17

»Du!« schrie sie und mühte sich hoch.

Ich sprang von meiner Kaiila und ging zu ihr. »Knie nieder!« herrschte ich sie an.

Angstvoll blickte sie zu mir auf. In ihren Augen standen Tränen. »Wie siehst du mich an?« fragte sie.

»Du bist wunderschön«, erklärte ich.

»Ich bin eine freie Frau!«

»Das sieht mir aber nicht danach aus«, erwiderte ich. Nackt kniete sie vor mir und trug ein improvisiertes Sklavenjoch, das ihr die Arme streckte.

»Trotzdem bin ich frei«, behauptete sie.

»Woher willst du das wissen?«

»Ich trage kein Brandzeichen«, antwortete sie unsicher.

»Du brauchst kein Brandmal zu tragen, um Sklavin zu sein«, sagte ich. »Das weißt du ganz genau.«

»Rette mich!« sagte sie. »Ich werde dich reichlich entlohnen!«

»Du wirst mir jetzt wahrheitsgemäß den Verlauf des Kampfes beschreiben«, sagte ich.

Ich wandte mich um, denn ich hatte ein Geräusch gehört. Mehrere Waniyanpi waren mir gefolgt.

»Ah, du hast sie gefunden!« sagte Kürbis.

»Ja«, gab ich zurück. Wieder fiel mir auf, daß weder er noch die anderen Waniyanpi die Frau direkt anschauten, obwohl sie einen prachtvollen Anblick bot. »Habt ihr diese Schönheit entkleidet und gefesselt?« fragte ich.

»Nein, nein!« sagte Kürbis hastig. »Das haben die roten Herren getan.«

»Aha«, sagte ich.

»Wir durften sie allerdings hinter dem Wagen anbinden, um sie nicht im Blickfeld zu haben.«

»Das war nett von euren roten Herren«, sagte ich.

»Ja.«

»Nun beschreib mir den Verlauf des Kampfes, wie du ihn mitbekommen hast!« sagte ich zu der blonden Gefangenen.

»Wir waren sorglos«, begann sie. »Wir hielten unsere Truppen für unbesiegbar. Wir rechneten nicht mit Problemen. Nur Verrückte würden uns angreifen, so redeten wir uns ein. Folglich wurden nur wenige Wächter aufgestellt, die ihren Dienst zudem nachlässig versahen.«

»Weiter!« drängte ich.

»Heute vor zehn Tagen fand der Angriff statt, gegen die achte Ahn. Die Wagen waren zur Abfahrt aufgestellt, die Tharlarion standen bereits im Geschirr. Da erschien plötzlich im Südosten eine kleine Horde roter Wilder. Alfred, Hauptmann aus Port Olni, nahm sich zweihundert Reiter und ritt los, um sie zu verscheuchen – für ihn schien es eher ein Jux zu sein, eine Art Spiel. Wir stiegen auf die Wagen, um ihm zuzusehen.«

Natürlich hätte Alfred diesen Ausfall nicht selbst leiten dürfen; allenfalls wäre ein jüngerer Offizier dafür in Frage gekommen.

»Gleich darauf erhoben sich hinter uns Hunderte von Wilden aus dem Gras; sie waren zu Fuß und schrien und fuchtelten mit ihren Waffen. Sie hatten sich heimlich durch das Gras angeschlichen. Die Prärie schien plötzlich von ihnen zu wimmeln. Sie eilten zwischen den Wagen hindurch. Besonders schlimm erging es dabei den größeren Wagen weiter westlich, den Siedlertrecks mit den Familien; sie waren praktisch wehrlos. Mein Wagen stand bei den Soldaten. Im Südosten erschienen aus einigen Senken plötzlich Hunderte von Reitern. Alfred war offensichtlich in eine Falle gelockt worden. Übergangslos sah er sich einer unbesiegbaren Übermacht gegenüber, schwenkte herum und floh, energisch verfolgt, zu den Wagen zurück. Dabei verlor er sicher viele Männer. Als er unser Lager erreichte, brannten die Siedlerwagen bereits. Er wollte ihnen nicht zu Hilfe kommen. Vielmehr rief er seine Männer zusammen und befahl den Rückzug nach Norden. Aus dieser Richtung hatten die Wilden zu Fuß angegriffen.«

»Und die Infanterie?«

»Die kämpfte allein«, antwortete sie.

