6

Die Männer Forkbeards stimmten ein lautes Jubelgeschrei an. Das Schlangenschiff wendete langsam zwischen den hohen Klippen und glitt in den schmalen Wasserweg hinein. Da und dort klammerten sich Flechten und Büsche und sogar kleine Bäume an das Felsgestein. Das Wasser unter uns war tief und kalt.

Die Ruder hoben sich in gleichmäßigem Rhythmus, während sich das Segel in der leichten Landbrise kaum noch bewegte.

Vorsichtig bahnte sich das Schlangenschiff seinen Weg zwischen den hochaufragenden Klippen hindurch.

Ivar Forkbeard hob ein großes geschwungenes Bronzehorn an die Lippen und ließ einen hohen Ton erklingen, der zwischen den Fels wänden widerhallte.

Kurz darauf ertönte voraus ein ähnliches Signal. Bald hatten wir Forkbeards Heimstatt erreicht.

»Behängt das Schiff mit Gold!« brüllte Ivar.

Kerzenhalter und Kelche wurden mit Schnüren am Bugspriet befestigt. Die Männer nagelten Goldbleche an den Mast und hängten golddurchwirkte Tuche wie Banner über die Reling.

Dann beschrieb das Schiff eine letzte Wende zwischen den Felsen, und plötzlich tauchte vor uns ein Pier aus groben Stämmen auf, mit axtbehauenen Brettern bedeckt, dahinter ansteigendes Land, zwischen Felsbrocken mit kurzem grünen Gras bestanden. Hundert Meter von der Anlegestelle entfernt erhob sich eine Holzpalisade. Hoch oben auf der Klippe entdeckte ich einen Wachtposten, der ein riesiges Horn in der Hand schwenkte. Zweifellos hatte er unser Signal erwidert. Von dort oben konnte er jeden Feind schon von weitem ausmachen.

Vier kleine Milchbosks grasten auf der grünen Weide. Über der idyllischen Szene ragten in weiter Ferne schneebedeckte Berge auf. Eine Verrherde, die von einem Mädchen mit einem Stock gehütet wurde, floh blökend den Hang hinauf. Sie legte die Hand über die Augen. Sie war blond und barfuß und trug einen knöchellangen Rock aus weißer Wolle. Um ihren Hals lag ein dunkler Ring.

Männer eilten aus der Palisade und von den Feldern zur Anlegestelle. Sie waren barhäuptig und trugen zottige Jacken. Einige waren in Felljacken, andere in Tuniken aus gefärbter Wolle gekleidet. Am Hang machte ich zahlreiche Felder aus, die von Mauern aus aufeinandergetürmten Felsbrocken gesäumt waren. Darin wuchsen Sa-Tarna, zu dieser Jahreszeit noch sehr niedrigstehend, und sicherlich auch Erbsen und Bohnen, Kohlsorten und Zwiebeln, und Beete mit goldenen Suls, die in dieser Breite gediehen. Ich sah schmächtige Obstbäume und Bienenstöcke und da und dort kleine Schuppen mit schrägen Holzdächern; in einigen mochten Handwerker an der Arbeit sein, in anderen wurde vielleicht Fisch getrocknet oder gebuttert. An eine Felswand lehnte sich ein langer, niedriger Schuppen; hier fanden sicherlich die kleinen Bosks und die Verr im Winter Unterschlupf, zusammen mit ihrer Winternahrung. Ein anderer Schuppen, im Schatten der Klippen aus dicken Balken erbaut, diente gewiß zur Aufbewahrung von Eis, das im Winter von den Bergen geholt wurde.

Im Augenblick waren nur wenige Bosks zu sehen – Milchtiere. Die Schuppen boten aber einer viel größeren Herde Platz. Vermutlich war der größte Teil des Viehs oben in den Bergen, wo es im Sommer frei grasen durfte und erst vor Einbruch des Winters wieder in die Schuppen geholt wurde.

