2 Mutters Haus

Die Straße, die vom Haus der Wetschiks nach Basilika führte, war lang, aber vertraut. Bis zum Alter von acht Jahren hatte Nafai sie immer andersherum zurückgelegt, wenn Mutter ihn und Issib in den Ferien immer zu Vaters Haus gebracht hatte. In jenen Tagen war es ihm wunderbar vorgekommen, sich in einem Männerhaushalt aufzuhalten. Vater mit seiner weißen Haarmähne war fast ein Gott gewesen – in der Tat hatte Nafai bis zum fünften Lebensjahr geglaubt, daß Vater die Überseele war, Mebbekew, der nur sechs Jahre älter als Nafai war, war immer ein gemeiner, gnadenloser Quälgeist gewesen, doch in jenen frühen Jahren war Elemak freundlich und verspielt. Zehn Jahre älter als Nafai, war er in dessen ersten Erinnerungen an das Haus Wetschik schon mannsgroß gewesen; doch statt des ätherischen Aussehens Vaters hatte er immer die dunkle, abgerissene Erscheinung eines Kämpfers geboten, eines Mannes, der nur freundlich war, weil er es sein wollte, und nicht, weil er zu überflüssigen Schroffheiten nicht imstande war. In jenen Tagen hatte Nafai gebettelt, aus Mutters Haushalt ausziehen und bei Wetschik – und Elemak – wohnen zu dürfen. Daß Mebbekew die ganze Zeit über in seiner Nähe war, stellte einfach den Preis dafür dar, den er dafür entrichten mußte, im Heim der Götter zu wohnen.

Mutter und Vater kamen gemeinsam zu ihm, um ihm zu erklären, wieso sie ihn nicht aus seiner Ausbildung entlassen würden. »Jungen, die in diesem Alter zu ihren Vater geschickt werden, sind diejenigen, die keine Zukunft in Aussicht haben«, sagte Vater. »Diejenigen, die zu gewalttätig sind, um in einem Haushalt zurechtzukommen, in dem studiert wird, die zu wenig Respekt haben, um in einem Haushalt von Frauen zu verweilen.«

»Und die Dummen gehen zu ihren Vätern, wenn sie acht Jahre alt sind«, sagte Mutter. »Welche Verwendung hat ein dummer Mensch schon für alles, was über die Grundbegriffe des Lesens und Rechnens hinausgeht?«

Selbst jetzt, als er sich daran erinnerte, verspürte Nafai ein gewisses gehässiges Vergnügen darüber – denn Mebbekew hatte oft damit geprahlt, daß er im Gegensatz zu Njef und Issja, und zu seiner Zeit Elja, mit acht Jahren zu Vater zurückgekehrt war. Nafai war überzeugt davon, daß Meb jedes Kriterium erfüllt hatte, um schon in jungen Jahren in einen Männerhaushalt zu wechseln.

Also war es ihnen gelungen, Nafai davon zu überzeugen, daß es von Vorteil war, bei seiner Mutter zu bleiben. Es gab auch noch andere Gründe – damit Issib Gesellschaft hatte, das Prestige des Haushalts seiner Mutter, die enge Beziehung zu seinen Schwestern –, doch letztendlich sorgte Nafais Ehrgeiz dafür, daß er dort blieb. Ich bin einer der Jungen, die von der Zukunft wirklich etwas zu erwarten haben. Ich werde dem Land Basilika von Wert sein, vielleicht der ganzen Welt. Vielleicht werden eines Tages meine Schriften in den Himmel geschickt werden, damit die Überseele sie unter den Menschen anderer Städte und Sprachen verbreiten kann. Vielleicht werde ich einer der Großen sein, deren Ideen in Glas gegossen und in einem Archiv aufbewahrt werden, damit sie im Verlauf der gesamten menschlichen Geschichte als die eines der Großen von Harmonie gelesen werden.

Doch da er so aufrichtig darum gebeten hatte, bei Vater wohnen zu dürfen, hatten er und Issib von dem Tag an, da er dreizehn wurde, fast jedes Wochenende im Wetschik-Haus verbracht, das ihnen so vertraut geworden war wie Rasas Haus in der Stadt. Vater hatte darauf bestanden, daß sie hart arbeiteten und schon früh mitbekamen, was ein Mann tun muß, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, so daß ihre Wochenenden eigentlich keine Feiertage gewesen waren. »Ihr lernt sechs Tage lang und arbeitet mit eurem Verstand, während euer Körper Ferien macht. Hier werdet ihr in den Ställen und Gewächshäusern arbeiten, körperlich arbeiten, während euer Verstand den Frieden zu schätzen lernt, den ehrliche Arbeit mit sich bringt.«