Ich nickte. Es war nicht schwer, sich Alfreds Überlegungen vorzustellen. Die zu Fuß kämpfenden Wilden würden seine Kavallerie nicht aufhalten können, und die Verfolger aus Süden oder Südosten mochten an den Wagen aufgehalten werden, denn dort würden sie an seine allein kämpfende Infanterie geraten.

»Fahrer sprangen von den Kutschböcken und liefen um ihr Leben«, fuhr das Mädchen fort. »Ich schrie auf. Mein Kutscher war verschwunden. Die Tharlarion, von dem Durcheinander erschreckt, zerrten den Wagen hierhin und dorthin, vorwiegend aber in östliche Richtung, weg von Qualm und Lärm. Ich verlor die Balance und fiel in den Wagen. Ich vermochte die Tharlarion nicht anzuhalten. Die Zügel schleiften außerhalb. Einen Viertel-Pasang weit wurde der Wagen gezogen, zwischen Soldaten und anderen Wagen und Kämpfern hindurch. Ich sah, wie ein Infanterist einen Kavalleristen umbrachte und seine Kaiila an sich brachte. Alfred floh mit seinen Reitern nach Norden, mußte aber entsetzt feststellen, daß sein Plan vorausgeahnt worden war. Aus Norden und Westen schwärmten neue rothäutige Kaiilakrieger herbei.«

Ich nickte. Gewiß hatten die Wilden seine Reaktion vorausgeahnt. Die Planung, die hier zutage trat, zeugte von Intelligenz und Übersicht. Insbesondere die Positionierung und zeitliche Abfolge der Angriffe bewiesen einen ausgeprägten Sinn für die Möglichkeiten und phasenweisen Entwicklungen einer Schlacht. Während des Kampfes werden taktische Befehle bei roten Kriegern gewöhnlich durch Pfiffe oder die Bewegungen langer gefiederter Kampfstäbe weitergegeben.

»Männer liefen kopflos um meinen Wagen. Ich sah Alfred, wie er sich auf seiner Kaiila hierhin und dorthin wandte. Ich streckte die Hand nach ihm aus, ich machte mich durch einen Schrei bemerkbar. Er schaute mich an, beachtete mich aber nicht. Überall kämpften Infanteristen gegen Kavalleristen, um in den Besitz der Reittiere zu gelangen. Die Wilden aus dem Süden waren auf die Kampflinien der Infanteristen gestoßen und hatten sie nicht überrennen können.«

Nickend ermutigte ich sie zum Weitersprechen. Eine goreanische Infanterie, die sich gestaffelt formierte und ihre Lanzen fest in die Erde stemmte, vermochte einen leichten Kavallerieangriff ohne weiteres zurückzuschlagen.

»Wieder rief ich Alfred etwas zu, aber er beachtete mich nicht«, fuhr sie fort.

Die roten Wilden waren sicher überrascht gewesen, die Infanterie nicht überwinden zu können. Aber natürlich kann man solche Stellungen mühelos umgehen.

»Überall waren Männer«, fuhr die Gefangene fort. »Die aus Norden und Westen kommenden Wilden galoppierten zwischen den Wagen hindurch. Einige rasten schrill schreiend wenige Fuß entfernt an mir vorbei. Sie und ihre Tiere waren mit Farben bedeckt, Federn steckten in ihrem Haar und waren in den seidigen Mähnen der Kaiila festgesteckt.«

»Was war mit den Ungeheuern aus deinen Wagen?« fragte ich. »Den zottigen Wesen, die selbst Waffen tragen, die aufrecht gehen können, wenn sie wollen?«

Sie blickte zu mir auf.

