Die Sprecher saßen um ihre Tafel; in ihrer mentalen Abschirmung wirkten sie wie von plötzlicher Leblosigkeit befallen. Es war, als hätten sie aufgrund einer Verabredung unvermittelt alle gleichzeitig ihr Bewußtsein abgeschirmt, um zu verhindern, daß sie den Ersten Sprecher, nachdem er seine Erklärung bezüglich Trevizes abgegeben hatte, unverzeihlich beleidigten. Verstohlen schielten sie die Delarmi an, und das besagte schon allerhand. Sie war von allen am meisten für ihre Respektlosigkeit bekannt; selbst Gendibal legte der Konvention mehr Lippenbekenntnisse ab als sie.
Delarmi bemerkte die Blicke und sah ein, daß sie keine Wahl hatte, sie mußte sich dieser unmöglichen Situation stellen. Und da es nun einmal so war, wollte sie die Sache keinesfalls unter die Tafel kehren.
In der ganzen Geschichte der Zweiten Foundation hatte man noch keinen Ersten Sprecher der Fehlanalyse beschuldigt (hinter diesem Begriff, den sie zur Beschönigung ersonnen hatte, stand unausgesprochen Inkompetenz). Nun war so eine Anklage möglich geworden. Sie hatte nicht die Absicht, vor irgend etwas zurückzuschrecken.
»Erster Sprecher«, sagte sie leise, und ihre schmalen, farblosen Lippen zeichneten sich in der allgemeinen Blässe ihres Gesichts durch noch stärkere Fast-Unsichtbarkeit als sonst aus, »Sie sagen selbst, Ihre Meinung steht auf keiner konkreten Grundlage, daß die psychohistorische Mathematik nichts derartiges anzeigt. Fordern Sie uns auf, einen Entschluß von entscheidender Bedeutung anhand eines mystischen Fühlens zu fällen?«
Der Erste Sprecher blickte auf, die Stirn zerfurcht. Er war sich der allgemeinen mentalen Abschirmung an der Tafel bewußt. Er besaß volle Klarheit darüber, was das hieß. »Ich habe den Mangel an Beweisen nicht verschwiegen«, sagte er kühl. »Ich unterbreite hier nichts Zurechtgemachtes. Was ich vorzuweisen habe, ist das starke intuitive Gefühl eines Ersten Sprechers, der sich auf jahrzehntelange Erfahrungen berufen kann, der fast ein Lebensalter mit der gründlichen Analyse des Seldon-Planes verbracht hat.« Er ließ seinen Blick mit Förmlichkeit und Stolz, wie er sie nur selten zeigte, durch die Runde schweifen, und einer um den anderen ließen die Sprecher die Mentalabschirmung abschwächen und schließlich fallen, Delarmi (als er sie anschaute) als letzte.
»Selbstverständlich nehme ich Ihre Stellungnahme bereitwillig zur Kenntnis, Erster Sprecher«, sagte sie mit entwaffnender Aufrichtigkeit, die ihr gesamtes Bewußtsein erfüllte, als hätte es darin nie etwas anderes gegeben. »Nichtsdestoweniger halte ich es keineswegs für unvorstellbar, daß Sie die Angelegenheit vielleicht ein zweites Mal durchdenken möchten. Wenn Sie nun darüber nachdenken, zumal Sie ohnehin Scham über Ihren Rückfall in die Intuition zum Ausdruck gebracht haben, wäre es Ihnen da nicht lieber, Ihre Ausführungen würden aus dem Protokoll gelöscht…? Sicher, falls sie nach Ihrer Ansicht…«
Da unterbrach Gendibals Stimme sie. »Was sind das für Ausführungen, die aus dem Protokoll gelöscht werden sollen?«
Alle Augenpaare wandten sich gleichzeitig ihm zu. Wäre im entsprechenden Moment nicht ihre Mentalabschirmung benutzt gewesen, hätten sie sein Kommen bemerkt, lange ehe er an der Tür stand.
»Hat eben allgemeine Mentalabschirmung geherrscht?« meinte Gendibal sardonisch. »Niemand hat gespürt, daß ich unterwegs bin? Was für eine routinierte Sitzung der Tafel der Sprecher wir hier haben. Hat niemand darauf geachtet, ob ich noch komme? Oder haben alle Anwesenden sich darauf verlassen, daß ich auf jeden Fall ausbleibe?«
Sein Auftreten war ein flagranter Verstoß gegen alle Umgangsformen. Daß Gendibal zu spät kam, war schlimm genug; daß er unangekündigt eintrat, war noch schlimmer. Am allerschlimmsten jedoch war die Tatsache, daß er den Mund aufmachte, bevor der Erste Sprecher ihn ordnungsgemäß zur Teilnahme an der Sitzung aufforderte.
Der Erste Sprecher wandte sich ihm zu. Alles andere rückte nun in den Hintergrund. Die Frage der Disziplin stand an erster Stelle.
»Sprecher Gendibal«, sagte Shandess, »Sie kommen zu spät. Sie platzen formlos herein. Sie reden drauflos. Gibt es irgendeinen Grund, weshalb Sie nicht für dreißig Tage von der Tafel der Sprecher ausgeschlossen werden sollten?«
»Selbstverständlich. Ein Beschluß in bezug auf meine etwaige Suspendierung sollte keineswegs beraten werden, ehe hier darüber gesprochen worden ist, wer es war, der dafür gesorgt hat, daß ich zu spät kommen mußte, und warum.« Gendibal sprach in unterkühltem, gemessenem Tonfall, aber in seinem Bewußtsein verdunkelten Wolken des Zorns seine Gedanken. Doch es war ihm gleichgültig, ob jemand es merkte.
Die Delarmi spürte es ohne Zweifel. »Der Mann ist wahnsinnig«, sagte sie mit Nachdruck.
»Wahnsinnig?« wiederholte Gendibal. »Ich? Wahnsinn von dieser Frau, so etwas zu behaupten. Oder es geschieht aus Schuldbewußtsein. Erster Sprecher, ich wende mich an Sie und berufe mich auf das persönliche Privileg, in eigener Sache sprechen zu dürfen.«
»Worum handelt es sich, Sprecher?«
»Erster Sprecher, ich beschuldige jemanden hier des Mordversuchs.«
Im Sitzungsraum brach ein Entrüstungssturm los, als alle Sprecher und Sprecherinnen aufsprangen und in ein heilloses Durcheinander von mündlicher, mimischer und mentaler Diskussion verfielen.
Der Erste Sprecher hob die Arme. »Der Sprecher muß Gelegenheit erhalten«, rief er, »das persönliche Privileg des Vortrags in eigener Sache wahrnehmen zu können.« Er sah sich dazu gezwungen, auf mentaler Ebene seine Autorität mit einer Deutlichkeit auszuspielen, wie sie in diesem Kreis wenig wünschenswert war — aber er hatte keine andere Wahl.
Der Wirrwarr verebbte.
