13

Ich sah den abgetrennten Oberkörper eines Mannes durch die Luft fliegen.

Kurii sprangen von den Längsseiten der Halle herab und streckten die Männer nieder, die zu ihren Waffen eilen wollten. Die Holzschilde der Torvaldsländer vermochten die gewaltigen Äxte der Angreifer nicht aufzuhalten. Immer wieder gruben sich die Klingen der Kurii-Äxte in die Leiber von wehrlosen Männern, die vergeblich versuchten, ihre Waffen zu erreichen.

In dem dichten Rauch vermochte ich kaum zu atmen. Meine Augen brannten. Dicht neben mir schrie ein schwerverletzter Mann. Einen Augenblick lang spürte ich nur den Lehmboden unter mir, das Stroh, das darauf lag, den wirren Wald aus hastenden Füßen. Meine linke Hand glitt in dem Durcheinander aus – Blut. Wieder mußte ich einen Tritt einstecken, doch schließlich kam ich hoch. Die entsetzte Menge drängte mich sinnlos ein Dutzend Meter in diese, dann in jene Richtung. Ich konnte nicht einmal meine Waffe ziehen.

Immer wieder hieben die Kurii-Äxte zu. Durch die Halle gellte wildes Geschrei. Ich sah, wie ein Krieger, dessen Rückgrat zerschmettert worden war, von einer pelzigen, krallenbewehrten Hand in die Luft gehoben und hundert Fuß weit gegen die rückwärtige Wand der Halle geschleudert wurde. Ein anderer Torvaldsländer hing schlaff in den Fängen eines Kur. Ich hoffte, daß er nicht mehr lebte; im nächsten Augenblick schlossen sich die Kiefer des Ungeheuers um seinen Kopf.

Ich warf einen kurzen Blick auf Ivar Forkbeard, der Hilda am Arm führte und mit ihr einen der Nebenräume zu erreichen versuchte. Er brüllte seinen Männern, die sich um ihn drängten, Befehle zu. Svein Blue Tooth stand auf dem langen Tisch. Im Lärm des Kampfes vermochte ich ihn nicht zu verstehen.

Eine gewaltige Kurii-Axt sauste dicht an mir vorbei. Vier Männer, die dem Hieb auszuweichen versuchten, wurden niedergestreckt. Die Menschen, die den Kurii am nächsten waren, versuchten sich in der Menge zu verkriechen. Die Ungeheuer drängten uns immer mehr zusammen, so daß nur wenige Männer überhaupt ihre Waffen einsetzen konnten.

Hinter den Kurii versuchten einige Männer durch die große offene Doppeltür der Halle zu fliehen. Ich sah sie als dahinhuschende Gestalten vor der draußen tobenden Feuersbrunst. Aber dort draußen waren noch weitere Kurii zu sehen. Die Männer flohen geradewegs vor die Äxte dieser Ungeheuer, die keine Gnade kannten.

Ich bemerkte, daß es mehreren von Forkbeards Männern gelungen war, in einen Nebenraum zu entkommen. Gorm und Ottar gehörten zu dieser Gruppe. Ich hoffte, daß sie fliehen konnten. Vielleicht gelang es ihnen, die Membran aus einem Fenster zu stoßen und in dem draußen herrschenden Durcheinander zu fliehen.

Zu meiner Überraschung erschien kurz Forkbeard in der Tür des Nebenzimmers und sah sich um. Sein Gesicht war von den Bränden rot angestrahlt. In der Hand schwenkte er sein Schwert.

Hilda sah ich nicht. Ich vermutete, daß sie mit den Männern den kleinen Raum erreicht hatte. Ich hoffte, daß sie mit den anderen fliehen konnte, vielleicht über den Laufsteg und über die Palisade.