Die Männer auf den Feldern trugen kurze weiße Wolltuniken; einige arbeiteten mit Hacken. Ihr Haar war kurz, und um ihren Hals zogen sich schwarze Eisenbänder. Sie verließen die Felder nicht, denn das hätte ihren Tod bedeutet; es waren Thralls.

Eine Menge Leute liefen auf die Anlegestelle zu. Mehrere kamen aus der Palisade, darunter auch einige weißgekleidete Sklavinnen. Sicher war heute ein Festtag in der Halle Ivar Forkbeards.

Aus einem Holzfaß schenkte Forkbeard Bier in einen großen Krug, der etwa zwanzig Liter faßte. Über dem Krug ballte er die Faust – das Zeichen des Hammers, das Zeichen Thors. Dann machte der Krug, der zwei große Bronzegriffe hatte, bei den Ruderern die Runde. Die Männer legten die Köpfe in den Nacken und tranken mit vollen Zügen. Es war der Siegestrunk.

Forkbeard trank schließlich den Rest des Krugs, warf ihn auf das Deck und sprang dann zu meiner Verblüffung über die Bordwand auf die sich bewegenden Ruder. Die Männer sangen lauthals. Während sich das Schiff langsam der Anlegestelle näherte, vollführte der Piratenkapitän mit Energie den Rudertanz der Krieger von Torvaldsland – zum großen Entzücken der Leute am Ufer, die ihn bejubelten. Eigentlich handelte es sich nicht um einen Tanz, sondern um eine nicht zu unterschätzende athletische Übung, die ein hervorragendes Auge, einen ausgezeichneten Gleichgewichtssinn und eine unglaubliche Abstimmung aller Bewegungen erforderte. Aufbrüllend sprang Forkbeard von einem sich bewegenden Ruder zum nächsten – wobei er vom Bugruder auf der Backbordseite nach hinten, dann über das Heck auf die Ruder der Steuerbordseite sprang, wo er wieder nach vorn turnte und sich vom vordersten Ruder praktisch zurück an Bord heben ließ. Schließlich stand er schwitzend und fröhlich grinsend neben mir am Bug. Ich sah, wie die Männer am Ufer grüßend ihre Krüge hoben und ihm zutranken.

Sanft berührte das Schlangenboot die Lederpolster des Piers. Eifrige Hände griffen nach den Anlegetauen. Die Ruder wurden eingezogen. Die Männer hängten ihre Schilde über die Reling.

»Ich habe neunzehn hübsche Mädchen!« brüllte Ivar Forkbeard. Lachend schoben seine Männer die Sklavinnen an die Reling, hoben sie auf die Ruderbänke.

»Macht die Brandeisen heiß!« brüllte Forkbeard.

»Sie glühen schon!« lachte ein stämmiger Mann mit einer Lederschürze.

Jetzt wurde eine Planke über die Bordwand gelegt, und die Männer schoben die aneinandergefesselten Mädchen auf die Anlegestelle. Schließlich verließ auch Forkbeard das Schiff, gefolgt von Gorm und mir und seinen Männern. Der Anführer wurde freudig begrüßt. Die Männer umarmten ihn, und er drückte seine Freunde an sich und schüttelte manchen zottigen Kopf zwischen seinen großen Händen.

»War es eine gute Fahrt?« fragte ein Mann mit einem verschlungenen Silberring am Arm.

»Ziemlich gut«, sagte Forkbeard.

»Wer ist das?« wollte ein anderer Mann wissen und deutete auf mich. »Wie ich sehe, ist sein Haar nicht kurzgeschnitten, und er trägt nicht die Ketten eines Thrall.«

»Das ist Tarl Rothaar«, sagte Forkbeard.

»Wessen Mann ist er?« fragte der Mann.

»Mein eigener«, antwortete ich rasch.