Gendibal wartete ungerührt, bis sowohl akustisch wie auch mental vollkommene Ruhe eingetreten war, ehe er weitersprach. »Auf dem Rückweg zur Universität«, sagte er, »auf einer hamischen Landstraße, in einer Entfernung und mit einer Geschwindigkeit, die ohne weiteres mein pünktliches Eintreffen gewährleistet hätten, haben mich mehrere Farmer aufgehalten, und nur mit knapper Not bin ich nicht zusammengeschlagen worden, und vielleicht hätte man mich umgebracht. Wie die Dinge sich entwickelt haben, hat sich jedoch lediglich eine Verspätung ergeben, und ich bin soeben eingetroffen. Zunächst einmal möchte ich feststellen, daß ich seit den Zeiten der Großen Plünderung keinen Fall wüßte, daß ein Zweitfoundationist von den Hamer respektlos behandelt worden ist, geschweige denn sogar mißhandelt.«
»Dergleichen ist auch mir unbekannt«, sagte der Erste Sprecher.
»Normalerweise laufen Zweitfoundationisten nicht allein im Hamer-Territorium herum«, rief die Delarmi. »Mit so etwas provozieren Sie solche Vorfälle ja regelrecht.«
»Es stimmt, es ist meine Gewohnheit«, sagte Gendibal, »allein im Hamer-Territorium herumzulaufen. Viele hundert Mal habe ich mich in jede erdenkliche Richtung bewegt. Aber nie vorher hat mich jemand belästigt. Andere bewegen sich nicht mit der Freizügigkeit, wie ich es halte, aber niemand hier betrachtet sich als von der übrigen Welt ausgeschlossen, keiner sperrt sich in der Universität ein, und niemals ist irgend jemand von uns belästigt worden. Ich kann mich entsinnen, daß Delarmi…« Und da, als erinnere er sich nachträglich des Titels, verwandelte er ihn in eine tödliche Beleidigung. »Ich wollte sagen, ich kann mich entsinnen, daß auch Sprecherin Delarmi gelegentlich das Hamer-Territorium aufgesucht hat, und sie ist auch unbehelligt geblieben.«
»Das liegt vielleicht daran«, sagte die Delarmi, die Augen zu einem wuterfüllten Blick geweitet, »daß ich niemanden angesprochen und Distanz bewahrt habe. Weil ich mich benommen habe wie jemand, der Respekt verdient, hat man ihn mir entgegengebracht.«
»Seltsam«, sagte Gendibal, »und ich wollte der Meinung Ausdruck geben, es habe daran gelegen, daß Sie eine formidablere Erscheinung als ich sind. Selbst hier wagt sich Ihnen ja kaum jemand zu nähern. Aber verraten Sie mir einmal, warum sollten die Hamer mich ohne jede Veranlassung ausgerechnet heute belästigen, wenn ich an einer sehr wichtigen Sitzung der Tafel der Sprecher teilzunehmen habe?«
»Wenn’s nicht auf Ihr Verhalten zurückzuführen war«, entgegnete die Delarmi, »hat es sich eben um einen Zufall gehandelt. Ich wüßte nicht, daß Seldons Mathematik die Rolle des Zufalls in der Galaxis beendet hätte. Oder berufen auch Sie sich auf intuitive Inspiration?« (Dieser gegen den Ersten Sprecher gerichtete Seitenhieb veranlaßte ein oder zwei andere Sprecher zu einem gelinden mentalen Aufseufzen.)
»Es lag nicht an meinem Verhalten«, sagte Gendibal. »Es war kein Zufall. Vielmehr war es eine vorsätzliche Belästigung.«
»Woher können wir das mit Sicherheit wissen?« erkundigte sich der Erste Sprecher nachsichtig. Angesichts der letzten Bemerkung der Delarmi konnte er nicht anders, er ging Gendibal innerlich entgegen.
»Mein Bewußtsein steht Ihnen offen, Erster Sprecher. Sie und die gesamte Tafel können meine Erinnerung an den Vorfall einsehen.«
Dieser mentale Datenaustausch dauerte nur einige wenige Augenblicke. »Schockierend«, sagte der Erste Sprecher. »Unter Bedingungen erheblichen äußeren Drucks haben Sie sich außerordentlich besonnen benommen, Sprecher. Ich bin mit Ihnen der Ansicht, daß das Benehmen dieser Hamer anomal ist und eine gründliche Untersuchung erfordert. Nun jedoch nehmen Sie Platz, so daß wir die Sitzung…«
»Einen Moment«, unterbrach ihn die Delarmi. »Wie sicher können wir sein, daß die Darstellung des Sprechers zutreffend ist?«
Bei dieser Kränkung weiteten sich Gendibals Nasenflügel, aber er bewahrte seine selbstbeherrschte Gefaßtheit. »Mein Bewußtsein ist offen.«
»Ich habe schon manches offene Bewußtsein eingesehen, das doch nicht offen war.«
»Das bezweifle ich keineswegs, Sprecherin«, antwortete Gendibal, »denn wie wir alle müssen auch Sie Ihr Bewußtsein unter ständiger Selbstkontrolle halten. Mein Bewußtsein jedoch ist offen, wenn es offen ist.«
»Wir wollen keine weiteren…«, begann der Erste Sprecher.
»Ich möchte mein persönliches Privileg des Vortrags in eigener Sache wahrnehmen, Erster Sprecher«, sagte die Delarmi, »und bitte um Entschuldigung für die Unterbrechung.«
»Um was handelt es sich, Sprecherin?«
»Sprecher Gendibal hat einen der Anwesenden des versuchten Mordes beschuldigt, ein Versuch, der vermutlich durch die Anstiftung des Farmers zum Angriff auf ihn geschehen sein soll. Solange diese Anschuldigung nicht zurückgenommen worden ist, muß ich mich dem Verdacht ausgesetzt fühlen, eine Mörderin zu sein, und das gleiche gilt für jeden hier im Raum — auch für Sie, Erster Sprecher.«
»Möchten Sie die Anschuldigung zurücknehmen, Sprecher Gendibal?« fragte der Erste Sprecher nach.
Gendibal nahm seinen Platz ein, legte die Hände auf die Armlehnen, umklammerte sie fest, als ergriffe er von ihnen Besitz. »Das werde ich«, sagte er, »sobald mir jemand erklärt, warum ein hamischer Farmer unter Einbeziehung mehrerer anderer Hamer mich auf dem Weg zu einer Sitzung absichtlich hätte belästigen und aufhalten sollen.«
»Dafür kommen womöglich tausend Gründe in Frage«, sagte der Erste Sprecher. »Ich wiederhole, wir werden den Vorfall eingehend untersuchen. Wollen Sie nun bis auf weiteres, vor allem im Interesse einer Fortsetzung dieser Sitzung, die erwähnte Anschuldigung zurückziehen, Sprecher Gendibal?«
»Das kann ich nicht, Erster Sprecher. Ich habe ausgiebig und so vorsichtig wie möglich den Geist dieses Farmers erforscht, um irgendwie sein Verhalten zu ändern, ohne Schaden anzurichten, aber umsonst. Seinem Bewußtsein fehlte es an der Lenkbarkeit, die hätte vorhanden sein müssen. Seine Emotionen waren fixiert, wie durch die äußere Einflußnahme eines fremden Bewußtseins.«
Die Delarmi lächelte plötzlich andeutungsweise. »Und Sie glauben, einer von uns sei dies ›fremde Bewußtsein‹ gewesen? Könnte denn nicht Ihre geheimnisvolle Organisation dahinterstecken, die mit uns um die Verwirklichung des Seldon-Plans wetteifert, die mächtiger als wir ist?«
»Das könnte durchaus der Fall sein«, antwortete Gendibal.
