Sechzehntes Kapitel Konvergenz

64

Als Stor Gendibal endlich Compors Raumer auf seinem Bildschirm erspähte, fühlte er sich wie am Ende einer unglaublich langen Reise. Aber natürlich stand er nicht am Ende, sondern erst am Anfang. Der Flug von Trantor nach Sayshell war nichts als ein Vorspiel gewesen.

Sura Novi wirkte beeindruckt. »Ist das ein anderes Weltallschiff, Meister?«

»Ein Raumschiff. Ja, Novi, das ist eines. Genau das, auf das ich es schon die ganze Zeit abgesehen habe. Es ist größer als das hier — und besser. Es kann den Raum so schnell durchqueren, daß unser Schiff, falls das andere uns davonfliegen würde, es nicht einholen, ja es nicht einmal verfolgen könnte.«

»Schneller als ein Raumschiff der Meister?« Diese Vorstellung entsetzte Sura Novi anscheinend regelrecht.

Gendibal zuckte die Achseln. »Ich mag, wie du’s nennst, ein Meister sein, aber ich bin nicht in allen Dingen Meister. Wir Forscher haben keine derartigen Raumschiffe, und uns fehlen auch etliche von den Gerätschaften, die den Eigentümern dieser anderen Raumer zur Verfügung stehen.«

»Aber wie kommt es denn nur, daß den Forschern solche Sachen fehlen, Meister?«

»Weil wir Meister in dem sind, was wirklich wichtig ist. Die Vorteile in bezug auf das Material, die die anderen haben, nutzen ihnen in Wahrheit wenig.«

Sura Novi runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich finde, wenn jemand so schnell sein kann, daß kein Meister es schafft, ihm zu folgen, ist das durchaus kein geringer Vorteil. Wer sind diese Leute, die so wundertolle… die solche Dinge haben?«

Gendibal war erheitert. »Sie nennen sich die Foundation. Hast du schon einmal von der Foundation gehört?«

(Ihm stellte sich unvermutet die Frage, was die Hamer über die Galaxis wissen mochten und was nicht und wieso die Sprecher nie auf den Gedanken gekommen waren, sich diese Frage zu stellen. Oder hatte nur er allein sich bisher diese Frage noch nicht gestellt — war er der einzige Zweitfoundationist, der glaubte, die Hamer hätten an nichts Interesse, außer im Erdreich zu buddeln?)

Sura Novi schüttelte versonnen den Kopf. »Davon habe ich noch nie was gehört, Meister. Als der Schulmeister mir die Schriftlehre beigebracht hat — das Lesen, meine ich —, ist von ihm auch erzählt worden, daß es noch viele andere Welten gibt, und er hat auch von ein paar die Namen genannt. Er sagte, unsere Hamer-Welt hätte richtig den Namen Trantor und früher mal über alle anderen Welten geherrscht. Damals wäre Trantor ganz mit schimmerndem Eisen bedeckt gewesen, und da hätte ein Kaiser gewohnt, ein Alles-und-Jedes-Meister.«

Sie hob ihren Blick mit schüchterner Belustigung zu Gendibal. »Das meiste von allem glaube ich aber nich, nee. In den Zeiten, wo die Abende länger sind, werden in den Versammlungshallen von den Wortwebern viele Geschichten erzählt. Als ich noch ein kleines Mädchen war, habe ich sie alle geglaubt, aber wie ich älter geworden bin, habe ich gemerkt, daß viele nicht stimmen. Heute glaube ich kaum noch was davon, vielleicht gar nichts mehr. Sogar Schulmeister erzählen Unglaubliches.«

»Trotzdem, Novi, diese eine Geschichte eures Schulmeisters ist wahr — aber was er erzählt hat, liegt schon sehr lange zurück. Früher war Trantor wirklich mit Metall überzogen, und es gab tatsächlich einen Kaiser auf Trantor, der die gesamte Galaxis regiert hat. Heute sind es allerdings die Leute der Foundation, die eines Tages die ganze Galaxis regieren werden. Sie gewinnen ständig an Macht.«

»Sie werden alles beherrschen, Meister?«

»Nicht unverzüglich. In fünfhundert Jahren.«

»Und sie werden dann auch Herren über die Meister sein?«

»Nein, nein. Sie werden die Welten regieren. Wir dagegen werden sie regieren — im Interesse ihrer Sicherheit und der Sicherheit der Welten.«

Sura Novi dachte bereits wieder weiter. »Meister«, wollte sie wissen, »haben die Leute von der Foundation viele von diesen wunderbaren Raumschiffen?«

»Ich nehm’s an, Novi.«

»Und andere Dinge, die… sehr erstaunlich sind?«

»Sie haben starke Waffen der verschiedensten Art.«

»Können sie dann nicht schon jetzt die Herrschaft über alle Welten antreten?«

»Nein, das können sie nicht. Die Zeit ist noch nicht reif.«

»Aber warum denn nicht? Würden die Meister sie daran hindern?«

»Das brauchen wir gar nicht, Novi. Selbst wenn wir überhaupt nichts täten, würde es ihnen nicht gelingen, schon jetzt ihren Machtbereich auf alle Welten auszudehnen.«

»Aber was würde sie denn daran hindern?«

»Sieh mal«, begann Gendibal, »es gibt da einen Plan, den hat sich ein weiser Mann ausgedacht…«

Er verstummte, lächelte andeutungsweise und schüttelte dann den Kopf. »Das läßt sich nur sehr schwer erklären, Novi. Vielleicht kommen wir ein anderes Mal dazu. Möglicherweise wirst du’s, wenn du siehst, was geschieht, bis wir nach Trantor zurückkehren, auch ohne meine Belehrungen begreifen.«

»Was wird denn geschehen, Meister?«

»Da bin ich mir noch nicht sicher, Novi. Aber es wird alles gut ausgehen.«

Er wandte sich ab und machte sich daran, mit Compor Verbindung aufzunehmen. Unterdessen konnte er nicht verhindern, daß ihm insgeheim der Gedanke kam: Das hoffe ich wenigstens.

Augenblicklich ärgerte er sich über sich selbst, denn er kannte die Ursache für einen so närrischen, entmutigenden Gedankengang. So etwas war auf den Eindruck umfassender, enormer Macht auf Seiten der Foundation zurückzuführen, wie sie in Form von Compors Raumschiff manifestiert war, und zugleich war sein Verdruß daran schuld, den er angesichts von Sura Novis offener Bewunderung für eben dieses Schiff empfand.

Was für ein Unfug! Wie konnte er sich dazu verleiten lassen, den Besitz bloßer Stärke und Macht mit der Fähigkeit gleichzustellen, das Geschehen zu lenken? Das war, was Generationen von Sprechern als den ›Trugschluß bezüglich der Hand am Hals‹ bezeichnet hatten.

Kaum zu fassen, daß er nicht immun war gegen solche Allüren!

65

Munn Li Compor war sich ganz und gar nicht darüber im klaren, wie er sich nun verhalten sollte. Für einen Großteil seines Lebens hatte er die Sprecher stets knapp außerhalb des Umkreises gesehen, in dem er wirkte und in dem er seine Erfahrungen machte — die Sprecher, mit denen er nur gelegentlich in Kontakt stand, die in ihrem rätselhaften Griff die gesamte Menschheit umfaßt hielten.

Von ihnen allen war Stor Gendibal es gewesen, an den er sich im Laufe der letzten Jahre gewandt hatte, um Orientierung zu haben. Meistens war es nicht einmal eine Stimme gewesen, mit der er in Kontakt stand, sondern nur eine fremde Wesenheit in seinem Geist — Hyperkommunikation ohne Hyper-Relais.

In dieser Beziehung war die Zweite Foundation der Foundation weit voraus. Ohne Apparate, nur dank ihrer besonders herausgebildeten, hochentwickelten geistigen Kräfte, vermochten sie sich über Parseks hinweg zu verständigen, ohne daß man sie belauschen, sie stören konnte. Sie unterhielten ein unsichtbares, nicht zu entdeckendes Netzwerk, das durch die Gedanken einer relativ kleinen Zahl entschlossener Individuen alle Welten miteinander verband.

Compor hatte mehr als einmal, wenn er an seine Rolle bei alldem dachte, eine Art von innerer Erhöhung verspürt. Wie klein der Bund war, dem er angehörte, wie enorm der Einfluß, den er ausübte. Und wie geheim alles ablief. Nicht einmal seine Ehepartnerin ahnte etwas von seinem geheimen Leben.

Und die Sprecher waren es, die alle Fäden in der Hand hielten — unter ihnen dieser eine Sprecher, dieser Gendibal, der möglicherweise, dachte sich Compor, der nächste Erste Sprecher werden mochte, der Superkaiser eines Superimperiums.

Nun war Gendibal zur Stelle, in einem Raumschiff von Trantor gekommen, und Compor mußte mit einer gewissen Enttäuschung ringen, weil ihre Begegnung nicht auf Trantor selbst stattfand.

