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Der Weihrauch stieg mir beißend in die Nase.

Es war sehr heiß in dem Tempel. Dichtgedrängt standen die Gläubigen. Man konnte kaum etwas erkennen, denn die Weihrauchwolken waren sehr dicht.

Der Erste Wissende von Kassau, einer Stadt am Nordrand des Waldgebiets, saß reglos auf seinem Thron hinter dem weißen Geländer, das den Bereich der Wissenden vom allgemeinen Tempel trennte. Er trug weiße Roben und ein hohes Barett.

Kassau ist der Sitz des Ersten Wissenden des Nordens, der die geistliche Oberherrschaft über Torvaldsland beansprucht, das nach allgemeiner Auffassung dort beginnt, wo der Baumbestand nach Norden hin dünner wird. Dieser Anspruch ist – wie viele Dinge, die die Wissenden anstreben – ziemlich umstritten und wird von den meisten ignoriert. Im großen und ganzen respektierten die Männer aus Torvaldsland zwar die Priesterkönige, doch sie begegneten ihnen nicht mit besonderer Ehrerbietung. Sie hielten sich an die alten Sitten und Götter.

Die Religion der Priesterkönige, die durch die Kaste der Priesterkönige institutionalisiert und ritualisiert worden war, hatte bei den primitiven Menschen im Norden kaum Fortschritte gemacht. Dagegen hatte sie sich in vielen Städten festsetzen können, so auch in Kassau. Wissende nutzten oft ihren Einfluß und ihr Gold aus, um ihren Glauben und ihre Rituale zu verbreiten. Manchmal zwang ein bekehrter Häuptling seinen Untertanen denselben Schritt auf. Es kam auch vor, daß der Religionswechsel eines Häuptlings zur freiwilligen Glaubensannehmung jener führte, die sich ihm loyal verbunden fühlten. Zuweilen wurde die Religion der Priesterkönige von den Wissenden durch weltliche Herrscher mit Feuer und Schwert verbreitet. Oft wurden Menschen, die an den alten Überlieferungen festhalten wollten, zu Tode gefoltert. Bei einem Fall, von dem ich gehört hatte, war ein Mann in eine große in den Boden eingelassene und mit Holz ausgekleidete Wanne geworfen worden, die normalerweise zur Essenszubereitung für die Sklaven dient. Dort war er zu Tode geschmort worden. Das Wasser wird erhitzt, indem man Steine, die frisch aus dem Feuer kommen, im Wasser deponiert. Wenn der Stein sich im Wasser abgekühlt hat, wird er mit einem eisernen Rechen wieder herausgeholt und neu erhitzt. Ein anderes Opfer wurde auf einem Rost über dem Feuer bei lebendigem Leibe gebraten. Angeblich hatte er keinen einzigen Laut ausgestoßen. Ein anderer kam um, als sich eine Viper, die ihm in den Mund gestoßen worden war, einen Ausweg durch die Wange suchte.

Ich betrachtete das hochmütige Gesicht des Ersten Wissenden auf seinem Thron. Er war von untergebenen Wissenden in weißen Roben umgeben.

Wissende essen kein Fleisch und auch keine Bohnen. Sie werden in die Geheimnisse der Mathematik eingeweiht. Sie unterhalten sich auf Alt-Goreanisch, in einer Sprache also, die im Volk fast unbekannt ist. Auch die Gottesdienste werden in dieser Sprache abgehalten; allerdings sind bestimmte Teile in das moderne Goreanisch übersetzt worden.

Ich hatte nicht viel übrig für Gottesdienste dieser Art – doch die Feier, die heute abgehalten wurde, interessierte mich.

Ivar Forkbeard war tot.

Ich kannte diesen Mann aus Torvaldsland nur vom Hörensagen. Er war Weltenbummler, Kapitän, Pirat, Händler und Krieger gewesen. Er und seine Männer hatten Chenbar aus Tyros, den See-Sleen, aus einem Verlies in Port Kar befreit, indem sie sich zu ihm durchkämpften und seine Ketten mit den stumpfen, hammerähnlichen Rückseiten ihrer Äxte von den Wänden schlugen. Der Mann hatte als furchtlos und gewalttätig gegolten, als wendig mit Schwert und Axt, als Freund von Späßen, Alkohol und hübschen Mädchen – und er wurde für verrückt gehalten. Aber er hatte sich Chenbars Freiheit teuer bezahlen lassen: Chenbars Gewicht in Saphiren aus Shendi. Allzu verrückt konnte er nicht sein.