»Dann sind wir, die wir ja keine Mitglieder der besagten Organisation sind, ohne jede Schuld an dem Vorfall, und Sie sollten Ihre Beschuldigung zurücknehmen. Oder ist es so, daß Sie einen der Anwesenden verdächtigen, diese merkwürdige Organisation hätte ihn unter Kontrolle? Wollen Sie behaupten, einer von uns sei gar nicht, was er dem Anschein nach ist?«
»Vielleicht«, erwiderte Gendibal unerschüttert, obwohl er sich dessen bewußt war, daß die Delarmi sich bemühte, ihn aufs Glatteis zu führen.
»Man könnte den Eindruck gewinnen«, sagte die Delarmi und rückte mit dem heraus, worauf sie abgezielt hatte, »daß Ihre Vorstellungen von einer geheimen, unbekannten, verborgenen und rätselhaften Organisation nur der Alptraum einer Paranoia sind. Sie könnten zu Ihrem paranoiden Einfall passen, hamische Farmer würden mental beeinflußt, Sprecher stünden insgeheim unter fremder Kontrolle. Aber ich bin durchaus bereit, Ihren sonderbaren Gedankengängen noch eine Zeitlang zu folgen. Von welchem der Anwesenden glauben Sie denn, Sprecher, daß er sich unter fremder Kontrolle befindet? Soll ich es sein?«
»Ich bezweifle es, Sprecherin«, gab Gendibal zur Antwort. »Ginge der Versuch, mich auf so indirekte Weise zu beseitigen, auf Sie zurück, würden Sie sicher Ihre Abneigung gegen mich nicht so unmißverständlich zeigen.«
»Vielleicht liegt ein doppeltes Doppelspiel vor?« meinte die Delarmi. »Eine solche Schlußfolgerung wäre bei paranoiden Zwangsvorstellungen durchaus gängig.« Sie schnurrte nun regelrecht vor Behagen.
»Das mag sein. Sie kennen sich in diesen Dingen besser als ich aus.«
Hitzig mischte sich Sprecher Lestim Gianni ein. »Hören Sie, Sprecher Gendibal, das führt zu nichts! Wenn Sie Sprecherin Delarmi vom Verdacht freisprechen, richten Sie ihn damit nur um so stärker gegen den gesamten Rest der Anwesenden. Welchen Grund sollte denn irgendeiner von uns besitzen, Ihre Teilnahme an dieser Sitzung zu verzögern, gar nicht davon zu reden, weshalb jemand Ihren Tod wünschen sollte?«
Gendibal antwortete rasch, als habe er auf diese Frage nur gewartet. »Als ich eintrat, war der zur Diskussion stehende Punkt die Löschung bestimmter Ausführungen aus dem Protokoll, von Ausführungen, die vom Ersten Sprecher gemacht worden sind. Als einziger Sprecher habe ich diese Ausführungen nicht mitanhören können. Ich möchte wissen, worum es ging, und dann, glaube ich, kann ich das Motiv nennen, warum jemand ein Interesse daran gehabt haben soll, mich zeitweilig fernzuhalten oder endgültig loszuwerden.«
»Ich hatte erklärt — und Sprecherin Delarmi sowie vielleicht auch andere Anwesende nahmen daran ernsthaften Anstoß —, daß ich aufgrund meiner Intuition und durch den Versuch einer untauglichen Anwendung der psychohistorischen Mathematik zu der Ansicht gelangt war, daß die ganze Zukunft des Seldon-Plans möglicherweise von diesem Verbannten der Ersten Foundation abhängt, Golan Trevize«, faßte der Erste Sprecher zusammen.
»Es bleibt den anderen Sprechern überlassen, zu äußern, was immer sie davon denken«, sagte Gendibal. »Ich für meinen Teil bin ebenfalls dieser Meinung. Trevize ist der Schlüssel. Ich finde diesen plötzlichen Hinauswurf durch die Erste Foundation zu seltsam, als daß sich dahinter nichts verbergen könnte.«
»Wollen Sie damit andeuten«, entgegnete die Delarmi, »Trevize sei unterm Einfluß dieser mysteriösen Organisation, oder etwa die Leute, die ihn ins Exil geschickt haben? Befindet sich womöglich alles und jeder unter ihrer Kontrolle außer Ihnen und dem Ersten Sprecher — und mir, der Sie bestätigt haben, nicht einer solchen Kontrolle ausgesetzt zu sein?«
»Dies Geschwätz erfordert keine Antwort«, erwiderte Gendibal. »Statt dessen möchte ich die Frage stellen, ob irgendein weiterer Sprecher sich in dieser Angelegenheit mit mir und dem Ersten Sprecher einig zu erklären gedenkt? Ich gehe davon aus, alle Anwesenden haben die mathematischen Darlegungen, die ich mit der Einwilligung des Ersten Sprechers allen habe zukommen lassen, mit der gebührenden Aufmerksamkeit studiert?«
Schweigen herrschte.
»Ich wiederhole meine Frage«, sagte Gendibal. »Ist jemand dazu bereit?«
Das Schweigen blieb ungebrochen.
»Erster Sprecher«, sagte Gendibal, »da haben Sie das Motiv für die Herbeiführung des Zwischenfalls.«
»Erklären Sie deutlicher«, sagte der Erste Sprecher.
»Sie haben hier über die Notwendigkeit gesprochen, daß wir uns mit Trevize befassen, diesem Erstfoundationisten. Dabei handelt es sich um eine wichtige politische Initiative, und falls die Sprecher meine Vorlage gelesen haben, dürften sie im großen und ganzen gewußt haben, woher der Wind weht. Aber wenn sie einhellig anderer Auffassung gewesen wären — einhellig! —, hätten Sie aus traditioneller Selbstbeschränkung die Sache nicht weiterverfolgen können. Mit der Unterstützung nur eines Sprechers jedoch hätten Sie die vorgeschlagene neue Politik zur Ausführung bringen können. Ich war der eine Sprecher, mit dessen Rückhalt Sie rechnen konnten, wie jeder, der meine Vorlage gelesen hatte, ersehen konnte, und deshalb mußte ich um jeden Preis von der Tafel ferngehalten werden. Fast hatte dieser Trick Erfolg, doch jetzt bin ich da, und ich unterstütze den Ersten Sprecher. Ich teile seine Meinung, und in Übereinstimmung mit den traditionellen Regeln kann er bei der weiteren Verfolgung seiner politischen Linie die Bedenken der anderen elf Sprecher außer acht lassen.«
Die Delarmi schlug mit der Faust auf die Tafel. »Die Implikation all dessen lautet, jemand habe vorher gewußt, was der Erste Sprecher zu empfehlen beabsichtigt, und ebenso vorher gewußt, daß Sprecher Gendibal ihm seinen Rückhalt gibt, und daß der gesamte Rest nichts von allem gewußt haben soll. Ferner impliziert es, diese Initiative sei dieser wahnhaften geheimen Organisation Sprecher Gendibals unangenehm, daß sie sich bemühe, sie zu sabotieren, daß einer oder mehrere von uns unter ihrer Kontrolle stünden.«
»Diese Implikationen sind vorhanden«, stimmte Gendibal zu. »Ihre Analyse ist meisterhaft.«
»Wen beschuldigen Sie?« rief die Delarmi.