»Hast du keinen Jarl?«

»Ich bin mein eigener Jarl.«

»Kannst du mit der Axt umgehen?«

»Lehre mich die Axt führen!«

»Dein Schwert ist zu klein. Willst du damit Suls schälen?«

»Es bewegt sich schnell«, sagte ich. »Es stößt zu wie die Schlange.«

Der Mann griff plötzlich zu und umfaßte meine Hüften. Offenbar wollte er mich spaßeshalber ins Wasser werfen. Aber er brachte mich nicht von der Stelle; statt dessen stieß er ein überraschtes Grunzen aus. Auch ich umfaßte seine Hüften. So schwankten wir auf den Planken hin und her. Die Torvaldsländer machten uns Platz.

»Ottar liebt den Sport«, sagte Ivar Forkbeard.

Mit einer abrupten Bewegung hebelte ich Ottar von den Füßen und schleuderte ihn ins Wasser.

Durchnäßt und prustend kletterte er wieder auf das Dock.

»Morgen«, sagte er lachend, »bringe ich dir den Umgang mit der Axt bei.« Wir gaben uns die Hände. Wenn Forkbeard nicht zu Hause war, wachte Ottar über sein Vieh, seine Besitztümer, seinen Hof und sein Vermögen.

»Er spielt vorzüglich Kaissa«, versicherte Forkbeard.

»Ich schlage ihn«, meinte Ottar.

»Das wollen wir erst mal sehen«, bemerkte ich.

Eine Sklavin drängte sich durch die Menge. »Erinnert sich mein Jarl nicht mehr an Gunnhild?« fragte sie und drückte sich an ihn. »Und was ist mit Schmollmund«, fragte ein anderes Mädchen, das ihren Kosenamen offenbar den breiten, sinnlichen Lippen verdankte. Forkbeard fuhr ihr mit den Fingern durchs Haar. »Und Olga?« fragte ein anderes Mädchen, schwarzhaarig und süß anzuschauen.

»Fort mit euch, Mädchen!« lachte Ottar. »Forkbeard hat sich neue Schönheiten mitgebracht!«

Wütend warf sich Gunnhild in Forkbeards Arme, und er begrub ihre Lippen unter den seinen.

»Bereitet alles vor!« sagte er. »Wir wollen feiern!«

»Ja, mein Jarl!« Gunnhild sprang auf und eilte auf die Palisade zu. Die anderen Mädchen taten es ihr nach, begierig, mit den Vorbereitungen für das große Fest zu beginnen.

Dann wandte sich Forkbeard wieder dem Schlangenschiff zu und überwachte das Entladen der kostbaren Beute, die unter Freudenrufen in die Palisade getragen wurde.

Ivar Forkbeard warf den Kopf in den Nacken und lachte brüllend. Auf seinem Schoß saß das Mädchen, das einmal Aelgifu gewesen war; sie hatte die Arme um seinen Hals gelegt, und ihre Lippen liebkosten ihn; der neue Name der Tochter Gurts, des Administrators von Kassau, war ›Schätzchen‹. Sie trug einen schwarzen Metallkragen und das Brandzeichen ihres Herrn. Auf der anderen Seite schmiegte sich Gunnhild an den großen Mann.

Ich hielt das riesige Trinkhorn des Nordens in der Hand. »Das Ding kann man ja gar nicht hinstellen«, sagte ich verwirrt.

Wieder lachte er.

»Wenn du es nicht leertrinken kannst«, sagte er, »gib es weiter!«

Ich legte den Kopf zurück und leerte das Horn.

»Großartig!« rief Forkbeard.

Dann reichte ich das Trinkgefäß an Thyri weiter, die vor mir kniete.

»Jawohl, mein Jarl«, sagte sie und lief davon, um das Horn in dem großen Bottich zu füllen.

