichweite zu gelangen. »Colonel Malin lebt. Er hat eine ausreichende Erklärung geliefert.«

Sie war einen Moment lang wie erstarrt, dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. »Sie haben ihn aus einem bestimmten Grund am Leben gelassen?«

»Ganz richtig.« Mehr würde er dazu nicht sagen. Sollte sich Morgan doch den Kopf darüber zerbrechen, welcher Grund das sein mochte. »Es gibt aber etwas, das wir beide besprechen müssen.«

»Hat das kleine Wiesel mir irgendetwas unterstellt?«, fragte sie mit gespielter Sorge.

»Wann wollten Sie mir sagen, dass Sie schwanger sind?«

Es kam selten vor, dass Morgan einen überrumpelten Eindruck machte, und selbst jetzt hatte sie sich nach einer Sekunde schon wieder im Griff. Dann lachte sie amüsiert. »Er hat es rausgefunden? Der Mann ist talentierter, als ich gedacht hatte. Und natürlich hat er es Ihnen sofort weitererzählt.«

»Beantworten Sie meine Frage, Colonel Morgan.«

»Redet man so mit der Mutter seines Kindes?«, neckte sie ihn und wechselte sofort in eine Abwehrhaltung über, als sie Drakons Mienenspiel bemerkte. »Ich hätte es Ihnen schon zum richtigen Zeitpunkt gesagt.«

»Und wie lange hätten Sie das vor mir geheim halten können?«

Morgan lächelte. »Sehr, sehr lange.« Sie legte eine Hand auf ihren flachen Bauch. »Hier ist nichts, was Sie etwas angehen könnte. Ich habe den Embryo entfernen und einer Leihmutter einsetzen lassen.«

Ihr freimütiges Geständnis ließ Drakon einen Moment lang zögern. »Sie glauben, ich kann diese Leihmutter nicht finden?«

»Ich glaube, General«, erwiderte sie mit einem leicht drohenden Unterton, »dass gewisse Vorkehrungen getroffen wurden, und wenn irgendjemand dieser Leihmutter zu nahe kommt, werden die Frau und das Kind sterben.« Das Lächeln kehrte zurück auf ihre Lippen. »Ich habe für alle Eventualitäten vorgesorgt. Das haben Sie mir so beigebracht. Wenn Sie mich verhaften oder unter Hausarrest stellen, dann könnte das Folgen haben. Vielleicht passiert auch gar nichts, aber das wissen Sie nicht. Falls mir etwas zustößt, wird aber auf jeden Fall etwas passieren. Eine schreckliche Vorstellung, so etwas auf dem Gewissen zu haben.«

»Warum wollten Sie dieses Kind haben?«, fragte Drakon.

Morgan sah ihn fast schon bewundernd an. »Das wissen Sie nicht? Wirklich nicht? Aber das war schon immer einer Ihrer Fehler, auch wenn Sie von denen nur wenige haben. Sie sind ein erstaunlicher Mann und ein erstaunlicher Befehlshaber, aber Sie scheinen einfach nicht begreifen zu können, wer und was Sie sind. Sie akzeptieren Grenzen, mit denen Sie nicht leben müssten.«

»Aber Sie wissen, was ich bin?«

»O ja.« Sie stand auf, ihre Augen strahlten vor Emotionen. »Sie haben es mir gezeigt und es mir beigebracht. Ich kenne Sie, und ich weiß, was ich bin. Kenne deinen Feind und kenne dich selbst, dann wirst du immer siegen. Das ist einer Ihrer Lehrsätze.«

»Der stammt nicht von mir, sondern aus der Antike.«

»Aber Sie verstehen, was dieser Satz bedeutet. Und Sie haben dafür gesorgt, dass ich ihn verstehe.« Morgan nickte und lächelte triumphierend. »Sie haben mir vieles beigebracht. Der kluge Befehlshaber trifft die richtigen Vorbereitungen und ergreift die nötigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass das Ziel erreicht wird.«

»Und welches ist Ihr Ziel?«, fragte Drakon leise, aber mit drohendem Unterton.