»Niemanden. Ich ersuche den Ersten Sprecher, alles weitere zu veranlassen. Es ist vollkommen klar, daß irgend jemand in unserer Organisation gegen uns arbeitet. Ich schlage vor, daß jeder, der für die Zweite Foundation tätig ist, einer gründlichen Mentalanalyse unterzogen wird. Jeder, auch die Sprecher selbst. Auch ich — und ebenfalls der Erste Sprecher.«
Die Versammlung brach in größeren, chaotischeren Aufruhr aus, als je zuvor einer durch das Protokoll aufgezeichnet worden war.
Und nachdem der Erste Sprecher in diesem Sinne sein Einverständnis bekanntgegeben hatte, verließ Gendibal ohne ein Wort den Sitzungsraum und suchte sein Apartment auf. Er wußte genau, daß er unter den Sprechern keinen Freund besaß; selbst der Beistand, den er vom Ersten Sprecher erhielt, konnte günstigstenfalls halbherzig sein.
Er besaß keine Klarheit darüber, ob er nur um sich selbst oder um die ganze Zweite Foundation fürchtete, aber auf seiner Zunge lag bitter der Vorgeschmack drohenden Unheils.
Gendibal schlief schlecht. Im Wachen wie im Schlafen galten seine Gedanken und Träume dem Streit mit Sprecherin Delora Delarmi. In einem Traumfetzen kam es zu einer Verwischung zwischen ihr und dem hamischen Farmer, so daß Gendibal sich von einer verzerrten Delarmi attackiert sah, die gegen ihn eine riesige Faust schwang und gleichzeitig ein süßliches Lächeln zeigte, das nadelspitze Zähne entblößte.
Als er schließlich erwachte — später als gewöhnlich —, fühlte er sich nicht ausgeruht, und von seinem Nachttisch ertönte gedämpftes Summen. Er wälzte sich herum und drückte die Taste.
»Ja? Was ist los?«
»Ein Besucher möchte mit Ihnen reden, Sprecher.« Die Stimme gehörte dem Hauswart und klang wesentlich weniger respektvoll als angebracht.
»Ein Besucher?« Gendibal rief seinen Terminplan ab, aber auf dem Bildschirm zeigte sich für den Vormittag kein einziger Termin. Er drückte die Zeitanzeige; es war 8 Uhr 32. »Raum und Zeit«, fragte er verdrossen nach, »wer ist es denn?«
»Will keinen Namen nennen, Sprecher.« Man merkte dem Etagenwart sein Mißfallen an. »Ein Hamer, Sprecher. Will aufgrund Ihrer Einladung hier sein.« Letzteres sagte er mit noch spürbarerer Mißbilligung.
»Er soll im Empfangsraum warten, bis ich nach unten komme. Es wird aber einige Zeit dauern.«
Gendibal beeilte sich nicht im mindesten. Während seiner morgendlichen Verrichtungen blieb er in Gedanken versunken. Daß jemand sich der Hamer bediente, um ihm Schwierigkeiten zu machen, wirkte durchaus sinnvoll — und er hätte zu gern gewußt, wer derjenige war. Doch was sollte es nun bedeuten, daß ein Hamer ihn an seinem Wohnsitz besuchte? Konnte es sich um irgendeine raffinierte Falle handeln?
Im Namen Seldons, wie konnte ein hamischer Farmer in die Universität gelangen? Welche Gründe hatte er für so etwas zu nennen? Was mochten seine wahren Beweggründe sein?
Einen flüchtigen Moment lang überlegte er, ob er sich bewaffnen solle. Fast augenblicklich entschied er sich dagegen, weil er auf nahezu geringschätzige Weise davon überzeugt war, einen einzelnen Farmer, der sich in die Universität gewagt hatte, in Schach halten zu können, ohne sich dabei irgendeiner Gefahr auszusetzen, ohne mit unakzeptabler Nachhaltigkeit ein Hamer-Bewußtsein beeinflussen zu müssen.
Gendibal gelangte zu der Auffassung, daß der gestrige Zwischenfall mit dem Farmer ihn viel zu stark beeindruckt hatte. War womöglich derselbe Farmer sein unerwarteter Besucher? Vielleicht stand er nicht länger unter fremdem Einfluß, von wem oder was diese Einflußnahme auch ausgehen mochte, und war nun gekommen, um sich für sein Benehmen bei Gendibal zu entschuldigen, aus Sorge, er könne andernfalls irgendwie bestraft werden. Aber woher sollte der Mann wissen, wohin er gehen mußte? An wen er sich zu wenden hatte?
Entschlossen bog er um die Ecke des Korridors und betrat den Warteraum. Erstaunt blieb er stehen, dann wandte er sich an den Hauswart, der in seiner gläsernen Kabine furchtbar geschäftig tat.
»Hauswart, Sie haben nicht erwähnt, daß der Besucher eine Frau ist!«
»Ein Hamer, habe ich gesagt, Sprecher«, erwiderte der Hauswart ruhig. »Sie haben keine weitergehenden Fragen gestellt.«
»Minimalinformation, Hauswart? Muß ich mir als eine Ihrer Eigenheiten merken.« (Und er mußte nachprüfen, ob der Hauswart sein Amt der Delarmi verdankte. Außerdem empfahl es sich offenbar, von nun an genauer auf die Funktionärchen zu achten, die ihn umgaben — es fiel allzu leicht, sie von der Höhe seiner noch neuen Sprecherschaft herab zu übersehen, die ›Unteren‹.) »Sind irgendwelche Konferenzräume frei?«
»Nur Nummer Vier, Sprecher«, antwortete der Hauswart. »Er ist für drei Stunden frei.« Mit einem Ausdruck völliger Unschuld sah er erst die Hamerin an, dann Gendibal.
»Wir werden uns in Nummer Vier unterhalten, Hauswart, und ich rate Ihnen dringend, auf Ihre Gedanken zu achten.« Gendibal führte einen unsanften mentalen Stoß, und der Hauswart erhob seine Abschirmung viel zu langsam. Gendibal wußte sehr gut, daß es eigentlich unter seiner Würde war, einen Untergebenen mit unterlegenem Verstand zu züchtigen, aber eine Person, die nicht dazu imstande war, eine unerfreuliche Mutmaßung bezüglich eines Vorgesetzten für sich zu behalten, mußte wenigstens lernen, sich nicht darin zu gefallen. Der Hauswart würde ein paar Stunden lang scheußliche Kopfschmerzen haben, und die waren durchaus verdient.
Er konnte sich nicht sofort auf den Namen besinnen und befand sich auch keineswegs in der Stimmung, um in seinem Gedächtnis ausgiebig danach zu suchen. Sie durfte wohl schwerlich erwarten, daß er sich erinnerte.
»Ich habe Ihren Namen vergessen«, sagte er mürrisch.