Da fiel mein Blick auf Forkbeard, der eine Hand um den Oberarm Rollos gelegt hatte und ihn zur Tür des Nebenraums führte. Obwohl ringsum ein unentwirrbares Durcheinander herrschte, wirkte der riesige Mann nicht im geringsten beunruhigt. Seine Augen starrten ins Leere. Er wurde wie ein Kind in den kleinen Raum geführt. Ich sah, daß seine Axt blutverschmiert war. Das Blut der Kurii hat eine ähnliche chemische Zusammensetzung wie das der Menschen und ist ebenfalls rot. Der Hauptunterschied besteht darin, daß das Blut der Kurii salzhaltiger ist, was in Wasser besonders proteinauflösend wirkt. Die Kurii können deshalb Fleischmengen verzehren und verdauen, an denen ein Mensch zugrundegehen würde.

Rollo verschwand in dem kleinen Zimmer.

Von rechts hörte ich den Schrei einer Sklavin und sah, wie ein Kur sie fesselte. Er zerrte das Mädchen hinter sich her in eine Ecke, wo ein weiterer Kur wartete, der bereits mehrere gefesselte Mädchen bewachte. Die Sklavin kniete sich hastig zu ihren Leidensgenossinnen. Erschaudernd dachte ich daran, daß die Kurii Menschenfrauen als Delikatesse betrachteten.

Hinter mir hörte ich Axtschläge und versuchte mich aus der Menge freizukämpfen.

Der Lärm wurde von Menschen verursacht. Als ich mich umdrehte, sah ich Svein Blue Tooth und vier andere, die sich bemühten, ein Loch in die Außenwand zu hacken. Allerdings kamen sie kaum voran, da sie in dem Gedränge sehr behindert waren.

In der Nähe erblickte ich Forkbeard, der noch nicht geflohen war. Er hatte das Schwert gezogen, das ihm gegen die gewaltigen Metallschilde und die hin und herfahrenden Äxte der Kurii kaum etwas nützen konnte. Die Ungeheuer vermochten einen Gegner niederzustrecken, ehe er überhaupt an sie herankam, auch wenn er mit dem Langschwert des Nordens bewaffnet war.

Forkbeard sah sich um.

Es waren über tausend Männer in der Halle gewesen. Etwa dreihundert lagen bereits in ihrem Blut, vorwiegend an den Wänden, unter den Waffen, die sie in den meisten Fällen nicht mehr erreicht hatten.

Ich sah den Kur, der das Sklavenmädchen gejagt hatte. Wieder näherte er sich der Ecke, in der die Mädchen bewacht wurden – er hatte neue Beute gefunden. Gleich darauf wandte er sich ab, um sich eine weitere Delikatesse aus der Menschenmenge in der Halle herauszufischen.

Zu beiden Seiten standen die Kurii nun zwischen uns und den Waffen. Auf diese Weise waren uns auch die Seitentüren versperrt. Ebenso standen die Kurii mit kampfbereit erhobenen Äxten vor dem Eingang zur großen Halle. Sechs- oder siebenhundert Männer waren in der Mitte zusammengedrängt, praktisch umringt. In unserem Rücken befand sich die Westwand der Halle. »Macht Platz!« brüllte Svein Blue Tooth. »Wir müssen mit den Äxten ausholen!«

Die Männer versuchten vor den Kurii zurückzuweichen, die langsam mit erhobenen Äxten näher kamen.

Ich schaffte es, mich aus der Menge zu lösen und zwischen mir und den Männern und den Kurii eine Position am Rande einzunehmen. Wenn ich niedergestreckt wurde, dann sollte das unter Umständen geschehen, die mir freie Bewegung erlaubten. Ich zog mein Schwert.

Ich sah, wie einer der Kurii die Zähne fletschte.

»Deine Klinge ist nutzlos«, sagte Ivar Forkbeard, der plötzlich neben mir auftauchte.

Der Kur kam näher.

In diesem Augenblick ertönte ein Schrei von oben. Aufblickend sah ich, daß ein Mann von dem Balkon herabgeworfen wurde, der etwa dreißig Fuß über dem Boden um die Halle führte. Die Kurii hatten sich also dort oben auch durchgesetzt.

Ich glaubte nicht, daß der Kampf noch lange dauern würde. Dunkler Rauch wallte durch den Raum. Männer husteten und würgten. Auch die Nüstern der Kurii schlossen sich zu schmalen Schlitzen. Funken setzten sich in ihrem Fell fest.