»Deine Halle«, sagte ich zu Forkbeard, »entspricht nicht ganz den Vorstellungen, die ich mir gemacht hatte.«

Ja, ich hatte erfahren müssen, daß meine Erwartungen hinsichtlich der ›Hallen‹ des Nordens ganz und gar nicht der Wirklichkeit entsprachen. Die echten Hallen, weiträumig und mit hohen Stützpfeilern, aus edlen Hölzern erbaut, voller Bänke und hoher Pfeiler, voller Täfelungen, Schnitzereien und kostbaren Wandteppichen und Gehängen, mit riesigen Feuern und hängenden Kesseln – diese Hallen waren wirklich sehr selten. Nur die reichsten aller Jarls konnten sich so etwas leisten. Die Halle des Ivar Forkbeard entsprach eher der üblichen schlichteren Bauweise. Aber wenn ich darüber nachdachte, kam mir das auch gar nicht so ungewöhnlich vor, immerhin befand ich mich in einem Land, in dem es wenig Bäume gibt. In Torvaldsland ist gutes Holz sehr teuer, und der größte Teil der Vorräte geht an die Schiffsbauer, die im Grunde noch wichtiger sind. Wenn ein Torvaldsländer zwischen seiner Halle und seinem Schiff wählen muß, fällt seine Entscheidung unweigerlich zugunsten des Schiffes aus. Ganz abgesehen davon wäre er ohne die Reichtümer, die ihm sein Schiff einbringt, gar nicht in der Lage, eine Halle zu errichten, in der seine Männer wohnen.

»Hier, Jarl«, sagte Thyri und reichte mir das Horn. Es war mit dem torvaldsländischen Met gefüllt, aus fermentiertem Honig gebraut, dick, süß und sanft berauschend.

Die Halle Ivar Forkbeards war ein langes flaches Gebäude, etwa hundertundzwanzig goreanische Fuß lang. Die etwa acht Fuß dicken Wände sind aus Gras und Steinen erbaut. Die Längsachse des Gebäudes weist nach Norden, was die Angriffsfläche für den eisigen Nordwind vermindert, der sich im torvaldsländischen Winter besonders unangenehm bemerkbar macht. In der Mitte lodert in einer runden Grube ein großes Feuer. Das Haus besteht im wesentlichen aus einem einzigen langen Raum, der zum Wohnen, Schlafen und Essen dient. An einem Ende befindet sich die Küche, durch eine Holzwand vom übrigen Raum abgetrennt. Das Dach ist nur etwa sechs Fuß hoch, was zur Folge hat, daß die meisten Männer den Kopf einziehen müssen. Der lange Raum ist nicht nur niedrig, sondern auch kaum erleuchtet und gewöhnlich von Rauch erfüllt, denn der Abzug erfolgt, wie in Torvaldsland üblich, nur durch kleine Löcher im Dach. In der Mitte der Halle liegt der Boden etwa einen Fuß niedriger als ringsum; in dieser Vertiefung, die sich durch das ganze Gebäude zieht, befinden sich die Tische und Bänke. In der Mitte tragen das Dach zwei Reihen Stützpfosten, jeweils sieben Fuß voneinander entfernt. An den Seiten der Halle sind entlang der Wände auf dem festgestampften Lehmboden Felle ausgebreitet. Steine markieren die Schlafecken, in denen man auch seine Sachen unterbringen kann. Der Mittelteil der Halle, etwa zwölf Fuß breit, dient als allgemeiner Aufenthaltsraum.

Zwei Sklavenmädchen trugen nun einen am Spieß gebratenen Tarsk herein, eine Last, die sie auf den Schultern balancierten. Sie waren durch dicke Lederpolster vor der Hitze des großen Bratspießes geschützt. Das dampfende Fleisch wurde auf den Tisch abgesetzt. Ivar Forkbeard zog sein Messer, schob die beiden Sklavinnen zur Seite und machte sich daran, das Fleisch zu verteilen. Er warf die Stücke über den Tisch.

Ich hörte Gelächter. Aus der Dunkelheit hinter mir drang ein wollüstiges Stöhnen, und gleich darauf hörte man die Wonneschreie einer Sklavin. Es handelte sich um eins der neuen Mädchen, das vor ein paar Minuten an den Haaren hinauf geschleppt worden war. Einer der heimgekehrten Krieger konnte es offenbar nicht mehr erwarten und verschaffte sich ausgiebig Erleichterung.