»Ich bin Novi, Meister Forscher«, entgegnete sie, indem sie fast loskeuchte. »Mein Vornam is Sura, aber man ruft mir Novi.«
»Ja, richtig. Novi. Wir sind uns gestern begegnet. Ich entsinne mich. Ich habe keineswegs vergessen, daß Sie mir zu Hilfe gekommen sind.« Er brachte es nicht fertig, sich auf dem Gelände der Universität des Hamer-Dialekts zu bedienen. »Wie sind Sie hergelangt?«
»Meister, du hast sagt, ich könnt ein Brief schreiben. ›Sprecherhaus, Apartment siebenundzwanzig‹ sollte drauf stehen, hast sagt. Nu bring ich ihm selber und zeig dich mein eigen Schrift drauf, Meister.« Sie sagte das mit einer Art von verschämtem Stolz. »›Für wem is das Schrieb?‹ fragen sie mir. ›Ich hab gehört, wie du’s diesem ungehobelten Grobian gegeben hast, dem Rufirant.‹ Ich sag, is für Stor Gendibal, Meister Forscher.«
»Und man hat Sie durchgelassen, Novi? Wollte niemand den Brief sehen?«
»Ich hab mich gefierchtet. Ich dacht, vielleicht sind sie nich freundlich. ›Forscher Gendibal hat mich versprochen, mich Forscherstadt zu zeigen‹, hab ich sagt, und sie haben gelächelt. Einer am Tor sagte zum anderen, ›und das wird nich alles sein, was er ihr zeigt‹. Und sie sagten, wie ich gehen muß, und daß ich nich woanders gehen soll, sonst tät ich gleich wieder rausfliegen.«
Gendibal errötete ein wenig. Bei Seldon, falls er das Bedürfnis nach hamischem Amüsement verspürte, würde er wohl kaum so offen vorgehen, und seine Wahl fiele bestimmt etwas anspruchsvoller aus. Er betrachtete die Trantoranerin mit einem innerlichen Kopfschütteln.
Sie wirkte noch ziemlich jung; vielleicht war sie jünger, als sie infolge der harten Arbeit aussah. Sie konnte nicht älter als fünfundzwanzig sein, ein Alter, in dem hamische Frauen normalerweise schon verheiratet waren. Sie trug ihr schwarzes Haar zu den Zöpfen geflochten, die sie als unverheiratet kennzeichneten — sogar als Jungfrau auswiesen —, und das überraschte ihn keineswegs. Wie sie gestern mit dem Kerl namens Rufirant umgesprungen war, enthüllte ein bedeutendes Talent zum Zankteufel, und er bezweifelte, daß sich ohne weiteres ein Hamer finden ließ, der sich es zutraute, es sowohl mit ihrer losen Zunge wie auch ihrer anscheinend lockeren Faust aufzunehmen. Auch ihre Erscheinung war nicht besonders attraktiv. Obwohl sie sich allerlei Mühe gegeben hatte, präsentabel auszusehen, blieb ihr Gesicht doch kantig und schlicht, ihre Hände waren unverändert rot und knubblig. Was er von ihrer Figur sehen konnte, machte den Eindruck, als sei sie weniger zur Anmut als zur Belastungsfähigkeit geschaffen.
Unter seiner aufmerksamen Musterung begann ihre Unterlippe zu zittern. Er vermochte ihre Verlegenheit und Ängstlichkeit deutlich zu spüren und empfand Mitleid. Aber sie war ihm gestern wirklich eine große Hilfe gewesen, und das war ein Umstand, der zählte.
»So, und nun sind Sie also gekommen«, sagte er in einem Versuch, sich sowohl geistreich wie auch besänftigend zu äußern, »um sich… äh… die Forscherstadt anzuschauen?«
Sie öffnete weit ihre dunklen Augen, die andererseits sehr reizend aussahen. »Meister«, sagte sie, »sei nich sauer mit mich, aber ich komm, um selber Forscherin zu werden.«
»Sie möchten Forscherin werden?!« Gendibal fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. »Liebe Frau…«
Er verstummte. Bei Trantor, wie sollte er einer total ungebildeten Person von Farmerin erläutern, welchen Intelligenzgrad, was für eine Ausbildung und welche geistige Kraft es erforderte, das zu werden, was Trantoraner einen ›Forscher‹ nannten?
Aber Sura Novi begann schon heftig Erklärungen abzugeben. »Ich kann schreiben und lesen. Ich hab auch schon ganze Biecher von vorn bis hinten gelesen. Und ich will Forscherin werden. Ich will kein Farmersfrau sein. Ich bin nich für ’ne Farm. Ich will kein Farmer heiraten und kein Farmerkinder kriegen.« Sie hob stolz den Kopf. »Ich bin gefragt worden. Vielmals. ›Nee‹, sag ich immer. Höflich bin ich, aber ich bleib bei Nee.«
Gendibal erkannte klar genug, daß sie log. Niemand hatte sie gefragt; aber er ließ es dabei bewenden. »Was wollen Sie mit Ihrem Leben anfangen«, erkundigte er sich, »wenn Sie nicht heiraten?«
Sura Novi schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ich will Forscherin sein. Ich will kein Farmersfrau sein.«
»Und falls ich keine Forscherin aus Ihnen machen kann?«
»Dann bin ich nix und wart auf ’n Tod. Wenn ich kein Forscherin sein kann, will ich im Leben halt gar nix sein.«
Einen Moment lang verspürte Gendibal den Wunsch, ihr Bewußtsein nach den inneren Beweggründen ihrer Motivation zu durchsuchen, aber das wäre ein Fehlverhalten gewesen. Man wurde nicht Sprecher, um nach Lust und Laune im Geist anderer Leute umherzustöbern, die dagegen hilflos waren. Die Mentalik hatte ihren Kodex, genau wie jede andere organisierte Tätigkeit. Oder jedenfalls sollte es so sein. (Er bedauerte es plötzlich, dem Hauswart einen Denkzettel verpaßt zu haben.)
»Warum denn nicht Farmersfrau, Novi?« meinte er. Mit einer kleinen Manipulation war er dazu imstande, ihr Zufriedenheit mit einem solchen Dasein zu suggerieren, und ebenso würde er irgendeinen hamischen Schlingel dahingehend manipulieren können, daß er sie mit dem größten Vergnügen heiratete — und sie konnte er dazu bringen, glücklich zu sein ihn zu heiraten. Er erwiese allen Beteiligten damit einen großen Gefallen. Aber so etwas war gegen die Prinzipien und undenkbar.
»Ich will nich«, antwortete sie. »Ein Farmer is ein Erdwiehler. Er arbeitet mit Erdklumpen, und er wird zum Erdklumpen. Wenn ich Farmersfrau bin, hab ich kein Zeit zum Lesen und Schreiben und vergeß alles. Mein Kopf…« — sie legte eine Hand an die Schläfe — »wird stumpf und mies. Nee! Ein Forscher is anders. Macht sich viel Gedanken.« (Damit meinte sie, bemerkte Gendibal, die Intelligenz, nicht etwa bloße Grüblerei.)
»Ein Forscher«, fügte sie hinzu, »lebt mit Biechern und… und mit… Ich hab vergessen, was das Nam is.« Sie vollführte eine Geste, die anscheinend irgendein vages Tun andeuten sollte; ohne ihre aufschlußreichen mentalen Schwingungen hätte er nicht verstehen können, was sie zu bedeuten hatte.
»Mikrofilme«, sagte er. »Woher kennen Sie Mikrofilme?«
»In Biechern les ich von vielem«, erwiderte sie voller Stolz.
Gendibal vermochte den Wunsch, mehr über sie zu erfahren, nicht länger zu unterdrücken. Sie war für einen Hamer höchst ungewöhnlich; von so einem Fall hatte er noch nie gehört. Die Zweite Foundation rekrutierte unter den Hamer nicht; aber wäre Sura Novi jetzt erst zehn Jahre alt…
Was für ein Jammer! Er beabsichtigte nicht, irgendwie auf sie einzuwirken, nicht im geringsten; aber welchen Nutzen hatte es denn, Sprecher sein, wenn man nicht die Möglichkeit wahrnahm, einen außergewöhnlichen Geist zu begutachten und daraus etwas zu lernen?