Ich schob eins der hängenden Bronzegefäße zur Seite, eine Tharlarionöllampe, die an ihrer Kette von der Decke hing.

»Speere!« brüllte Ivar. »Wir brauchen Speere!«

Aber in der von panischem Entsetzen beherrschten Menge, die vor den Kurii zurückwich, hatten nur wenige Speere. Und die wenigen, die man gerettet hatte, ließen sich in dem Gedränge nicht werfen.

Auf einer Seite erblickte ich den Kur mit dem goldenen Armband. Einer seiner Mundwinkel war blutverschmiert. Das Wesen sah mich an.

Da wußte ich, daß ich meinen Feind gefunden hatte.

Eine Axt zuckte auf mich zu. Ich wich zur Seite aus, und die Waffe grub sich in den Lehmboden. Im Nu hatte ich mich dem Wesen genähert und vergrub meine Klinge bis zum Heft in der Brust des Ungeheuers. Es stieß einen überraschten Schrei aus, den ich erst hörte, als ich mitsamt meinem Schwert schon wieder zurückgesprungen war. Die anderen Kurii sahen ihren Artgenossen verwirrt an; dann stürzte das Ungeheuer zu Boden.

Bis auf das Knistern der Flammen war in der Halle plötzlich kein Laut mehr zu hören. Im nächsten Augenblick kam dem Anführer der Kurii das Ausmaß meiner Tat zu Bewußtsein. Ein Kur war getötet worden!

»Angriff!« brüllte Ivar Forkbeard. »Angriff! Seid ihr schüchterne Tarsk, daß ihr keinen Angriff wagt? Männer von Torvaldsland, greift an!«

Aber keiner bewegte sich. Sie wagten es nicht, gegen die Kurii vorzugehen – schließlich waren sie nur schwache Menschen. Lieber warteten sie hilflos und tatenlos auf ihren Tod. Der Schock saß so tief, daß sie sich nicht zu bewegen vermochten.

Der tote Kur lag zusammengekrümmt im Schmutz. Die blutige Axt lag am Boden. Der Schildarm hatte sich in einer der Halteschlaufen verdreht; die andere Schlaufe war gerissen.

Der Anführer der Kurii, mein Feind, sah mich mit blitzenden Augen an. Sein Entsetzen beim Anblick des fallenden Gefährten war in Wut umgeschlagen.

Ich, einer aus der Herde, ein Stück Vieh, hatte es gewagt, einen Angehörigen der Herrenrasse niederzustrecken, eine überlegene Lebensform! Ein Kur war getötet worden!

Ich machte mich zum Kampf bereit.

Wieder schrillte der Blutschrei der Kurii durch die Halle Svein Blue Tooths. Zu beiden Seiten des Führers drängten sich Kurii vorbei und griffen an.

Auf die nächsten Ereignisse möchte ich nicht im einzelnen eingehen. Die Kurii zerstreuten mit sausenden Äxten die dichtstehende Menge, teilten sie in Hunderte von kreischenden Fragmenten auf. Nur einen Meter von mir entfernt wurde ein Mann von einem Axthieb förmlich in zwei Teile gespalten. Während der Kur noch versuchte, seine Klinge aus dem Körper des Mannes zu ziehen, schaffte ich es, dem Wesen mein Schwert unter dem linken Ohr in den Hals zu stoßen. Ich sah, wie Ivar Forkbeard, dessen Schwert im Körper eines Kur steckengeblieben war, mit einem Messer auf die Brust eines mächtigen Kur einhackte; die andere Hand versuchte das gewaltige Maul des Ungeheuers abzuwehren. Man konnte sich in der Halle kaum noch auf den Beinen halten. Wir rutschten in dem Blut aus, das auch die Grube des langen Feuers zu füllen begann. Unsere Hosen und Tuniken waren damit besudelt. In der Nähe einer Wand entriß ich einem gefallenen Krieger einen Speer, den ich sofort von mir schleuderte. Die Waffe hat einen sieben Fuß langen Schaft und vermag auf kurze Entfernung einen Schild des Südens zu durchstoßen. Die Spitze bohrte sich tief in den Körper eines Kur. Die Axt des Wesens sank zu Boden. Mein Eingreifen hatte einem Menschen das Leben gerettet, doch er starb nur Sekunden später durch die Axt eines anderen Angreifers. Ich drückte mich mit dem Rücken gegen die Wand. In der südöstlichen Ecke stürzte brennend ein Dachbalken herab. Ich hörte die Sklavinnen jammern. Die Kurii hoben die Köpfe; ihre Nüstern waren jetzt fast völlig geschlossen. Die Augen vieler Kurii, die sonst schwarze Pupillen hatten, wirkten gerötet und angeschwollen. Ich sah Ivar Forkbeard, der sich mit einem Speer bereithielt, den Angriff eines unbewaffneten Kur abzuwehren. Er stemmte den Speerschaft gegen die Erde hinter sich. Der Speer zog eine fünfzehn Zentimeter tiefe Furche in den Boden, ehe er zum Stillstand kam, und der aufgespießte Kur schnappte ins Leere und stürzte fauchend zurück. Ivar sprang zur Seite, um einer anderen Axt auszuweichen.