»Du mußt wissen«, sagte Ivar Forkbeard zu mir, »daß ich ein Geächteter bin.«

»Das wußte ich nicht.«

»Das ist einer der Gründe, warum meine Halle nicht aus Holz besteht.«

»Ich verstehe«, meinte ich. »Aber du hast wenigstens eine Palisade.«

Er warf mir ein Stück Heisch zu. »Die Palisade«, erwiderte er, »ist niedrig, und die Spalten sind mit Lehm verschmiert.«

Ich löste ein Stück von dem Fleisch, das mir Ivar zugeworfen hatte, und hielt es Thyri hin. Sie lächelte mich an. Sie versuchte zu lernen, einem Mann zu gefallen.

»Danke, mein Jarl«, sagte sie und nahm das Fleisch zwischen die Zähne.

»Du bist reich«, sagte ich zu Ivar, »und hast viele Männer. Du könntest dir bestimmt eine Halle aus Holz leisten, wenn du wolltest.«

»Warum bist du nach Torvaldsland gekommen?« fragte Ivar plötzlich.

»Um Rache zu nehmen«, sagte ich. »Ich muß einen bestimmten Kur erwischen.«

»Das sind gefährliche Wesen«, sagte er. Ich zuckte die Achseln.

»Einer hat uns hier angegriffen«, sagte Ottar plötzlich.

Ivar sah ihn an.

»Im letzten Monat wurde ein Verr gerissen«, berichtete Ottar.

Da wußte ich, daß es sich nicht um den Kur handeln konnte, den ich suchte.

»Wir haben ihn gejagt, konnten ihn aber nicht finden«, fuhr Ottar fort.

»Sicher hat er die Gegend inzwischen wieder verlassen«, sagte Ivar.

»Habt ihr sehr unter diesen Ungeheuern zu leiden?« fragte ich.

»Nein«, sagte Ivar. »Sie jagen selten so weit im Süden.«

»Die Kurii sind intelligent«, sagte ich. »Sie können sprechen.«

»Das ist mir bekannt«, sagte Ivar.

Ich erzählte Ivar nicht, daß die Wesen, die er Kurii oder Ungeheuer nannte, in Wirklichkeit Angehörige einer außerplanetarischen Rasse waren und daß sie – oder ihre Artgenossen in Raumschiffen – im Krieg mit den Priesterkönigen lagen, denen sie die Herrschaft über zwei Welten, Gor und die Erde, abnehmen wollten. Als Folge dieser Kämpfe, von denen die Erdenmenschen wie auch die Goreaner nichts wußten, waren von Zeit zu Zeit Schiffe der Kurii vernichtet worden und abgestürzt. Die Priesterkönige hatten es sich zur Angewohnheit gemacht, die Wracks dieser Schiffe zu vernichten, doch normalerweise verzichteten sie auf den Versuch, Überlebende aufzuspüren und zu töten. Wenn sich die verstreuten Kurii an die Waffen- und Technologiegesetze der Priesterkönige hielten, durften sie wie die Menschen überleben. Die Kurii, die ich kannte, waren von schrecklichen Instinkten getrieben, Ungeheuer, die in Menschen und Tieren nur Nahrung erblickten. Wie beim Hai reizte Blut die Kurii zu blinder Raserei. Sie waren ungewöhnlich kräftig und – wenn sie bei Sinnen waren – hochintelligent, obwohl sie intellektuell ebensowenig an die Priesterkönige herankamen wie die Menschen. In ihrer Mordlust und mit ihrer hochstehenden Technologie waren sie allerdings auf ihre Art ein ebenbürtiger Gegner der Priesterkönige. Die meisten Kurii lebten in Schiffen, den Stahlwölfen des Alls, und ihre Instinkte wurden bis zu einem gewissen Grad durch das unerbittliche Schiffsgesetz im Zaum gehalten. Man nahm an, daß die Heimatwelt der Kurii vernichtet worden war. Dies erschien logisch, wenn man ihr Ungestüm und ihre Gier bedachte – ihre eigene Heimat war vernichtet, jetzt suchten sie ein neues Zuhause.