Konnte das ein Raumschiff Trantors sein? Jeder der früheren Händler, die einst das Warenangebot der Foundation in einer feindseligen Galaxis verbreiteten, mußte bessere Raumer besessen haben. Kein Wunder, daß der Sprecher so lange gebraucht hatte, um die Strecke von Trantor nach Sayshell zurückzulegen.

Das Raumschiff war nicht einmal mit einer Andockanlage ausgestattet, die es ermöglicht hätte, die beiden Schiffe aneinander zu verankern, wie man es normalerweise machte, wenn Personen von einem auf ein anderes Schiff überwechseln sollten. Selbst die unbedeutende sayshellische Flotte besaß solche Vorrichtungen. Statt dessen mußte der Sprecher die Geschwindigkeit seines Raumfahrzeugs angleichen und dann eine Verbindungsleine über den Abstand zwischen den Schiffen schießen, um sich daran herüberzuhangeln, ganz wie in den alten Zeiten des Imperiums.

Das war es, befand Compor trübsinnig, außerstande dazu, den Trübsinn zu verscheuchen. Der Raumer war nichts als ein altmodisches Imperiums-Raumschiff — und obendrein ziemlich klein.

Zwei Gestalten bewegten sich an der Verbindungsleine entlang — eine davon so unbeholfen, daß feststand, sie hatte sich noch nie darin geübt.

Endlich befanden die beiden Ankömmlinge sich an Bord und legten die Raumanzüge ab. Sprecher Stor Gendibal war mittelgroß und wirkte nicht sonderlich beeindruckend; weder war er hochgewachsen und kraftvoll, noch strahlte er irgendeine erhöhte Gelehrtheit aus. Seine dunklen, in tiefen Höhlen liegenden Augen waren die einzigen Anzeichen seiner Weisheit. Doch nun schaute der Sprecher sich mit einem Gebaren um, das unverkennbar verriet, er war selber von nahezu ehrfürchtigem Staunen gepackt!

Die andere Person war eine Frau von der Körpergröße Gendibals, schlicht in ihrem Aussehen. Während sie sich umblickte, stand ihr vor Verblüffung der Mund offen.

66

An der Leine entlangzuklimmen, war für Gendibal durchaus kein ausschließlich unangenehmes Erlebnis gewesen. Zwar war er kein ausgesprochener Raumfahrer — das konnte kein Zweitfoundationist von sich behaupten —, andererseits aber auch kein totaler Bodenhocker, denn man ließ nicht zu, daß ein Zweitfoundationist sich in dieser Hinsicht einseitig entwickelte. Die eventuelle Notwendigkeit eines Raumflugs war Zweitfoundationisten permanent bewußt, obwohl jeder von ihnen hoffte, daß er nur äußerst selten in diese Verlegenheit kam. (Preem Palver — dessen Raumreisen wegen ihrer Ausdehnung legendären Charakter besaßen — hatte einmal wehmütig die Bemerkung gemacht, man solle den Erfolg eines Sprechers daran messen, wie wenig Zeit er mit Flügen durchs All zubringen müsse, um das Gelingen des Seldon-Plans zu sichern.)

Gendibal hatte schon dreimal zuvor eine Verbindungsleine benutzt. Dies war das vierte Mal, und wenn er trotzdem eine gewisse Beunruhigung verspürt hätte, wäre sie ohnehin durch seine Sorge um Sura Novi verdrängt worden. Er hätte keine Mentalik gebraucht, um zu sehen, daß der Schritt hinaus ins Nichts sie völlig verstörte.

»Ich fierchte mir, Meister«, sagte sie, nachdem er ihr erläutert hatte, was es zu tun galt. »Das is ja völliges Nix, in das ich springen soll.« Wenn nichts anderes, so hätte unmißverständlich ihr Rückfall in den schwerfälligen Hamer-Dialekt den Umfang ihrer inneren Aufgewühltheit gekennzeichnet.

»Ich kann dich nicht an Bord dieses Schiffes zurücklassen, Novi«, entgegnete Gendibal sanft, »denn ich werde auf das andere umsteigen und muß dich mitnehmen. Es besteht keine Gefahr, weil der Raumanzug dich vor jedem Schaden beschützen wird, und fallen kannst du gar nicht. Auch wenn du deinen Halt an der Verbindungsleine verlieren solltest, bin noch immer ich in deiner Nähe, ich werde die ganze Zeit hindurch auf Armeslänge bei dir sein, so daß ich dich jederzeit festhalten kann. Komm, Novi, zeig mir, daß du tapfer genug bist — nicht nur gescheit genug —, um Forscherin zu werden!«

Sie erhob keine weiteren Einwände, und Gendibal — obwohl abgeneigt, irgend etwas zu tun, was das natürliche Profil ihrer harmonischen Psyche beeinträchtigen könnte — half ihr nichtsdestoweniger mit einer flüchtigen, oberflächlichen Einflußnahme zur Beruhigung ihrer Gemütsverfassung.

»Du kannst dich unterwegs nach wie vor mit mir verständigen«, sagte er, als sie beide in den Raumanzügen standen. »Ich kann dich verstehen, wenn du konzentriert denkst. Denk die Wörter nachdrücklich und deutlich, eins nach dem anderen. Du kannst mich verstehen, oder?«

»Ja, Meister«, antwortete sie.

Durch die transparente Helmscheibe konnte er erkennen, wie sich ihre Lippen bewegten. »Du brauchst nichts laut auszusprechen, Novi«, sagte er. »Diese Art von Raumanzügen, die wir Forscher verwenden, hat keine Funkgeräte. Wir verständigen uns nur durch den Geist.«

Ihre Lippen bewegten sich nicht mehr, aber ihre Miene wirkte wieder besorgter. Kannst du mich verstehen, Meister?

Ohne weiteres, dachte Gendibal zurück, bewegte diesmal ebenfalls nicht die Lippen. Und du mich?

Ja, Meister.

Dann komm jetzt mit und verhalte dich genauso wie ich!

Sie setzten über. Theoretisch war Gendibal die ganze Methode vollkommen klar, wenngleich er sie in der Praxis nur mittelmäßig beherrschte. Der Trick bestand dabei darin, beide Beine zusammen gerade ausgestreckt zu halten und sich nur aus der Hüfte an der Leine entlangzuziehen. Dadurch blieb das Schwerkraftzentrum des Körpers in kontinuierlicher Geradeausbewegung, während die Arme zielsicher das Vorankommen gewährleisten konnten. Er hatte Sura Novi genau das erklärt, und unterwegs begutachtete er, ohne sich umzublicken, ihre Körperhaltung, indem er seine Aufmerksamkeit den motorischen Zentren ihres Gehirns schenkte.

Fürs erste Mal hielt sie sich recht gut, fast so gut wie Gendibal selbst. Sie unterdrückte ihre Anspannung und befolgte die Weisungen. Wieder einmal war Gendibal mit ihr sehr zufrieden.

Doch sie war eindeutig froh, als es soweit war, wieder an Bord eines Raumschiffs gehen zu können, und Gendibal ging es ebenso. Während er den Raumanzug ablegte, sah er sich um, und Luxus und Stil der Innenausstattung machten auf ihn einen überwältigenden Eindruck. Er kannte nahezu nichts von allem, was er sah, und bei dem Gedanken, daß er womöglich nur wenig Zeit hatte, um die Handhabung zu lernen, sank sein Mut gehörig. Möglicherweise mußte er von dem Mann, der sich bereits an Bord befand, sachkundigen Rat einholen, und ein derartiges Verfahren war immer schlechter, als wenn man etwas selber gründlich gelernt hatte.

Dann widmete er sich Compor. Ein paar Jahre älter als er, war Compor hochgewachsen und hager, auf leicht weichliche Weise recht gutaussehend, mit steif gewelltem Haar von frappantem Buttergelb.

Und Gendibal ersah deutlich, daß dieser Mann nicht nur enttäuscht war von dem Sprecher, den er nun erstmals näher kennenlernte, sondern ihm sogar eine gewisse Geringschätzung entgegenbrachte. Und nicht nur das, er war auch vollkommen außerstande dazu, seine Einstellung zu verheimlichen.

Im großen und ganzen pflegte sich Gendibal um dergleichen nicht zu scheren. Compor war kein Trantoraner — und auch kein vollwertiger Zweitfoundationist — und gab sich offensichtlich den üblichen Illusionen hin. Schon die oberflächlichste Einsichtnahme in sein Denken verriet diese Tatsache. Zu diesen Illusionen zählte eindeutig, daß wahre Macht zwangsläufig mit den Äußerlichkeiten von Macht einhergehen müsse. Natürlich durfte er sich seinen Illusionen hingeben, solange sie nicht dem im Wege standen, was Gendibal brauchte, aber gegenwärtig verhielt es sich so, daß sie störten.