»Ich weiß über diese Ungeheuer Bescheid«, sagte ich. »Nun red schon! Wie viele waren es?«

»Siebzehn«, antwortete sie verzagt.

»Was ist aus ihnen geworden?«

»Als der Kampf begann, verließen sie die Fahrzeuge«, sagte sie. »Einige töteten Männer, die ihnen in den Weg gerieten, sogar die eigenen Soldaten, die nicht wußten, womit sie es zu tun hatten. Andere kämpften gegen Wilde. Einige wurden von Wilden getötet. Andere bildeten eine kleine Gruppe und versuchten sich mitten durch das Kampfgetümmel nach Norden durchzuschlagen. Die roten Krieger schienen keine große Lust zu haben, sie anzugreifen.«

»Wie viele konnten entkommen?« wollte ich wissen.

»Keine Ahnung«, erwiderte sie. »Es mögen sieben oder acht gewesen sein.«

Dies paßte zu den Informationen, die ich von Kürbis und den Waniyanpi erhalten hatte, und zu meinen eigenen Mutmaßungen.

»Berichte weiter!« sagte ich zu dem Mädchen.

»Alfred nutzte die vorübergehende Verwirrung der Wilden, nachdem es ihnen nicht gelungen war, die Infanterieformation zu brechen, und ließ seine Männer durch die eigenen Infanteriereihen brechen und erneut nach Südosten reiten. Dieses Vorgehen brachte seine eigenen Bodenkämpfer durcheinander; Soldaten wurden zur Seite geschoben oder niedergetrampelt. Durch die entstehende Öffnung strömten die roten Wilden. Durchaus möglich, daß einige die Kavalleristen verfolgten, die meisten aber blieben wohl zurück, um die Infanterie niederzukämpfen.«

»Sie wollten vermutlich auch verhindern, daß sich die Soldaten neu formierten und womöglich einen Wehrkreis bildeten«, meinte ich.

Die Gefangene zuckte die Achseln. »Möglich«, flüsterte sie. »Jedenfalls hatte ich den Eindruck, nur noch von galoppierenden Kaiila, kreischenden Wilden und Kriegsbemalung und Federn umgeben zu sein.«

»Hat es Überlebende gegeben?«

»Ich glaube nicht.«

»Und Alfred gelang die Flucht?«

»Ich nehme es an.«

»Wie viele Männer hatte er bei sich?«

»Ich weiß nicht. Vielleicht dreihundert, vierhundert.«

»Was tatest du?«

»Ich legte mich auf dem Wagen flach hin. Nach dem Kampf, am Nachmittag, wurde ich gefunden – und jetzt bin ich hier.«

»Sei unbesorgt«, sagte Kürbis zu der nackten Schönheit, die vor ihm kniete. »Deine Erniedrigung wird bald vorbei sein. Du hast großes Glück, Leibeigene!«

»Leibeigene!« rief sie und bäumte sich in den Fesseln auf.

»Wir werden sie Rübchen nennen«, sagte einer der Waniyanpi.

»Ich bin eine freie Frau!« rief sie. »Ich bin Lady Mira aus der Stadt Venna!«

Ich lächelte vor mich hin. Wie naiv war doch die kniende Sklavin Radieschen!

»Auf Anweisung unserer Herren«, sagte Kürbis, »sollst du ins Gehege gebracht werden, so wie du bist.«

»Gehege?«

»Ja, in Garten Elf, wo wir zu Hause sind«, erklärte Kürbis.

»Du wirst dort glücklich sein«, sagte einer der Waniyanpi.

»Wir sind es alle«, sagte ein anderer.

»Wir werden dich unterwegs nicht ansehen, wenigstens nicht direkt, bis deine Schande bedeckt ist.«

»Schande?« fragte das Mädchen.

