Die Branno hatte eine Stunde lang gewartet und müde über alles nachgedacht. Rein formal gesehen hatte sie sich des Einbruchs und Hausfriedensbruchs schuldig gemacht. Darüber hinaus — und das wog schwerer — hatte sie gegen die Verfassung verstoßen und die Rechte eines Ratsmitglieds angetastet. Auf der Grundlage der strengen Gesetze, die seit den Tagen Indburs III. und des Fuchses alle Bürgermeister zur Rechenschaft verpflichteten, konnte sie zur Verantwortung gezogen werden.
Am heutigen Tag jedoch — vierundzwanzig Stunden lang — konnte sie gar nichts falsch machen.
Doch das würde vorübergehen. Sie vollführte nervöse Bewegungen.
Die ersten eineinhalb Jahrhunderte waren das Goldene Zeitalter der Foundation gewesen, die Ära der Heroen — zumindest im Rückblick, wenn womöglich auch keineswegs für die Unglücklichen, die in jenen unsicheren Zeiten gelebt hatten. Salvor Hardin und Hober Mallow waren die beiden größten Heldengestalten gewesen, längst in den Status von Halbgöttern erhoben, sogar in einem Maß, daß sie fast als Rivalen des unvergleichlichen Hari Seldon gelten konnten. Diese drei Männer bildeten ein Dreigestirn, auf dem alle Legenden der Foundation (und selbst die Historie der Foundation) fußten.
In jenen Tagen war die Foundation jedoch nur eine winzige Welt, mit lediglich wechselhaftem Einfluß auf die Vier Königreiche, sich nur verschwommen dessen bewußt, daß der Seldon-Plan eine schützende Hand über sie hielt, sie sogar gegen die Reste des mächtigen Galaktischen Imperiums sicherte.
Und je mehr Macht die Foundation im Laufe ihres Anwachsens als politische und wirtschaftliche Einheit errang, um so unbedeutendere Führer und Kämpfer hatte sie allem Anschein nach hervorgebracht. Lathan Devers war schon nahezu vergessen. Falls man sich an ihn entsann, dann höchstens im Zusammenhang mit seinem tragischen Tod im Gefängnis, weniger aufgrund seines überflüssigen Ringens mit Bel Riose.
Und was Bel Riose anging, den nobelsten aller Gegner der Foundation, so war auch er bereits fast ganz in Vergessenheit geraten, überschattet vom Fuchs, der als einziger von allen Feinden der Foundation den Ablauf des Seldon-Plans unterbrochen, die Foundation geschlagen und sie beherrscht hatte. Nur er galt noch als großer Feind, ja sogar als einer der letzten Großen überhaupt.
Kaum jemand erinnerte sich noch daran, daß der Fuchs im wesentlichen von einer einzelnen Person zum Scheitern gebracht worden war, einer Frau, Bayta Darell; und daß sie diese Tat ohne irgend jemandes Hilfe begangen hatte, sogar ohne die Unterstützung des Seldon-Plans. Gleichfalls war nahezu völlig vergessen, daß ihr Sohn und ihre Enkelin — Toran und Arkady Darell — der Zweiten Foundation eine Niederlage zufügten, so daß die Foundation, die Erste Foundation, die Oberhand behielt.
Man betrachtete diese Sieger vergangener Tage nicht länger als Helden. Die Zeiten waren in ihrem Lauf viel zu expansiv geworden, um mit Helden irgend etwas anderes anfangen zu können, als sie zu normalen Sterblichen gesundzuschrumpfen. Zu guter Letzt hatte auch Arkadys Biographie ihrer Großmutter sie von einer Heldin zu einer bloß romantischen Gestalt verkleinert.
Und seither hatte es keine Helden mehr gegeben — nicht einmal noch romantische Gestalten. Der Kalganische Krieg war das letzte Geschehen von tatsächlich gewalttätigem Charakter gewesen, das die Foundation betraf, und dabei hatte es sich um einen nur unbedeutenden Konflikt gehandelt. Zwei Jahrhunderte wirklichen, wahrhaftigen Friedens! Hundertzwanzig Jahre lang war kein einziges Raumschiff auch nur angeschrammt worden.
Der Friede war angenehm gewesen, die Branno war weit davon entfernt, das zu leugnen; der Friede hatte sich ausgezahlt. Die Foundation hatte zwar noch kein Zweites Galaktisches Imperium errichtet — dem Seldon-Plan zufolge befand sie sich erst auf halbem Wege zu diesem Ziel —, besaß aber in Form der Foundations-Föderation die Vorherrschaft über ein gutes Drittel der in der Galaxis verstreuten politischen Einheiten, und was sie nicht unter Kontrolle hatte, darauf übte sie immerhin ihren Einfluß aus. Es gab in der gesamten Galaxis nur wenige Gegenden, wo man jemandem, der von sich sagen konnte: ›Ich komme von der Foundation‹, nicht mit Respekt begegnete. Auf all den Millionen von bewohnten Welten nahm niemand einen höheren Rang ein als der Bürgermeister von Terminus.
Noch immer lautete der Titel so. Er war überliefert worden vom Oberhaupt einer einzelnen, kleinen, nachgerade allgemein übersehenen Stadt im äußersten Grenzgebiet der galaktischen Zivilisation, über fünf Jahrhunderte hinweg, aber niemandem wäre es nur im Traum eingefallen, ihn zu verändern, oder seinem Klang auch nur ein einziges Atom mehr an Glorie zu verleihen. Wie die Dinge standen, kam nur der so gut wie vergessene Titel der Kaiserlichen Majestät ihm noch an Eindrucksstärke gleich.
Außer auf Terminus selbst, wo man der Macht des Bürgermeisters wohlüberlegt Grenzen gezogen hatte.
Die Erinnerung an die Indburs blieb wach. Nicht ihre Tyrannei war es, was die Menschen nicht vergessen konnten, sondern die Tatsache, daß sie dem Fuchs unterlegen gewesen waren.