Was Gendibal deshalb tat, lief auf nicht mehr als das mentale Äquivalent eines Fingerschnippens hinaus. Unter einer heftigen, aber kurzen Schmerzempfindung geriet Compor ins Taumeln. Er hatte den Eindruck, zur Konzentration genötigt zu werden, durch einen äußeren geistigen Schubs, der die Außenhaut seiner Gedanken kräuselte und in ihm das Bewußtsein um eine gutbeherrschte, ehrfurchterregende mentale Macht hinterließ, die ausgeübt werden konnte, wann immer es dem Sprecher beliebte.

Nunmehr verspürte Compor beträchtlichen Respekt vor Gendibal.

»Compor, mein Freund«, sagte Gendibal leutselig, »ich habe mir lediglich erlaubt, Ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Bitte teilen Sie mir mit, wo Ihr Freund Golan Trevize und dessen Freund Janov Pelorat sich aufhalten.«

Compor zögerte. »Soll ich in Anwesenheit der Frau reden, Sprecher?«

»Diese Frau ist gewissermaßen eine Verlängerung meiner selbst, Compor. Daher besteht kein Grund, aus dem Sie nicht offen sprechen dürften.«

»Wie Sie meinen, Sprecher. Trevize und Pelorat nähern sich zur Zeit einem Planeten, der als Gaia bekannt ist.«

»Das haben Sie bereits vor kurzem in Ihrer letzten Nachricht übermittelt. Sicher sind sie inzwischen doch schon auf Gaia gelandet und womöglich sogar wieder gestartet. Auf Sayshell sind sie nur kurz geblieben.«

»Während der Zeitspanne, in der ich ihnen gefolgt bin, sind sie nicht gelandet, Sprecher. Sie haben sich dem Planeten mit großer Vorsicht genähert und zwischen ihren Mikrosprüngen erhebliche Perioden verstreichen lassen. Für mich ist klar, daß sie über den Planeten, den sie anfliegen, keinerlei Informationen besitzen und deshalb so deutlich zögern.«

»Haben Sie Informationen, Compor?«

»Keine, Sprecher«, antwortete Compor. »Oder jedenfalls hat mein Bordcomputer keine.«

»Dieser Computer hier?« Gendibals Blick fiel aufs Kontrollpult. »Ist er beim Betrieb des Schiffs eine Hilfe?« erkundigte er sich in plötzlicher Hoffnung.

»Er kann das Schiff allein betreiben und einwandfrei steuern. Man braucht die Anweisungen nur hineinzudenken.«

Gendibal empfand plötzlich Unbehagen. »So weit ist die Foundation schon?«

»Ja, aber das alles steckt noch in den Anfängen. Der Computer arbeitet nicht besonders gut. Manchmal muß ich meine Gedanken mehrmals wiederholen und erhalte selbst dann bloß Minimalinformationen.«

»Vielleicht kann ich besser damit umgehen«, meinte Gendibal.

»Da bin ich sicher, Sprecher«, sagte Compor respektvoll.

»Aber lassen wir das erst einmal beiseite. Warum enthält er keine Informationen über Gaia?«

»Das weiß ich nicht, Sprecher. Er behauptet — falls man einem Computer nachsagen kann, er behaupte etwas —, er besäße Daten über jeden von Menschen bewohnten Planeten der Galaxis.«

»Er kann nicht mehr Informationen haben, als in ihm gespeichert worden sind, und falls die Leute, die die Speicherung vorgenommen haben, es im Glauben taten, die Daten aller derartigen Planeten zu besitzen, wogegen das in Wirklichkeit nicht der Fall ist, dann dürfte der Computer auch auf der Grundlage dieses Irrtums arbeiten. Richtig?«

»Gewiß, Sprecher.«

»Haben Sie auf Sayshell Erkundigungen eingezogen?«

»Sprecher«, antwortete Compor unbehaglich, »man findet zwar auf Sayshell diese und jene Leute, die sich über Gaia äußern, aber was sie darüber denken, ist wertlos. Nichts als Aberglauben. Sie erzählen sich eine Geschichte, die dahin geht, Gaia sei ungeheuer mächtig und habe sogar den Fuchs ferngehalten.«

»Das sagen sie?« meinte Gendibal und verbarg seine Überraschung. »Waren Sie überzeugt genug davon, es drehe sich nur um Aberglauben, daß Sie gar nicht erst nach Einzelheiten gefragt haben?«

»Nein, Sprecher, durchaus nicht. Ich habe viele Fragen gestellt, aber was ich Ihnen gerade gesagt habe, ist der Kern von allem. Sie können dort über dies Thema reichlich weitschweifig schwafeln, aber sobald sie fertig sind, läuft’s alles auf nichts anderes als das hinaus, was ich eben erwähnt habe.«

»Anscheinend hat Trevize auch von diesen Dingen erfahren«, folgerte Gendibal, »und fliegt aus irgendeinem Grund nach Gaia, der… der irgendwie mit dieser angeblichen ungeheuren Macht zusammenhängt. Und er benimmt sich dabei sehr vorsichtig, vielleicht weil er diese Macht gehörig fürchtet.«

»Das ist sehr wohl möglich, Sprecher.«

»Und trotzdem sind Sie ihm nicht weiter gefolgt?«

»Ich bin lange genug gefolgt, Sprecher, um ganz sicher sein zu können, daß sein Ziel Gaia ist. Dann bin ich in die Randzonen des Gaia-Systems zurückgekehrt.«

»Warum?«

»Aus drei Gründen, Sprecher. Erstens stand Ihre Ankunft bevor, und ich wollte Sie, wie Sie’s gewünscht haben, möglichst bald an Bord holen, und zu diesem Zweck hielt ich es für geraten, sie möglichst bald zu treffen. Da mein Schiff eine Hypersonde an Bord hat, konnte ich mich allerdings nicht zu weit von Trevize entfernen, weil das auf Terminus Verdacht erregt hätte, aber ich habe eingeschätzt, daß dieser Abstand noch vertretbar sein dürfte. Zweitens bin ich, als feststand, daß Trevize sich dem Planeten Gaia nur sehr langsam nähert, zu der Einschätzung gelangt, es müsse Zeit genug bleiben, um Ihnen eine solche Strecke weit entgegenzufliegen und unsere Begegnung beschleunigt herbeizuführen, ohne daß die Ereignisse uns einholen, zumal ich davon ausgehe, daß Sie geeigneter als ich sind, um ihm auf den Planeten selbst zu folgen und möglicherweise dort auftretende Notsituationen zu handhaben.«

»Völlig richtig. Und der dritte Grund?«

»Seit unserer letzten mentalen Kommunikation ist etwas geschehen, Sprecher, das ich nicht erwartet habe und das ich nicht verstehen kann. Ich hatte das Gefühl, daß wir uns — auch aus diesem Anlaß — besser so schnell wie möglich treffen.«

»Und was ist das für ein Vorgang, den Sie nicht erwartet haben und auch nicht verstehen?«

»Schiffe der Foundationflotte befinden sich im Anflug auf die Grenzen der Sayshell-Union. Diese Information hat mein Computer sayshellischen Nachrichtensendungen entnommen. Die Flotte umfaßt mindestens fünf Schiffe und ist kampfkräftig genug, um Sayshell zu unterwerfen.«

Erstmals gab Gendibal keine Antwort, denn er erachtete es als nicht empfehlenswert, zu zeigen, daß auch er mit einem solchen Schritt nicht gerechnet hatte — und ihn ebensowenig wie Compor verstand. »Nehmen Sie an«, fragte er schließlich, als messe er dem keine Bedeutung bei, »das könne irgendwie mit Trevizes Flug nach Gaia im Zusammenhang stehen?«

»Jedenfalls hat es sich unverzüglich danach ergeben«, sagte Compor. »Und wenn B auf A folgt, besteht immerhin die Möglichkeit, daß B durch A verursacht worden ist.«

»Tja, es hat den Anschein, als zöge es alle nach Gaia — Trevize, mich, die Erste Foundation«, sagte Gendibal. »Wie auch immer, Sie haben sich glänzend bewährt, Compor. Nun wollen wir weitersehen. Als erstes zeigen Sie mir, wie dieser Computer funktioniert, und gleichzeitig, wie man durch den Computer das Schiff lenkt. Ich bin sicher, daß das nicht lange dauern wird. Anschließend steigen Sie auf meinen Raumer um, und ich werde Ihnen bis dahin mentalistisch eingeben, wie man es bedient. Sie dürften kaum Probleme mit dem Manövrieren haben, obwohl Sie merken werden — und wahrscheinlich ist’s Ihnen bereits am Äußeren aufgefallen —, daß es relativ primitiv ist. Wenn Sie es unter Kontrolle haben, werden Sie es hier an dieser Position lassen und auf mich warten.«

»Wie lange, Sprecher?«

»Bis ich wiederkomme. Ich erwarte nicht, so lange auszubleiben, bis die Gefahr besteht, daß Ihnen die Vorräte ausgehen, aber falls sich trotzdem unzumutbare Verzögerungen ergeben, stelle ich’s Ihnen frei, einen bewohnten Planeten der Sayshell-Union anzufliegen und dort auf mich zu warten. Wo Sie auch sind, ich werde Sie finden.«

»Wie Sie meinen, Sprecher.«

»Und machen Sie sich keine Sorgen. Ich komme mit dieser mysteriösen Gaia zurecht und, falls nötig, auch mit den fünf Raumschiffen der Foundation.«

67

Littoral Thoobing war seit sieben Jahren Botschafter der Foundation auf Sayshell. Sein Posten gefiel ihm ziemlich gut.