So sprach Vater, eine Art ständige Predigt; Mutter sagte, er habe sich diesen Tonfall angewöhnt, weil er nicht wisse, wie er sich normal mit seinen Kindern unterhalten solle. Doch Nafai hatte genug Gespräche von Erwachsenen belauscht, um zu wissen, daß Vater mit allen so sprach, von Rasa einmal abgesehen. Das bewies, daß Vater sich niemals entspannen konnte, niemals sein wahres Ich zeigte; doch im Lauf der Jahre hatte Nafai ebenso gelernt, daß, ganz gleich, wie abgehoben Vaters Gespräche sein mochten, er niemals Unsinn redete; seine Worte waren niemals leer oder unwissend oder arrogant. So spricht ein Mann, hatte Nafai gedacht, als er noch klein war, und so hatte er sich bemüht, sich eines eleganten Stils zu befleißigen und die klassische Emeznerji ebenso zu lernen wie das gewöhnliche Basjat, das in Basilika heutzutage die wichtigste Handels- und Gewerbesprache war. In letzter Zeit hatte Nafai begriffen, daß er die Umgangssprache sprechen mußte, wollte er sich vernünftig mit echten Menschen unterhalten – doch man konnte noch immer unterschwellig die Rhythmen, die Melodien der Emeznerji in seinen Schriften und seiner Sprache hören. Selbst bei seinen dummen Witzen, die Elemaks Zorn hervorgerufen hatten.

»Ich habe gerade etwas begriffen«, sagte Nafai.

Issib antwortete nicht – er war so weit voraus, daß Nafai nicht genau sagen konnte, ob er ihn überhaupt gehört hatte. Doch Nafai fuhr fort und sagte es trotzdem, sprach sogar noch leiser, weil er es wahrscheinlich nur zu sich selbst sagte. »Ich glaube, ich sage diese Dinge, die die Leute so wütend machen, nicht, weil ich sie wirklich meine, sondern, weil mir eine clevere Möglichkeit eingefallen ist, sie zu sagen. Es ist eine gewisse Kunst, so zu denken, daß man seine Gedanken perfekt äußern kann, und wenn einem dann etwas einfällt, muß man es einfach sagen, weil Worte erst existieren, sobald man sie gesagt hat.«

»Eine ziemlich schwachsinnige Kunst, Njef, und ich würde sagen, du gibst sie lieber auf, bevor sie dich umbringt.«

Also hatte Issib doch zugehört.

»Für einen großen, starken Burschen brauchst du aber ziemlich lange, um die Kammstraße bis zur Marktstraße hinaufzugehen.«

»Ich habe nachgedacht«, sagte Nafai.

»Du solltest wirklich langsam lernen, wie man gleichzeitig geht und denkt.«

Nafai erreichte den Kamm der Straße, wo Issib auf ihn wartete. Ich habe wirklich getrödelt, dachte er. Ich bin nicht einmal außer Atem.

Doch weil Issib dort stehen geblieben war, wartete auch Nafai und drehte sich um, wie Issib sich umgedreht hatte, um die Straße hinabzusehen, die sie gerade entlanggekommen waren. Die Kammstraße trug ihren Namen völlig zu Recht, denn sie verlief auf einem Kamm, der sich zur großen, gut bewässerten Küstenebene neigte. Es war ein klarer Morgen, und vom Bergkamm aus konnten sie alle Straßen zum Meer sehen, mit einer Flickendecke von Höfen und Obstgärten darin, vernäht von Straßen und geknüpft mit Städten und Dörfern, die sich zwischen den Bergen und dem Meer wie eine Bettdecke ausbreitete. Als sie nun die Kammstraße hinabsahen, konnten sie die lange Linie der Bauern mit ihren aneinandergebundenen Packtieren hinter sich ausmachen. Falls Nafai und Issib sich um nur weitere zehn Minuten verspätet hätten, hätten sie diesen Marsch im Lärm und Gestank der Pferde, Esel, Maultiere und Kurolomi zurücklegen müssen, während sie die Flüche der Männer und den Klatsch der Frauen hörten. Dieses Vergnügen hatten sie einmal gehabt, doch Nafai war oft genug mit ihnen gereist, um zu wissen, daß der Klatsch und das Rüchen immer gleich waren. In einem Garten wachsen nicht nur Rosen.

Issib wandte sich nach Westen, und Nafai tat es ihm gleich, und sie sahen eine Landschaft, die so gegensätzlich war, wie man es sich nur vorstellen konnte: das zerklüftete Felsplateau des Besporjadok, die fast wasserlose Einöde, die sich schier endlos gen Westen auszudehnen schien. Mindestens tausend Dichter hatten dieselbe Beobachtung gemacht: Die Sonne erhob sich aus dem Meer, umgeben von Lichtjuwelen, die auf dem Wasser tanzten, und ging dann im Westen in rotem Feuer unter, verlor sich im Staub, der unentwegt über die Wüste wehte. Doch Nafai dachte immer, daß, zumindest was das Wetter betraf, der Weg der Sonne umgekehrt verlaufen müßte. Sie brachte kein Wasser vom Meer zum Land – sie brachte trockenes Feuer von der Wüste zum Meer.