Und hier war nun sie, Harla Branno, seit dem Tod des Fuchses die stärkste Führerpersönlichkeit (dessen war sie sich vollauf bewußt), erst die fünfte Frau im Amt des Bürgermeisters. Und erst am heutigen Tag war sie dazu in der Lage gewesen, ihre Stärke offen zu zeigen.
Sie hatte um ihr Verständnis von dem, was richtig war, was geschehen sollte, hartnäckig gekämpft, sich gegen die überwältigende Opposition jener gestellt, die es zum Innern der Galaxis und dem damit verbundenen Prestige zog, denen an der Aura imperialer Macht lag, und sie hatte sich durchgesetzt.
Noch nicht, hatte sie beharrt. Noch nicht! Verlegt zu früh in die Mitte der Galaxis, und ihr werdet aus diesen und jenen Gründen eine Abfuhr erleiden! Und dann war das Seldon-Imago erschienen und hatte sie letztendlich mit Darlegungen unterstützt, die fast aufs Wort ihrer Argumentation ähnelten.
Das hatte sie — für einige Zeit — in den Augen der gesamten Foundation so weise wie Seldon selbst gemacht.
Und da wagte dieser junge Mann sie an diesem ihren Tag aller Tage derartig herauszufordern.
Und er wagte es, obendrein auch recht zu haben!
Das war daran die Gefahr. Er hatte recht! Und weil er recht hatte, konnte er die Foundation zerstören!
Und nun stand sie ihm unter vier Augen gegenüber.
»Hätten Sie nicht allein zu mir kommen können?« meinte sie kummervoll. »Mußten Sie in Ihrem idiotischen Wunsch, mich herunterzumachen, alles öffentlich im Sitzungssaal ausposaunen? Was haben Sie bloß angestellt, Sie dummer Junge?!«
Trevize fühlte, wie er errötete, und bemühte sich, seinen Ärger zu unterdrücken. Sie war eine ältere Frau, würde mit ihrem nächsten Geburtstag dreiundsechzig werden. Es widerstrebte ihm, sich mit jemandem, der zweimal so alt war wie er, auf einen lautstarken Streit einzulassen.
Außerdem war sie in politischen Auseinandersetzungen sehr erfahren und wußte, wenn sie einen Widersacher bereits am Anfang aus dem Gleichgewicht bringen konnte, hatte sie schon halb gewonnen. Aber es brauchte Zuschauer, um eine solche Taktik wirksam anzuwenden, und hier gab es keine Zuschauer, vor denen jemand gedemütigt werden konnte. Hier befanden sich nur sie beide.
Also überhörte er ihre Bemerkung und bot alle Mühe auf, sie leidenschaftslos zu mustern. Sie war eine gealterte Frau, bekleidet in der Unisex-Mode, die seit zwei Generationen anhielt, ohne daß sie sie kleidete. Die Bürgermeisterin, Oberhaupt der Galaxis, wenn schon von irgendeinem Oberhaupt die Rede sein sollte, war nur eine schlichte ältliche Dame, die man leicht für einen alten Knaben hätte halten können, wäre ihr eisengraues Haar nicht hinten straff befestigt gewesen, statt in traditioneller männlicher Frisur frei und locker getragen zu werden.
Trevize lächelte auf einnehmende Weise. Wie sehr sich ein älterer Opponent auch bemühen mochte, die Bezeichnung ›Junge‹ wie eine Herabsetzung klingen zu lassen, dieser ›Junge‹ hier verfügte über die Vorteile der Jugend, des guten Aussehens sowie den, darüber genau Bescheid zu wissen.
»Es stimmt«, sagte er, »ich bin erst zweiunddreißig und daher gewissermaßen ein Junge. Und ich bin Ratsherr und infolgedessen — ex officio — wohl auch ein Dummkopf. An der ersten Tatsache kann ich nichts ändern. Was die zweite betrifft, kann ich sie nur bedauern.«
»Wissen Sie überhaupt, was Sie angerichtet haben? Stehen Sie nicht da herum und spielen Sie den Ganzgescheiten! Setzen Sie sich und bringen Sie Ihr Gehirn zum Arbeiten, falls es Ihnen möglich ist, und geben Sie mir vernünftige Antworten!«
»Ich weiß, was ich getan habe. Ich habe die Wahrheit gesagt, so wie ich sie sehe.«
»Und an diesem heutigen Tag wollten Sie versuchen, mir damit Schwierigkeiten zu bereiten? Ausgerechnet an diesem Tag, an dem mein Ansehen so groß ist, daß ich Sie aus dem Saal weisen und festnehmen lassen konnte, ohne daß jemand zu protestieren gewagt hätte?«
»Der Verwaltungsrat wird zur Besinnung kommen, und dann wird er protestieren. Vielleicht beschäftigt man sich schon damit. Und wegen der Repressalien, die Sie gegen mich verfügen, wird man mir um so aufmerksamer zuhören.«
»Niemand wird Ihnen zuhören, denn wäre ich der Auffassung, Sie würden das weiterhin treiben, was Sie bisher getan haben, ich würde Sie auch weiter als Verräter betrachten und mit allen Handhaben, die das Gesetz mir bietet, gegen Sie vorgehen.«
»In dem Fall müßte man eine Verhandlung durchführen. Ich bekäme meinen großen Tag vor Gericht.«
»Verlassen Sie sich nicht drauf! Im Notstandsfall ist die Macht eines Bürgermeisters gewaltig, wie selten sie auch in so einem Umfang genutzt wird.«
»Aus was für einem Grund wollten Sie den Notstand verkünden?«
»Mir fiele schon irgendein Grund ein. Soviel Einfallsreichtum habe ich, und ich hätte keine Bange vor dem politischen Risiko. Zwingen Sie mich zu nichts, junger Mann. Wir werden hier und jetzt zu einer Einigung gelangen, oder Sie dürfen nie wieder frei sein. Sie werden für den Rest Ihres Lebens eingesperrt, das garantiere ich Ihnen.«
Sie starrten einander an, die Branno in Grau, Trevize in vielfältig schattiertem Braun.