Groß und recht stämmig, trug er einen dichten braunen Schnauzbart, in einer Zeit, in der ein glattrasiertes Gesicht als vorherrschende Mode galt, sowohl bei der Foundation wie auf Sayshell. Er zeichnete sich, obwohl er erst fünfundfünfzig war, durch ein sehr gefaßtes Benehmen aus, und zudem befleißigte er sich einer eingeübten Indifferenz. Man konnte ihm seine Einstellung zu seiner Tätigkeit nur schwer ansehen.

Trotzdem, sein Posten gefiel ihm ziemlich gut. Er hielt ihn vom Drüber und Drunter der Politik auf Terminus fern — das wußte er besonders zu schätzen — und gab ihm die Gelegenheit, das Leben eines sayshellischen Sybariten zu führen und auch seiner Frau mitsamt Tochter den Lebensstil zu ermöglichen, an den sie sich mittlerweile abhängigkeitsartig gewöhnt hatten. Er wollte nicht, daß sein Dasein irgendwie durcheinanderkam.

Andererseits jedoch mochte er Liono Kodell sehr wenig leiden, vielleicht weil Kodell ebenfalls mit einem Schnurrbart herumlief, wenngleich kleiner, kürzer und grauweiß. Früher einmal waren sie beide die einzigen zwei Personen der Prominenz gewesen, die Schnurrbarte trugen, und diese Situation hatte zu einem ausgeprägten Konkurrenzdenken zwischen ihnen geführt. Nun, fand Thoobing, war die Konkurrenz vorüber; Kodells Schnurrbart war unansehnlich geworden.

Kodell war zum Direktor des Sicherheitsbüros aufgestiegen, als Thoobing noch auf Terminus war und davon träumte, Harla Branno im Ringen um die Bürgermeisterschaft zu schlagen, bis man ihn mit der Stellung eines Botschafters gekauft hatte. Die Branno hatte ihm den Posten im Hinblick auf ihre eigenen Interessen zugeschanzt, aber trotzdem brachte er ihr seither ein gewisses Wohlwollen entgegen.

Aber Kodell irgendwie nicht. Möglicherweise lag das an Kodells entschlossener permanenter Gutgelauntheit — die Art, wie er sich immer so freundlich verhielt —, die sich auch nicht änderte, wenn er gerade entschieden hatte, auf welche Weise er irgend jemand die Gurgel durchschneiden wollte.

Nun saß da sein durch den Hyperraum übermitteltes Abbild, heiter wie stets, strotzte nachgerade vor Leutseligkeit. Körperlich befand er sich auf Terminus, und das ersparte Thoobing zumindest die Umstände irgendwelcher Gastfreundlichkeit.

»Kodell«, sagte er, »ich wünsche, daß man diese Raumschiffe zurückzieht.«

Kodell lächelte wie der Sonnenschein in Person. »Tja, das hätte ich auch gern, aber unsere alte Dame hat diesbezüglich einen unwiderruflichen Entschluß gefaßt.«

»Es ist schon dagewesen, daß Sie ihr dies und jenes ausgeredet haben.«

»Gelegentlich vielleicht. Wenn sie bereit war, sich überzeugen zu lassen. Diesmal hat sie nichts dergleichen im Sinn. Tun Sie, was Ihre Aufgabe ist, Thoobing. Sorgen Sie dafür, daß Sayshell Ruhe bewahrt.«

»Ich denke nicht an Sayshell, Kodell. Ich denke an die Foundation.«

»Das tun wir alle.«

»Kommen Sie mir nicht mit Spiegelfechtereien, Kodell. Ich möchte, daß Sie mir zuhören!«

»Gern, aber wir haben hier hektische Zeiten auf Terminus, und ich kann mich nicht in alle Ewigkeit nur mit Ihnen abgeben.«

»Ich werde mich so kurz fassen, wie’s überhaupt machbar ist, wenn man den möglichen Untergang der Foundation diskutieren muß. Falls diese Hyperfunkverbindung nicht angezapft wird, will ich offen sprechen.«

»Sie wird nicht angezapft.«

»Dann lassen Sie mich weiterreden. Vor einigen Tagen habe ich eine Mitteilung von einem gewissen Golan Trevize erhalten. Als ich noch in der Politik auf Terminus aktiv war, kannte ich einen Trevize, er war Amtsleiter im Transportwesen.«

»Das war der Onkel dieses jungen Mannes«, sagte Kodell.

»Aha, Sie kennen also den Trevize, von dem diese Mitteilung stammt. Den Informationen zufolge, die ich inzwischen gesammelt habe, handelt es sich um ein Ratsmitglied, das man nach der kürzlich erfolgreich bewältigten Seldon-Krise arretiert und ins Exil geschickt hat.«

»Genau.«

»Das glaube ich nicht.«

»Was glauben Sie nicht?«

»Daß er ins Exil geschickt worden ist.«

»Warum nicht?«

»Wann in der gesamten Geschichte der Foundation ist je einer ihrer Bürger exiliert worden?« fragte Thoobing zurück. »Entweder wird er verhaftet oder nicht. Wenn er verhaftet wird, stellt man ihn vor Gericht, oder man muß ihn freilassen. Wenn man ihn vor Gericht stellt, wird er überführt und verurteilt, oder er wird freigesprochen. Wenn man ihn verurteilt, wird er bestraft, abgesetzt, man spricht ihm die Bürgerrechte ab, sperrt ihn ein oder exekutiert ihn. Aber niemand wird ins Exil geschickt.«

»Für alles gibt’s immer ein erstes Mal.«

»Unfug! Ins Exil geschickt mit dem modernsten Schiffstyp der Raummarine? Welcher Idiot muß denn nicht sofort sehen, daß er für die alte Dame irgendeinen Sonderauftrag durchführt? Wen glaubt sie eigentlich irreführen zu können?«

»Und was für ein Spezialauftrag soll das sein?«

»Vermutlich soll er den Planeten Gaia finden.«

Etwas von der Wohlgelauntheit wich aus Kodells Miene. Eine ungewohnte Härte trat in seine Augen. »Ich sehe, daß Sie keine überwältigende Neigung verspüren, meinen Erklärungen zu glauben, Botschafter Thoobing«, sagte er, »aber ich ersuche Sie ganz besonders eindringlich, mir wenigstens in diesem einen Fall Glauben zu schenken. Zu dem Zeitpunkt, als Trevize ins Exil geschickt worden ist, hatten weder die Bürgermeisterin noch ich je von Gaia gehört. Der Name ist uns erst vor wenigen Tagen erstmalig zu Ohren gekommen. Wenn Sie mir das abnehmen, können wir unsere Unterhaltung fortsetzen.«

»Ich will meine Neigung zum Skeptizismus lange genug vergessen, um das so zur Kenntnis zu nehmen, Direktor, wenn’s mir auch schwerfällt.«

»Es ist die reine Wahrheit, Botschafter, und wenn ich auf einmal meinen Erklärungen eine gewisse formelle Note verliehen haben sollte, dann aus dem Grund, weil Sie, wenn wir mit dieser Sache fertig sind, feststellen werden, daß Sie uns Fragen zu beantworten haben, und die Befragung wird unter Umständen peinlich für Sie. Sie sprechen, als sei Gaia eine Welt, die Sie wie selbstverständlich kennen. Wie kommt es, daß Sie etwas wissen, das uns unbekannt ist? Halten Sie es nicht für Ihre Pflicht, uns über die politische Einheit, wo Sie als Botschafter tätig sind, alles mitzuteilen, was Sie erfahren?«

»Gaia ist kein Bestandteil der Sayshell-Union«, erwiderte Thoobing maßvoll. »Wahrscheinlich existiert diese Welt überhaupt nicht. Soll ich all die Ammenmärchen der primitivsten und abergläubischsten Art, die man sich hier über Gaia erzählt, nach Terminus weitermelden? Einigen Redensarten zufolge befindet sich Gaia im Hyperraum. Andere wieder behaupten, sie sei eine Welt, die Sayshell auf übernatürliche Weise beschützt. Manche verbreiten, der Fuchs habe sich von dort aus an die Unterjochung der Galaxis gemacht. Sollten Sie etwa die Absicht haben, der sayshellischen Regierung weismachen zu wollen, Trevize sei unterwegs, um Gaia zu finden, und daß fünf moderne Raumschiffe der Foundation-Raummarine abkommandiert worden sind, um ihm dabei Rückendeckung zu geben, dann wird man Ihnen ganz einfach nicht glauben. Die Bevölkerung mag in bezug auf Gaia alle erdenklichen Märchen glauben, aber die Regierung auf keinen Fall, und sie wird sich nicht davon überzeugen lassen, daß die Foundation derlei Dinge glaubt. Man wird den Eindruck haben, man wolle Sayshell zum Anschluß an die Foundation-Föderation nötigen.«