Natürlich mochten die Kurii, mit denen die Torvaldsländer zu tun hatten, seit Generationen keine Verbindung mehr mit den Kurii der Schiffe haben. Es galt als eine der großen Gefahren bei der Auseinandersetzung, daß sich die Kurii aus den Schiffen eines Tages mit ihren Artgenossen auf Gor in Verbindung setzen könnten, um ihre Pläne voranzutreiben.

Menschen und Kurii hielten sich für Todfeinde. Die Kurii ernährten sich häufig von Menschenfleisch, so war es ganz natürlich, daß die Menschen diese Ungeheuer jagten, sobald sich eine Chance bot. Wegen der berserkerhaften Kampfkraft der Ungeheuer wurden die Kurii meistens aber nur bis an die jeweiligen Distriktsgrenzen gejagt, besonders dann, wenn nur der Verlust von Bosks oder Thralls zu beklagen war. Auch in Torvaldsland hielt man es gewöhnlich für ausreichend, die Ungeheuer aus dem eigenen Bezirk zu vertreiben.

»Wie erkennst du den Kurii, den du suchst?« fragte Ivar.

»Ich glaube, er wird mich erkennen«, antwortete ich.

»Du bist sehr mutig – oder sehr töricht.«

Ich trank schweigend Met und aß von dem Tarskfleisch, während der unermüdliche Krieger hinter uns auf den Schlafstellen seine Sklavin einem neuen Höhepunkt der Lust entgegenritt, wie ihre Schreie unüberhörbar bezeugten.

»Du bist aus dem Süden«, sagte Ivar. »Ich möchte dir einen Vorschlag machen. Ich bin geächtet. In einem Duell habe ich Finn Broadbelt getötet.«

»Aber das war ein Duell!«

»Finn Broadbelt war der Cousin von Jarl Svein Blue Tooth.«

»Ah«, sagte ich. Svein Blue Tooth war der Erste Jarl von Torvaldsland – jedenfalls galt er allgemein als der mächtigste des Landes. Es ging das Gerücht, daß in seiner Halle tausend Männer lebten und er den Kriegspfeil jederzeit auf zehntausend Höfe tragen konnte. In seinem Hafen lagen zehn Schiffe, und man behauptete, daß er mühelos hundert weitere unter sein Kommando rufen konnte. »Er ist dein Jarl?« fragte ich.

»Er war mein Jarl«, sagte Ivar Forkbeard.

»Das Wergeld ist sicher hoch«, sagte ich zögernd.

Forkbeard musterte mich grinsend. »Gegen alle Sitten und Gesetze und gegen die Proteste der Runenpriester und Höflinge wurde das Wergeld so hoch angesetzt, daß es Sveins Auffassung nach unbezahlbar ist.«

»Dein Bann soll also aufrechterhalten bleiben, bis du gefangen oder getötet wirst.«

»Er wollte mich aus Torvaldsland vertreiben.«

»Aber das ist ihm nicht gelungen.«

Ivar grinste noch breiter. »Er weiß nicht, wo ich stecke. Wenn er es wüßte, würden sofort hundert Schiffe vor dem Fjord auffahren.«

»Wie hoch ist denn das Wergeld?«

»Hundert Stein in Gold«, sagte Ivar.

»Soviel hast du doch allein im Tempel von Kassau erobert«, sagte ich.

»Und das Gewicht eines erwachsenen Mannes in Saphiren aus Shendi«, fuhr Forkbeard fort.

Ich schwieg.

»Bist du nicht überrascht?«

»Eine unmögliche Forderung«, sagte ich lächelnd.