»Novi«, sagte er, »ich möchte, daß Sie sich für einen Moment dort hinsetzen. Bleiben Sie ganz ruhig. Sprechen Sie nicht. Denken Sie erst gar nicht daran, irgend etwas zu sagen. Denken Sie nur ans Einschlafen. Haben Sie verstanden?«
Sofort war sie wieder furchtsam. »Warum muß ich das tun, Meister?«
»Weil ich darüber nachzudenken wünsche, wie Sie eine Forscherin werden könnten.«
Ganz egal, was sie gelesen haben mochte, sie konnte keinesfalls eine Ahnung davon besitzen, was es wirklich hieß, eine ›Forscherin‹ zu sein. Deshalb war es erforderlich, daß er herausfand, für was sie einen Forscher eigentlich hielt.
Sehr vorsichtig und mit unendlicher Feinfühligkeit untersuchte er ihren Geist, tastete nach dem, was er suchte, ohne irgend etwas tatsächlich anzutasten — so wie man eine Hand auf eine blanke Metallfläche senken mag, ohne Fingerabdrücke zu hinterlassen. Für sie war ein Forscher jemand, der dauernd Bücher las. Sie hatte nicht die leiseste Vorstellung, warum es sich überhaupt lohnte, Bücher zu lesen.
Eine ›Forscherin‹ zu sein, das hieß für sie, die gleiche Arbeit wie bisher zu verrichten — ihr Verstand enthielt ein deutliches Bild von den Dingen, mit denen sie sich auskannte: Besorgungen machen, Gegenstände schleppen, Kochen, Putzen, Anweisungen befolgen —, aber in der Universität, wo es jede Menge Bücher gab und wo sie (nach ihren Erwartungen) die Zeit finden würde, sie zu lesen und dadurch auf vage Weise ›gelehrt‹ zu werden.
Worauf alles hinauslief, war nichts anderes, als daß sie eine Dienerin werden wollte; seine Dienerin, Gendibals Dienerin.
Gendibal schnitt ein finsteres Gesicht. Eine hamische Dienerin, dazu eine, die schlicht war, ohne Anmut, ungebildet, mit Mühe und Not lesen und schreiben konnte. Unvorstellbar.
Er mußte sie ganz einfach loswerden. Sicherlich gab es einen gangbaren Weg, um ihre Wünsche in herkömmlichere Bahnen zu lenken und sie mit dem Dasein einer Farmerin zufrieden zu machen, irgendeine Methode, die keine Spuren zurückließ, über die sich die Delarmi folglich nicht beschweren konnte.
Oder hatte etwa die Delarmi sie geschickt? War das alles ein gerissener Plan, um ihn zur Beeinflussung eines Hamer-Bewußtseins zu verleiten, ihn dann anzuprangern und anzuklagen?
Lachhaft! Er schwebte wirklich in der Gefahr, paranoid zu werden. Er brauchte nur irgendwo in den simplen Verästelungen ihres unkomplizierten, unberührten Gemüts eine winzigkleine Anpassung vorzunehmen, ein Rinnsal mentaler Ströme umzuleiten.
Dergleichen verstieß gegen den Buchstaben des Gesetzes, aber konnte keinen Schaden anrichten, und niemand würde es je bemerken.
Er verharrte.
Zurück. Zurück. Zurück.
Raum und Zeit! Fast hätte er es übersehen!
War er das Opfer eines Irrtums?
Nein! Nachdem er darauf aufmerksam geworden war, vermochte er die Unregelmäßigkeit klar zu erkennen. Eine ganz winzige Verästelung wies eine Abweichung auf — eine anomale Veränderung. Von welcher delikaten Natur sie war, wie frei von allen auffälligen Nebenerscheinungen!
Gendibal zog sich aus Sura Novis Bewußtsein zurück. »Novi?« sprach er sie leise an.
Ihr Blick gewann seinen Fokus wieder. »Ja, Meister?« antwortete sie.
»Sie dürfen mit mir arbeiten«, sagte Gendibal. »Ich werde Sie zu einer Forscherin machen…«
»Meister…!« begann sie erfreut, und ihre Augen blitzten auf.
Er sah es im gleichen Moment voraus — sie wollte sich ihm zu Füßen werfen. Er legte seine Hände auf ihre Schultern und stemmte sich nachdrücklich gegen sie. »Rühren Sie sich nicht von der Stelle, Novi! Bleiben Sie stehen. Stehenbleiben!«
Er hätte ebensogut zu einem erst halb dressierten Tier reden können. Als er sah, daß seine Anordnung zu ihr durchgedrungen war, ließ er sie los. Er hatte die Härte der Muskeln an ihren Oberarmen gespürt.
»Wenn Sie eine Forscherin werden wollen«, sagte er, »müssen Sie sich auch wie eine benehmen. Das heißt, Sie müssen immer die Ruhe bewahren, stets leise reden, immer tun, was ich Ihnen sage. Und Sie müssen zu lernen versuchen, so zu sprechen, wie ich spreche. Sie werden auch mit anderen Forschem Umgang pflegen müssen. Fürchten Sie sich?«
»Wenn du bei mich bist, Meister, werd ich mir nich fierchten… fürchten.«
»Ich werde dabei sein. Aber zuerst einmal… Ich muß Ihnen ein Apartment besorgen, man muß Ihnen einen Waschraum zuweisen, Sie brauchen einen Platz im Speisesaal, neue Kleidung muß her. Sie müssen Kleidung tragen, die besser zu einer Forscherin paßt, Novi.«
»Das hier is alles, was ich…«, begann sie kummervoll.
»Wir verschaffen Ihnen andere Sachen.«
Er mußte eine Frau damit beauftragen, Novi neue Kleider zu besorgen, und ebenso mußte jemand weiblichen Geschlechts dieser Hamerin die Grundlagen der körperlichen Hygiene vermitteln. Obwohl die Kleidungsstücke, die sie trug, wahrscheinlich ihre besten waren, und obwohl sie sich offenbar ein bißchen herausgeputzt hatte, haftete ihr nach wie vor ein merklicher Geruch an, der ein wenig unangenehm war.
Und er mußte sich bemühen, das Verhältnis zwischen ihnen klar ersichtlich zu machen. Es handelte sich dabei, daß Männer (und auch Frauen) der Zweiten Foundation bisweilen zum persönlichen Vergnügen Freundschaften mit Hamern schlossen, um ein allbekanntes, offenes Geheimnis. Solange es dabei zu keinen Beeinträchtigungen eines Hamer-Bewußtseins kam, fiel es niemandem nur im Traum ein, deswegen Aufhebens zu machen. Gendibal selbst hatte sich auf so etwas noch nie eingelassen, und er fühlte sich im allgemeinen recht wohl mit der Annahme, daß es sich so verhielt, weil er kein Bedürfnis nach herberer oder gepfefferterer Sexualität verspürte, als man sie an der Universität trieb. Im Vergleich mit den Hamerinnen mochten die Frauen der Zweiten Foundation bläßliche Persönchen sein, aber sie waren sauber, und ihre Haut war glatt und geschmeidig.