Aber jetzt war Forkbeard tot.

Es hieß, er habe aus Scham über die Verruchtheit seines Lebens gewünscht, nach dem Tod zum Tempel der Priesterkönige in Kassau geschafft zu werden, damit der Erste Wissende dort an seinem Leichnam das heilige Zeichen der Priesterkönige vollziehen konnte. Ein solcher Übertritt zum Glauben, auch wenn er erst nach dem Tod erfolgte, war ein großer Sieg für die Wissenden. Ich spürte den Triumph des Ersten Wissenden auf seinem Thron, obwohl er sich kaum etwas anmerken ließ.

Die Wissenden auf der linken Seite begannen nun die Litaneien der Priesterkönige zu singen. In der Menge klang der Singsang der Antworten auf.

Kassau ist eine Stadt, die völlig aus Holz besteht. Der Tempel ist das größte Gebäude im Ort. Es erhebt sich hoch über die einfachen Hütten und die etwas stabileren Häuser der Kaufleute, die sich um ihn drängen. Die ganze Stadt ist von einer Mauer mit zwei Toren umgeben – ein großes Tor, dem Wasserlauf zugewandt, der zum Thassa führt, das andere zum Wald führend. Die Mauer besteht aus zugespitzten Stämmen und wird von einem Laufsteg aus verteidigt. Der Haupterwerb in Kassau ist der Handel, das Holzgeschäft und die Fischerei. Der schmale gestreifte Parsitfisch findet nördlich von der Stadt riesige Planktonbänke und wird dort besonders im Frühling und Herbst in großen Mengen gefangen. Der Geruch der Fischtrockenschuppen von Kassau zieht sich weit über das Meer. Der Handel dreht sich hauptsächlich um Pelze aus dem Norden, die gegen Waffen, Roheisen, Salz und Luxusgüter eingetauscht werden, etwa Schmuck und Seide aus dem Süden – Waren, die gewöhnlich mit zehnrudrigen Küstenbooten von Lydius heraufgebracht werden. Holz ist natürlich ein wertvolles Gut. Im allgemeinen wird es hier verarbeitet und nach Norden geschafft. Torvaldsland ist zwar nicht ohne Bäume, doch das Land ist ziemlich kahl. Das eisenharte Ka-la-na-Holz und das biegsame, zähe Temholz gedeihen hier nicht, so daß diese beiden Holzsorten im Norden hohe Preise erzielen. Eine mit Ka-la-na-Holz getäfelte Halle zum Beispiel ist ein Zeichen großen Reichtums.

In den Süden werden Felle und Fässer mit geräuchertem Parsitfisch exportiert, während die Kassauer die Waren, die sie den Nordländern zum Tausch anbieten, aus dem Süden beziehen. Kassau hat sicher nicht mehr als elfhundert Einwohner. Allerdings gibt es Orte in der Nähe, denen es als Marktplatz und Treffpunkt dient. Zählen wir diese Menschen mit, kommen etwa zweitausenddreihundert Personen zusammen.

Die größte Bedeutung Kassaus lag jedoch in der Tatsache, daß hier der Erste Wissende des Nordens residierte. Dadurch war der Ort das geistliche Zentrum eines Bezirks, der sich über Hunderte von Pasang in alle Richtungen erstreckte. Der nächste Erste Wissende befand sich im Süden, in Lydius.