»Deine Schönheit«, erklärte Waniyanpi.

»Nicht alle Gleichen von jenen, welche die unwichtige Eigenschaft der Weiblichkeit besitzen, sind so ... so gesund im Aussehen wie du«, bemerkte ein anderer.

»So könntest du ihnen das Gefühl geben, daß sie dir nicht gleich sind – oder du ihnen nicht«, sagte ein Waniyanpi.

»Das würde ihnen nicht gefallen«, meinte ein anderer.

»Es ist schändlich, anderen das Gefühl zu geben, nicht gleich zu sein«, bemerkte jemand.

»Weil natürlich im Grunde jeder gleich ist!« behauptete ein Waniyanpi.

»Natürlich!«

»Außerdem könnte es jene Gleichen beunruhigen, die die unwichtige Eigenschaft der Männlichkeit besitzen. Es könnte ihnen gewisse Gefühle eingeben.«

»Mir nicht!« behauptete ein Waniyanpi.

»Mir auch nicht!« rief ein anderer. »Ich habe solche Gefühle nie!«

»Aber nicht alle von uns«, sagte Kürbis, »sind so stark wie Karotte und Kohl.«

»Ich kann solche Dinge sehen, ohne das geringste Gefühl.«

Die Waniyanpi murmelten bewundernd.

»Und auch nicht so stark wie Bohne«, fügte Kürbis hinzu. »Einigen von uns aber könnte deine gesunde Erscheinung extreme Beunruhigung verschaffen. Sie wären beschämt, und das würde sie von wirklich wichtigen Dingen ablenken.«

»Zum Beispiel davon, Gleiche zu sein«, sagte jemand.

»Ja«, bemerkte Kürbis.

Das Mädchen erschauderte; vielleicht meinte sie Verrückte vor sich zu haben.

»Aber sei unbesorgt«, sagte Kürbis zu dem Mädchen. »Sobald wir das Gehege erreichen, wirst du anständig gekleidet sein.«

»Wie ihr?« fragte sie und betrachtete die langen grauen, rauhen, weiten Gewänder.

»Diese Gewänder helfen uns dabei, bescheiden zu bleiben und unsere Sehnsüchte zu unterdrücken«, sagte einer der Waniyanpi.

»Sie erinnern uns daran, daß wir alle Gleiche sind«, meinte ein zweiter.

»Daß wir alle in letzter Konsequenz nichts anderes sind als Waniyanpi.«

»Was geschieht mit jenen Menschen in eurem Gehege, die nicht gleich sind?« fragte ich.

»Wir versuchen sie zu bekehren.«

»Wir flehen sie an. Wir versuchen ihnen Vernunft beizubringen.«

»Und was ist, wenn ihr sie nicht von den strahlenden Vorteilen des Gleichseins überzeugen könnt?« fragte ich.

»Dann vertreiben wir sie, damit sie draußen im Ödland sterben«, sagte ein Waniyanpi.

»Das bekümmert uns natürlich sehr, aber es muß sein.«

»Die Ketzerei darf andere nicht anstecken.«

»Das Wohl des Ganzen ist wichtiger als das Wohl des einzelnen.«

»Ihr tötet solche Leute?« fragte ich.

»Nein! Wir dürfen nicht töten.«

»Das ist gegen die Lehre.«

»Aber ihr verbannt sie«, sagte ich, »in der Annahme, daß sie im Ödland umkommen.«

»Also ist es das Ödland, das sie tötet, nicht wir.«

»Wir sind unschuldig!«

»Solche Verbannungen lassen sich mit der Lehre vereinbaren?« fragte ich.

»Natürlich. Wie soll das Gehege solche unerwünschten Elemente sonst loswerden?«

»Das Anderssein greift die Wurzeln des Gleichseins an«, bemerkte ein Waniyanpi. »Gleichsein, das ist die Urvoraussetzung für jede Zivilisation. Das Anderssein bedroht die Gesellschaft und die Zivilisation.«

»Und muß folglich ausgelöscht werden!«

»Es gibt also nur einen Wert, eine Tugend?« fragte ich.