»Was für eine Art von Einigung schlagen Sie vor?« fragte Trevize nach.
»Aha. Sie sind neugierig geworden. Das ist schon besser. Dann können wir von der Konfrontation zur Verständigung übergehen. Wie lautet Ihr Standpunkt?«
»Das wissen Sie doch sehr gut. Sie haben sich doch von Ratsherr Compor alles haarklein petzen lassen, oder etwa nicht?«
»Ich möchte es aber von Ihnen hören — und zwar im Licht der gerade überwundenen Seldon-Krise.«
»Na schön, wenn’s das ist, was Sie wollen verehrte Bürgermeisterin.« Um ein Haar hätte er ›Alte‹ zu ihr gesagt. »Das Seldon-Imago lag viel zu richtig mit allem. Unglaubwürdig richtig nach fünfhundert Jahren. Ich glaube, das war das achte Mal, daß es erschienen ist. Einige Male war niemand da, um zu hören, was Seldon zu sagen hatte. Bei mindestens einer Gelegenheit, nämlich unter Indbur III. lag er mit dem, was er sagte, völlig neben der Realität — aber das war ja zur Zeit des Fuchses, nicht wahr? Doch bei welchem seiner bisherigen Auftritte war er dermaßen korrekt mit seinen Annahmen wie heute?«
Trevize gestattete sich ein knappes Lächeln. »Soweit unsere Aufzeichnungen aus der Vergangenheit das beweisen, hat Seldon die Situation so zutreffend beschrieben, bis hinein in nebensächlichste Details.«
»Sie unterstellen also«, sagte die Branno, »daß Seldons Auftreten, sein holographisches Abbild, ein Betrug ist, daß die Seldon-Analysen von einer zeitgenössischen Person fabriziert werden, vielleicht mir selbst, daß womöglich ein Schauspieler Seldons Rolle spielt.«
»Nicht undenkbar, Bürgermeisterin, aber das ist’s nicht, was ich meine. Die Wahrheit ist viel schlimmer. Ich glaube durchaus, daß es Seldon ist, den wir zu sehen bekommen, und daß seine Beschreibung des gegenwärtigen historischen Zeitpunkts sehr wohl die Beschreibung ist, die er vor fünfhundert Jahren vorbereitet hat. Das habe ich bereits Kodell erklärt, Ihrem Chef der Sicherheit, der mich sorgsam durch eine Scharade gelenkt hat, in der ich scheinbar die abergläubischen Auffassungen der gedankenlosen Foundationsbürger bestätige.«
»Ja, und falls notwendig, werden wir diese Aufnahme benutzen, um der ganzen Foundation zu zeigen, daß Sie niemals in wirklicher Opposition zu uns gestanden haben.«
Trevize breitete die Arme aus. »Aber ich stehe in Opposition. Es gibt keinen Seldon-Plan in dem Sinne, wie wir daran glauben, so einen hat’s vielleicht zwei Jahrhunderte lang nicht mehr gegeben. Ich vermute es schon seit Jahren, und was wir vor zwölf Stunden im Zeittresor erlebt haben, bestätigt meine Vermutung.«
»Weil Seldon zu genau gewesen sein soll?«
»Eben das. Lachen Sie nicht! Das ist der endgültige Beweis.«
»Wie Sie selbst sehen, lache ich gar nicht. Reden Sie weiter!«
»Wie hat er in jeder Hinsicht so akkurat sein können? Vor zwei Jahrhunderten war Seldons Analyse der damaligen Gegenwart völlig falsch. Seit der Gründung der Foundation waren dreihundert Jahre verstrichen, und er kam mit einem beträchtlichen Fehlschuß zum Vorschein. Er lag völlig daneben!«
»Dafür haben Sie selbst, Ratsherr, doch erst vor wenigen Augenblicken die Erklärung genannt. Der Fuchs war die Ursache. Der Fuchs war ein Mutant mit machtvollen geistigen Kräften, und es war unmöglich, bei der Erarbeitung des Plans jemanden wie ihn vorauszusehen.«
»Aber er ist aufgekreuzt, ob geplant oder nicht. Damit war der Seldon-Plan praktisch entgleist. Die Herrschaft des Fuchses dauerte nicht lange, und er hatte keinen Nachfolger. Die Foundation gewann ihre Unabhängigkeit und ihre Vorherrschaft zurück, aber wie sollte denn wohl der Seldon-Plan nach einer so einschneidenden Störung seines Ablaufs wieder ganz genau in seine ursprünglichen Bahnen zurückgelangt sein?«
Die Branno schnitt ein düsteres Gesicht, verklammerte fest die gealterten Hände ineinander. »Sie kennen die Antwort. Wir sind eine von früher zwei Foundations. Sie haben gewiß die Geschichtsbücher gelesen.«
»Ich habe Arkady Darells Biographie ihrer Großmutter gelesen — immerhin ja Pflichtlektüre in der Schule —, und ebenso sind mir ihre Romane geläufig. Gleichfalls ist mir die offizielle Geschichtsschreibung über den Fuchs und die nachfolgende Ära bekannt. Ist es mir erlaubt, daran Zweifel anzumelden?«
»In welcher Beziehung?«
»Nach offizieller Darstellung sollten wir, die Erste Foundation, die naturwissenschaftlichen Kenntnisse retten und weiter ausbauen. Wir sollten ganz offen tätig sein, unserer historischen Entwicklung folgen, wie sie, ob das uns bewußt bleibt oder nicht, vom Seldon-Plan vorgegeben wird. Dazu gab es die Zweite Foundation, der die Aufgabe zufiel, die geisteswissenschaftlichen und psychologischen Kenntnisse, darunter auch die Psychohistorie, zu bewahren, und ihre Existenz hielt man sogar vor uns geheim. Die Zweite Foundation war der Feinkorrektor des Plans, ihr Handeln zielte darauf ab, gewisse Tendenzen der galaktischen Geschichte, die den vom Seldon-Plan umrissenen Verlauf gefährden mochten, rechtzeitig zu bereinigen.«
»Damit geben Sie sich ja selber die Antwort«, sagte die Bürgermeisterin. »Bayta Darell hat dem Fuchs die erste wesentliche Niederlage bereitet, vielleicht unter Anleitung der Zweiten Foundation, obwohl ihre Enkelin dabei geblieben ist, es sei nicht so gewesen. Ohne Zweifel jedoch war es die Zweite Foundation, die dahingehend gewirkt hat, daß nach dem Tod des Fuchses die galaktische Geschichte und der Seldon-Plan sich wieder einander näherten und anglichen, und ganz offensichtlich hatte sie mit ihren Anstrengungen Erfolg. Bei unserem geliebten Terminus, Ratsherr, wovon reden Sie eigentlich die ganze Zeit?«