Auf der anderen Seite des Raums sah ich den Anführer der Kurii, das Wesen mit dem goldenen Armband.

Ich erinnerte mich an seine Worte auf der Versammlungsplattform. In seiner Wut hatte er ausgerufen: »Tausend von euch können durch die Klauen eines einzigen Kur fallen!«

Im Augenblick waren etwa noch hundert oder hundertundfünfzig Menschen in der Halle am Leben.

»Folgt mir!« rief Svein Blue Tooth. Er und seine Männer hatten endlich ein Loch durch die hintere Wand der Halle gebrochen. Dreißig oder vierzig Männer, die vor Angst wie von Sinnen waren, stürzten sich auf die Öffnung, versuchten sich gleichzeitig hindurchzuzwängen, rissen sich an den Holzsplittern Arme und Gesichter auf.

»Beeilt euch, beeilt euch!« rief Blue Tooth. Seine Kleidung war zerrissen, doch um seinen Hals hing noch immer der blaue Zahn des Hunjerwals. Svein stieß zwei seiner Männer durch die Öffnung. Zwischen mir und der Öffnung befanden sich einige Kurii. Ivar Forkbeard und ein paar seiner Männer waren ähnlich abgeschnitten. Ein weiterer Dachbalken stürzte lodernd und qualmend herab, prallte hart auf und blieb schräg gegen die Wand gelehnt liegen.

Die Wandteppiche waren längst verbrannt, die Wände dahinter angesengt. Das einzige Wandstück, das wirklich brannte und einzustürzen drohte, befand sich in der südöstlichen Ecke des Gebäudes.

Zehn Kurii sprangen jetzt auf die rückwärtige Wand zu, wo Svein Blue Tooth und seine Männer einen Fluchtweg geschaffen hatten; sie wollten diesen Fluchtweg sperren. Mit erhobenen Äxten standen sie vor der Öffnung. Ein Mann, der ihnen zu nahe kam, wurde mit einem einzigen Axthieb niedergestreckt.

»Die Lampen!« brüllte Forkbeard mir zu. »Rothaar! Die Lampen!«

Ein weiterer Dachbalken knallte dumpf auf den Boden.

Ich sah den Kur, der die Fesseln der gefangenen Sklavinnen hielt und der seine Schützlinge nun aus der Halle zerrte. Insgesamt waren es über vierzig Mädchen.

Ich sah, wie die Kurii systematisch zwischen den Gefallenen nach Überlebenden suchten, damit ihnen kein Opfer entging. Die Kurii waren gründlich; wie die Menschen waren sie vernunftbegabt.

Darauf umzingelten sie eine Gruppe in der Nähe der Westwand. Ein paar schrien in ihrer Todesangst; einige sanken auf die Knie und flehten um Gnade, doch vergeblich.

Zwei Kurii wandten sich in meine Richtung.