»Ja. Natürlich gefällt es uns nicht, Menschen zum Sterben fortzuschicken. Uns tut das immer sehr leid.«

»Kann ich mir vorstellen«, sagte ich.

Kürbis wandte sich an die anderen. »Wir müssen jetzt an unsere Arbeit zurückkehren«, sagte er. »Es müssen weitere Überreste eingesammelt und verbrannt werden.«

Als die Waniyanpi gegangen waren, wandte ich mich zu dem Mädchen um.

»Die sind völlig verrückt«, sagte sie und wand sich im Joch.

»Mag sein«, sagte ich. »Sicher ist das eine Sache der Definition.«

»Definition?« fragte sie.

»Wenn die Normen geistiger Vernunft soziale Normen sind, dann ist damit die Norm vernünftig.«

»Selbst wenn diese Gesellschaft zur Wirklichkeit keine reale Beziehung hat?«

»Ja.«

»Selbst wenn sie sich alle für Urts oder Echsen oder Wolken halten?«

»Ja, denn in einer solchen Gesellschaft würde derjenige, der sich nicht dafür hält, als verrückt gelten.«

»Und wäre auch verrückt?«

»Nach dieser Definition.«

»Eine unmögliche Definition«, sagte sie. »Ich halte sie für völlig verrückt!«

»Zumindest befinden sie sich in einem Irrtum«, sagte ich, »und sind in mancher Hinsicht anders als wir.«

Sie erschauderte.

»Die schädlichsten Religionen«, sagte ich, »sind im Grunde gar keine Religionen; man bezeichnet sie besser als Pseudoreligionen. Der Pseudoglaube ist nicht durch Beweise oder Vernunft angreifbar, nicht einmal theoretisch. Daß er dermaßen vor Widerlegung geschützt ist, liegt an seiner kognitiven Leere. Man kann ihn nicht widerlegen, weil er eben gar nichts aussagt; man kann nicht einmal theoretisch etwas dagegen vorbringen. Ein solcher Glaube ist nicht stark, sondern leer. In letzter Konsequenz ist er nicht mehr als eine Wortfolge, eine verbale Formel. Oft fürchten die Menschen, diesen Dingen näher auf den Zahn zu fühlen. Sie stecken diese Worte weg und kümmern sich um andere Dinge. Ihr Fundament, so fürchten sie, ist Stroh, ihre Stützbalken, so fürchten sie, sind dünne Gräser. Die Wahrheit wird gepriesen und angelegentlich gemieden. Tritt hier die menschliche Schlauheit nicht auf das Bemerkenswerteste zutage? Wer kann schon sagen, wie das Schwert der Wahrheit fallen wird? Einige, so hat es den Anschein, würden eher für ihre Überzeugungen sterben, als sie zu analysieren. Es muß wohl sehr angsteinflößend sein, dem eigenen Glauben auf den Grund zu gehen. Nur wenige Menschen tun es. Manchmal wird man des blutigen Streits überdrüssig. Kämpfe um leere Formeln werden, da nichts dagegen vorgebracht werden kann, oft durch Wunden und Eisen entschieden. Einige Menschen sind eben bereit, für ihren Glauben zu sterben. Und noch größer ist anscheinend die Zahl derjenigen, die bereit sind dafür zu töten.«

»Es ist nicht unbekannt, daß Menschentum falsche Schätze kämpfen«, sagte die Gefangene.