»Verehrteste Bürgermeisterin, verfolgen wir Arkady Darells Darstellung ganz genau, ist völlig klar, daß die Zweite Foundation mit ihrem Versuch, die galaktische Geschichte zu korrigieren, Seldons gesamten Plan unterminiert hat, denn im Laufe ihrer diesbezüglichen Bemühungen hat sie die Geheimhaltung ihrer Existenz aufgeben müssen. Wir, die Foundation, erfuhren von unserem Spiegelbild, der Zweiten Foundation, und wir konnten mit dem Wissen, manipuliert zu werden, nicht leben. Deshalb haben wir alles daran gesetzt, die Zweite Foundation ausfindig zu machen und sie auszumerzen.«
Die Branno nickte. »Und nach Arkady Darells Ausführungen mit erfolgreichem Ergebnis, doch offenbar nicht, bevor die Geschichte der Galaxis wieder sicher ihren richtigen Lauf nahm, und heute verläuft sie noch immer wie vorausgesehen.«
»Können Sie das allen Ernstes glauben? Der Darstellung zufolge ist die Zweite Foundation aufgespürt worden, hat man ihre verschiedenen Mitglieder zu lebenslänglicher Gefangenschaft auf dem Asteroiden… — den Namen habe ich vergessen. Das war im Jahre dreihundertsechsundsiebzig F. Ä. vor einhundertzweiundzwanzig Jahren. Fünf Generationen lang sollen wir ganz ohne die Zweite Foundation tätig gewesen sein, gleichzeitig jedoch dem Seldon-Plan und seiner Zielsetzung so treu geblieben, daß Sie und das Seldon-Imago sich dazu in fast identischem Wortlaut geäußert haben?«
»Das ließe sich so interpretieren, daß ich sehr genau die Notwendigkeit beachte, den Lauf der Geschichte mit dem größten Scharfblick zu lenken.«
»Entschuldigen Sie, ich möchte keine Zweifel an Ihrem Scharfblick äußern, aber für meine Begriffe lautet die viel naheliegendere Erklärung, daß die Zweite Foundation nie vernichtet worden ist. Sie hat uns noch immer am Gängelband. Noch immer manipuliert sie uns. Und darum liegen wir heute wieder so haargenau auf der Linie des Seldon-Plans.«
Falls diese Feststellung die Bürgermeisterin schockierte, ließ sie es sich nicht anmerken.
Es war bereits ein Uhr morgens vorbei, und sie hätte die Diskussion verzweifelt gerne beendet, aber sie durfte nichts überstürzen. Dieser junge Mann mochte nicht so ohne weiteres kapitulieren, und sie wollte nicht, daß er ihrem Netz entschlüpfte. Es paßte ihr nicht, ihn möglicherweise ohne Nutzen aus dem Weg räumen zu müssen, ehe sie ihn irgendeinem sinnvollen Zweck dienlich gemacht hatte.
»Tatsächlich?« meinte sie. »Wollen Sie behaupten, daß Arkady Darells Beschreibung des Kalganischen Krieges und der Zerschlagung der Zweiten Foundation eine Fälschung sei? Eine Erfindung? Irreführung? Erlogen?«
Trevize zuckte die Achseln. »Das muß keineswegs der Fall sein. Darum geht es nicht. Nehmen wir ruhig an, daß Arkady Darells Beschreibung nach ihrem besten Wissen und Gewissen wahr ist. Gehen wir davon aus, alles ist genau so passiert, wie Arkady Darell es schildert — man hat den Schlupfwinkel der Zweiten Foundation entdeckt, sich ihrer Mitglieder entledigt. Aber woher wollen wir wissen, daß wirklich auch der allerletzte von ihnen erwischt worden ist? Die Zweite Foundation befaßte sich mit der gesamten Galaxis. Sie hat nicht nur Terminus’ Geschichte manipuliert, nicht nur die geschichtlichen Abläufe, soweit sie allein die Foundation betraf. Ihre Zuständigkeit umfaßte größere Bereiche als nur unsere Hauptwelt, lediglich unsere Föderation. Es müssen sich ganz einfach wenigstens ein paar Mitglieder der Zweiten Foundation tausend oder mehr Parsek entfernt befunden haben. Ist es überhaupt wahrscheinlich, daß wir sie alle geschnappt haben können? Und wenn wir ihrer nicht ausnahmslos habhaft geworden sind, dürfen wir dann eigentlich von uns behaupten, sie besiegt zu haben? Konnte der Fuchs, um einen Vergleich anzustellen, dergleichen in bezug auf uns behaupten? Er hatte Terminus erobert, mit ihm alle Welten, die man von dort aus kontrollierte, den Kern der Föderation also — aber noch gab es die selbständigen Händler. Er siegte auch über die Händler — aber drei Flüchtlinge blieben übrig: Ebling Mis, Bayta Darell und ihr Mann. Er unterwarf die beiden Männer seiner geistigen Einflußnahme, ließ jedoch Bayta — nur Bayta, sie ganz allein — unbeeinflußt. Wenn wir Arkady Darells romantischer Schilderung Glauben schenken, tat er das aus Gefühlsduselei. Jedenfalls, es genügte. Eine einzige Person — nur Bayta Darell — besaß noch den freien Willen, tun zu können, was sie wollte, und aufgrund ihres Handelns blieb es dem Fuchs versagt, die Zweite Foundation zu finden, und dieser Fehlschlag führte zu seinem Untergang. Eine einzige Person hatte er nicht angetastet, und damit besiegelte er selber sein Schicksal. Daraus können wir die Bedeutung einer einzelnen Person ersehen, all den Legenden zum Trotz, die sich um den Seldon-Plan ranken und die uns weismachen wollen, das Individuum sei nichts, die Masse alles. Und wenn uns nicht bloß ein Mitglied der Zweiten Foundation entkommen ist, sondern einige Dutzend, was mir durchaus wahrscheinlich vorkommt, was dann? Ist nicht anzunehmen, daß sie sich erneut zusammengeschlossen haben, neue Finanzmittel angehäuft, ihre Arbeit wieder aufgenommen, ihre Anzahl durch Anwerbung und Ausbildung von neuem vergrößert haben und daß wir heute wie ehedem ihre Bauern abgeben?«
»Glauben Sie das?« erkundigte die Branno sich ernsthaft.