»Unser Kind, General Drakon. Ein Kind, das Ihre und meine Fähigkeiten auf sich vereint. Das in der Lage ist, alles zu erreichen, was es sich vornimmt, und das den Willen besitzt, sich dazu zu entscheiden, diese Dinge auch in Angriff zu nehmen.« Sie schüttelte den Kopf und lächelte auf eine Weise, als würde sie ihren Triumph mit Drakon teilen. »Ich verdanke Ihnen so viel, und das ist meine Art, mich bei Ihnen erkenntlich zu zeigen — mit einem Kind, das unsere besten Eigenschaften vereint.«

»Ich habe Sie nicht darum gebeten«, zischte Drakon ihr zu. »Was glauben Sie, was dieses Kind machen wird? Soll es dieses Sternensystem übernehmen?«

Morgan musste lachen. »Nur dieses Sternensystem? Das ist bloß der Anfang. Unser Kind wird ein Führer sein, der auf der Asche der Syndikatwelten ein Imperium errichten wird. Und vielleicht sogar ein Imperium, das weiter reicht, als es die Syndikatwelten jemals getan haben. Glauben Sie, selbst jemand wie Black Jack kann unserer Tochter noch widerstehen, wenn sie alt genug ist, um ihre Bestimmung zu erfüllen?«

»Unsere … Tochter?« Drakon wusste, dass er Morgan in diesem Moment nur ungläubig ansah. Er war einfach nicht in der Lage irgendetwas anderes zu tun, als ihr zuzuhören.

»Niemand wird sie aufhalten können«, flüsterte Morgan, doch es hörte sich an, als würde sie jedes Wort triumphierend hinausbrüllen. »Unter ihrer Herrschaft wird die Menschheit geeint werden.«

Dann endlich brach der Bann, da Morgans Worte in Drakons Kopf Bilder von einem neuen Krieg hervorriefen, gegen den sich der hundertjährige Konflikt zwischen den Syndikatwelten und der Allianz unbedeutend ausnahm. »Ich werde ein Mitspracherecht über das Schicksal meines Kindes haben«, beharrte Drakon. Morgan diensttauglich? Zum Teufel mit den Psychiatern und ihren nutzlosen Beurteilungen. Zum Teufel mit Malins Leihmutter, die mit dieser verdammten Unbedenklichkeitsbescheinigung nichts anderes wollte, als ihr eigenes schlechtes Gewissen zu erleichtern. Morgans Loyalität zu mir hat sich in Größenwahn gewandelt, der sie dazu veranlasst hat, ein Monster zu erschaffen. Und das auch noch mit meiner nichtsahnenden Unterstützung.

»Welches Mitspracherecht Sie haben, werde ich entscheiden«, ließ Morgan ihn wissen. »Unsere Tochter muss stark sein, und ich werde sicherstellen, dass sie das auch sein wird.«

»Ich werde das Mädchen finden, ganz egal, was Sie unternehmen.«

Morgan sah ihn besorgt an. »Was ich unternehme? General, Sie sollten aufhören, sich darüber Gedanken zu machen, was ich unternehmen werde. Alles, was ich tue, tue ich für Sie. Wenn Sie sich Sorgen machen wollen, dann nicht über mich oder über die Bürger, die im Augenblick ›Freiheit‹ spielen, oder über einen erneuten Angriff des Syndikats. Machen Sie sich lieber Sorgen darüber, was unsere Tochter tun wird.«

Drakon stand da und sah sie nur an, da ihm seine momentane völlige Hilflosigkeit allzu bewusst war. Ein Gedanke ging ihm durch den Kopf, der lauter war als alle anderen: Wie um alles in der Welt soll ich das Gwen Iceni beibringen? Und was wird sie machen, wenn sie von sich aus dahinterkommt?

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