Ich sah Ivar Forkbeard, der zwischen den zusammengedrängten Männern an der Westwand der Halle stand. Er war leicht zu erkennen, denn er war einer der wenigen, die noch auf den Füßen standen. Im Widerschein der Flammen machte er einen furchteinflößenden Eindruck; die Adern auf seiner Stirn wirkten wie Stränge; seine Augen waren seltsam gerötet. Sein Langschwert, das er wieder an sich gebracht hatte, wies frische Blutspuren auf, sein linker Ärmel war zerrissen, und an seinem Hals zeigten sich Klauenspuren. »Auf mit euch!« brüllte er den Männern zu. »Auf die Füße, ihr Waschlappen! Kämpft!« Aber auch die Stehenden wirkten gelähmt vor Entsetzen. »Ihr wollt Torvaldsländer sein?« fragte er. »Kämpft! Kämpft!« Aber keiner machte eine Bewegung. In der Gegenwart der Kurii schienen sie tatsächlich zum stumpfsinnigen Vieh zu werden, das man zur Schlachtbank führt.

Ich sah, wie die Kurii die Zähne bleckten. Ich sah sie die Äxte heben, um mit ihrem grauenhaften Werk fortzufahren.

Und wieder tönte die Stimme Forkbeards durch den Rauch zu mir herüber. »Die Lampen!« rief er noch einmal. »Rothaar, die Lampen!«

Und da endlich verstand ich, was er meinte. Die Tharlarionöllampen, die an Ketten von der Decke hingen! Die Öffnungen in der Hallendecke, durch die der Rauch abzog! Er wollte, daß ich floh.

»Zuerst du, Forkbeard!« Ich wollte nicht ohne ihn fliehen. Wir hatten Kaissa miteinander gespielt.

»Du bist ein Narr!« brüllte er.

»Ich weiß noch nicht, wie man den Angriff mit der Jarls Axt abschlägt!« rief ich.

Dann steckte ich mein Schwert ein und lehnte mich lässig an die Wand. Ich hatte die Arme verschränkt.

»Narr!« brüllte er noch einmal und sah sich um, musterte die Männer, die nicht kämpfen konnten, die sich nicht zu bewegen vermochten.

Dann rammte er sein Schwert in die Scheide, sprang in die Höhe und klammerte sich an einer der Tharlarionöllampen fest.

Die beiden Kurii, die mich belauerten, hatten ihre Äxte gehoben.

Ich wandte mich dem Tisch zu, neben dem ich stand. Die beiden Äxte bissen sich gleichzeitig in die dicke Tischplatte. Riesige Splitter stoben in alle Richtungen davon. Ich sprang über den Tisch. Hinter mir erklang das verblüffte Knurren der Kurii.

Im nächsten Augenblick hatte ich meine Hände um eine der großen schwingenden Bronzelampen gelegt. Heißes Öl schwappte heraus. Ich pendelte hin und her. Mein linker Ärmel fing an der Dochtflamme Feuer.

Ein Kur unter mir stieß einen Schmerzensschrei aus; ich blickte hinab und zog mich hastig hoch, um einem Axthieb auszuweichen; einer der Kurii torkelte herum; die öldurchtränkte linke Seite seines Kopfes stand in Flammen. Das Wesen schrie durchdringend und betastete sein linkes Ohr. Mit kräftigen Bewegungen kletterte ich an der Kette hoch. Im nächsten Augenblick geriet die Lampe unter mir in Bewegung. Ich klammerte mich verzweifelt fest. Das Feuer an meinem rechten Ärmel züngelte, und ich kam außer Atem. An der Kette war Blut. Die Kurii heulten unter mir. Ich zog mich weiter hoch. Im nächsten Augenblick wirbelte eine Axt an mir vorbei und grub sich in eine der Querstreben des Daches. Ich kletterte weiter und erkannte plötzlich, warum die Kette so straff gespannt war. Der Balken über mir ächzte; die Kette war nun gespannt wie ein Kabel; die Kettenglieder mußten eine ungeheure Last tragen und begannen zu knirschen – unter mir hing ein gewaltiger Kur an der Kette, der sich an den Aufstieg machte. Der Ring über mir, durch den die Kette verlief, bog sich zum Teil auf. Hastig legte ich die letzten Fuß zurück und warf den Arm über einen Dachbalken. Ich spürte, wie Klauen nach meinem Bein griffen, sich darum schlossen. Ich ließ den Balken los und hängte mich mit dem Kriegsschrei Ko-ro-bas um den Hals des verblüfften Kur und griff mit Händen und Zähnen an. Steife Finger bohrten sich wie Dolche in seine Augen. Meine Zähne zerrten an den Adern seiner Handgelenke und an den Armen, die sich an der Kette festklammerten. Und in diesem Augenblick erkannte ich – und auch der Kur –, daß es auf Gor Tiere gab, die ebenso barbarisch waren wie die Kurii – kleinere, schwächere Tiere, aber auf ihre Art nicht weniger bösartig und nicht weniger schrecklich. Das Wesen wehrte mich schreiend ab, ließ mich los, doch ich klammerte mich an seinen Schultern fest und biß ihm halb das Ohr durch. Dann zog ich mich wieder auf den Balken hinauf. Unter mir klaffte eine rote Öffnung voller Reißzähne wie weiße Nägel; ich zog mein Schwert, und als das Ungeheuer mir mit blutenden Augen und zerrissenem Ohr nachkletterte, hieb ich ihm die Hand ab. Es stürzte, wurde kleiner und prallte schließlich schwer auf den Lehmboden vierzig Fuß unter mir. Dabei brach es sich den Hals.

