22. Kapitel


Hewlitt ließ den flimmernd grauen Hyperraum außerhalb des Sichtfensters nicht aus den Augen und wartete darauf, daß etwas Verhängnisvolles mit ihm passieren würde. Die anderen blickte er lieber nicht an, denn sie beobachteten ihn und warteten auf das Eintreten desselben Ereignisses wie er, während sie ihn anlächelten oder auf andere Weise Ermutigung auszustrahlen versuchten. Die Menge der Überwachungsgeräte, von denen er umgeben war, und die Anzahl der Sensoren, die an seinem Körper hafteten, waren nämlich alles andere als ermutigend.


»Sie haben mir doch selbst gesagt, ich solle nie wieder irgendwelche Medikamente bekommen!« protestierte Hewlitt, als Murchison erneut eine Spritze auf seinen Oberarm richtete und ihm völlig schmerzfrei eine weitere Dosis verabreichte. »Jetzt scheinen Sie ja alles, was Sie auf Lager haben, an mir ausprobieren zu wollen. Verflucht noch mal, was soll das?«


Die Pathologin musterte ihn eine ganze Weile mit kritischem Blick, dann erst antwortete sie: »Wir haben unsere Meinung eben geändert. So, und wie fühlen Sie sich jetzt?«


»Soweit ganz in Ordnung«, gab sich Hewlitt geschlagen. »Ich merke kaum eine Veränderung, abgesehen davon, daß ich etwas schläfrig bin. Wie sollte ich mich denn ihrer Ansicht nach fühlen?«


»Nun, soweit ganz in Ordnung und ein bißchen schläfrig eben«, erwiderte Murchison lächelnd. »Ich habe Ihnen ein leichtes Beruhigungsmittel gegeben. Es soll Ihnen helfen, sich ein wenig zu entspannen.«


»Sie wissen doch, was passiert ist, als Chefarzt Medalont versucht hat, mir ein Beruhigungsmittel zu geben«, wandte Hewlitt ein.


»Natürlich weiß ich das«, antwortete Murchison. »Aber wir haben speziell dieses und auch einige andere Medikamente an Ihnen in minimalen Dosen getestet, ohne irgendwelche Anzeichen einer hyperallergischen Reaktion feststellen zu können, wie es sonst der Fall war. Ich probiere jetztmal ein völlig neues Mittel aus, das den Ärzten auf der Erde noch nicht zur Verfügung stand. Spüren Sie schon etwas?«


Hewlitt spürte lediglich den Luftzug von Priliclas Flügeln auf Gesicht und Brust, als der kleine Empath näher herangeflogen kam, aber ihm war klar, daß diese Sinnesempfindung für die Pathologin nicht von Interesse war.


»Immer noch nichts«, antwortete er, doch dann korrigierte er sich rasch: »Nein, Moment mal! Die ganze Gegend wird taub. Was passiert da?«


»Nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müßten«, beruhigte ihn die Pathologin mit einem Lächeln. »Dieses Mal teste ich an Ihnen ein Lokalanästhetikum. Den Sensoren zufolge sind Ihre Lebenszeichen optimal. Aber bemerken Sie vielleicht irgendwelche anderen Symptome? Einen leichten Juckreiz auf der Haut, ein allgemeines Unwohlsein oder andere, möglicherweise rein subjektive Empfindungen, die Ihrem Unterbewußtsein eine Art Frühwarnung vor auftretenden Beschwerden signalisieren?«


»Nein«, erwiderte Hewlitt.


Prilicla gab ein leises Trällern von sich, das nicht übersetzt wurde, dann sagte er: »Der Patient verhält sich sehr höflich, weil er mit aller Kraft versucht, seine heftigen Gefühle von Neugier, Sorge, Verwirrung und Wut im Zaum zu halten. Vielleicht würde die Befriedigung der Neugier die Intensität der anderen drei Gefühlsregungen auf ein erträgliches Maß abschwächen. Falls Sie also Fragen haben, Freund Hewlitt, dann kann ich Sie Ihnen jetzt gern beantworten.«


Aber sicherlich nicht alle, dachte Hewlitt, doch bevor er etwas sagen konnte, kam ihm Murchison zuvor.