Die Vorhut der Menschenmenge, die zum Markt wollte, war nun nah genug, daß sie die Treiber und die Esel hören konnten. Also drehten sie sich um und gingen weiter nach Basilika; Teile der Rotsteinwand der Stadtmauer leuchteten in den ersten Strahlen des Sonnenscheins. Basilika, wo die bewaldeten Berge des Nordens auf die Wüste des Westens und die Gartenküste des Ostens stieß. Wie die Dichter diesen Ort besungen hatten: Basilika, die Stadt der Frauen, der Hafen des Nebels, rotummauerter Garten der Überseele, der Hafen, in dem alle Wasser der Welt zusammenfließen, um neue Wolken zu gebären, um frisches Wasser über die Erde zu ergießen.

Oder, wie Mebbekew es ausgedrückt hatte, die beste Stadt auf der Welt, um vögeln zu können.

Der Weg zwischen dem Markttor von Basilika und dem Wetschik-Haus an der Kammstraße hatte sich in all diesen Jahren nicht verändert – Nafai merkte es, wenn auch nur ein Stein beiseite geräumt worden war. Doch als Nafai dreizehn Jahre alt geworden war, hatte er einen Wendepunkt erreicht, der die Bedeutung dieser Straße veränderte. Mit dreizehn Jahren zogen selbst die vielversprechendsten Jungen zu ihren Vätern und ließen die Schule für immer hinter sich zurück. Dort blieben lediglich jene, die einen Männerberuf ablehnten und Gelehrte werden wollten. Als Nafai acht Jahre alt gewesen war, hatte er darum gebeten, bei seinem Vater wohnen zu dürfen, mit dreizehn Jahren hatte er genau andersherum argumentiert. Nein, ich habe mich nicht entschieden, Gelehrter zu werden, aber ich habe mich auch nicht entschieden, kein Gelehrter zu werden. Warum muß ich mich jetzt entscheiden? Laß mich bei dir wohnen, Vater, wenn es denn sein muß, aber laß mich auch in Mutters Schule bleiben, bis die Dinge klarer werden. Du brauchst mich bei deiner Arbeit nicht, wie du Elemak brauchst. Und ich will kein zweiter Mebbekew werden.

Obwohl sich der Weg zwischen Vaters Haus und der Stadt also nicht verändert hatte, legte Nafai ihn nun in die andere Richtung zurück. Er führte für ihn nun nicht mehr von Rasas Stadthaus aufs Land und wieder zurück; nun wanderte er von Wetschiks Landhaus in die Stadt. Obwohl sich die meisten seiner Besitztümer in der Stadt befanden – all seine Bücher, Unterlagen, Werkzeuge und Spielzeuge – und er oft drei oder vier der acht Nächte der Woche dort verbrachte, war sein Heim jetzt das Haus seines Vaters.

Kein Mann konnte behaupten, daß ihm in Basilika wirklich etwas gehörte; alles war nur Geschenk einer Frau. Und selbst ein Mann wie Vater, der allen Grund zu der Annahme hatte, sich auf eine langjährige Gefährtin verlassen zu können – selbst er konnte sich wegen des Sees in Basilika niemals wirklich zu Hause fühlen. Die tiefe Spalte im Herzen der Stadt – letztendlich der eigentliche Grund für die Existenz der Stadt – beanspruchte den halben Raum innerhalb der Mauern Basilikas, und kein Mann konnte jemals dorthin gehen, konnte sich nicht einmal so weit in die umgebenden Wälder wagen, um einen Blick auf das funkelnde Wasser zu erhaschen. Falls es funkelte. Denn nach allem, was Nafai wußte, war das Spaltental so tief, daß das Sonnenlicht das Wasser des Sees Basilika vielleicht gar nicht berührte.

Keine Stadt kann jemals eine Heimat sein, wenn es darin einen Ort gibt, den man nicht aufsuchen darf. Kein Mann ist jemals wirklich ein Bürger Basilikas. Und ich werde im Haus meiner Mutter zu einem Fremden.

Elemak hatte in vergangenen Jahren oft über Städte gesprochen, in denen den Männern alles gehörte, über Orte, wo die Männer viele Frauen und die Frauen keine Wahl hatten, als ihre Eheverträge ständig zu erneuern, und sogar über eine Stadt, in der es die Einrichtung der Ehe überhaupt nicht gab, sondern jeder Mann jede Frau nehmen konnte und sie sich ihm nicht verweigern durfte, falls sie nicht bereits schwanger war. Doch Nafai fragte sich, ob irgendeine dieser Geschichten wahr war. Denn warum sollten sich Frauen solch einer Behandlung unterwerfen? War es möglich, daß die Frauen Basilikas um soviel stärker waren als die Frauen aller anderen Städte? Oder waren die Männer dieses Ortes schwächer oder furchtsamer als die Männer anderer Städte?

Plötzlich bekam diese Frage eine große Dringlichkeit für ihn. »Hast du schon einmal mit einer Frau geschlafen, Issib?«

Issib antwortete nicht.