Die Wissenden sind eine fast auf der ganzen Welt verbreitete, gut organisierte und fleißige Kaste. Sie unterhalten zahlreiche Klöster, heilige Orte und Tempel. Ein Wissender kann oft Hunderte von Pasang zurücklegen und sich jeden Abend in einem anderen Haus der Wissenden zu Bett legen. Sie halten sich selbst für die höchste Kaste, was oft zu Spannungen zwischen ihnen und den Zivilbehörden führt; denn beide glauben für Gesetz und Ordnung zuständig zu sein. Die Wissenden haben eigene Gesetze und Gerichtshöfe und Fachleute für das Recht. Ihre Bildung – konzentriert auf die Religion, die Priesterkönige und verwandte Gebiete – hat wenig praktischen Wert, und ihre strenge Schulung grenzt sie sehr von den Laien ab. Die Wissenden kommen sich wichtig und klug und besonders privilegiert vor. Wenn sie auch von den höheren Kasten oder den intelligenteren Mitgliedern der Bevölkerung oft nicht besonders wichtig genommen werden, reagiert doch ein großer Teil der unteren Kasten mit großem Ernst auf ihre Lehren und die vorgeschützte Fähigkeit, sich mit den Priesterkönigen zu verständigen. Und viele, die die Wissenden für Betrüger halten, vermeiden trotzdem den offenen Konflikt – besonders in Fällen von zivilen Führern, die es vermeiden möchten, daß die Wissenden die unteren Kasten gegen sie aufhetzen. Die Goreaner wissen, daß es Priesterkönige gibt, die den Flammentod schicken, wenn jemand unerlaubte Waffen baut oder eine gefährliche Erfindung macht. Und aus dem Geheimnis, das die Priesterkönige umgibt, erwächst die Macht der Wissenden. Eine gesellschaftlich und wirtschaftlich mächtige Kaste bietet sich dem normalen Goreaner dar und erhebt den Anspruch, zwischen den Priesterkönigen und dem einfachen Mann vermitteln zu können. Möglicherweise stimmen einige der Ansprüche der Wissenden, vielleicht haben sie wirklich Einfluß bei den Priesterkönigen . . ., so dachte der größte Teil der Bevölkerung.

Die Haltung der Priesterkönige gegenüber den Wissenden war im allgemeinen von Desinteresse bestimmt, soweit ich mich aus meiner Zeit im Sardargebirge daran erinnern konnte. Man hält die Wissenden für harmlos – und viele sehen darin einen Beweis für die Verirrung des Menschen.

Es hatte große Aufregung in Kassau gegeben, als Ivar Forkbeards Schiff in der Hafeneinfahrt erschien. Aber es war zur Mittagszeit aufgetaucht, und am Mast befand sich der runde weiße Holzschild. Forkbeards Männer hatten langsam gerudert und dabei ein Klagelied gesungen. Sogar der Tarnkopf am Schiffsbug war zurückgeklappt – ein sicheres Zeichen, daß das Boot mit friedlichen Absichten kam.

Das Schiff war wunderschön anzuschauen, schmal und mit schwungvollen Linien. Es war ein Schiff mit zwanzig Bänken auf jeder Seite mit jeweils zwei Ruderern. Die Ruder der Torvaldsländer waren im allgemeinen neunzehn Fuß lang und schmaler als die Ruder im Süden, und bei zwei Mann an jedem Holm und der Leichtigkeit des Schiffs war auf diese Weise eine hohe Geschwindigkeit zu erzielen. Forkbeards Schiff war ungefähr achtzig goreanische Fuß lang und hatte einen etwa zehn Fuß langen Bugspriet. Wie die meisten Schiffe des Nordens war in den Rumpf kein Ruderrahmen eingelassen, sondern die Männer saßen innerhalb der eigentlichen Schiffshülle mit dem Gesicht nach achtern. Wie ich feststellte, hatten die Ruderpforten auf der Innenseite drehbare Luken, die geschlossen werden konnten, wenn das Schiff unter Segel fuhr. Das Segel unterschied sich sehr von der Takelung südlicher Schiffe – es war annähernd quadratisch, unten etwas breiter ausschwingend. Wie bei den Schiffen des Südens konnte der Mast umgelegt werden. Das Segel war rotweiß gestreift. Die Schiffshülle war in Klinkerform gebaut, bestand also aus sich überlappenden Planken. Zwischen den Brettern diente geteerter Hanf als Dichtung. Über den Planken befand sich zusätzlich eine Hülle aus angemaltem Teer, zum Schutz vor der See und den Angriffen von Schiffswürmern. Der Teer war ziemlich unregelmäßig rot und schwarz angestrichen. Wenn dieses Schiff mit gesenktem Mast nachts unterwegs war, mochte es schwer auszumachen sein. Es war das Schiff eines Piraten. Zwar zieht ein Klinkerschiff im Gegensatz zu kraweelgebauten Booten mit glatt aneinanderstoßenden Hölzern mehr Wasser, ist aber viel besser geeignet für den unruhigen Ozean des Nordens. Der Bootskörper ist elastischer und kann sich der bewegten See besser anpassen. Das Schiff selbst ist praktisch offen und wird bei schlechtem Wetter durch Boskhäute abgedeckt, die wie eine Zeltplane an Pfählen aufgespannt werden. Nachts schlafen die Männer an Deck – in wasserdichten Säcken, aus den Häuten des See-Sleen genäht; in solchen Beuteln bringen sie auch ihre Ausrüstung unter, die gewöhnlich unter ihrer Ruderbank bereitliegt. Im Hafen werden die Schilde überlappend an die äußere Bordwand gehängt; ein weiterer Hinweis auf die friedlichen Absichten. Die Schilde waren rund und bestanden aus Holz, da und dort trugen sie Eisenbeschlag oder waren durch Leder verstärkt; einige wiesen sogar kleine Bronzeplatten auf.