»Und hätten wir so etwas nun tatsächlich vor?«

»Das wäre verhängnisvoll. Kommen Sie, Kodell, hören Sie auf! Wann in ihrer fünfhundertjährigen Geschichte hat die Foundation jemals Eroberungskriege angefangen? Wir haben Kriege geführt, um unsere Eroberung abzuwehren — einmal ohne Erfolg —, aber nie ist ein Krieg mit der Vergrößerung unseres Territoriums beendet worden. Der Zutritt zur Föderation ist immer durch friedliche Verhandlungen zustandegekommen. Welten haben sich uns angeschlossen, weil sie im Anschluß Vorteile erblickt haben.«

»Ist es nicht vorstellbar, daß Sayshell auch Vorteile in einem Anschluß sieht?«

»Das wird niemals der Fall sein, solange unsere Raumer in den Randzonen der Union bleiben. Rufen Sie sie zurück!«

»Das ist ausgeschlossen.«

»Kodell, Sayshell ist ein hervorragendes Paradebeispiel für die Friedfertigkeit der Foundation-Föderation. Die Union ist von unserem Territorium umgeben, ihre Position ist durch und durch angreifbar, und trotzdem ist sie bisher sicher gewesen, hat ihren eigenen Weg gehen dürfen, hat sogar ungehindert eine der Foundation gegenüber nicht allzu freundliche Außenpolitik betreiben können. Wie wäre es uns möglich, die Galaxis besser davon zu überzeugen, daß wir niemanden zu irgend etwas zwingen, daß wir mit allen in Freundschaft verkehren? Wenn wir Sayshell jetzt einsacken, nehmen wir uns etwas, das wir eigentlich schon längst haben. Immerhin besitzen wir, wenn auch völlig unauffällig, die wirtschaftliche Vormachtstellung. Aber wenn wir Sayshell jetzt mit militärischer Gewalt übernehmen, verkünden wir damit der gesamten Galaxis, daß wir expansionistisch geworden sind.«

»Und wenn ich Ihnen sage, daß wir tatsächlich nur an Gaia Interesse hegen?«

»Dann kann ich Ihnen das nicht mehr glauben, als die Sayshell-Union es Ihnen glauben wird. Dieser Mann, dieser Trevize, teilt mir mit, daß er nach Gaia unterwegs ist, ersucht mich, das nach Terminus durchzugeben. Ich tu’s, wider bessere Vernunft, weil’s meine Pflicht ist, und da, fast ehe die Hyperfunkverbindung verflimmert ist, kreuzt unversehens die Raummarine der Foundation auf. Wie wollen Sie Gaia erreichen, ohne in den Raum der Saysheller einzudringen?«

»Mein lieber Thoobing, ich kann mir nicht helfen, mir kommt’s ganz so vor, als wüßten Sie selbst nicht recht, was Sie reden. Haben Sie mir nicht erst vor wenigen Augenblicken gesagt, Gaia wäre — falls sie überhaupt existiert — kein Teil der Sayshell-Union? Und ich vermute, Sie wissen, daß der Hyperraum allen offensteht und kein Territorium irgendeiner Welt ist. Worüber könnte sich Sayshell beschweren, wenn unsere Schiffe durch den Hyperraum vom Territorium der Foundation — und da halten sie sich gegenwärtig noch auf — ins Territorium Gaias fliegen, also während des Flugs keinen einzigen Kubikzentimeter sayshellischen Territoriums okkupieren?«

»Sayshell dürfte die Ereignisse anders interpretieren, Kodell. Falls Gaia existiert, ist sie auf jeden Fall von der Sayshell-Union umgeben, auch wenn sie kein politischer Teil von ihr ist, und es gibt Präzedenz-Fälle, nach denen solche Enklaven beim Eindringen feindlicher Kriegsschiffe als zum umgebenden Territorium gehörig gelten.«

»Unsere Raumer sind keine ›feindlichen Kriegsschiffe‹. Wir leben mit Sayshell im Frieden.«

»Und ich sage Ihnen, daß Sayshell womöglich nicht davor zurückschreckt, uns den Krieg zu erklären. Man könnte sicher nicht erwarten, einen Krieg gegen uns durch militärische Überlegenheit zu gewinnen, aber es ist eine Tatsache, so ein Krieg würde in der ganzen Galaxis eine Welle antifoundationistischer Aktivitäten auslösen. Ein sichtbarer Expansionismus der Foundation wird das Entstehen von gegen uns gerichteten Allianzen zur Folge haben. Einige Mitglieder der Föderation dürften ihre Haltung zu uns neu durchdenken. Wir könnten einen derartigen Krieg durchaus durch innere Zwistigkeiten verlieren, und dadurch würde der Wachstumsprozeß, der sich fünfhundert Jahre lang so gut bewährt hat, umgekehrt werden.«

»Kommen Sie, kommen Sie, Thoobing, hören Sie auf!« sagte Kodell gleichgültig. »Sie sprechen, als seien fünfhundert Jahre gar nichts, als wären wir noch die Foundation, wie sie zu Salvor Hardins Lebzeiten bestand, die sich mit dem Mini-Königreich Anacreon herumgeschlagen hat. Wir sind heute viel stärker, als früher das Galaktische Imperium es selbst in seinen besten Zeiten gewesen ist. Ein Geschwader unserer Flotte könnte es mit der ganzen damaligen Kaiserlichen Raummarine aufnehmen, wir können jeden Sektor der Galaxis besetzen, ohne überhaupt viel von Kampfhandlungen zu bemerken.«

»Wir haben es nicht mit dem Galaktischen Imperium zu tun. Es geht hier um Planeten und Sektoren der Gegenwart.«

»Niemand ist so fortgeschritten wie wir. Uns könnte schon jetzt die gesamte Galaxis gehören.«

»Dem Seldon-Plan zufolge müssen bis dahin noch fünfhundert Jahre vergehen.«

»Der Seldon-Plan unterschätzt die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts. Wir können es schon heute tun. Verstehen Sie mich richtig, ich sage nicht, wir wollen es tun, oder wir sollten’s. Ich stelle bloß fest, wir können es heute tun.«

»Kodell, Sie haben Ihr ganzes Leben auf Terminus verbracht. Sie kennen sich in der Galaxis nicht aus. Mit unserer Raummarine und unserer Technik sind wir sicherlich dazu imstande, die Streitkräfte anderer Welten zu schlagen, aber wir sind nicht dazu in der Lage, eine ganze Galaxis, die von Rebellion und Haß brodelt, zu regieren — und dahin wird’s kommen, wenn wir die Herrschaft über die Galaxis mit Gewalt antreten. Ziehen Sie die Schiffe zurück!«

»Unmöglich, Thoobing. Denken Sie einmal nach — was wäre, wenn Gaia kein Mythos ist?«

Thoobing schwieg einen Moment lang, forschte sehr aufmerksam in Kodells Gesicht, als wolle er seine Gedanken zu lesen versuchen. »Eine Welt im Hyperraum — kein Mythos?«

»Eine Welt im Hyperraum ist gewiß nur Aberglauben, aber selbst Aberglauben kann auf gewisse Wahrheiten zurückzuführen sein. Trevize, dieser Mann, den wir ins Exil geschickt haben, spricht davon, als ob sie ein wirklicher Planet im realen Weltraum wäre. Wenn er nun recht hat?«

»Unsinn! Daran glaube ich nicht.«

»Nicht? Glauben Sie’s wenigstens mal einen Augenblick lang. Stellen Sie sich vor eine reale Welt, die Sayshell Schutz gegen den Fuchs und ebenso gegen die Foundation gewährt hat!«

»Aber Sie widersprechen doch sich selbst. Wie soll Gaia die Sayshell-Union vor der Foundation schützen? Eben in diesem Moment schicken wir ja Schiffe hin.«

»Deren Einsatz betrifft nicht Sayshell, sondern Gaia, von der so rätselhaft wenig bekannt ist, die so sehr Wert darauf legt, niemandes Interesse zu wecken, daß sie es geschafft hat, ihren Nachbarn einzuflüstern, sie befände sich im Hyperraum, während man sie durchaus im Normalraum suchen muß, und der es sogar gelungen ist, außerhalb der Datenspeicher der besten und vollständigsten galaktischen Sternenkarten zu bleiben.«

»Dann dürfte sie ja eine höchst ungewöhnliche Welt sein, deren Bewohner die Fähigkeit haben müßten, den menschlichen Geist zu manipulieren.«

»Und haben Sie nicht eben erst erwähnt, unter anderem erzähle man auf Sayshell, der Fuchs sei von Gaia gekommen, um die Galaxis zu unterwerfen? Und hatte nicht der Fuchs die Fähigkeit, das menschliche Bewußtsein zu manipulieren?«

