9. Kapitel

General O’Conner lehnte sich in seinen Sessel zurück, nahm einen Stapel Meldungen auf und legte die Beine auf den Schreibtisch. „Wenn ich an der Stelle des Feindes wäre“, verkündete er, „dann würde ich mich einfach nicht mehr um diesen lausigen Planeten kümmern und mich nach einfacheren Zielen umsehen.“

„Ja, Sir“, sagte der Adjutant.

Der General warf die Papiere auf den Tisch und fluchte. „Ich hätte nie zulassen sollen, daß man einen Psychologen zu meinem Stab abkommandiert. Was gibt es denn jetzt schon wieder?“

„Unsere Feinde sind Supermenschen, Sir, uns weit überlegene Wesen. Sie wissen das, und auch wir wissen es. Man kann vor dieser Tatsache nicht einfach die Augen verschließen.“

„Wenn alles so weitergeht wie bisher, mögen sie uns ruhig überlegen sein. Wir halten unsere Stellungen bereits seit mehr als einem Monat, und auf einen Toten auf unserer Seite kommen fünfhundert Gefallene der Gegenseite. Unsere Nachschub-Schiffe kommen durch, und wir sind jetzt in einer weitaus besseren Lage als zu Beginn dieses Angriffes. Glauben Sie, daß diese Burschen uns weiter angreifen werden trotz der riesigen Verluste, die sie erleiden?“

„Ich habe keine Ahnung, was diese Burschen vorhaben, aber sie können den Angriff gar nicht abbrechen, In diesem Stadium des Krieges wagen sie es nicht, ihre Niederlage einzugestehen. Es wäre ein ungeheurer Prestige-Verlust für sie und ein Auftrieb für uns. Es ist genau wie mit ihren Waffen. Unsere Waffen sind besser, und eine Menge davon ist ihnen in die Hände gefallen. Aber sie verwenden sie nicht. Meiner Meinung nach haben sie irgendeinen Komplex. Sie wollen es einfach nicht zugeben, daß irgend etwas von uns besser als ihre Erzeugnisse sein könnte und wollen auch nicht, daß wir zu dieser Ansicht gelangen.“

O’Conner kicherte und griff nach einem der Papiere. „Im Augenblick dürfte es ihnen schwerfallen, mich an diesem Gedanken zu hindern. Fünfhundert zu eins — es ist unglaublich. Das Sektor-Hauptquartier glaubt, ich scherze.“

Vor der Tür entstand Bewegung. Dann klangen wilde Flüche auf. Die Tür öffnete sich, und ein breitgrinsender Oberst trat ins Zimmer.

„Was gibt es, Leblanc?“ fragte O’Conner.

„Die Abwehr hat große Schwierigkeiten.“

„Ist das etwas Neues?“

„Seit Ausbruch des Krieges wird nach einem Gefangenen gejammert, den man verhören könnte. Nun hat man endlich einen Gefangenen bekommen!“

„Tatsächlich! Wie denn?“

„Oberst Corban hat einen hinübergeschickt. Er hat offensichtlich etwas für die Abwehr übrig und erklärte, er werde sich persönlich um einen Gefangenen bemühen. Er hat auch sein Wort gehalten.“

O’Conner grinste. „Corban traue ich das ohne weiteres zu. Wie hat er das denn geschafft?“

„Einer der Zombis tauchte direkt neben seinem Gefechtsstand auf. Corban schlug ihn bewußtlos. Sie haben dem Burschen einen ganzen Kübel Beruhigungsmittel eingegeben und ihn dann hierhergeschleppt.“

„Dann dürfte doch die Abwehr endlich zufrieden sein. Was sollte dann der Krach vor der Tür?“