»Du weißt aber, was ich im Süden getan habe.«

»Das ist allgemein bekannt. Du hast Chenbar den See-Sleen, Ubar von Tyros, aus einem Verlies in Port Kar befreit – und das für sein Gewicht in Saphiren aus Shendi.«

Ich überging die Tatsache, daß ich als Bosk von Port Kar für die Einkerkerung Chenbars verantwortlich gewesen war.

Ich bewunderte die Kühnheit des Torvaldsländers, dessen Befreiungsaktion mich allerdings in den Wäldern des Nordens fast das Leben gekostet hatte. Chenbar hatte Sarus aus Tyros geschickt, um Marlenus aus Ar und mich zu fangen. Nur mit Mühe hatte ich Marlenus und seine Männer befreien können.

»Inzwischen«, sagte Ivar lachend, »dürfte Svein Blue Tooth ziemlich unruhig sein.«

»Du hast hundert Stein in Gold und das Gewicht Chenbars aus Tyros in Saphiren.«

»Aber Blue Tooth verlangt noch ein drittes von mir.«

»Die Monde Gors?« fragte ich.

»Nein«, erwiderte er. »Die Monde Scagnars.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Die Tochter Thorgards von Scagnar, Hilda die Hochmütige.«

Ich lachte. »Thorgard von Scagnar«, sagte ich, »ist etwa so mächtig wie Blue Tooth.«

»Du kommst aus Port Kar – ist Thorgard von Scagnar nicht der Feind der Port Karer?«

»Wir aus Port Kar«, sagte ich, »haben im Grunde mit den Scagnarern wenig zu schaffen, doch es trifft zu, daß sich die Schiffe Thorgards oft an unseren Flotten vergriffen haben. Viele Port Karer sind durch ihn auf den Boden des Thassa geschickt worden.«

»Würdest du sagen, daß er dein Feind ist?«

»Ja.«

»Deine Jagd auf einen Kur mag schwierig sein.«

»Möglich.«

»Es könnte Spaß machen, eine solche Jagd anzugehen.«

»Du bist willkommen, mich zu begleiten.«

»Bist du daran interessiert, daß die Tochter Thorgards von Scagnar einen Sklavenkragen trägt?«

»Mir ist das im Grunde gleichgültig – aber der Versuch könnte schwierig und gefährlich sein.«

»Möglich.«

»Darf ich dich begleiten?« fragte ich.

Er grinste. »Gunnhild!« rief er. »Bring uns Met!«

Ich sagte mir, daß Forkbeards Hilfe in der Öde Torvaldsland von unschätzbarem Wert sein konnte. Er kannte womöglich die Schleichpfade der Kurii, ihm waren bestimmt die Dialekte des Nordens bekannt, die sich zum Teil sehr vom üblichen Goreanisch unterscheiden; die Sitten und Gebräuche dieser entlegenen Landstriche mochten ihm vertraut sein. Ich hatte keine Lust, gefesselt vor die Hacken von Thralls geworfen zu werden, nur weil ich unabsichtlich einen freien Kämpfer beleidigt oder eine Regel übertreten hatte – die vielleicht ein so einfaches Vergehen war wie der Griff zur Butter vor einem anderen Gast, der den Ehrenplätzen näher saß als ich. Und vor allen Dingen war Forkbeard ein großartiger Kämpfer und ein Schlaukopf; bei meinem Vorhaben im Norden konnte ich mir eigentlich keinen besseren Verbündeten wünschen.

Der Tochter Thorgards von Scagnar einen Sklavenkragen anzulegen, schien mir ein angemessener Preis zu sein für einen so mächtigen Kampfgefährten.

Thorgard von Scagnar, der bösartige, grausame Herrscher, einer der mächtigsten Jarls des Nordens, war mein Feind. Er war es, der uns mit seinem Schiff, dem Schwarzen Sleen, verfolgt hatte.

Ich lächelte. Seine Tochter Hilda die Hochmütige sollte sich in acht nehmen!

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