»Und Gaia ist also eine Welt voller Füchse?«

»Sind Sie sicher, daß das undenkbar ist?«

»Warum nicht gleich die Welt einer wiedererstandenen Zweiten Foundation?«

»Ja, warum nicht? Ist das nicht eine Untersuchung wert?«

Thoobing zeigte nun allen Ernst. Während des letzten Wortwechsels hatte er verächtlich gelächelt, doch jetzt senkte er den Kopf, musterte seinen Gesprächspartner unter den Brauen hervor. »Wenn Sie das im Ernst meinen, halten Sie solche Nachforschungen nicht für gefährlich?«

»Sind sie gefährlich?«

»Sie beantworten meine Fragen mit Gegenfragen, weil Sie keine vernünftigen Antworten haben. Was könnten unsere Raumschiffe gegen Füchse oder die Zweite Foundation ausrichten? Falls sie existieren, ist es dann nicht viel wahrscheinlicher, daß Sie in eine Falle gelockt werden? Sehen Sie mal, Sie versuchen mir hier einzureden, daß die Foundation schon heute zur Errichtung ihres Imperiums fähig sei, obwohl der Seldon-Plan erst die Hälfte des veranschlagten Zeitraums hinter sich hat — ich dagegen habe Sie gewarnt, daß so was ein überstürztes Vorgehen wäre, daß die Implikationen des Seldon-Plans Sie zurückhalten müßten. Vielleicht ist diese Sache, falls Gaia wirklich existiert, ein Trick, um ein solches Vorgehen zu bremsen. Also tun Sie jetzt freiwillig, wozu Sie später möglicherweise gezwungen werden. Tun Sie jetzt friedlich und ohne Blutvergießen, was Sie später womöglich — vielleicht nach einem blutigen Desaster — gezwungenermaßen tun müssen. Ziehen Sie die Schiffe zurück!«

»Es geht nicht. In der Tat beabsichtigt Bürgermeisterin Branno sogar, persönlich mit diesen Schiffen zu fliegen, und es sind bereits Scouts durch den Hyperraum ins mutmaßliche Gaia-Territorium vorgestoßen.«

Thoobing quollen die Augen hervor. »Dann gibt’s bestimmt Krieg, ich sag’s Ihnen.«

»Sie sind unser Botschafter. Verhindern Sie’s! Machen Sie den Sayshellern alle Zusicherungen, die sie haben wollen! Dementieren Sie alle bösen Absichten, die uns unterstellt werden! Sagen Sie ihnen, falls es sein muß, es wird sich für sie auszahlen, wenn sie stillhalten und abwarten, daß Gaia uns vernichtet! Erzählen Sie ihnen, was Sie für richtig halten, aber sorgen Sie für Ruhe!«

Er schwieg einen Moment lang und betrachtete Thoobings fassungslose Miene. »Das ist nun alles, wirklich«, fügte er dann hinzu. »Soviel ich weiß, wird kein Raumer der Foundation auf irgendeiner Welt der Sayshell-Union landen oder durch irgendeinen Punkt im Normalraum fliegen, der zur Union gehört. Jedes sayshellische Schiff jedoch, das uns außerhalb des Territoriums der Union belästigt — folglich innerhalb des Territoriums der Foundation —, wird ohne Umstände in Staub verwandelt. Stellen Sie das völlig unmißverständlich klar und ermahnen Sie die Saysheller zur Zurückhaltung! Wenn Sie damit scheitern, werden Sie strengstens zur Verantwortung gezogen. Ihre Tätigkeit war bisher sehr leicht, Thoobing, aber nun stehen Ihnen härtere Zeiten bevor, und die nächsten paar Wochen könnten von alles entscheidender Bedeutung sein. Versagen Sie, werden Sie sich nirgendwo in der Galaxis noch irgendeiner Sicherheit erfreuen können.«

Weder Wohlgelauntheit noch Freundlichkeit ließen sich in Kodells Gesichtsausdruck erkennen, als er die Verbindung trennte und sein Bild verschwand.

Offenen Mundes starrte Thoobing dorthin, wo er es eben noch gesehen hatte.

68

Golan Trevize raufte sich das Haar, als versuche er, durch Tasten von außen den Zustand seines Denkvermögens abzuklären. »Wie fühlen Sie sich?« wandte er sich unvermittelt an Pelorat.

»Wie ich mich fühle?« wiederholte Pelorat verdutzt.

»Ja. Da sind wir nun geschnappt worden — unser Raumschiff ist unter fremder Kontrolle und wird unwiderstehlich von einer Welt angezogen, über die wir nichts wissen. Verspüren Sie Panik?«

Pelorats langes Gesicht spiegelte eine gewisse Melancholie wider. »Nein«, antwortete er. »Ich bin nicht gerade voller Vorfreude. Ich empfinde eine gewisse Spannung, aber keine Panik.«

»Ich auch nicht. Ist das nicht sonderbar? Weshalb sind wir nicht aufgeregter?«

»Weil dies etwas ist, womit wir gerechnet haben, Golan. Mit irgend so was.«

Trevize drehte sich zum Bildschirm um. Die Außenübertragung war fest auf die fremde Raumstation eingestellt, die inzwischen bedrohlich nähergerückt war.

Er hatte aber keineswegs den Eindruck, daß es sich um eine allzu beeindruckend konstruierte Raumstation handelte. Nichts an ihr wies auf Superwissenschaft hin. Tatsächlich wirkte sie sogar ein wenig primitiv. Trotzdem hatte sie das Raumschiff in der Gewalt.

»Ich bin regelrecht analytisch, Janov«, sagte er. »Echt kühl! Ich halte mich ohnehin keineswegs für einen Feigling, ich finde, ich behalte im allgemeinen auch unter dem Druck schwieriger Bedingungen ganz gut die Nerven, aber ich gebe zu, dabei pflege ich mir auch ein bißchen zu schmeicheln. Das geht wohl jedem so. Eigentlich sollte ich aber in dieser Situation auf und ab hüpfen und ein wenig schwitzen. Kann sein, daß wir irgend etwas erwartet haben, aber das ändert nichts an der Tatsache, daß wir hilflos sind und man uns vielleicht umbringt.«

»Ich bezweifle es, Golan«, sagte Pelorat. »Wenn die Gaianer über eine solche Entfernung hinweg ein Raumschiff anziehen können, dürften sie ja wohl auch dazu in der Lage sein, es auf diese Distanz zu vernichten. Da wir aber noch leben…«

»Trotzdem sind wir nicht völlig unangetastet geblieben.

Ich sage Ihnen, wir sind zu ruhig. Ich glaube, sie haben uns irgendwie ruhiggestellt.«

»Warum?«

»Um uns psychisch in guter Verfassung zu halten, nehme ich an. Es ist möglich, daß sie uns zu verhören beabsichtigen. Vielleicht bringen sie uns erst anschließend um.«

»Falls Sie vernünftig genug sind, uns befragen zu wollen, kann es sein, daß sie auch so vernünftig sind, uns nicht ohne guten Grund umzubringen.«

Trevize lehnte sich in seinen Sessel (der immerhin noch nachgab — diese Funktion war nicht unterbunden worden) und legte seine Füße auf das Pult, auf dem er normalerweise durch die Hände mit dem Computer Kontakt aufnahm. »Sie könnten allerdings auch einfallsreich genug sein«, entgegnete er, »um sich etwas auszudenken, das Sie für einen guten Grund halten. Aber wenn sie unseren Geist beeinflußt haben, dann jedenfalls nur ganz geringfügig. Wären dort solche Typen wie der Fuchs, sie hätten uns vermutlich richtiggehend wild darauf gemacht, Gaia aufzusuchen — restlos versessen, voll mit Sehnsucht, mit jeder Faser unseres Daseins geil auf Gaia.« Er deutete in die Richtung zur Raumstation. »Ist Ihnen so zumute, Janov?«

»Bestimmt nicht.«

»Und Sie sehen, daß ich mich in einer Verfassung befinde, die mir unterkühltes, nüchternes Überlegen erlaubt. Höchst merkwürdig! Oder bin ich mir überhaupt bewußt, in welcher Verfassung ich bin? Befinde ich mich in Wahrheit im Zustand der Panik, Auflösung, des Irrsinns — und nur in der Illusion, ich könne unterkühlt und nüchtern überlegen?«

Pelorat zuckte die Achseln. »Mir kommen Sie geistig völlig klar vor. Vielleicht bin ich ebenso irrsinnig wie Sie und stehe unter der gleichen Illusion, aber derartige Argumentationen führen zu nichts. Die ganze Menschheit könnte an einem gemeinschaftlichen Wahnsinn kranken und sich einer gemeinsamen Illusion hingeben, während sie gemeinsam im Chaos haust. So eine Annahme läßt sich nicht widerlegen, aber wir haben keine andere Wahl, als uns an unseren Sinnen zu orientieren.« Für einen Moment schwieg er. »Im übrigen«, ergänzte er dann, »habe ich selber einige Überlegungen angestellt.«

