13. Kapitel



Hewlitt lag, auf einen Ellbogen gestützt, im Bett, so daß er über die anderen Patienten hinweg auf Morredeths Bett sehen konnte. Er lauschte den verschiedenen Schlafgeräuschen, die die Extraterrestrier in der vollbelegten Station von sich gaben und überlegte, wie lange er noch damit warten sollte, die Kelgianerin anzusprechen. Morredeths Bett war durch die Sichtblenden abgeschirmt, aber an der Decke konnte man einen schwachen Lichtkegel erkennen, der sich nicht bewegte, so daß er wahrscheinlich von der Nachttischlampe und nicht vom Bildschirm herrührte. Wenn Morredeth sich keins der Unterhaltungsprogramme ansah, las sie vielleicht oder war bereits bei brennendem Licht eingeschlafen; zumal sich eins der merkwürdigen Geräusche, die Hewlitt vernahm, wie ein kelgianisches Schnarchen anhörte. Falls letzteres der Fall war, würde sie diesem dummen Terrestrier, der sie mitten im Schlaf weckte, bestimmt wütende Worte an den Kopf werfen. Vorsichtshalber beschloß er zu warten, bis Morredeth ihren nächtlichen Gang zur Toilette machte, um sie erst dann auf dem Rückweg zum Bett anzusprechen. Heute abend schien allerdings überhaupt niemand zur Toilette gehen zu wollen, und er war äußerst gelangweilt, da er nichts anderes zu sehen bekam, als die Reihen schattenhafter Alienbetten und den Lichtfleck an der Decke über dem Bett der Kelgianerin. Selbst das stumpfsinnigste Unterhaltungsprogramm wäre aufregender als das hier, und deshalb beschloß er, mit seiner Entschuldigung bei Morredeth nicht länger zu warten, um danach wenigstens noch etwas Schlaf zu finden. Er setzte sich aufrecht hin, schwang die Beine über die Bettkante und tastete mit den Füßen in der Dunkelheit umher, bis er die Pantoffeln fand. Sie waren ihm vom Krankenhaus ausgehändigt worden und viel zu groß, so daß das leise Schlurfen, die sie beim Gehen verursachten, jetzt viel lauter zu sein schien als während des regen Betriebes, der tagsüber auf der Station herrschte. Wenn Morredeth wider Erwarten wach sein sollte, würde sie ihn bestimmt kommen hören, und falls sie schlafen sollte und er sie aufwecken würde,hätte er bereits zwei Gründe, für die er sich bei ihr entschuldigen müßte.


Die Kelgianerin lag wie ein dickes, pelziges Fragezeichen auf der unverletzten Seite und war lediglich mit dem großen, rechteckigen Verband bedeckt, unter dem sich die Mullauflagen befanden. Wie Hewlitt vermutete, benötigte sie bei all dem natürlichen Wärmeschutz wahrscheinlich sowieso keine Decke. Ihre Augen waren geschlossen, und ihre Beine wurden von dem dicken, unruhigen Fell fast völlig verdeckt, dessen unregelmäßige Bewegung nicht unbedingt bedeutete, daß sie schlief.


»Sind Sie wach, Morredeth?« flüsterte Hewlitt mit einer solch leisen Stimme, daß er sich selbst kaum verstehen konnte.


»Ja«, antwortete die Kelgianerin, ohne die Augen zu öffnen.


»Möchten Sie sich vielleicht mit mir unterhalten?« erkundigte sich Hewlitt schüchtern. »Ich meine, falls Sie nicht schlafen können?«


»Nein«, entgegnete Morredeth und einen Moment später: »Ja.« »Worüber würden Sie denn gern sprechen?«


»Reden Sie einfach, worüber Sie wollen«, schlug die Kelgianerin vor, wobei sie die Augen öffnete. »Nur nicht über mich.«


Hewlitt befürchtete, daß es ziemlich schwierig für ihn werden könnte, sich mit einem Wesen zu unterhalten, das niemals log und immer genau das sagte, was es dachte. Da zudem außer ihnen beiden niemand anwesend war, der ihn an die allgemein übliche Gepflogenheit höflich gemeinter Lügen hätte erinnern können, würde er sogar gehörig aufpassen müssen, am Ende nicht so ehrlich wie ein Kelgianer zu reden. Zwar hatte er keine Erklärung dafür, aber das Bedürfnis, genau das zu tun, war sehr stark.


Warum denke ich bloß so? fragte sich Hewlitt nicht zum ersten Mal. Das sieht mir überhaupt nicht ähnlich.