»Richtig.«

»Aber in letzter Konsequenz glaube ich nicht, daß die Kämpfer sich nur um die leeren Formeln drehen. Diese sind nur die Standarten und Flaggen, die in die Schlacht getragen werden und das Fußvolk anheizen und der Elite nützen.«

»Vielleicht hast du recht«, sagte ich nachdenklich. Der Mensch und seine Motive, das ist ein komplexes Feld. Die Antwort aber, mochte sie falsch oder richtig sein, erinnerte mich daran, daß dieses Mädchen eine Agentin der Kurii war. Diese Wesen sahen die Dinge vorwiegend in Begriffen wie Frauen, Gold oder Macht. Ich grinste sie an. Diese Agentin war nun wirklich ausgeschaltet. Sie nahm an dem Spiel, das ringsum im Gange war, nicht mehr teil; sie war nun nichts anderes als ein Beutestück.

»Schau mich nicht so an!« sagte sie.

»Ich bin kein Waniyanpi«, sagte ich, »Frau!«

»Befreie mich, ich werde dir viel zahlen.«

»Nein.«

»Du könntest mich diesen Dummköpfen mühelos wegnehmen.«

»Ich nehme es an.«

»Dann nimm mich mit!«

»Ich werde dich lassen, wo du bist«, sagte ich, »meine hübsche Söldnerin!«

»Söldnerin?« fragte sie. »Ich bin keine Söldnerin! Ich bin Lady Mira aus Venna, Angehörige der Kaufmannskaste!«

Ich lächelte nur.

Sie kauerte sich zusammen. »Was weißt du von mir?« fragte sie. »Was tust du im Ödland? Wer bist du?«

»Ein Reisender«, sagte ich.

»Du wirst mich hier zurücklassen, nicht wahr?«

»Ja.«

»Aber ich möchte nicht mit diesen Leuten gehen!«

»Ich würde dir raten, das Spiel mitzumachen und so zu tun, als nähmest du ihre Lehre an. So wird es leichter für dich.«

»Aber ich will nicht heucheln müssen! Wenigstens werde ich im Lager der Waniyanpi frei sein.«

»Die Waniyanpi sind ausnahmslos Sklaven«, erklärte ich, »Sklaven der roten Wilden.«

»Leben die Wilden in den Gehegen?«

»Normalerweise nicht. Sie lassen die Waniyanpi weitgehend in Ruhe.«

»Dann sind sie ja praktisch Sklaven ohne Herren.«

»Mag sein.«

»Und ich wäre eine Sklavin ohne Herr.«

»Praktisch gesehen ja«, sagte ich. Die Waniyanpi stehen übrigens nicht im Besitz von Individuen, sondern ganzer Stämme. Das kollektive Sklavendasein mag die eigene Situation etwas verschleiern, doch in letzter Konsequenz ändert sich nichts.

»Das ist doch die beste Art der Sklaverei«, sagte sie. »Ohne Herrn!«

»Ach, wirklich?« Einsam und unerfüllt ist die Sklavin, die keinen Herrn bei sich weiß. »Warum bist du nicht mit den anderen weiblichen Gefangenen von den Wilden versklavt und mitgenommen worden?«

»Sie haben mich verschont.«

»Ach, wirklich?«

»Ich verstehe nicht, was du meinst.«

»Du wurdest bei den Soldaten gefunden«, erklärte ich, wandte mich ab und erstieg meine Kaiila.

»Ja?«

»Die anderen Mädchen wurden einfach zu Sklavinnen gemacht«, sagte ich. »Sie haben jetzt die Ehre, ihren Herren angemessen zu dienen.«

»Und ich?«

»Du, der du bei den Soldaten gefunden wurdest und somit eine wichtige Persönlichkeit sein mußtest, wurdest zur Strafe separiert.«

»Strafe?«

»Ja«, sagte ich und führte mir vor Augen, wie sehr die roten Krieger die Soldaten und ihre Begleiter hassen mußten und wie verschlagen und subtil sie gehandelt hatten.

»Aber man wird mich respektieren und mir meine Würde lassen!« sagte sie, die da vor mir im Gras kniete. »Ich soll bei den Waniyanpi leben!«

»Das ist ja gerade deine Strafe«, sagte ich. Dann zog ich die Kaiila herum und ritt fort.

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