»Ja?«

»Na, wir reden doch dauernd von Gaia, als wäre sie eine Welt der Füchse oder die wiederauferstandene Zweite Foundation. Haben Sie schon mal daran gedacht, daß es eine dritte Möglichkeit gibt, die viel einleuchtender ist als die beiden anderen?«

»Welche dritte Möglichkeit?«

Pelorats Blick schien konzentriert nach innen gerichtet zu sein. Er sah Trevize nicht an, und seine Stimme klang leise und versonnen. »Wir haben da eine Welt — Gaia —, die während einer unbestimmt langen Zeitspanne alles getan hat, um eine strikte Isolation aufrechtzuerhalten. Sie hat keinerlei Anstrengungen unternommen, um Kontakte mit anderen Welten zu etablieren — nicht einmal mit den relativ nahen Welten der Sayshell-Union. Und falls diese Geschichten um vernichtete Raumflotten wahr sind — und ihre Fähigkeit, uns so unter Kontrolle zu nehmen, wie’s gegenwärtig geschieht, spricht stark dafür —, verfügt man auf Gaia über hochentwickelte Wissenschaften, aber trotzdem hat es an Versuchen gemangelt, den eigenen Machtbereich auszudehnen. Gaia will nur in Ruhe gelassen werden.«

Trevize kniff die Augen zusammen. »Na und?«

»Das macht einen nichtmenschlichen Eindruck. Die über zwanzigtausend Jahre menschlicher Raumfahrt sind eine einzige, ununterbrochene Geschichte der Expansion und von versuchter Expansion. So gut wie jede Welt, die bewohnt werden kann, ist bewohnt. Um nahezu jede bewohnbare Welt ist im Laufe der galaktischen Besiedlung gezankt worden, und fast jede Welt hat irgendwann einmal jeden ihrer Nachbarn kleinzukriegen versucht. Wenn Gaia so wenig menschlich ist, daß sie in dieser Beziehung eine Ausnahme bildet, dann kann das vielleicht daran liegen, daß sie genau das ist — nämlich eine nichtmenschliche Welt.«

Trevize schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen.«

»Warum ausgeschlossen?« meinte Pelorat leicht hitzig. »Ich habe Ihnen doch erläutert, wie rätselhaft es ist, daß sich in der Galaxis als einzige Intelligenz die Menschheit entwickelt hat. Wenn das nun doch nicht der Fall ist? Könnte es nicht andere Intelligenzen geben — mindestens auf einem Planeten —, denen lediglich die menschliche Neigung zum Expansionismus abgeht?« Pelorat begann sich zu ereifern. »Was wäre, wenn’s tatsächlich Millionen anderer intelligenter Rassen in der Galaxis gäbe, von denen jedoch nur eine expansionistisch ist — wir selbst? Die anderen bleiben vielleicht alle hübsch daheim, verhalten sich unauffällig, bleiben verborgen…«

»Lächerlich!« behauptete Trevize. »Wir wären schon längst auf sie gestoßen. Wir wären auf ihren Welten gelandet. Sie müßten alle Typen und Stadien von Technik haben, und die Mehrzahl hätte uns nicht aufhalten können. Aber wir haben nie irgendwo fremde Rassen gefunden. Raum und Zeit! Wir sind nicht einmal irgendwo auf Relikte oder Ruinen irgendwelcher Fremdrassen gestoßen, stimmt’s? Sie sind Historiker, also müssen Sie’s sagen können. Stimmt’s, oder nicht?«

Pelorat schüttelte den Kopf. »So was haben wir nie gefunden, nein. Aber eine Fremdrasse könnte es doch geben, Golan! Diese eine hier.«

»Das bezweifle ich. Der Name lautet Gaia, haben Sie gesagt, und das sei eine alte mundartliche Version von ›Erde‹. Wie könnte so was nichtmenschlicher Herkunft sein?«

»Der Name ›Gaia‹ ist dem Planeten von Menschen gegeben worden — und wer weiß, warum? Die Ähnlichkeit mit einem alten Wort kann rein zufällig sein. Wenn ich nun daran denke, ist bereits die Tatsache, daß wir nach Gaia gelockt worden sind — wie sie vor einer Weile in allen Einzelheiten dargelegt haben — und nun gegen unseren Willen angezogen werden, ein Argument für die Nichtmenschlichkeit der Gaianer.«

»Wieso? Was hat das mit Nichtmenschlichkeit zu schaffen?«

»Sie sind neugierig auf uns — auf Menschen.«

»Janov, Sie sind verrückt«, sagte Trevize. »Sie müßten ja schon seit Jahrtausenden in einer Galaxis voller Menschen leben. Warum sollten sie dann ausgerechnet jetzt solche Neugier an den Tag legen? Weshalb nicht bereits viel früher? Und wenn ausgerechnet jetzt, wieso gerade auf uns? Wenn sie Menschen und menschliche Kultur erforschen wollten, warum nicht auf den Sayshell-Welten? Warum sollten sie uns von Terminus herlocken?«

»Sie könnten an der Foundation interessiert sein.«

»Quatsch!« sagte Trevize mit Nachdruck. »Janov, Sie wollen nichtmenschlicher Intelligenz begegnen, deshalb sehen Sie hier nichtmenschliche Intelligenz am Werk. Ich glaube, würden Sie nun wirklich nichtmenschlichen Fremden in die Arme laufen, Sie hätten gar keine Sorgen bezüglich Gefangennahme, Wehrlosigkeit, oder wegen der Aussicht, umgebracht zu werden — solange sie Ihnen bloß noch genug Zeit lassen, um Ihren Wissensdurst zu stillen.« Pelorat begann entrüstet einen Widerspruch zu stammeln, aber dann verstummte er und atmete erst einmal tief durch. »Naja, kann sein, Sie haben recht, Golan«, sagte er, »aber ich bleibe trotzdem noch für ein Weilchen bei meiner Vermutung. Ich glaube, wir brauchen nicht mehr lange zu warten, bis wir sehen, wer recht hat. Schauen Sie!«

Pelorat deutete auf den Bildschirm. Trevize, der ihn in der erregten Diskussion nicht beachtet hatte, drehte sich um. »Was ist los?«

»Hat da nicht ein Schiff von der Raumstation abgelegt?«

»Etwas ist da«, gab Trevize widerwillig zu. »Ich kann aber noch keine Details erkennen und auch nicht stärker vergrößern. Die Vergrößerung ist schon maximal eingestellt.«

Nach kurzer Zeit kommentierte er weiter. »Anscheinend kommt das Objekt tatsächlich näher, und ich nehme an, es ist wahrhaftig ein Schiff. Sollen wir eine Wette abschließen?«

»Was für eine Wette?«

»Sollten wir je nach Terminus heimkehren«, sagte Trevize sardonisch, »wollen wir für uns und einige Gäste, an denen uns gelegen ist — bis zu vier für jeden von uns, würde ich sagen —, ein großes Festessen geben — und ich trage die Kosten, wenn an Bord des Schiffs, das sich uns nähert, Nichtmenschen sind, und Sie übernehmen sie, sollten es Menschen sein.«

»Ich bin einverstanden«, antwortete Pelorat.

»Also abgemacht«, sagte Trevize und spähte auf den Bildschirm, versuchte Einzelheiten zu erkennen, während er überlegte, ob irgendwelche äußeren Details über jeden Zweifel hinaus die Nichtmenschlichkeit oder Menschlichkeit der an Bord befindlichen Wesen verraten konnten.

69

Das eisengraue Haar der Branno war makellos frisiert, und sie hätte ohne weiteres im Bürgermeisterpalast sein können, betrachtete man ihre Kaltschnäuzigkeit. Man sah ihr nicht an, daß sie sich erst zum zweitenmal in ihrem Leben im tiefen Weltraum aufhielt. (Und das erste Mal, als sie ihre Eltern auf einem Wochenendausflug nach Kalgan begleitet hatte, zählte kaum. Damals war sie erst drei gewesen.)