»Ich wollte es einfach nur wissen«, sagte Nafai.

Issib sagte nichts.

»Ich versuche herauszufinden, was an den Frauen Basilikas so wunderbar ist, daß ein Mann wie Elja immer wieder hierher zurückkommt, wo er doch in einer jener Städte leben könnte, in der die Männer tun und lassen können, was sie wollen.«

Erst jetzt antwortete Issib. »Zuerst einmal, Nafai, gibt es keinen Ort, wo Männer tun und lassen können, was sie wollen. Es gibt Orte, wo Männer so tun, als könnten sie sich alles erlauben, und die Frauen so tun, als ließen sie sie gewähren, genau, wie die Frauen hier so tun, als ginge es nach ihrem Willen, und die Männer so tun, als ließen sie sie gewähren.«

Das war ein interessanter Gedanke. Nafai war niemals in den Sinn gekommen, daß die Dinge vielleicht gar nicht so einseitig und einfach waren, wie es den Anschein hatte. Doch Issib war noch nicht fertig, und Nafai wollte den Rest hören. »Und zweitens?«

»Und zweitens, Njef, haben Mutter und Vater vor einigen Jahren ein Tantchen für mich gefunden, und um ehrlich zu sein, es ist gar nicht so gut, wie man behauptet.«

Das hatte Nafai nicht hören wollen. »Meb scheint aber anderer Meinung zu sein.«

»Meb hat keinen Verstand«, sagte Issib, »er geht einfach immer dorthin, wohin ihn sein auffälligster Körperteil führt. Manchmal bedeutet das, daß er seiner Nase folgt, normalerweise jedoch nicht.«

»Wie war es denn?«

»Sie war nett. Sie war sehr süß. Aber ich habe sie nicht geliebt.« Issib schien etwas traurig darüber zu sein. »Ich hatte eher den Eindruck, sie würde etwas mit mir anstellen, und weniger, als würden wir etwas gemeinsam machen.«

»War es, weil …«

»Weil ich ein Krüppel bin? Zum Teil, vermute ich, obwohl sie mir beibrachte, wie ich meinerseits ihr Vergnügen bereiten konnte und sie meinte, ich hätte mich überraschend gut darin erwiesen. Du wirst es wahrscheinlich genauso genießen wie Meb.«

»Das will ich nicht hoffen.«

»Mutter hat gesagt, die besten Männer würden ihr Tantchen gar nicht so sehr genießen, weil sie nicht wollen, daß man ihnen als Lektion Vergnügen bereitete, sondern daß die Frauen es freiwillig machen und aus Liebe. Doch danach hat sie gesagt, auch die schlechtesten Männer würden ihr Tantchen nicht mögen, weil sie es nicht ertragen können, daß ein anderer als sie die Situation beherrscht.«

»Ich will gar kein Tantchen haben«, sagte Nafai.

»Tja, das ist eine brillante Idee. Wie willst du dann irgend etwas lernen?«

»Ich will es gemeinsam mit meiner Gefährtin lernen.«

»Du bist ein romantischer Narr«, sagte Issib.

»Den Vögeln oder Echsen muß es doch auch keiner beibringen.«

»Nafai ab Wetschik mag Rasa, der berühmte Echsenliebhaber.«

»Ich hab einmal beobachtet, wie ein Echsenpaar es eine volle Stunde lang gemacht hat.«

»Hast du dabei irgendwelche guten Techniken gelernt?«

»Klar. Aber man kann sie nur einsetzen, wenn man wie eine Echse gebaut ist.«

»Bitte?«

»Er ist etwa halb so lang wie ihr ganzer Körper.«

Issib lachte. »Stell dir mal vor, du müßtest damit Hosen kaufen.«

»Und die Sandalen verschnüren!«

»Du müßtest ihn um die Taille schlingen.«

»Oder über die Schulter werfen!«

Sie hatten sich so in ihr Gespräch vertieft, daß sie nun ganz überrascht feststellten, daß sie sich schon auf dem Marktplatz befanden, wo die Händler in Erwartung der unmittelbar bevorstehenden Ankunft der Bauern von der Ebene gerade ihre Buden öffneten. Vater unterhielt ein paar Stände auf dem äußeren Markt, obwohl kein Farmer von der Ebene das Geld oder die Kenntnisse hatte, um eine Pflanze zu kaufen, die so mühselig am Leben zu erhalten war und doch keine vernünftige Ernte einbrachte. Die einzigen Verkäufe auf dem Äußeren Markt erfolgten an Einkäufer aus Basilika selbst oder, wenn auch nicht so oft, an reiche Ausländer, die auf dem Weg in die oder aus der Stadt dort stöberten. Solange Vater auf Reisen war, würde Raschgallivak die Marktstände überwachen, und er würde bestimmt auf einem Kühltisch seine Kältepflanzen ausstellen. Sie winkten ihm zu, obwohl er nur zu ihnen hinübersah und nicht einmal zur Begrüßung nickte. So war Rasch nun mal – er würde da sein, wenn sie ihn in irgendeiner Krise brauchten. Im Augenblick bestand seine Aufgabe darin, die Marktstände zu errichten, und ihnen galt seine gesamte Aufmerksamkeit. Doch es war keine Eile geboten. Die besten Verkäufe ließen sich am Spätnachmittag machen, wenn Basilikaner nach eindrucksvollen Geschenken Ausschau hielten, die sie ihren Gefährtinnen oder Geliebten mitbringen oder mit denen sie das Herz einer Person gewinnen konnten, der sie den Hof machten.

