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»Vielleicht diese?« fragte der Händler.

»Ich versuche den Aufenthaltsort eines Kaufmanns festzustellen, eines gewissen Grunt«, sagte ich.

Das nackte blonde Mädchen kauerte erschrocken an der Zementwand. Sie war an einen Mauerring gefesselt.

»Sie ist nicht ohne Reize«, sagte der Händler.

»Weißt du, wo man diesen Grunt finden könnte?« fragte ich.

Ein zweites Mädchen, ebenfalls blond, war in meine Nähe gekrochen. »Bitte kauf mich, Herr!« flüsterte sie unterwürfig. »Ich werde dir gut dienen.« Die Unterschiede zwischen Sklavinnen sind zuweilen sehr interessant. Das erste Mädchen war offenbar gerade erst gefangen worden; sie trug noch nicht einmal ein Brandzeichen. Das andere dagegen kannte die Berührung durch einen Herrn.

»Ich glaube, er ist nach Norden gezogen, durch die Grenzzone«, sagte der Händler.

»Kauf mich, ich flehe dich an!« flüsterte das vor mir kniende Mädchen.

»Du scheinst ihr zu gefallen«, sagte der Sklavenhändler.

Ich schwieg. Ein Mädchen, das in einen Sklavenmarkt eingeliefert wird, weiß, daß sie verkauft werden soll. Dementsprechend wird sie versuchen, einen Mann, den sie attraktiv findet, zum Kauf zu verleiten. Wenn er sie nicht nimmt, kommt vielleicht einer, der viel schlimmer ist. Die meisten Mädchen möchten am liebsten von einem Mann erworben werden, der aufregend und anziehend ist, den sie unwiderstehlich finden und dem sie gern dienen – und nicht einen Herrn, der ungehobelt und widerlich ist. Als Sklavinnen hatten sie natürlich keine andere Wahl, als beiden Herren perfekt zu dienen. Die Entscheidung über den Kauf liegt in letzter Konsequenz allein beim Mann. Und diese Entscheidung muß das Mädchen hilflos abwarten. So gesehen hat sie so wenig Kontrolle über ihr Schicksal wie eine sächliche Ware in einem Ladenschaufenster auf der Erde.

»Haben die beiden Mädchen schon Namen?« wandte ich mich an den Händler.

»Nein«, antwortete dieser. »Ich habe ihnen noch keine gegeben.«

»Du meinst also, der Kaufmann Grunt sei nach Norden gezogen?« fragte ich.

»Ja.«

Ich versetzte dem Mädchen vor mir einen Stoß mit dem Fuß. Wimmernd kroch sie zur Wand zurück, wo sie sich zusammenrollte, ohne mich aus den Augen zu lassen. Das andere Mädchen kauerte an der Wand. Sie musterte mich voller Entsetzen und Angst, doch bemerkte ich auch einen neuen Ausdruck in ihren Augen, Faszination und Staunen. Vermutlich begann sie zu begreifen, was es bedeutete, Sklavin zu sein. Sie würde einer strengen Disziplin unterworfen sein. Unsere Blicke begegneten sich. Ich sah in ihren Augen die Erkenntnis, daß sie wie jede andere Sklavin unter absoluter männlicher Herrschaft stehen würde. Sie erschauderte und senkte den Kopf. Ich sah sie vor Angst und Wonne erschaudern. Ich wußte, daß sie bei richtiger Ausbildung ihrem Herrn eine hervorragende Sklavin abgeben würde.

»Die nächste im Norden gelegene Stadt ist Fort Haskins«, sagte ich. Die Ortschaft lag am Fuße des Boswell-Passes. Ursprünglich hatte es sich um eine Handelsniederlassung der Haskins-Gesellschaft gehandelt, einer Kaufmannsfirma, die in Thentis beheimatet war. Später wurde am gleichen Punkt ein militärischer Vorposten unter der Thentis-Flagge eingerichtet, bemannt von Söldnern. Militärisch und strategisch war die Kontrolle über das Ostende des Boswell-Passes von großer Bedeutung. Zu jener Zeit kam die Bezeichnung Fort Haskins auf. Auch heute noch gibt es ein Fort, doch gilt der Name heute eher der Stadt, die in der Nähe der Festungsanlage entstanden ist, vorwiegend westlich und südlich. Das eigentliche Fort wurde übrigens zweimal niedergebrannt, einmal von Soldaten aus Port Olni, ehe die Stadt der Salerianischen Konföderation beitrat, und das zweite Mal durch räubernde Wilde des Staubfuß-Stamms, der im Innern des Ödlands beheimatet ist. Die militärische Bedeutung des Forts hat mit dem Anwachsen der Bevölkerung in der Gegend und dem Aufbau von Tarnkavallerien in Thentis nachgelassen. Das Fort dient heute vorwiegend als Warenumschlagplatz und wird von der Kaufmannskaste aus Thentis unterhalten.

»Ich würde vermuten«, sagte mein Nachbar nachdenklich, »daß der Mann, den du suchst, der Händler Grunt, nicht nach Fort Haskins will, sondern nach Kailiauk.«

»Ah«, sagte ich. Auf den Gedanken hätte ich auch kommen können. Kailiauk ist die am weitesten östlich liegende Stadt am Fuße der Thentis-Berge. Sie liegt beinahe am Rand der Ihanke, wie die Grenze genannt wird. Aus den Vororten dieser Stadt kann man die Markierungen sehen, die Federn an den langen Stangen, die das Gebiet der roten Wilden umgrenzen.

»Ich hoffe, du willst ihn nicht umbringen«, sagte der Mann.

»Nein«, erwiderte ich lächelnd.

»Du trägst das Gewand der finsteren Kaste nicht, ebensowenig ist dir ein schwarzer Dolch auf die Stirn gemalt.«

»Ich bin kein Attentäter«, beruhigte ich ihn.

»Grunt ist ein seltsamer Bursche, sehr verschwiegen, doch alles in allem tadelsfrei.«

»Ich will ihm nicht schaden«, sagte ich. »Danke für deine Hilfe.«

»Bist du zu Fuß unterwegs?« fragte er.

»Ja«, sagte ich. Meinen Tarn hatte ich vor zwei Tagen verkauft und meine Reise nach Norden zu Fuß angetreten. Die Kurii, von denen wir die Haut mit den Bildern erhalten hatten, mußten diese ihrerseits von einem in dieser Gegend tätigen Agenten bekommen haben. Als Wanderer erregte ich sicher weniger Neugier als auf dem Rücken eines Tarn.

»Wenn du dich mit Grunt in Verbindung setzen willst, solltest du das schleunigst tun. Wir haben En’Kara, und er wird bald in das Ödland ziehen.«

Ich versuchte meinem Auskunftgeber einen kleinen Tarsk in die Hand zu drücken, doch er wehrte ab.

»Ich habe nichts getan«, sagte er lächelnd.

»Sei bedankt!« erwiderte ich und wandte mich zum Gehen.

»Bursche!« sagte er.

»Ja?« Ich drehte mich noch einmal um.

»Zur Mittagsstunde fährt ein Sklavenwagen nach Norden ab«, sagte er. »Ich könnte dich bis Fort Haskins mitnehmen.«

»Sei bedankt«, sagte ich.

»Keine Ursache.«

Wieder wanderte mein Blick zu den beiden blonden Sklavinnen.

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