»Ich bin davon überzeugt!«
»Aber sagen Sie mir eines, Ratsherr, weshalb sollten sie sich einer derartigen Mühe unterziehen? Warum sollten etwaige klägliche Reste ihrer Organisation sich so verzweifelt halsstarrig an eine Pflicht geklammert haben, die niemandem willkommen sein kann? Was sollte eine solche Handvoll Menschen dazu antreiben, unter unsäglicher Mühsal dafür zu sorgen, daß die Galaxis auf ihrem Weg zum Zweiten Galaktischen Imperium bleibt? Und wenn dies Häuflein nun wirklich nach wie vor seine Pflicht erfüllen sollte, weshalb wäre es erforderlich, daß wir uns daran stören? Warum sollten wir nicht einfach mit dem nunmehr so reibungslosen Ablauf zufrieden sein, ihnen Dankbarkeit dafür entgegenbringen, daß sie dafür das Ihre tun, uns dabei helfen, nicht von unserem Weg abzuweichen oder ihn gar aus dem Blickfeld zu verlieren?«
Trevize legte eine Hand über seine Augen und rieb sie. Trotz seines jüngeren Alters wirkte er erschöpfter als die Branno. Er musterte die Bürgermeisterin. »Das kann ich Ihnen nicht abnehmen«, sagte er. »Soll das heißen, Sie haben den Eindruck, die Zweite Foundation täte dergleichen für uns? Daß sie aus irgendeiner Art unwahrscheinlicher Idealisten besteht? Ist Ihnen aufgrund Ihres angewandten politischen Wissens, anhand der praktischen Erfahrungen von Macht und Manipulation, eigentlich nicht klar, daß sie’s für sich selbst tun? Wir sind der Stoßkeil. Wir sind der Motor, die Kraft. Wir arbeiten, vergießen Schweiß, Blut und Tränen. Sie überwachen nur — verstärken dort einen Trend, bringen da einen Kontakt zustande, und das alles wickeln sie ohne großen Aufwand ab, ohne etwas zu riskieren. Und am Schluß, wenn alles vollbracht ist, wenn wir nach tausend Jahren des Ringens und der Schufterei das Zweite Galaktische Imperium errichtet haben, dann kommen die Leute der Zweiten Foundation heraus und setzen sich uns als herrschende Elite in den Nacken.«
»Sie möchten«, meinte die Branno, »daß ich die Zweite Foundation eliminiere? Nachdem wir den halben Weg zum Zweiten Imperium zurückgelegt haben, finden Sie, sollen wir die Chance wahrnehmen, die große Aufgabe mit eigener Kraft zu vollenden und uns selbst als Elite zu etablieren? Geht’s Ihnen darum?«
»Sicherlich! Sicher! Und müßte denn nicht Ihnen ebenso daran gelegen sein? Sie und ich, wir werden’s nicht mehr erleben, aber Sie haben Enkel, und vielleicht habe ich eines Tages auch welche, und unsere Enkel werden wieder Enkel haben, und so weiter. Es ist mein Wunsch, daß sie die Früchte unserer Arbeit genießen sollen und daß sie uns, wenn sie zurückschauen, als den Ursprung der Früchte erkennen, die ihnen zufallen, und daß sie uns für unsere Leistungen achten. Ich möchte nicht, daß alles, nur weil Seldon es sich so ausgedacht hat, irgendwelchen verborgenen Konspiranten in die Hände fällt. Für mich ist Seldon kein Idol. Ich sage Ihnen, er ist eine größere Gefahr als der Fuchs, wenn wir dulden, daß es weiter mit seinem Plan den vorgesehenen Lauf nimmt. Bei der Galaxis, ich wünschte, der Fuchs hätte seinen Plan zunichte gemacht, und zwar ein für allemal. Ihn hätten wir überlebt. Es gab nur einen seines Schlages, und er war durchaus sterblich. Die Zweite Foundation dagegen ist anscheinend unausrottbar.«
»Aber Sie würden die Zweite Foundation gern vernichten, habe ich recht?«
»Wüßte ich bloß, wie!«
»Wenn Sie nicht wissen, wie, halten Sie’s dann nicht für sehr wahrscheinlich, daß die Zweite Foundation umgekehrt Sie aus dem Weg schaffen wird?«
Trevize schnitt eine Miene der Geringschätzung. »Mir ist sogar schon der Gedanke gekommen, daß Sie selbst unter ihrem Einfluß stehen könnten. Ihre so treffsichere Voraussage dessen, was das Seldon-Imago sagen würde, die Art und Weise, wie Sie mich behandeln, diese Dinge könnten recht gut zur Zweiten Foundation passen. Sie könnten ein hohles Trugbild mit einem von der Zweiten Foundation eingepflanzten Inhalt sein.«
»Warum reden Sie dann so mit mir?«
»Weil ich, wenn Sie von der Zweiten Foundation kontrolliert werden, sowieso verloren bin, und in diesem Fall kann ich mir genauso gut ein wenig Luft machen, statt meinen Ärger hinunterzuschlucken, aber ebenso, weil ich in der Tat keineswegs davon ausgehe, sondern darauf setze, daß Sie nicht von der Zweiten Foundation gelenkt werden, daß Sie sich nur nicht darüber im klaren sind, was Sie tun.«
»Damit liegen Sie jedenfalls nicht falsch«, sagte die Branno. »Ich stehe in niemandes außer meiner eigenen Kontrolle. Aber wie können Sie sicher sein, daß ich die Wahrheit spreche? Stünde ich unterm Einfluß der Zweiten Foundation, würde ich das denn etwa zugeben? Müßte ich eigentlich selbst davon wissen, falls sie mich lenkt?