Meb hatte einmal darüber gescherzt, daß niemand exotische Pflanzen für sich selbst kaufte, weil es nur Ärger machte, sie am Leben zu erhalten – und sie nur als Geschenke gekauft wurden, weil sie so teuer waren. »Sie stellen das perfekte Geschenk dar, weil sie so lange, wie die Liebesaffäre anhält, wunderschön und beeindruckend sind – also etwa eine Woche lang. Dann stirbt die Pflanze, wenn der oder die Beschenkte nicht uns bezahlt, damit wir uns um sie kümmern. So oder so, ihre Gefühle für die Pflanze entsprechen immer den Gefühlen zu dem Liebhaber, der sie ihnen geschenkt hat. Entweder ständige Verärgerung, weil er sich nicht abweisen läßt, oder Abscheu über die häßliche, vertrocknete Erinnerung. Wenn eine Liebe wirklich halten soll, sollten die Verliebten statt dessen einen Baum kaufen.« Als Meb so mit den Kunden zu sprechen begonnen hatte, hatte Vater ihn von den Marktbuden abgezogen. Zweifellos hatte Meb genau darauf gehofft.

Nafai verstand den Drang, nicht im Geschäft helfen zu wollen. Die langwierige Arbeit, ein paar Pflanzen zu verkaufen, die die Gefühle der Käufer spiegelten, machte wirklich keinen Spaß.

Wenn ich meine Ausbildung beendet habe, dachte Nafai, muß ich Tag für Tag so eine elende Arbeit machen. Und sie wird nirgendwohin führen. Wenn Vater stirbt, wird Elemak der Wetschik, und er wird mich niemals eine eigene Karawane führen lassen, was das einzig Interessante an dieser Arbeit ist. Ich will nicht mein Leben im Gewächshaus oder im Trockenhaus oder im Kühlhaus verbringen, Pflanzen hegen und ziehen, die kurz, nachdem sie verkauft wurden, sterben werden. Darin liegt keine Größe.

Der äußere Markt endete am ersten Tor, dessen gewaltige Türen wie immer offenstanden – Nafai fragte sich, ob man sie überhaupt noch schließen konnte. Es spielte kaum eine Rolle – dieses Tor wurde immer am sorgfältigsten bewacht, weil hier der größte Betrieb herrschte. Die Netzhäute aller Personen wurden gescannt und mit dem Register der Bürger und Rechtehalter verglichen. Issib und Nafai waren als Söhne von Bürgern technisch gesehen selbst Bürger, obwohl ihnen nicht erlaubt war, Besitz in der Stadt zu halten, und wenn sie volljährig wurden, würden sie wählen dürfen. Daher behandelten die Wachen sie respektvoll, als sie sie hindurch winkten.

Zwischen dem äußeren und dem inneren Tor, zwischen den hohen, roten Mauern und auf allen Seiten von Wachen geschützt, befand sich das einträglichste Geschäft der Stadt Basilika: der Goldmarkt. Eigentlich wurde Gold hier gar nicht am häufigsten ge- und verkauft, wenngleich die Geldverleiher so stark wie eh und je vertreten waren. Auf dem Goldmarkt wurde mit jeder Form von Reichtum gehandelt, die leicht zu transportieren und daher einfach zu stehlen war. Juwelen, Gold, Silber, Platin, Datenbänke, Bibliotheken, Besitzurkunden, Pfandurkunden, Aktienzertifikate und Titel auf nicht einzutreibende Schulden: Das alles wurde hier gehandelt, und jeder Stand verfügte über einen Computer, der alle Transaktionen an das Stadtverzeichnis meldete – den Hauptcomputer der Stadt. In der Tat erzeugten die sich ständig verändernden holografischen Anzeigen über allen Computern einen seltsamen, flimmernden Effekt, so daß man, ganz gleich, wohin man sah, in den Augenwinkeln immer Bewegungen wahrzunehmen schien. Meb pflegte zu sagen, daß die Geldverleiher und Verkäufer auf dem Goldmarkt deshalb überzeugt waren, ständig von jemandem beobachtet zu werden.