»Sie wissen ganz genau, daß wir alle Fragen an Sie haben, Doktor Prilicla«, sagte sie, wobei sie Danalta und Naydrad und dann wieder Prilicla anblickte. »Warum veranstalten Sie eigentlich diesen ganzen Wirbel um einen ehemaligen Patienten, der bereits vor einem Vierteljahrhundert gestorben ist? Wozu haben Sie Vorsichtsmaßnahmen vor einer speziesübergreifenden Infektion angeordnet, obwohl wir wissen, daß so etwas unmöglich ist? Warum diese überstürzte Rückkehr zum OrbitHospital, und wozu soll diese Testreihe dienen, die Sie für Patient Hewlitt angeordnet haben?«


»Genau das wären auch meine Fragen gewesen«, bemerkte Hewlitt trocken.


Prilicla trudelte auf das Deck herab – vielleicht bereitete er sich so auf eine Woge emotionaler Ausstrahlungen vor, die ihm das Fliegen erschweren würden, und antwortete dann: »Nun, beim Krankheitsverlauf der Patienten Lonvellin und Hewlitt gibt es gewisse Parallelen, insbesondere was die anfängliche negative Reaktion und nachfolgende Akzeptanz auf die medikamentöse Behandlung betrifft. Natürlich ist es durchaus möglich, daß ich falsch liege und die Ähnlichkeiten rein zufällig sind, aber so oder so muß ich Bescheid wissen, bevor wir das Krankenhaus erreichen. Freund Hewlitt steht für Untersuchungen zur Verfügung, aber Lonvellin bedauerlicherweise nicht.«


Murchison schüttelte den Kopf. »Vielleicht nicht persönlich, aber wenn Sie einen direkten Vergleich brauchen, warum rufen Sie dann nicht einfach seine aufgezeichnete Krankenakte ab?«


»Im Verlauf der etlanischen Bombardierung wurde der Zentralcomputer des Orbit Hospitals zusammen mit dem kompletten Übersetzungscomputersystem für sämtliche ET-Sprachen zerstört, wobei auch Lonvellins Aufzeichnungen zunichte gemacht wurden, so daß … «


»An den Totalausfall des Zentralcomputers kann ich mich auch noch erinnern«, seufzte Murchison mit einer Stimme, die darauf schließen ließ, daß es sich dabei um ein äußerst unangenehmes Erlebnis gehandelt haben mußte. »An einen Patienten namens Lonvellin hingegen überhaupt nicht.«


»…so daß alles, was wir über seinen Fall noch wissen, allenfalls die schwachen Erinnerungen der Diagnostiker Conway und Thornnastor und auch von mir sind«, fuhr Prilicla fort. »Schließlich haben wir drei direkt mit seiner Behandlung zu tun gehabt. Da er als geheilt entlassen wurde und sein nachfolgender Tod in keinerlei Zusammenhang mit seiner Behandlung im Orbit Hospital stand, haben wir damals auch keinen Anlaß gesehen, seine Krankengeschichte erneut aufzuzeichnen. Außerdem brauchen Sie sichkeinen Vorwurf zu machen, daß Sie sich nicht an Lonvellin erinnern können, Freundin Murchison. Zu der Zeit sind Sie erst im letzten Ausbildungsjahr gewesen und noch längst keine Pathologieexpertin. Außerdem hatten Sie noch keine Ahnung, daß Sie die Lebensgefährtin des damaligen Chefarztes Conway werden würden, obwohl ich mich noch sehr gut an Ihre emotionale Ausstrahlung erinnern kann, wenn Sie beide aufgrund des Dienstplans zusammen in einem Raum arbeiten mußten und…«


»Unsere emotionale Ausstrahlung ist damals sicherlich unser Berufsgeheimnis gewesen«, unterbrach ihn Murchison, die selbst nach so vielen Jahren sichtlich nervös wirkte.


»Wohl kaum«, widersprach Prilicla, »denn Ihre emotionale Ausstrahlung war damals im Hospital so gut wie jedem bekannt. Darüber hinaus strahlte jeder terrestrische männliche Mitarbeiter der Klassifikation DGBD in Ihrer Gegenwart ähnliche Gefühle aus, auch wenn diese durch Neid ersetzt wurden, als Sie und Conway sich offiziell vermählt haben. Na ja, und von Lonvellin werden Sie höchstwahrscheinlich, Ms überhaupt, nur am Rande erfahren haben. Wenn Sie mit Conway mal allein zusammen waren, haben Sie die Zeit bestimmt nicht mit ausgiebigen Diskussionen über irgendwelche Patienten verbracht, nicht wahr?«


»Da haben Sie wohl nicht ganz unrecht«, seufzte Murchison, und ihrer sehnsuchtsvollen Stimme war anzumerken, daß sie sich in Gedanken in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort befand und daß es sich dabei um sehr angenehme Erinnerungen handeln mußte.