Ich riß den glimmenden Ärmel ab und stieß ihn mit der Schwertspitze in das Gesicht des zweiten Kur; die abgetrennte Hand des ersten hatte sich noch immer in die Kette verkrallt. Der zweite Kur zerrte das brennende Tuch von seinem zerstochenen Gesicht. Dann biß er nach der Klinge und schnitt sich dabei in das Maul. Er griff nach dem Balken, doch ich schlug ihm die Finger ab, und auch dieses Wesen verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe.

»Komm!« rief eine Stimme.

Ich sah Forkbeard auf einem Balken in der Nähe.

»Beeil dich!« rief er.

Hustend erwehrte ich mich des nächsten Kur und trieb ihm die Schwertspitze durch das Ohr ins Gehirn. In diesem Augenblick stürzte ein Teil des brennenden Daches ein, Funken stoben.

»Beeil dich!« rief eine Stimme wie aus weiter Ferne. Ich hieb auf den nächsten Kur ein, der wutschnaubend nach mir greifen wollte. Der Ring, durch den die Kette verlief, vermochte das Gewicht der Kurii nicht länger zu tragen und löste sich knirschend aus dem Holz. Ich sah, wie Ring und Kette nach unten zuckten. Vier Kurii, die mir hatten folgen wollen, stürzten in die Tiefe. Ein anderer Teil des Dachs, kaum zwanzig Fuß entfernt, senkte sich dem Boden entgegen. Unter mir, von Funken und Qualm verdeckt, sah ich zahlreiche Kurii, die zu uns emporblickten, voller Wut darüber, daß ihnen die Beute entkam. Knapp ein Dutzend Schritte von ihnen entfernt stürzte ein weiterer Balken ab. Der Anführer der Kurii schrie einen Befehl. Seine blitzenden Augen starrten zu mir herauf; um seinen linken Arm lag das goldene Spiralband. Im nächsten Augenblick machte er mit den anderen kehrt und trottete aus der Halle. Ich steckte mein Schwert ein.

»Beeil dich!« rief Forkbeard wieder.

Ich sprang von Balken zu Balken und hockte mich neben ihm nieder. Ihm folgend, zwängte ich mich durch eins der Abzugslöcher. Nun standen wir auf dem mit Holzschindeln gedeckten Dach der Brennenden Halle.

»Mir nach!« rief Forkbeard.

In der Ferne sah ich den Torvaldsberg. Mondlicht spiegelte sich auf dem Schnee. Forkbeard eilte zur Nordwestecke der Halle und verschwand unter der Dachkante. Ich schaute hinab und sah, wie er mit schnellen Bewegungen hinabkletterte, wobei er die Vertiefungen und Vorsprünge der herrlichen Schnitzereien am Eckbalken ausnutzte. Mit angesengtem Arm, pochendem Herzen und keuchenden Lungen folgte ich ihm in die Tiefe.

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