„Nun, sobald der Zombi wieder zu sich kam, blickte er sich im Zimmer um und verschwand. Draußen tauchte er wieder auf und — wie das Glück es wollte — direkt vor einem Wachtposten, der zufälligerweise ein Infanterist war, der schon viele Kämpfe mit den Zombis hinter sich hatte. Der schlug ihm den Gewehrkolben über den Schädel und lieferte ihn wieder bei der Abwehr ab. Dieses Mal ließen sich die Abwehrleute auf keine Risiken ein. Sie schleppten ihn in eine Kellerzelle und banden ihn dort mit Eisenketten fest. Drei Wachen wurden neben ihn gesetzt, die in stetiger Körperberührung mit ihm sein mußten. Aber sobald er aufwachte, verschwand er wieder.“

O’Conner explodierte. „Hölle und Teufel! Wollen Sie etwa damit sagen, daß ein Zombi in meinem Hauptquartier herumläuft?“

„Nein. Die Wache hat ihn sofort entdeckt, als er draußen wieder auftauchte. Er war jedoch zu weit entfernt, als daß man ihn hätte niederschlagen können. Deshalb wurde er erschossen, und die Abwehrleute singen jetzt wieder ihr altes Klagelied.“

„Ja, aber ich sehe nicht ein, was uns das kümmern soll“

„Das will ich nicht sagen“, meinte der Oberst. „Es wäre ganz nett, wenn wir wüßten, gegen wen wir eigentlich kämpfen, woher die Angreifer kommen, wie viele gegen uns stehen und derartige Dinge.“

„Das eine sage ich Ihnen, es sind sehr viel weniger, als es noch vor einem Monat waren.“

Befriedigt klopft O’Conner auf den Stapel der vor ihm liegenden Meldungen. „Bei diesem Verlustverhältnis jedoch werden wir nicht mehr so lange brauchen.“

Der General beendete seine Arbeit am Schreibtisch und begab sich auf eine Inspektionsfahrt zu den Kampfeinheiten. Sein Stab argumentierte zwar immer dagegen, und es war auch wirklich gewagt, in einem der kleinen Flugzeuge umherzufliegen, in einer Lage, in der man nicht wußte, von wo der Feind angriff und wo man seine Verteidigungsstellungen suchen sollte. Bis jetzt aber war keine Maschine verlorengegangen, nicht einmal die Tag und Nacht im Einsatz stehenden Transportmaschinen. O’Conner war Realist. Er kämpfte einen glänzenden und erfolgreichen Abwehrkampf, aber noch immer wurde vom Sektor-Hauptquartier sein Abschnitt als Position angesehen, die man gegebenenfalls aufgeben konnte. Die Leute des Generals waren keine Narren und spürten genau, wie es stand. Sie kämpften besser, wenn sie wußten, daß ihr General bei ihnen blieb und sich nicht im letzten Augenblick absetzte.

Heute wollte O’Conner Corbans Abschnitt besichtigen, und er kam gerade rechtzeitig an, um noch das Ende eines kleinen Gefechtes zu erleben. Seine Maschine landete sicher, und er kletterte in Corbans Gefechtsstand hinaus.

„Es ist nicht viel los“, meldete der junge Oberst. „Wir haben etwa fünfzig der Burschen erwischt.“

„Haben Sie in letzter Zeit irgendwelche Änderungen in der Taktik unserer Angreifer feststellen können?“

„Oh, die Burschen wechseln ihre Taktik von Tag zu Tag. Diesmal haben sie ihren Angriff auf einen einzigen Punkt gerichtet. Das ist bis jetzt noch nicht vorgekommen. Dabei haben wir. zum erstenmal unsere automatischen Waffen wirkungsvoll einsetzen können. Wahrscheinlich werden sie das nicht mehr versuchen.“

O’Conner kehrte von der Besichtigung von Corbans Abschnitt in gehobener Stimmung zurück. Er mußte etwas für Corban tun, dachte er. Corban stand am falschen Platz. Er war zu wichtig, um ihn hier nur als Kommandanten einer kleinen Truppe einzusetzen. Das Sektor-Kommando würde zwar sehr überrascht sein, wenn er ihn schon wieder beförderte, aber er glaubte nicht, daß man seinen Vorschlag ablehnen würde. Schließlich war es Corbans Verdienst, daß Willar bis jetzt von den Zombis noch nicht eingenommen worden war.