Prilicla ließ die Pathologin erst einmal ins Hier und Jetzt zurückkehren, bevor er fortfuhr: »Jedenfalls handelt es sich um dieselben Informationen, die ich für Shech-Rar und Freund Stillman aufgenommen habe, und Sie können sich das Originalband ja jederzeit ansehen. Das aufgezeichnete Protokoll eines Diagnostikertreffens könnte für einen medizinischen Laien allerdings etwas schwierig zu verstehen sein, deshalb werde ich es für Freund Hewlitt in vereinfachter Form zusammenfassen… «


Lonvellin war von einer Raumpatrouille des Monitorkorps in einem Schiffgefunden worden, das, obwohl es unbeschädigt gewesen war, Notsignale ausgesandt hatte. Damals bezichtigte man ihn anfänglich des Mordes und möglicherweise sogar des Kannibalismus, da das vorgefundene Logbuch auf die Anwesenheit eines zweiten Wesens an Bord schließen ließ, bei dem es sich um eine Art Leibarzt gehandelt haben mußte, der seinen Dienstherrn anscheinend falsch behandelt hatte und von dem keine Spur mehr zu entdecken war. Aus diesem Grund, und auch weil es sich bei dem Patienten um ein ausgesprochen korpulentes und mit natürlichen Waffen hervorragend ausgestattetes Wesen handelte, wurde es bis zur endgültigen Klärung der Angelegenheit unter die Obhut des Monitorkorps gestellt.


Lonvellin war ein warmblütiger Sauerstoffarmer der physiologischen Klassifikation EPLH. Sein Kopf war lediglich eine unbewegliche knöcherne Schädelkuppe, die auf einem birnenförmigen, schuppigen Körper saß. Direkt unterhalb der fünf Tentakel befanden sich in regelmäßigen Abständen große Mundöffnungen, von denen vier verschwenderisch mit Zähnen ausgerüstet waren und einer als Sprechapparat diente. Die Tentakel selbst wiesen an ihren Enden auf einen hohen Spezialisierungsgrad hin; drei von ihnen dienten als Greifarme, einer enthielt die Sehorgane, und der letzte war mit einer harten, knochigen Spitze besetzt, die einer Keule glich, mit der sich diese Spezies ganz offensichtlich bis auf den Wipfel ihres evolutionären Stammbaums hochgeprügelt hatte. Der stark muskulöse untere Teil wies auf eine schlangenähnliche, wenn auch nicht unbedingt langsame Fortbewegungsmethode hin.


Der EPLH litt an Schuppengeschwulsten aus Epithelzellen im fortgeschritten Stadium, die sich bereits über den ganzen Körper ausgebreitet hatten, doch wurde ein solcher krebsartiger Zustand der Schuppenhaut normalerweise nicht von einer tiefen Ohnmacht begleitet. Als ihm ein rasch wirkendes Mittel, das für den Metabolismus des EPLH geeignet war, subkutan injiziert wurde, gingen die Geschwülste an der behandelten Stelle zurück. Allerdings zeigte der Körper des Patienten kurz darauf panikartige Reaktionen, wodurch die Wirkung des Medikaments auf unergründliche Weise neutralisiert wurde, und die Geschwülste wiederauftraten. Während dieser Vorgänge meldeten die Biosensoren, daß sich der Patient die ganze Zeit in tiefer Bewußtlosigkeit befunden hatte und aufgrund des narkotisierten Zustands zu keiner körperlichen Regung in der Lage hätte sein dürfen. Da Lonvellin auf die medikamentöse Behandlung nicht ansprach, wurde mit der operativen Entfernung der befallenen Schuppen begonnen, doch auch dagegen sträubte sich der Körper des Patienten. Nachdem die ersten Geschwülste noch erfolgreich herausgeschnitten worden waren, entwickelten die übrigen Schuppen komplizierte Wurzelsysteme, deren Ausläufer tiefer liegende Organe zu durchdringen drohten, so daß eine weitere Entfernung ohne lebensbedrohliche Folgen unmöglich schien.