Zweifellos hatten die meisten Computer Kenntnis von Nafais und Issibs Anwesenheit bekommen, nachdem man am Tor ihre Netzhäute gescannt und ihre Namen, ihren Status und ihre finanziellen Möglichkeiten in den Computer eingegeben hatte. Nafai wußte, daß dies eines Tages etwas zu sagen haben würde, doch im Augenblick hatte es nicht die geringste Bedeutung. Seit Meb letztes Jahr, als er achtzehn geworden war, hohe Schulden aufgehäuft hatte, waren der Familie Wetschik strenge Kreditrestriktionen auferlegt worden, und da Kredit wahrscheinlich die einzige Möglichkeit war, wie Nafai jemals eine bedeutende Geldsumme in die Hände bekommen würde, interessierte sich hier niemand für ihn. Vater hätte wahrscheinlich für die Aufhebung dieser Restriktionen sorgen können, doch da er sämtliche Geschäfte bar betrieb und niemals Geld borgte, taten sie ihm nicht weh, verhinderten jedoch, daß Meb weitere Schulden machte. Nafai hatte sich das Jammern und Brüllen und Schmollen und Weinen angehört, das monatelang anhielt, bis Meb endlich begriff, daß Vater sich niemals erweichen lassen und ihm finanzielle Unabhängigkeit zugestehen würde. In den letzten Monaten hatte Meb kein großes Aufheben mehr darum gemacht. Wenn er sich nun mit neuer Kleidung zeigte, behauptete er, er hätte sie von mitleidsvollen Freunden geborgt, doch Nafai war skeptisch. Meb gab noch immer Geld aus, als verfüge er über genügend davon, und da Nafai sich nicht vorstellen konnte, daß Meb tatsächlich irgendeine Arbeit angenommen hatte, blieb nur die Schlußfolgerung übrig, daß Meb jemanden gefunden hatte, der ihm einen Kredit auf seinen zu erwartenden Erbteil am Wetschik-Besitz gewährt hatte.

Das würde Meb ganz ähnlich sehen – Geld auf Vaters erwarteten Tod zu borgen. Doch Vater war noch ein kräftiger und gesunder Mann, erst fünfzig Jahre alt. Irgendwann würden Mebs Gläubiger des Wartens überdrüssig sein, und Meb würde sich erneut an Vater wenden und ihn bitten müssen, ihn von seinen Schulden zu befreien.

Am Inneren Tor wurde eine weitere Netzhautüberprüfung vorgenommen. Da sie Bürger waren und die Computer beobachtet hatten, daß sie nicht nur nichts gekauft, sondern noch nicht einmal an einer Bude innegehalten hatten, blieb ihnen das Scannen der Körper erspart, das, wie es euphemistisch genannt wurde, ein ›unbefugtes Borgen‹ verhindern sollte. Also dauerte es nur einen Augenblick, bis sie durch das Tor die Stadt selbst betraten.

Genauer gesagt, sie betraten den inneren Markt. Er war fast so groß wie der äußere, doch damit hörten die Ähnlichkeiten schon auf, denn statt Fleisch und Nahrungsmittel, Stoffballen und Nutzholz wurden auf dem inneren Markt fertige Waren verkauft: Feingebäck und Eiscreme, Gewürze und Kräuter; Möbel und Betten, Vorhänge und Gobelins; feine Hemden und Hosen, Sandalen für die Füße, Handschuhe für die Hände und Ringe für Zehen und Ohren und Finger; und exotischen Tand und Tiere und Pflanzen, die mit großen Kosten und hohen Risiken aus allen Ecken der Welt hierher gebracht worden waren. Hier bot Vater seine wertvollsten Pflanzen an, hier hielt er seine Stände Tag und Nacht geöffnet.

Doch keine der Buden übte einen besonderen Reiz auf Nafai aus – für ihn war es immer dasselbe, nachdem er schon seit so vielen Jahren mit so wenig Geld über den Markt ging. Ihn interessierten nur die vielen Buden, die Mjachiken verkauften, die kleinen Glaskugeln, in denen Musik, Tänze, Skulpturen und Gemälde gespeichert waren; Tragödien, Komödien und Tatsachenberichte, die entweder als Gedichte vorgetragen, als Schauspiele aufgeführt oder als Opern gesungen wurden; und die Werke von Historikern, Gelehrten, Philosophen, Oratoren, Propheten und Satirikern; Lektionen und Vorführungen einer jeden Kunst oder eines je gedachten Gedankengangs; und natürlich die großen Liebeslieder, für die Basilika auf der ganzen Welt bekannt war, die Musik mit wortlosen erotischen Spielen kombinierten, die niemals aufhörten, die sich endlos und zufällig wiederholten, wie die selbsterschaffenden Skulpturen in den Schlafzimmern und Privatgärten eines jeden Haushalts der Stadt.