Bei seiner Rückkehr ins Hauptquartier erwartete ihn sein Adjutant, Captain Dormeyer, mit der Nachricht: „Sie werden drunten in der Radiozentrale erwartet, Sir.“

O’Conner nickte. Darauf hatte er insgeheim schon gewartet. Er hatte sich um den Krieg im Raum Sorgen gemacht. Zwar war es außerhalb seines Verantwortungsbereiches, aber Admiral Ruckers Haltung …

In der Radiozentrale reichte man ihm eine Nachricht des Kommandeurs des 1105. Geschwaders. „Ungeheure Überlegenheit des Feindes. Treten strategischen Rückzug an“, las O’Conner.

„Aha“, knurrte er. „Wir können zum Teufel gehen, aber die Flotte ist wichtig.“

Dormeyer hatte Tränen in den Augen. „Es ist heller Wahnsinn. Wir hätten uns in alle Ewigkeit hier verteidigen können. Und wenn es ihm auch nicht gelungen wäre, die Transportschiffe der Zombis abzuwehren, so hätte er doch wenigstens uns die Flotte unserer Feinde vom Hals halten können.“

Tröstend schlug O’Conner ihm auf den Rücken. „Jetzt ist es geschehen. Es ist nichts mehr daran zu ändern. Wir werden eine heftige Beschwerde beim Sektor-Kommando einreichen und den ganzen Vorfall vergessen. Es hat keinen Sinn, darüber nachzudenken. Wahrscheinlich ist heute das letzte Nachschubschiff hier angekommen. Wie sieht es denn mit unseren Vorräten aus?“

„Nicht gar so schlecht.“

„Nun, wir werden uns eben bis zum letzten verteidigen, und bis dahin wird noch eine ganze Weile vergehen.“

In dieser Nacht wurde O’Connor von einer aufgeregten Ordonnanz aus dem Schlaf gerissen. „Schauen Sie, Sir“, flüsterte der Soldat.

O’Conner blickte zum düsteren Nachthimmel hinauf, an dem ein Sturm heraufzog. Eine lange Linie grünen Feuers zerriß den Himmel.

„Zuerst hielten wir es für Blitze“, erklärte die Ordonnanz. „Dann kamen immer mehr Meldungen herein …“

„Die Flotte der Zombis. Sie gibt ihren Bodentruppen Feuerschutz. Jetzt haben sie auch den Vorteil ausgeglichen, den wir bisher mit unserer Artillerie ihnen gegenüber hatten. Wenn der Beschuß so weitergeht, werden sie bald Erfolg aufweisen können.“

„Den haben sie bereits, Sir.“

„Wo?“

„Im Abschnitt 2S2D.“

O’Conner ließ sich schwer auf den Stuhl sinken. „Das ist doch …“

„Ja, Sir. Das ist Oberst Corbans Abschnitt.“

„Gibt es Überlebende?“

„Es muß Überlebende geben, Sir. Im Augenblick wird dort drüben noch heftig gekämpft.“

„Wir müssen ihnen Hilfe bringen.“

„Oberst Leblanc ist bereits zu ihrer Unterstützung unterwegs, Sir.“

„Gut. Ich will sofort eine Beförderung von Oberst Corban zum Generalmajor durchgeben — nötigenfalls eben nach seinem Tode. Kümmern Sie sich darum.“

„Jawohl, Sir.“

„Sagen Sie Dormeyer, er soll sofort sämtliche Bodenabwehrtruppen für Raumschiffe einsetzen. Wir müssen unsere Abwehrpläne schnell der neuen Situation anpassen. Jeder Abschnitt braucht tiefe Schutzstollen gegen den Beschuß der Raumschiffe, und diese Stollen müssen untereinander verbunden und so angelegt sein, daß die Leute sofort an die Oberfläche gelangen können, um Infantrieangriffe abzuwehren. Jetzt stehen wir am Anfang des Endes, glaube ich. Aber es soll ein langes und blutiges Ende werden.“

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