Im Kampf hängen diese Schilde natürlich nicht an der Schiffswandung, wo sie teilweise die Ruderpforten verdecken; aber selbst wenn die Ruder nicht verwendet werden, behält man sie griffbereit im Innern des Schiffs. Auch wenn das Boot unter Segel fährt, hängen die Schilde nicht an der Bordwand, denn dort würden sie von Wellen getroffen und womöglich losgerissen. Doch jetzt hingen sie zur Beruhigung der Kassauer draußen; die Torvaldsländer waren friedfertig.

Ich hatte mich von der Szene abgewandt und war zum Tempel gegangen, denn ich wollte noch einen Stehplatz ergattern.

Die Prozession mußte inzwischen unterwegs sein. Innerhalb des Tempels erklangen die Litaneien. Einige Wissende begannen auf Alt-Goreanisch zu singen, wovon ich kaum ein Wort verstand.

Ich sah mich um. Die meisten Gottesdienstbesucher schienen arm zu sein – Fischer, Zimmerleute, Träger, Bauern. Man sah vorwiegend einfache Wollkleidung oder sogar Reptuchdecken. Viele hatten ihre Füße mit Fellen umwickelt. Ihr Blick war leer; sie machten einen eingeschüchterten Eindruck.

Mein Blick fiel auf ein schlankes blondes Mädchen in der Menge. Sie sah mich an und wandte den Kopf ab. Sie war vornehm gekleidet, in ein Cape aus herrlichem weißen Pelz, eine weiße Bluse und eine rote Weste mit Rock. Auch die schwarzen Lederschuhe waren von höchster Qualität. Ich hielt sie für die Tochter eines reichen Händlers. Es gab eine Menge gutaussehende Mädchen und zahlreiche besser gestellte Bürger, die sich für diesen Festtag herausstaffiert hatten. Im Tode pilgerte Ivar Forkbeard zum Tempel des Ersten Wissenden. Ivar Forkbeard, der Rücksichtslose, der Pirat, der Marodeur, kam ergeben zum Tempel der Priesterkönige. In Kassau herrschte große Freude.

Wieder schaute ich zum Ersten Wissenden hinüber, einem hochmütigen, mürrischen Mann, der auf seinem Thron hinter dem weißen Geländer saß. Innerhalb des heiligen Bezirks waren herrliche Schätze zur Schau gestellt, kostbare Gefäße aus Gold und Silber. Funkelnde Schalen, mit denen das Blut von Opfertieren aufgefangen wurde, Kelche, mit denen man den Priestergöttern Opfergetränke darbrachte, Gefäße mit Ölen und anderen Flüssigkeiten, in denen sich die Vollzieher der Riten die Hände reinigen konnten, auch kleine Schalen voller Münzen von den Armen, die die Wissenden und die Priesterkönige wohlwollend stimmen sollten.

Wie hart und grausam kam mir das Gesicht des Ersten Wissenden vor! Wie reich war diese Kaste, und wie wenig wirkte sie mit diesem Reichtum! Der Bauer pflügte seine Felder, der Fischer fuhr in seinem Boot hinaus, der Händler setzte sein Kapital ein. Aber die Wissenden taten nichts dergleichen. Sie lebten von der Ausnutzung des Aberglaubens und der Ängste einfacher Menschen, stahlen ihnen ihr sauer verdientes Geld, obwohl sie über unglaubliche Reichtümer verfügten.

Der Erste Wissende mußte dies wissen, er war klug genug, um zu erkennen, was er tat. Ich war sicher, daß er nicht mehr über die Priesterkönige wußte als andere. Und doch saß er dort auf seinem Thron.

In diesem Augenblick wurde vor dem Tempel die riesige Metallstange angeschlagen. Die Leute verdrehten die Köpfe, um die Prozession zu sehen, die nun gemessenen Schritts den Tempel betrat.