»Immerhin ist es ja Thoobings Aufgabe, seine Meinung zu äußern und mich zu warnen«, sagte sie mit einer gewissen trägen Mattigkeit zu Kodell. »Nun gut, er hat mich gewarnt. Ich mache ihm das nicht zum Vorwurf.«

»Er ist schon zu lang an seinem Posten«, sagte Kodell, der an Bord des Raumers der Bürgermeisterin gekommen war, um mit ihr ohne die psychologischen Hemmnisse des Funkverkehrs reden zu können. »Er fängt an, wie ein Saysheller zu denken.«

»Das ist das Berufsrisiko eines Botschafterpostens, Liono. Warten wir, bis das alles hier vorbei ist, dann darf er erst einmal einen längeren Urlaub machen und anschließend einen anderen Posten antreten. Er ist ein fähiger Mann. Auf jeden Fall war er so gescheit, uns Trevizes Mitteilung ohne jede Verzögerung weiterzureichen.«

Kodell lächelte flüchtig. »Ja, wenngleich er mir gesagt hat, das habe er wider alle Vernunft getan. ›Weil’s meine Pflicht ist‹, hat er gesagt. Wissen Sie, verehrte Bürgermeisterin, ihm blieb gar nichts anderes übrig, obwohl seine Vernunft dagegensprach, denn sobald Trevize ins Territorium der Sayshell-Union einflog, habe ich Botschafter Thoobing damit beauftragt, uns umgehend alle Erkenntnisse über ihn zu übermitteln.«

»Ach?« Bürgermeisterin Branno drehte sich an ihrem Platz zur Seite, um Kodells Gesicht besser sehen zu können. »Und was hat Sie dazu veranlaßt?«

»Einige grundsätzliche Überlegungen. Er fliegt einen brandneuen Schiffstyp der Foundationsmarine, und so was konnte den Sayshellern nicht entgehen. Außerdem ist er ein undiplomatischer junger Hitzkopf, und man muß erwarten, daß er selber ihnen das deutlich macht. Daher könnte er in Schwierigkeiten geraten — und was jeder Foundationbürger ganz bestimmt weiß, ist doch, daß er, falls er irgendwo in der Galaxis Ärger bekommt, bloß nach dem nächstbesten Bevollmächtigten der Foundation zu schreien braucht. Mir persönlich würde es nichts ausmachen, Trevize in Schwierigkeiten zu sehen — sowas könnte ihm helfen, endlich erwachsen zu werden, und das wäre ihm nur von Nutzen —, aber Sie haben ihn als Blitzableiter losgeschickt, und ich habe dafür zu sorgen, daß Sie die Natur des Blitzschlags feststellen können, falls einer erfolgt, also habe ich veranlaßt, daß der nächste erreichbare Vertreter der Foundation ihn im Auge behält, sonst nichts.«

»Jetzt verstehe ich! Jetzt weiß ich auch, warum Thoobing so empfindlich reagiert hat. Von mir ist ihm nämlich eine ähnliche Vorwarnung zugegangen. Da er unabhängig voneinander von uns beiden gehört hat, kann man’s ihm kaum vorwerfen, daß er meint, das Auftauchen einer Handvoll Foundationraumschiffe habe mehr zu bedeuten, als wirklich dahintersteckt. Wie kommt es, Liono, daß Sie keine Rücksprache mit mir genommen haben, bevor Ihre Mitteilung an Thoobing abgegangen ist?«

»Würde ich Sie in alles einweihen, was ich veranlasse«, antwortete Kodell kühl, »hätten Sie keine Zeit, um Ihr Bürgermeisteramt auszuüben. Wie kommt es eigentlich, daß Sie mich nicht über Ihre Absicht, Thoobing zu informieren, aufgeklärt haben?«

»Würde ich Sie über alle meine Absichten aufklären, Liono«, erwiderte die Branno mißgestimmt, »wüßten Sie viel zuviel. Aber das ist eine unwichtige Angelegenheit, nicht anders als Thoobings Beunruhigung, und genauso verhält es sich mit allem, was die Saysheller unternehmen könnten. Ich interessiere mich viel mehr für Trevize.«

»Unsere Scouts haben Compor geortet. Er folgt Trevize, und beide nähern sich Gaia sehr vorsichtig.«

»Mir liegen die Berichte der Scouts komplett vor, Liono. Anscheinend nehmen Trevize und Compor beide Gaia sehr ernst.«

»Jeder belächelt den Aberglauben, der sich um Gaia rankt, Bürgermeisterin, und trotzdem denkt jeder: ›Was wäre, wenn…‹ Sogar Botschafter Thoobing hat sich ein bißchen Unbehagen anmerken lassen. Das alles könnte ganz gut auf einem raffinierten politischen Trick der Saysheller beruhen. Vielleicht eine Art von Tarnung. Wenn man Geschichten über eine geheimnisvolle, unnahbare Welt verbreitet, werden die Menschen nicht nur diese Welt meiden, sondern auch in der Nähe befindliche Welten — so wie die der Sayshell-Union.«

»Sie meinen, das könnte der Grund sein, warum der Fuchs Sayshell in Frieden gelassen hat?«

»Möglich.«

»Sie glauben doch sicher nicht, auch die Foundation hätte wegen Gaia die Finger von Sayshell gelassen, wenn es keinen Hinweis darauf gibt, daß man bei uns je von dieser Welt gehört hat?«

»Ich gebe zu, daß Gaia in unseren Archiven nirgends erwähnt wird, aber andererseits gibt’s eigentlich keine einleuchtende Erklärung für unsere gemäßigte Haltung zur Sayshell-Union.«

»Dann wollen wir hoffen, daß die sayshellische Regierung — trotz Thoobings gegenteiliger Auffassung — von Gaias Macht und tödlicher Natur überzeugt ist — wenigstens ein bißchen.«

»Warum das?«

»Weil die Sayshell-Union dann keine Einwände gegen unseren Vorstoß nach Gaia erheben dürfte. Je unangenehmer ihr unser Vordringen ist, um so eher reden sie sich dort unter Umständen ein, man solle es zulassen, damit Gaia uns eine harte Abfuhr erteilt. So eine Lektion, werden sie sich vielleicht denken, müßte eine heilsame Wirkung auf potentielle künftige Eindringlinge haben.«

»Und wenn sie nun mit einer solchen Annahme völlig recht haben sollten, Bürgermeisterin? Falls Gaia wirklich eine tödliche Gefahr verkörpert?«

Die Branno lächelte. »Jetzt fangen Sie selber mit dem ›Was wäre, wenn‹ an, oder, Liono?«

»Ich muß alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen, Bürgermeisterin. Das ist meine Aufgabe.«

»Wenn Gaia eine tödliche Gefahr ist, wird Trevize ihr zum Opfer fallen. Das ist seine Aufgabe als mein Blitzableiter. Und Compor möglichst auch — hoffe ich!«

»Das hoffen Sie? Weshalb?«

»Weil die Gaianer dadurch übertrieben selbstsicher werden könnten, und das wäre für uns nützlich. Sie würden unsere Kräfte unterschätzen und uns um so leichter unterliegen.«

»Und wenn nun wir es sind, die sich durch überhöhte Selbstsicherheit auszeichnen?«

»Wir sind’s nicht«, entgegnete die Branno rundheraus.

»Diese Gaianer — was immer sie auch sein mögen — könnten doch irgendwelche Eigenschaften besitzen, von denen wir uns gar keine Vorstellung machen, so daß wir die Gefahr unzureichend einschätzen. Ich erwähne das lediglich, Bürgermeisterin, weil ich der Ansicht bin, daß auch diese Möglichkeit nicht außer acht gelassen werden darf.«

»Tatsächlich? Und wie kommen Sie zu dieser Ansicht, Liono?«

»Weil ich mir denke, daß Gaia im schlimmsten Fall vielleicht die Zweite Foundation ist. Ich vermute, Sie sind sogar der Überzeugung, daß wir’s mit der Zweiten Foundation zu tun haben. Sayshells Geschichte war jedoch schon zur Zeit des Imperiums recht interessant. Nur Sayshell allein hat jederzeit ein gewisses Maß an Souveränität genossen. Ausschließlich Sayshell sind einige der ärgsten Steuern erspart geblieben, wie ein paar der sogenannten schlechten Kaiser sie erhoben haben. Kurz gesagt, anscheinend hat Sayshell schon immer unter Gaias Schutz gestanden, auch in der Ära des Imperiums.«

»Na und?«

»Aber die Zweite Foundation ist von Hari Seldon gleichzeitig mit unserer Foundation gegründet worden. In der Ära des Imperiums hat die Zweite Foundation noch nicht existiert — Gaia dagegen sehr wohl. Gaia ist also nicht die Zweite Foundation. Sie ist irgend etwas anderes — und möglicherweise noch Schlimmeres.«

»Ich halte nichts davon, sich vom Unbekannten erschrecken zu lassen, Liono. Es gibt nur zwei Quellen von Gefahr — materielle Waffen und geistige Waffen —, und auf beide sind wir gut vorbereitet. Sie kehren jetzt zurück auf Ihr Schiff und warten mit den Einheiten im Randbereich der Sayshell-Union. Dies Schiff wird zuerst allein nach Gaia vorstoßen, aber wir werden mit Ihnen in ständigem Kontakt stehen und erwarten, daß Sie uns notfalls mit einem einzigen Hypersprung zu Hilfe kommen. Gehen Sie, Liono, und lassen Sie diesen verstörten Ausdruck von Ihrem Gesicht verschwinden!«

»Ist eine letzte Frage gestattet? Sind Sie sicher, daß Sie wissen, was Sie tun?«

»Das bin ich«, antwortete die Branno grimmig. »Auch ich habe die Geschichte Sayshells studiert und daraus entnommen, daß Gaia nicht die Zweite Foundation sein kann, aber mir liegen, wie bereits erwähnt, die Berichte der Scouts komplett vor, und infolgedessen weiß ich…«

»Ja?«

»Na, ich weiß, wo sich die Zweite Foundation befindet, und wir werden uns um beide kümmern, Liono. Erst befassen wir uns mit Gaia, und danach mit Trantor.«

Загрузка...