In der Hoffnung, eine Erklärung für dieses medizinisch rätselhafte Phänomen zu finden – sowie für die Tatsache, daß der EPLH vehemente körperliche Reaktionen zeigte, obwohl er angeblich bewußtlos war und zu keiner Regung in der Lage hätte sein dürfen -, ordnete Conway eine Untersuchung der emotionalen Ausstrahlung des Patienten an.


»Und an diesem Punkt trat ich auf den Plan«, fuhr Prilicla fort. »Wir fanden rasch heraus, daß in Lonvellin eine zweite intelligente Lebensform steckte; ein total eigenständig denkendes und voll bei Bewußtsein befindliches Wesen, bei dem die dem Patienten verabreichten Medikamente keinerlei Wirkung gezeigt hatten, und dessen Gegenwart von keinem Scanner oder anderem Diagnoseinstrument registriert worden war. Wie es für einen angehenden Diagnostiker typisch ist, folgte Freund Conway damals einer spontanen Eingebung, indem er davon ausging, daß dieses zweite Wesen sowohl allgegenwärtig als auch zu klein sein könnte, um bei einer normalen Scanneruntersuchung entdeckt zu werden. Diese von ihm aufgestellte Hypothese basierte allein auf den wenigen Tatsachen, die sich aus der Untersuchung des Patienten ergaben sowie aus den dem Logbuch zu entnehmenden Hinweisen auf einen Leibarzt… «


Lonvellin war ein in die Jahre gekommener Angehöriger dieser ohnehin extrem langlebigen Spezies. Wie alle Wesen im fortgeschrittenen Alter war auch er einem zunehmenden körperlichen Verfall ausgesetzt, und das trotzall seiner Bemühungen, sich physisch und mental ständig zu regenerieren, um seine Arbeit fortsetzen zu können, die sein einziger Lebensinhalt war. Bei dieser Tätigkeit kümmerte er sich als grundsätzlich friedfertiges Wesen ausschließlich um rückständige oder auf Abwege geratene planetarische Zivilisationen, um deren Lebensverhältnisse zu verbessern. Da er nicht damit rechnen konnte, auf den Planeten, auf denen er zu tun hatte, eine adäquate medizinische Versorgung vorzufinden, wurde er stets von einem Leibarzt begleitet, der seinen sehr hohen medizinischen Ansprüchen genügen mußte.


Irgendwann mußte Lonvellin in der jüngsten Vergangenheit den für seine Zwecke idealen ›Leib- und Magenarzt‹ entdeckt haben – in der jüngsten Vergangenheit deshalb, weil das besagte Wesen noch nicht viel Erfahrung als Arzt gesammelt haben konnte, was an den von ihm begangenen Kunstfehlern abzulesen war.


Wie Conway herausfand, entpuppte sich dieser ominöse Leibarzt als eine intelligente amöboide Lebensform – eine organisierte Anhäufung submikroskopischer, virusähnlicher Zellen -, die im Körper des Patienten lebte. Dieser Leibarzt konnte, sobald er die notwendigen Informationen dazu besaß, jede Krankheit oder organische Fehlfunktion von innen her untersuchen und behandeln. Da es sich aber um ein denkendes Wesen handelte, konnte dessen emotionale Ausstrahlung einem Empathen wie Prilicla nicht verborgen bleiben, auch wenn es im Körper des sich in tiefer Bewußtlosigkeit befindlichen Lonvellins steckte. Um diese Theorie zu beweisen, unternahm Conway einen auf den ersten Blick barbarisch wirkenden Angriff auf Lonvellins Körper, dem dessen natürliche Abwehrkräfte nicht hätten standhalten können, indem er ganz langsam einen spitzen Holzkeil an einer Stelle durch die Schuppenhaut trieb, unter der sich lebenswichtige Organe befanden. Wie von Conway vermutet, konzentrierte die Virenkreatur sämtliche Abwehrkräfte auf diesen einen Punkt, indem sie an dieser Stelle aus eigenen und Lonvellins Gewebezellen im Nu eine kleine, harte Knochenplatte ausbildete, um den Keil am Weiterkommen zu hindern.Kaum war dieser Vorgang abgeschlossen, entfernte Conway die Kreatur, deren Körpermasse etwa einer geschlossenen menschlichen Faust entsprach, und legte sie zur späteren Untersuchung in einen steril versiegelten Behälter. Anschließend entfernte er die Geschwülste und versorgte die mit dem Holzkeil künstlich zugefügte Wunde; eine reine Routinearbeit, die relativ wenig Zeit beanspruchte und ohne weitere Störversuche durch Lonvellins Leibarzt zu Ende geführt werden konnte.