Zuerst kamen zwei Wissende mit Kerzen, hinter ihnen vier riesige Männer aus Torvaldsland in langen Mänteln, die an den Hälsen geschlossen waren. Sie hatten die Köpfe gesenkt, ihre langen Bärte hingen herab, und sie trugen eine Plattform aus gekreuzten Speeren. Auf dieser Plattform lag unter einem weißen Tuch ein riesiger Körper – Ivar Forkbeard.

Das also war das Ende des großen Ivar Forkbeard.

Hinter der Plattform kam die Reihe seiner Männer. Auch sie trugen lange Umhänge; sie waren unbewaffnet und ohne Helm. Sie sahen aus wie getretene Hunde. Sie kamen mir ganz und gar nicht so vor, wie ich mir die Männer aus Torvaldsland vorgestellt hatte.

Die vier Torvaldsländer trugen Ivar Forkbeard die Treppe zum Altar hinauf. Vorsichtig setzten sie ihre Last auf der obersten Stufe ab. Dann traten sie mit gesenkten Köpfen zurück, während die Priester unter der Leitung des Ersten Wissenden ein Gebet zu singen begannen.

Im vorderen Teil des Tempels, hinter dem Geländer und sogar an den beiden Türen des Gebäudes standen die Männer Forkbeards. Viele waren ungewöhnlich groß – gewöhnt an Kälte, Kampf und anstrengende Ruderarbeit. Sie waren sicher auf einsamen Höfen in der Nähe des Meeres aufgewachsen und hatten schon in früher Jugend hart arbeiten müssen. Solche Männer verstanden sich auf harte Spiele – sie konnten laufen, springen, schwimmen, den Speer werfen, das Schwert und die Axt führen und sich im Kampf beweisen, auch wenn sie verwundet waren. Und Ivar Forkbeards Männer mußten die Stärksten der Starken sein, denn nur die größten, schnellsten und besten konnten hoffen, eine Bank auf dem Schiff dieses Kapitäns zu gewinnen.

Doch nun war Ivar Forkbeard gekommen, um im Tode die Ölung der Priesterkönige zu empfangen. Damit verriet er seine alten Götter. Nie wieder würde er mit geschlossener Faust über seinem Bier das Zeichen des Hammers machen.

Ein Torvaldsländer fiel mir besonders auf. Er war riesig, etwa acht Fuß groß und breitschultrig wie ein Bosk. Sein Haar war verfilzt, seine Haut schien einen grauen Schimmer zu haben. Sein Mund war halb geöffnet, und er schien ins Leere zu starren.

Der Erste Wissende wandte sich jetzt der Gemeinde zu; zu seinen Füßen lag Ivar Forkbeard. Ich sah, wie sich das blonde Mädchen auf die Zehenspitzen stellte und über die Schulter der Frau blickte, die ihre Begleiterin war. Auf ihren Plattformen verdrehten die Angehörigen der besseren Familien des Ortes die Hälse.

»Lobpreisung den Priesterkönigen!« rief der Erste Wissende. Er ließ sich auf ein Knie nieder, den winzigen runden Goldbehälter mit der Salbe der Priesterkönige in der linken Hand. Mit der rechten Hand schob er das lange weiße Tuch zurück, das Ivar Forkbeard verdeckte.

Sicher erkannte der Erste Wissende von Kassau die schreckliche Wahrheit als erster. Er schien zu erstarren. Die Augen Forkbeards öffneten sich, und der Torvaldsländer grinste den Priester an.

Mit brüllendem Lachen warf der Mann aus dem Norden das Tuch von sich, und sprang, fast sieben Fuß groß, von der improvisierten Bahre. Seine rechte Hand umspannte eine große, einseitig geschliffene Axt mit gekrümmter Klinge.

»Lob sei Odin!« brüllte er.

Und im nächsten Augenblick schlug er mit einem einzigen kraftvollen Hieb dem Ersten Wissenden den Kopf vom Körper und sprang dann auf den Hohen Altar des Tempels.

Ich hörte, wie die Riegel der beiden Tempelausgänge vorgeschoben wurden. Die Gemeinde war eingeschlossen. Ich sah, wie die Torvaldsländer ihre Umhänge abwarfen. In ihren Händen kamen riesige Äxte zum Vorschein. Der unglaublich große Mann aus Torvaldsland, der eben noch ganz apathisch gewesen war, erwachte plötzlich zum Leben: mit wild rollenden Augen und vortretenden Adern schwenkte er brüllend seine Axt hin und her, als hätte er den Verstand verloren.

Ivar Forkbeard stand auf dem Altar. »Die Männer aus Torvaldsland greifen an!« brüllte er.

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