Natürlich war Nafai zu jung, um selbst Liebeslieder kaufen zu können, doch er hatte schon mehr als eins davon gesehen, wenn er Freunde besuchte, deren Mütter oder Lehrerinnen nicht so diskret waren wie Rasa. Sie faszinierten ihn, gleichermaßen wegen der Musik, der angedeuteten Geschichte und der Erotik. Doch er verbrachte seine Zeit auf dem Markt mit der Suche nach neuen Werken basilikanischer Dichter, Musiker, Künstler und Darsteller, oder alten, die gerade neu aufgelegt wurden, oder seltsamen Werken aus anderen Ländern, entweder in der Übersetzung oder im Original. Vater mochte seine Söhne knapp halten, doch Mutter gab all ihren Kindern – Söhnen und Nichten nicht mehr und nicht weniger als bloßen Schülern – ein anständiges Taschengeld für den Erwerb von Mjachiken.

Nafai ertappte sich, wie er zu einer Bude wanderte, in der ein junger Mann mit einer überaus hohen und schönen Tenorstimme sang; die Melodie klang ganz so, als könne es ein neues Lied der Komponistin sein, die sich Sonnenaufgang nannte – oder zumindest einer ihrer besseren Imitatorinnen.

»Nein«, sagte Issib. »Du kannst dich heute nachmittag hier umsehen.«

»Geh doch schon vor«, sagte Issib.

»Wir kommen sowieso schon zu spät.«

»Dann kann ich ja ruhig noch später kommen.«

»Werde endlich erwachsen, Nafai«, sagte Issib. »Jede Lektion, die du verpaßt, wird entweder dich oder die Lehrerin später in Schwierigkeiten bringen.«

»Ich lerne sowieso nie etwas«, sagte Nafai. »Ich will das Lied hören.«

»Dann hör zu, während du gehst. Oder kannst du nicht gleichzeitig gehen und zuhören?«

Nafai ließ sich vom Markt führen. Das Lied verklang schnell, verlor sich in der Musik aus anderen Buden und dem Geplauder und den Gesprächen des Marktes. Im Gegensatz zum äußeren Markt wartete der innere nicht auf die Bauern von der Ebene und schloß deshalb niemals; die Hälfte der Leute hier, da war sich Nafai sicher, hatten in der vergangenen Nacht nicht geschlafen und kauften sich Gebäck und Tee zum Frühstück, bevor sie nach Hause und zu Bett gingen. Meb mochte einer davon sein. Und einen Augenblick lang neidete Nafai ihm die Freiheiten seines Lebens. Werde ich solche Freiheiten haben, falls ich einmal ein großer Historiker oder Wissenschaftler sein sollte? Kann ich dann am Nachmittag aufstehen, bis zur Abenddämmerung schreiben und mich dann in die Nächte Basilikas wagen, um die Tänze und Spiele zu sehen, die Konzerte zu hören oder vielleicht Abschnitte der Werke vorzulesen, die ich an diesem Tag geschrieben habe, vor einem empfindsamen Publikum, das mit Diskussionen und Gegenreden, mit Lob und Kritik darauf reagieren wird – wie könnte man Elemaks schmutzige, ermüdende Reisen jemals mit solch einem Leben vergleichen? Und in der Morgendämmerung würde ich dann zu Eiadhs Haus zurückkehren und mit ihr schlafen, und danach flüstern und lachen wir über die Abenteuer und Triumphe der vergangenen Nacht.

Nur ein paar Dinge fehlten, um diesen Traum zur Wirklichkeit werden zu lassen. Zum einen hatte Eiadh noch kein Haus, und obwohl sie sich schon eine gewisse Reputation als Sängerin und Rezitatorin gemacht hatte, war klar, daß ihre Karriere alles andere als brillant verlaufen würde; sie war kein Wunderkind, und so würde ihr Haus zweifellos viele Jahre lang bescheiden bleiben. Ganz egal, ich werde ihr helfen, ein schöneres zu kaufen, als sie allein es sich leisten könnte, auch wenn das Geld nur zum Geschenk gemacht werden kann, wenn ein Mann einer Frau hilft, in Basilika Besitz zu erwerben. Eiadh ist eine zu treue Frau, um jemals meinen Vertrag verfallen zu lassen und mich aus dem Haus zu werfen, das zu bauen ich ihr geholfen habe.

Zum anderen hatte Nafai noch nie etwas geschrieben, das besonders gut geraten war. Natürlich lag dies nur daran, weil er sich noch nicht für ein bestimmtes Gebiet entschieden hatte und sich daher noch immer auf die Probe stellte. Doch schon sehr bald würde er sich für ein Gebiet entscheiden, es mußte eins geben, auf dem er ein gewisses Flair hatte, und dann würde es in den Buden auf dem inneren Markt Mjachiken seiner Werke geben.