Aber solche Fragen führen zu nichts. Ich bin mir sicher, unter niemandes Kontrolle zu stehen, und Sie haben keine andere Wahl, als mir zu glauben. Denken Sie einmal über folgendes nach. Sollte die Zweite Foundation wirklich noch existieren, dürfte sicher sein, daß ihr wichtigstes Anliegen darin besteht, zu gewährleisten, daß niemand in der Galaxis von ihrer fortgesetzten Existenz erfährt. Der Seldon-Plan funktioniert nur, solange die Bauern — also wir — nicht wissen, wie er funktioniert und mit welchen Methoden die Manipulation erfolgt. Nur weil der Fuchs die Aufmerksamkeit der Foundation auf die Zweite Foundation gerichtet hatte, konnte die Zweite Foundation zu Arkady Darells Lebzeiten vernichtet werden — oder soll ich sagen, fast vernichtet, Ratsherr? Von daher lassen sich zwei Schlußfolgerungen ziehen. Erstens, wir können mit Recht unterstellen, daß eine eventuell noch existente Zweite Foundation sich im allgemeinen so unauffällig wie überhaupt möglich in aktuelle Angelegenheiten einmischt. Daß wir alle uns in ihrer Gewalt befinden, darf man wohl als unmöglich ausschließen. Auch die Zweite Foundation, falls es sie gibt, muß Grenzen ihrer Macht kennen. Einige wenige Personen zu lenken und zu dulden, daß andere ungehindert diesbezügliche Mutmaßungen anstellen, das hieße ja, den ganzen Plan der Gefahr von Verzerrungen auszusetzen. Folgerichtigerweise gelangen wir zu der Einsicht, daß ihre Eingriffe so behutsam, so indirekt, so selten wie nur möglich erfolgen — und deshalb ich nicht von ihr kontrolliert werde. Und Sie auch nicht.«
»Das ist ein logisches Ergebnis konsequenter Überlegung, und ich neige dazu, Ihnen zuzustimmen, obwohl vielleicht bloß aus Wunschdenken«, sagte Trevize. »Und die zweite Schlußfolgerung?«
»Sie ist noch simpler und naheliegender. Wenn die Zweite Foundation existiert und das Geheimnis ihrer Existenz zu hüten wünscht, dann ist eines ganz sicher. Wer die Meinung vertritt, daß sie noch existiert, öffentlich darüber redet, es verbreitet, es womöglich in der ganzen Galaxis ausruft, der muß auf irgendeine unauffällige Weise von ihnen sofort aus dem Verkehr gezogen werden, den müssen sie aus dem Weg schaffen, beseitigen. Würden Sie dieser Schlußfolgerung nicht ebenso zustimmen?«
»Ist das der Grund, weshalb Sie mich in Gewahrsam genommen haben, Bürgermeisterin?« fragte Trevize. »Um mich vor der Zweiten Foundation zu schützen?«
»Gewissermaßen, ja. In gewissem Umfang. Liono Kodells so sorgfältig vorgenommene Aufnahme Ihrer Ansichten wird nicht nur publik gemacht, um die Bürger Terminus’ und der ganzen Foundation vor Ihren albernen Redensarten zu bewahren, sondern auch, um zu verhindern, daß die Zweite Foundation hellhörig wird. Falls es sie gibt, möchte ich nicht, daß Sie ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen.«
»Das stelle man sich einmal vor«, sagte Trevize mit merklicher Ironie. »Mir zuliebe? Meiner schönen braunen Augen wegen?«
Die Branno machte eine unwillkürliche Bewegung, dann lachte sie, ohne daß es sich hätte absehen lassen, gedämpft auf. »Ich bin noch nicht so alt, Ratsherr«, antwortete sie, »daß Ihre schönen braunen Augen mir nicht aufgefallen wären, und vor dreißig Jahren wären sie mir, kann sein, Motivation genug gewesen. Heute jedoch würde ich mich um keinen Millimeter vom Fleck rühren, um Sie zu retten, oder alles, was noch an Ihnen ist, ging es hier bloß um Ihre Augen. Aber wenn die Zweite Foundation existiert und Sie ihre Aufmerksamkeit erregen, dann wird möglicherweise mit Ihrer Beseitigung noch lange nicht Schluß sein. Ich muß an mein eigenes Leben denken und an das von zahlreichen anderen Personen, die weit intelligenter und unentbehrlicher sind als Sie — und an all die Pläne, die wir geschmiedet haben.«
»Ach? Glauben Sie denn, da Sie so vorsichtig einer etwaigen Reaktion vorbeugen, daß die Zweite Foundation noch besteht?«
Die Branno schlug vor sich mit der Faust auf den Tisch.