Doch selbst wenn man die Angelegenheit mißverstand, falls man über Sprecher Gendibal, der sich nicht nur für eine Hamerin interessierte, sondern sie sogar ins Haus holte, geringschätzig die Nase rümpfen sollte — er würde sich daran gewöhnen müssen, die Peinlichkeiten zu ertragen. Nach dem Stand der Dinge war diese Farmerin mit Namen Sura Novi in dem bevorstehenden Duell mit Sprecherin Delarmi der Schlüssel zu seinem Sieg über die ganze restliche Tafel der Sprecher.
Gendibal sah Sura Novi erst nach dem Mittagessen wieder, als sie zu ihm kam, gebracht von der Frau, der er die Situation mit endlosen Darlegungen ausführlich erklärt hatte — wenigstens den nichtsexuellen Charakter der Situation. Sie hatte vollauf verstanden — oder zumindest sich keine Anzeichen irgendeines Mißverstehens anmerken lassen, und das war vielleicht genauso gut.
Nun stand Sura Novi gleichermaßen keß, verlegen, stolz und voller Triumph vor ihm — alles gleichzeitig in äußerst widersprüchlicher Mischung.
»Sie sehen sehr… oh… nett aus, Novi«, sagte er.
Die Kleidung, die man ihr zum Anziehen gegeben hatte, paßte ihr bemerkenswert gut, und ohne Frage sah sie jedenfalls keineswegs lächerlich aus. Hatte man ihre Taille eingeschnürt? Ihre Brüste gehoben? Oder war beides zuvor nur aufgrund ihrer schlichten Farmerklamotten nicht erkennbar gewesen?
Ihr Gesäß war augenfällig, aber nicht auf unerfreuliche Weise. Ihr Gesicht war natürlich noch immer fad, aber wenn die Bräune, die vom vielen Aufenthalt im Freien stammte, erst einmal verblaßt war, und sie gelernt hatte, ihre Haut zu pflegen, würde es vermutlich nicht mehr rundheraus häßlich aussehen.
Beim Alten Imperium, die Frau hatte gedacht, Novi solle seine Geliebte werden. Sie hatte versucht, sie für ihn ein wenig anzuhübschen.
Und dann dachte er: Na, und warum nicht?
Sura Novi mußte sich vor der Tafel der Sprecher blicken lassen, und je attraktiver sie wirkte, um so leichter würde alles ablaufen.
Während er das überlegte, erreichte ihn ein mentaler Ruf des Ersten Sprechers. Es geschah mit einer Selbstverständlichkeit, wie sie nur in einer ausgeprägt mentalen Gesellschaft der Fall sein konnte. Man nannte so etwas mehr oder weniger offiziell ›Koinzidenzeffekt‹. Wenn jemand vage an einen anderen denkt, der im selben Augenblick vage an ihn denkt, entsteht eine wechselseitige, sich gegenseitig verstärkende Stimulation, die binnen Sekunden diese beiden Gedanken schärft, verdeutlicht und allem Anschein nach auch gleichrichtet.
Dieses Phänomen kann ein verblüffendes Erlebnis sein, auch für jemanden, der es intellektuell versteht, vor allem, wenn der vorangehende vage Gedanke — auf der einen oder anderen Seite (oder beiderseits) — so schwach ist, daß er keinen bewußten Effekt haben dürfte.
»Heute abend habe ich leider keine Zeit für Sie, Novi«, sagte Gendibal. »Ich habe dringende Forscheraufgaben zu erledigen. Ich zeige Ihnen Ihr Apartment. Dort finden Sie Bücher und können sich im Lesen üben. Ich werde Ihnen erklären, wie Sie die Sprechverbindung benutzen, falls jemand Ihnen bei irgend was helfen soll. Und morgen sehen wir uns wieder.«
»Erster Sprecher?« sagte Gendibal höflich.
Shandess nickte lediglich. Er sah grämlich aus, und man sah ihm alle seine Jahre an. Er wirkte, als sei er ein Mann, der nicht trank, aber eigentlich ganz gut einen anständigen Drink gebrauchen könnte. »Ich habe Sie gerufen…«, begann er schließlich.
»Nicht durch einen Boten, sondern per Direktruf. Daraus schlußfolgere ich, daß es sich um eine höchst wichtige Sache handelt.«
»Das stimmt. Ihr Mann da… dieser Erstfoundationist… Trevize…«
»Ja?«
»Er kommt nicht nach Trantor.«
Gendibal zeigte keine Überraschung. »Warum sollte er? Die uns zugegangene Information hat besagt, er sei mit einem Professor der Vorgeschichte aufgebrochen, um mit ihm die Erde zu suchen.«
»Ja, den legendären Planeten des Ursprungs. Und deshalb sollte eigentlich fest damit zu rechnen gewesen sein, daß er nach Trantor kommt. Denn weiß etwa der Professor, wo die Erde zu finden ist? Wissen Sie’s? Weiß ich es? Können wir sicher sein, daß sie überhaupt existiert, je existiert hat? Man hätte erwarten dürfen, daß sie die hiesige Bibliothek aufsuchen, um an entsprechende Informationen zu gelangen — falls sich jemand überhaupt von irgendwo derartige Informationen erhoffen kann. Bis jetzt habe ich die Situation nicht als kritisch empfunden — ich bin davon ausgegangen, daß der Erstfoundationist nach Trantor kommt und wir von ihm erfahren können, was wir wissen müssen.«
»Genau das wird der Grund sein, warum man nicht zuläßt, daß er kommt.«
»Aber wohin fliegt er denn?«
»Haben wir das noch nicht herausgefunden?«
»Diesbezügliche Nachricht steht noch aus. Das alles regt Sie anscheinend…« (und diese Bemerkung machte der Erste Sprecher ziemlich gereizt) »nicht besonders auf.«
»Ich frage mich«, antwortete Gendibal, »ob’s so nicht sogar besser ist. Sie hätten es lieber gesehen, daß er nach Trantor kommt, damit wir ihn in sicherer Reichweite haben und als Informationsquelle benutzen können. Aber wird er sich nicht als Quelle viel wichtigerer Informationen erweisen, auch Informationen über erheblich wichtigere Personen als ihn, wenn er geht, wohin er will, und treibt, was ihm paßt — vorausgesetzt, wir verlieren ihn nicht aus den Augen?«
»Das ist mir zu wenig«, entgegnete der Erste Sprecher. »Sie haben mich davon überzeugt, daß dieser neue Feind unserer Organisation existiert, und ich finde keine Ruhe mehr. Schlimmer noch, ich bin zu der Überzeugung gelangt, daß wir diesen Trevize haben müssen, oder wir werden alles verlieren. Ich werde das Gefühl nicht los, daß er — er und nichts anderes — der Schlüssel ist.«
»Was auch geschieht, wir werden nicht unterliegen, Erster Sprecher«, versicherte Gendibal eindringlich. »So etwas wäre möglich gewesen, hätten diese ›Anti-Füchse‹, um nochmals Ihren Ausdruck zu gebrauchen, weiterhin in unserer Mitte ungestört ihre Löcher gegraben. Aber jetzt wissen wir, daß es sie gibt. Wir sind nicht länger blind. Auf der nächsten Sitzung der Tafel der Sprecher können wir, wenn wir zusammenarbeiten, den Gegenangriff einleiten.«
»Es war nicht der Fall Trevize«, sagte der Erste Sprecher, »weshalb ich Sie mit einem Direktruf herbeordert habe. Ich bin lediglich, weil ich in dieser unerwarteten Entwicklung einen persönlichen Fehlschlag sehe, zuerst darauf zu sprechen gekommen. Ich habe diesen Aspekt der Situation fehlanalysiert. Aber es war falsch, persönlichen Ärger über die allgemeine Politik zu stellen, und ich bitte um Entschuldigung. Etwas anderes hat sich ergeben.«
»Eine noch ernstere Sache, Erster Sprecher?«
»Weit ernster, Sprecher Gendibal.« Der Erste Sprecher seufzte und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte, während Gendibal geduldig davor stand und wartete.