Auf der Heiligen Straße zog irgendeine Prozession zum Spaltental hinab, und daher mußten sie – als Männer – sie umgehen; dennoch hatten sie ziemlich bald Mutters Haus erreicht. Issib ließ ihn augenblicklich stehen und trieb zur Außentreppe, die zum Computerraum hinaufführte, in dem er dieser Tage seine gesamte Zeit verbrachte. Die nächst jüngere Klasse hatte sich schon in der Südkurve der Säulenveranda zusammengefunden und genoß dort das einfallende Sonnenlicht. Sie übten sich in der Hingabe; die Jungen schlugen sich dann und wann scharf auf die Schenkel, die Mädchen summten leise vor sich hin. Seine Klasse würde irgendwo im Gebäude dasselbe tun, und Nafai hatte es nicht eilig, sich zu ihr zu gesellen, da es als ziemlich pietätlos galt, eine solche Andacht zu stören.

Also ging er langsam weiter, wich der jüngeren Klasse auf der Veranda aus, lehnte sich, als er außer Sichtweite war, gegen eine Säule und lauschte dem angenehmen Klang der Mädchenstimmen, die wie zufällig summten und doch gelegentlich Akkorde fanden, die sich schon in dem Augenblick, da sie entdeckt wurden, wieder verloren.

Als er dort stand, tauchte plötzlich ein Mädchen aus dieser Klasse neben ihm auf. Er kannte es natürlich aus der Turnhalle. Es war die kleine Hexe namens Luet, von der man munkelte, sie habe so bemerkenswerte Visionen, daß einige der Damen vom Riff sie schon Seherin nannten. Nafai schenkte solchen Zaubergeschichten keinen großen Glauben – die Überseele konnte die Zukunft genausowenig wie irgendein Mensch kennen, und was diese Visionen betraf, erinnerten sich die Menschen nur an die, die durch schieres Glück eines Tages zufällig Wirklichkeit wurden.

»Du bist derjenige, der mit Feuer bedeckt ist«, sagte die Kleine.

Wovon sprach sie? Was sollte er auf so einen Satz antworten?

»Nein, ich bin Nafai«, sagte er.

»Eigentlich kein echtes Feuer. Kleine Diamantenfunken, die zu Blitzen werden, wenn du wütend wirst.«

»Ich muß ins Haus.«

Sie berührte seinen Ärmel; mit dieser Geste hielt sie ihn fest, als habe sie seinen Arm gepackt. »Weißt du, sie wird sich niemals mit dir vereinen.«

»Wer?«

»Eiadh. Sie wird es dir anbieten, aber du wirst sie zurückweisen.«

Das war erniedrigend. Wie konnte dieses Mädchen, das wahrscheinlich erst zwölf Jahre alt und von ihrer Größe und ihren Formen her eindeutig noch keine junge Frau war, irgend etwas von den Gefühlen wissen, die er Eiadh entgegenbrachte? War seine Liebe für alle anderen so offensichtlich? Na schön, so sei es – er hatte nichts zu verbergen. Es galt lediglich als ehrenhaft, wenn bekannt wurde, daß man solch eine Frau liebte. Und was die Behauptung betraf, daß dieses Mädchen eine Seherin war, so war sie wahrscheinlich wohl falsch, zumindest, wenn sie behauptete, Eiadh würde sich ihm tatsächlich anbieten, und er würde sie abweisen. Da ist es schon wahrscheinlicher, daß ich mir einen Finger abbeiße, als mich zu weigern, die perfekteste Frau in Basilika zur Gefährtin zu nehmen.

»Entschuldige mich«, sagte Nafai und zog seinen Arm zurück. Er mochte sowieso nicht, daß dieses Mädchen ihn anfaßte. Es hieß, ihre Mutter sei eine Wilde, eine dieser schmutzigen, nackten, allein lebenden Frauen, die aus der Wüste nach Basilika kamen; angeblich waren sie heilige Frauen, doch Nafai wußte sehr wohl, daß sie mit jedem Mann schliefen, der es verlangte; und es war erlaubt, daß ein Mann sie nahm, auch wenn er einen Vertrag mit einer Gefährtin hatte. Anständige und hochgeborene Männer taten so etwas natürlich nicht – nicht einmal Meb hatte sich je einer ›Wüstenanbetung‹ oder einer ›Staubparty‹ gebrüstet, wie die Kopulationen mit diesen Wilden im Volksmund genannt wurden. Nafai sah nichts Heiliges an der Sache, und was ihn betraf, war diese Luet ein Bastard, empfangen von einer Verrückten und gezeugt von einem tierischen Mann bei einer Vereinigung, die mehr mit Vergewaltigung als mit Liebe zu tun hatte. Es bestand nicht die geringste Aussicht, daß die Überseele damit etwas zu tun hatte.

»Du bist der Bastard«, sagte das Mädchen. Dann ging es davon. Die anderen hatten ihre Andacht beendet – oder sie vielleicht einfach unterbrochen, um zu hören, was Luet zu ihm sagte. Was bedeutete, daß die Geschichte bis zur Mittagszeit im ganzen Haus und bis zum Abendessen in ganz Basilika herumgetrascht worden war. Nafai wünschte sich, daß die Frauen Basilikas Verrückte wie Luet hinter Schloß und Riegel halten würden, anstatt ihren dummen Unsinn ständig ernst zu nehmen.

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