Das eigentliche Problem war durch die Unwissenheit der Virenkreatur ausgelöst worden, die die ganze Zeit versucht hatte, den physischen Zustand ihres Wirtskörpers unter allen Umständen unverändert zu lassen, indem sie die absterbenden Hautschuppen beibehalten wollte, die von Lonvellins Spezies aber in regelmäßigen Abständen abgestoßen wurden, um durch neue ersetzt zu werden. Diesen Irrtum konnte man durch den Umstand entschuldigen, daß zwischen den beiden Wesen trotz ihrer Intelligenz keine direkte Kommunikation, sondern nur eine lose empathische Bindung bestand, die lediglich den Austausch von Gefühlen, nicht aber von Gedanken zuließ.


Trotz dieses Fehlverhaltens bestand Lonvellin darauf, daß man seinen Leibarzt wieder an den ihm angestammten Platz zurücksetzte. Zwar hätte man im Orbit Hospital diese einzigartige Lebensform gerne genauer untersucht, da sich die Virenkreatur aber vom ethischen Standpunkt her in einer merkwürdigen Grauzone aus intelligentem Wesen und parasitärer Krankheit bewegte, kam man dem Wunsch des EPLH nach. Nach seiner Genesung begaben sich Lonvellin und sein Leibarzt zum Seuchenplaneten Etla, wo er und sein Schiff in einer atomaren Wolke schließlich verdampften. Damals waren sich alle sicher gewesen, daß die Virenkreatur mit seinem Wirtswesen gemeinsam umgekommen war. Das jedenfalls war der Wissensstand, als man auf dem Diagnostikertreffen beschloß, die Rhabwar nach Etla zu schicken, weil man dort eine Erklärung für die mysteriösen Hewlitt-Morredeth-Vorkommnisse zu finden hoffte, auch wenn niemand erwartet hatte, daß die Mission des medizinischen Teams tatsächlich von Erfolg gekrönt werden würde.»… aber jetzt wissen wir, daß Lonvellin die Möglichkeit eines tödlichen Angriffs vorhergesehen hat und deshalb die notwendigen Vorkehrungen traf, seinem intelligenten Symbionten ein Weiterleben zu ermöglichen«, fuhr Prilicla fort. »Zwischen den beiden fand zwar nur ein begrenzter Informationsaustausch statt, aber ich nehme an, daß die Schiffssensoren einen unmittelbar bevorstehenden Nuklearschlag meldeten. Die furchtbare Erkenntnis, daß sein ungeheuer langes Leben kurz vor dem Ende stand, löste bei Lonvellin einen heftigen emotionalen Schock aus, der die Virenkreatur aus dem Wirtskörper hinaustrieb, um in den kleinen Überlebenscontainer der Rakete zu flüchten. Der Öffnungsmechanismus des Containers war mit einer auf hundert Standardjahre eingestellten Zeitschaltuhr ausgestattet, weil Lonvellin gehofft hatte, daß dann beim Freiwerden des Inhalts sowohl der Krieg als auch die Fremdenfeindlichkeit der etlanischen Bevölkerung längst vergessen sein würden. Aber der nukleare Einschlag muß bereits Sekunden nach dem Abheben der Fluchtrakete stattgefunden haben, die daraufhin vorzeitig abstürzte. Schließlich wurde die Virenkreatur durch ein terrestrisches Kind, das von einem Baum herab direkt auf den Container fiel, vorzeitig aus ihm befreit.«


»Du meine Güte! Ist das Ihr Ernst?« rief Hewlitt in einer Mischung aus Staunen und Entsetzen, wobei er gleichzeitig über alle Maßen erleichtert war und laut lachen mußte. Endlich war eine Erklärung für seine lebenslange Hypochondrie gefunden worden, so abwegig sich diese auch anhören mochte. »Wollen Sie mir damit etwa sagen, daß ich nie richtig krank gewesen bin, sondern all die Jahre nichts anderes als einen Leibarzt in mir stecken hatte?«


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