»Es handelt sich«, sagte der Erste Sprecher schließlich auf lässige Weise, als wolle er dadurch den Schock lindern, »um eine Sondersitzung der Tafel der Sprecher, initiiert durch Sprecherin Delarmi…«
»Ohne Ihre Zustimmung, Erster Sprecher?«
»Für das, worauf’s ihr ankam, brauchte sie nur die Zustimmung von drei anderen Sprechern, mich ausgeschlossen. Die Sondersitzung hat stattgefunden, Sprecher Gendibal, und es ist eine Anklage gegen Sie erhoben worden. Sie werden beschuldigt, der Position eines Sprechers unwürdig zu sein, und man verlangt, Sie Ihres Postens zu entheben. Das ist das erste Mal seit über drei Jahrhunderten, daß gegen einen Sprecher eine solche Anklage erhoben wird, und…«
»Sie haben doch sicherlich nicht für die Anklage gestimmt?« fragte Gendibal, der alle Regungen des Zorns zu unterdrücken versuchte.
»Natürlich nicht, aber ich stand damit allein. Der Rest der Versammlung war einhelliger Meinung, und die Abstimmung fiel elf zu eins für die Anklage aus. Die vorgeschriebene Stimmenzahl für eine Anklage ist, wie Sie wissen, acht Stimmen einschließlich der Stimme des Ersten Sprechers, oder elf ohne seine.«
»Aber ich war nicht anwesend.«
»Sie hätten ohnehin nicht abstimmen dürfen.«
»Aber ich hätte mich verteidigen können.«
»In der Phase des Verfahrens ist das noch nicht statthaft. Die Möglichkeit zur Verteidigung erhalten Sie während der Verhandlung, die natürlich so bald wie möglich stattfinden wird.«
Nachdenklich senkte Gendibal den Kopf. »Diese Angelegenheit bereitet mir keine allzu große Sorge, Erster Sprecher«, sagte er dann. »Ihr anfänglicher Instinkt war richtig, glaube ich. Der Fall Trevize hat Vorrang. Darf ich vorschlagen, daß Sie die Verhandlung mit dieser Begründung aufschieben?«
Der Erste Sprecher hob eine Hand. »Ich mach’s Ihnen nicht zum Vorwurf, wenn Sie den Ernst der Lage nicht voll verstehen, Sprecher. Eine Anklage zwecks Amtsenthebung kommt so selten vor, daß selbst ich mich erst einmal wieder über die Verfahrensfragen informieren mußte. Es ist so, daß nichts Vorrang hat. Wir sind dazu verpflichtet, die Verhandlung schnellstens durchzuführen, unter Aufschub buchstäblich alles anderen.«
Gendibal stemmte seine Fäuste auf den Tisch und beugte sich vor, zum Ersten Sprecher hinab. »Das ist doch nicht Ihr Ernst!«
»Das Gesetz schreibt es so vor.«
»Man kann doch nicht dulden, daß das Gesetz der Bekämpfung einer eindeutig erkannten, akuten Gefahr im Wege steht.«
»Für die Tafel der Sprecher sind Sie die erkannte, akute Gefahr, Sprecher Gendibal… Nein, nein, hören Sie mir zu! Das betreffende Gesetz beruht auf der Annahme, daß nichts wichtiger sein kann als das sofortige Eingreifen im Falle der Möglichkeit, unter den Sprechern könnte sich Korruption oder der Mißbrauch von Macht breitmachen.«
»Aber ich bin weder des einen schuldig noch des anderen, Erster Sprecher, das wissen Sie sehr gut. Hier dreht’s sich um einen persönlichen Racheakt von Sprecherin Delarmi. Wenn Machtmißbrauch vorliegt, dann zweifelsfrei ihrerseits. Mein Verbrechen besteht bloß daraus, daß ich mich nie bemüht habe, mich beliebt zu machen — das gebe ich gerne zu —, und daß ich nie viel Aufmerksamkeit für Narren übrig gehabt habe, die alt genug sind, um senil zu sein, aber noch jung genug, um Macht zu besitzen.«
»So wie ich, Sprecher?«
Gendibal seufzte. »Da sehen Sie’s, wieder habe ich nicht aufgepaßt! Ich beziehe mich keineswegs auf Sie, Erster Sprecher. Na schön, dann wollen wir die Verhandlung wenigstens sofort durchziehen. Schon morgen. Noch besser wär’s heute. Wir sollten diesen Blödsinn hinter uns bringen und uns dann mit dem Fall Trevize befassen. Wir können es nicht wagen, zu warten.«
»Sprecher Gendibal«, sagte der Erste Sprecher, »ich glaube, Sie begreifen die Lage wirklich nicht. Es sind schon früher solche Anklagen beschlossen worden — nicht viele, nur zwei. Keine davon hat tatsächlich zu einer Amtsenthebung geführt. Bei Ihnen jedoch ist eine Absetzung unabwendbar. Danach werden Sie kein Mitglied an der Tafel der Sprecher mehr sein und in der offiziellen Politik nichts mehr zu sagen haben. Sie werden nicht einmal mehr das Stimmrecht in der Allgemeinen Jahresversammlung ausüben dürfen.«
»Und Sie wollen nichts dagegen unternehmen?«
»Ich kann nicht. Man würde mich einmütig überstimmen, und ich wäre zum Rücktritt gezwungen, und das würden so manche Sprecher nur zu gerne sehen.«
»Und die Delarmi würde zum Ersten Sprecher aufsteigen?«
»Das ist recht wahrscheinlich.«
»Aber das darf auf keinen Fall geschehen!«
»Richtig! Eben aus diesem Grund muß ich für Ihre Amtsenthebung stimmen.«
Gendibal holte tief Luft. »Trotzdem verlange ich eine umgehende Verhandlung.«
»Sie brauchen Zeit, um sich auf Ihre Verteidigung vorzubereiten.«
»Was für eine Verteidigung? Man wird ohnehin keiner Verteidigung irgendwelche Beachtung schenken. Ich bestehe auf sofortiger Verhandlung!«
»Die Tafel braucht Zeit, um die Anklage vorzubereiten.«
»So eine Vorbereitung ist unnötig, und es wird keine stattfinden. Insgeheim haben diese Leute mich längst verurteilt, und mehr halten sie nicht für erforderlich. Es ist doch eine Tatsache, daß sie selbst mich lieber morgen als übermorgen abgeurteilt sähen, lieber heute als morgen. Tun Sie Ihnen den Gefallen!«
Der Erste Sprecher stand auf. Über den Tisch hinweg musterten sich die beiden Männer. »Weshalb haben Sie’s so eilig?« wollte der Erste Sprecher erfahren.
»Der Fall Trevize kann nicht warten.«
»Sobald Sie des Amtes enthoben sind und ich mich gegenüber dem ganzen Rest der Tafel in stark geschwächter Position befinde, was sollte dann noch zu erreichen sein?«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, erwiderte Gendibal. »Trotz allem wird es nicht gelingen, mich zu verurteilen.«