»Natürlich glaube ich das, Sie ausgemachter Narr! Wüßte ich nicht, daß die Zweite Foundation existiert, stünde ich nicht im Kampf gegen sie, so entschieden und wirksam, wie’s mir möglich ist, würde ich etwas darum geben, was Sie zu diesem Thema daherreden? Gäbe es die Zweite Foundation nicht, wäre es dann von irgendeiner Bedeutung, wenn Sie das Gegenteil behaupten? Schon seit Monaten habe ich’s darauf abgesehen, Sie zum Schweigen zu bringen, bevor Sie an die Öffentlichkeit gehen, aber es stand nicht in meiner Macht, mit einem Ratsherrn allzu rücksichtslos umzuspringen. Seldons Auftritt hat mein Ansehen gewaltig verbessert und mir die erforderliche Macht gegeben, und sei’s nur zeitweilig — und genau in diesem Moment haben Sie sich öffentlich zu Wort gemeldet. Ich habe sofort gehandelt, und nun werde ich Sie ohne eine Mikrosekunde des Zögerns oder die geringsten Gewissensbisse umbringen lassen, wenn Sie nicht ganz genau das tun, was Ihnen gesagt wird. Unsere gesamte Unterhaltung, die wir hier zu einer Stunde führen, in der ich lieber im Bett liegen und schlafen würde, hatte von Anfang an nur den einen Zweck, Sie dahin zu bringen, daß Sie mir glauben, wenn ich Ihnen das sage, was ich gerade gesagt habe. Ich möchte, daß Sie volle Klarheit darüber haben, das Problem der Zweiten Foundation, das ich von Ihnen habe darstellen lassen, liefert mir Grund genug, um Sie notfalls ohne irgendwelche Umstände zu eliminieren.«
Trevize erhob sich halb von seinem Platz.
»Oh, machen Sie keinen Unsinn«, sagte die Branno. »Ich bin nur eine alte Frau, wie Sie sich zweifellos einzureden belieben, aber bevor Sie mich anrühren könnten, wären Sie tot. Selbstverständlich beobachten meine Leute uns, Sie kindischer junger Mann.«
Trevize setzte sich wieder. »Ihr Verhalten leuchtet mir nicht ein«, sagte er mit ein klein wenig zittriger Stimme. »Wenn Sie wirklich glauben, daß die Zweite Foundation existiert, würden Sie nicht so freimütig darüber reden. Sie wären selbst den Gefahren ausgesetzt, die, wie Sie behaupten, mir drohen.«
»Sie erkennen also an, daß ich erheblich vernünftiger bin als Sie. Mit anderen Worten, Sie glauben, daß die Zweite Foundation existiert, und Sie reden offen davon, weil Sie ein Narr sind. Ich glaube ebenfalls, daß sie existiert, und ich rede auch darüber, aber nur, weil ich Vorsichtsmaßnahmen getroffen habe. Da Sie Arkady Darells historische Anekdoten anscheinend so gut gelesen haben, dürften Sie sich daran erinnern, daß sie erwähnt, ihr Vater habe einen Apparat erfunden, den sie als ›Gedankenstörer‹ bezeichnet. Er dient als Abschirmung gegen die Art geistiger Kräfte, über die die Zweite Foundation verfügt. Diese Geräte gibt’s noch heute, und sie sind unter schärfster Geheimhaltung sogar verbessert worden. Dies Haus ist gegenwärtig gegen derlei Zudringlichkeiten einigermaßen hinlänglich geschützt. Nachdem das nun klar ist, gestatten Sie mir, Ihnen zu erläutern, was Sie zu tun haben.«
»Und das wäre?«
»Sie sollen herausfinden, ob das, was wir beide denken, sich tatsächlich so verhält. Sie sollen feststellen, ob es die Zweite Foundation wirklich noch gibt, und wenn, wo sie sich befindet. Das heißt, Sie müssen Terminus verlassen und sonstwohin gehen — ich weiß nicht, wohin —, wenngleich sich letzten Endes womöglich herausstellt, daß die Zweite Foundation, wie zur Zeit Arkady Darells, mitten unter uns ihrer Tätigkeit nachgeht. Es heißt zugleich, daß Sie nicht zurückkehren dürfen, bevor Sie uns brauchbare Dinge berichten können. Falls Sie dazu außerstande sind, werden Sie nie zurückkehren, und Terminus’ Bevölkerung ist einen Narren los.«
»Um alles in der Welt, wie soll ich sie denn suchen, ohne mich zu verraten?« Trevize merkte, daß er stammelte. »Man wird ganz einfach irgendwie arrangieren, daß ich den Tod finde, und Sie werden kein bißchen klüger sein.«
»Dann suchen Sie sie nicht. Sie naives Bürschlein!
Schauen Sie sich nach irgend etwas anderem um. Sehen Sie sich mit allem Engagement nach sonst irgend etwas um, und falls Sie im Laufe dessen zufällig auf sie stoßen, weil man sich nicht die Mühe gemacht hat, Sie zu beachten, dann sind Sie richtig vorgegangen! Sobald dieser Fall eintritt, senden Sie uns diese Information auf sichere Weise, nämlich per codierter Hyperwelle, und dann dürfen Sie zur Belohnung heimkehren.«
»Ich nehme an, Sie wissen schon etwas, wonach ich Ausschau halten könnte.«
»Ja, natürlich. Kennen Sie Janov Pelorat?«
»Nie von ihm gehört.«
»Morgen werden Sie ihn kennenlernen. Er wird Ihnen sagen, wonach Sie zu suchen haben, und er wird mit Ihnen zusammen in einem unserer allermodernsten Raumschiffe aufbrechen. Nur Sie beide werden gehen, damit riskieren wir genug. Und sollten Sie jemals den Versuch einer Rückkehr wagen, ohne bewiesen zu haben, daß Sie das Wissen besitzen, an dem uns gelegen ist, werden Sie ausradiert, ehe Sie sich Terminus auf ein Parsek nähern können! Das ist alles. Unser Gespräch ist beendet.«
Sie stand auf, betrachtete ihre bloßen Hände, streifte dann langsam ihre Handschuhe über. Sie schritt zur Tür, und zwei Wachen, die Waffen in Bereitschaft, traten ein. Die beiden Männer wichen beiseite, um sie nach draußen zu lassen.
Auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal um. »Rings ums Haus stehen weitere Posten. Tun Sie nichts, was ihnen Anlaß zur Beunruhigung geben könnte, sonst werden Sie uns das Ärgernis Ihres Daseins womöglich vorzeitig vom Hals schaffen.«
»Dann würden Sie auch um die Vorteile kommen, die Sie mir vielleicht zu verdanken haben können«, sagte Trevize, und mit einiger Anstrengung gelang es ihm, die Antwort leichthin zu äußern.
»Das werden wir ändern«, sagte die Branno mit humorlosem Lächeln.
Vor dem Haus erwartete Liono Kodell die Branno. »Ich habe die gesamte Unterhaltung mitangehört, Bürgermeisterin«, sagte er. »Sie haben unerhörte Geduld bewiesen.«
»Und infolgedessen bin ich unerhört müde. Ich glaube, mein Tag hatte zweiundsiebzig Stunden. Jetzt sind Sie an der Reihe.«
»Selbstverständlich, aber… Sagen Sie, ist das Haus wirklich durch einen Gedankenstörer abgeschirmt gewesen?«
»Ach, Kodell«, sagte die Branno matt. »Sie müßten’s ja wohl besser wissen. Wie hoch war denn die Wahrscheinlichkeit, daß jemand uns beobachtet hat? Kann sich denn irgend jemand vorstellen, die Zweite Foundation überwache immerzu überall jeden? Ich bin keineswegs so romantisch veranlagt wie der junge Trevize. Er mag so was denken, aber ich bin weit davon entfernt. Und selbst wenn’s so wäre, wenn die Zweite Foundation ihre Augen und Ohren überall hat, hätte ein Gs-Gerät sie nicht erst recht auf uns aufmerksam gemacht? Und hätte der Gebrauch eines solchen Geräts der Zweiten Foundation nicht gezeigt, daß ein Schutz gegen ihre geistigen Kräfte vorhanden ist? Ist das Geheimnis einer derartigen Schutzvorrichtung — auf jeden Fall, bis wir zu ihrer Benutzung in größerem Maßstab bereit sind —, etwa nicht nur viel mehr als Trevize wert, sondern sogar mehr als Sie und ich zusammen? Trotzdem…«
Sie hatten den Wagen bestiegen, und Kodell fuhr das Fahrzeug persönlich. »Trotzdem…?« hakte Kodell nach.
»Was, trotzdem?« meinte die Branno. »Ach so! Trotzdem ist dieser junge Mann intelligent. Ich habe ihn mindestens ein halbes Dutzend Mal in verschiedenen Zusammenhängen dumm und einen Narren genannt, nur damit er nicht den Starken spielt, aber er ist keineswegs so. Er ist jung und hat zu viele von Arkady Darells Romanen gelesen, dadurch ist er zu dem Eindruck gelangt, die Galaxis sei wirklich so, wie sie darin geschildert wird — aber er besitzt ein schnelles Auffassungsvermögen, und es dürfte jammerschade sein, ihn abschreiben zu müssen.«
»Sie sind sicher, daß wir ihn verlieren?«
»Ziemlich sicher«, sagte die Branno traurig. »Aber egal, so wird’s besser sein. Wir können keine jungen, romantischen Burschen gebrauchen, die blindwütig die haarsträubendsten Dinge verbreiten und dabei möglicherweise im Handumdrehen alles zerschlagen, was wir in jahrelanger Arbeit aufgebaut haben. Zudem wird er auf diese Weise einen guten Zweck erfüllen. Bestimmt erregt er die Aufmerksamkeit der Mitglieder der Zweiten Foundation — immer vorausgesetzt, sie besteht und befaßt sich mit uns. Und wenn sie sich mit ihm beschäftigt, bringt sie uns vielleicht um so weniger Aufmerksamkeit entgegen. Während ihrer Beschäftigung mit Trevize gibt sie sich uns vielleicht preis, ohne es zu merken, und wir erhalten die Möglichkeit und die Zeit, um uns Gegenmaßnahmen einfallen zu lassen.«
»Dann zieht Trevize also den Blitz auf sich.«
Die Lippen der Branno zuckten. »Aha, ja, das ist die Metapher, die ich schon die ganze Zeit suche. Er ist unser Blitzableiter, ja, er fängt das Unheil auf und bewahrt uns vor Schäden.«
»Und dieser Pelorat, der nahebei stehen dürfte, wenn der Blitz einschlägt?«
»Er könnte auch in Mitleidenschaft gezogen werden. Das läßt sich nicht ändern.«
Kodell nickte. »Tja, man weiß ja, was schon Salvor Hardin zu sagen pflegte: — ›Man soll sich nie von der Moral daran hindern lassen, zu tun, was richtig ist.‹«
»Im Moment verspüre ich keinen Funken von Moral«, entgegnete die Branno gedämpft. »Ich verspüre bloß Müdigkeit bis in die Knochen. Und doch… ich wüßte eine ganze Menge Leute zu nennen, die ich lieber abservieren würde als Golan Trevize. Er ist ein gutaussehender junger Mann. Und natürlich weiß er’s ganz genau.« Ihre letzten Worte klangen undeutlich, weil ihr schon die Lider zufielen, und sie sank in oberflächlichen Schlummer.