Laut sagte er: »Ich bin in erster Linie deshalb zu Ihnen gekommen, weil ich mich bei Ihnen entschuldigen möchte. Ich hätte in Ihrer Gegenwart nicht so ausführlich über mein pelziges Haustier reden sollen. Ich wollte Ihnen wirklich keinen Kummer bereiten, und nachdem ich von den langfristigen Auswirkungen Ihrer Verletzung erfahren habe, wurde mir klar, wiegedankenlos, unsensibel und dumm mein Verhalten gewesen ist. Es tut mir sehr leid, Morredeth.«


Für eine Weile zeigte die Kelgianerin keinerlei Reaktion, lediglich ihr Fell kräuselte sich so aufgeregt und deutlich, daß selbst die Ränder des Wundverbands mitzuckten. Dann sagte sie: »Es war nicht Ihre Absicht, mich zu verletzen, also zeugte Ihr Verhalten nicht von Dummheit, sondern von Unwissenheit. Setzen Sie sich aufs Bett. Und welchen weiteren Grund gibt es für Ihren Besuch?«


Als Hewlitt nicht sofort antwortete, sagte Morredeth: »Warum verschwenden Nichtkelgianer bloß so viel Zeit, um über viele Worte für eine Antwort nachzudenken, wenn es auch wenige tun würden? Ich habe Ihnen eine einfache Frage gestellt.«


Und Sie werden eine einfache kelgianische Antwort erhalten, beschloß Hewlitt und entgegnete dann laut: »Ich war einfach neugierig und wollte mehr über Sie und Ihre Verletzung wissen, aber Sie haben mir ja verboten, über Sie zu sprechen. Soll ich zurück in mein Bett gehen?«


»Nein«, antwortete Morredeth.


»Gibt es irgend etwas oder irgend jemand anderen, worüber Sie gerne reden möchten?«


»Ja, über Sie«, schlug die Kelgianerin vor.


Als Hewlitt zögerte, fuhr Morredeth fort: »Ich habe sehr empfindliche Ohren und beinahe jedes Wort mitgehört, das zwischen Ihnen und den Ärzten gewechselt wurde. Sie sind gesund und erhalten keinerlei medizinische Behandlung, abgesehen von dem einen Mal, als Sie das Bewußtsein verloren haben und das Reanimationsteam mit Verzögerung eintraf, um Sie wiederzubeleben. Auf jeden Fall weiß niemand, was Ihnen genau fehlt. Ich habe auch mitbekommen, wie Sie dem terrestrischen Psychologen erzählt haben, Sie hätten eine Vergiftung und einen Sturz überlebt, obwohl Sie dabei hätten umkommen müssen. Das Orbit Hospital ist aber für Kranke und Verletzte und nicht für Leute, die bereits genesen sind. Was fehlt Ihnen also? Handelt es sich vielleicht um etwas zuPersönliches oder gar zu Peinliches, über das Sie selbst nicht mit einem Mitglied einer anderen Spezies reden möchten, obwohl es Ihre Scham höchstwahrscheinlich nicht nachvollziehen kann?«


»Nein, es ist nichts dergleichen«, versicherte ihr Hewlitt. »Es ist nur so, daß es sehr viel Zeit in Anspruch nehmen würde, Ihnen alles zu erzählen, zumal ich Ihnen zwischendurch immer wieder einige Verhaltensweisen und Bräuche der Terrestrier erklären müßte. Außerdem würde mich das nur daran erinnern, wie wenig mir die terrestrischen Ärzte geholfen haben, weil Sie sich weigerten, mir zu glauben, daß mit mir etwas nicht stimmt. Also käme nur meine alte Wut und Enttäuschung wieder hoch, was höchstwahrscheinlich darauf hinauslaufen würde, daß ich Ihnen die Ohren volljammere.«


Morredeths Fell kräuselte sich in ein neues und optisch attraktiveres Muster, und er fragte sich, ob sich die Kelgianerin über ihn amüsierte.


»Also geht es Ihnen genauso wie mir«, stellte Morredeth fest. »Das ist nämlich derselbe Grund, weshalb ich nicht über mich reden will. Bestimmt wäre ich Ihnen mit meinem Gejammer auch auf die Nerven gegangen.«


»Sie haben bestimmt mehr Grund zu klagen als ich«, meinte Hewlitt und hielt kurz inne, weil sich das Fell der Kelgianerin wieder stachelig aufrichtete und sich die Muskelstränge, die den ganzen Körper umschlossen, so fest zusammenzogen, als stünden sie kurz vor einem Krampf. Deshalb fügte er rasch hinzu: »Entschuldigung, Morredeth, jetzt spreche ich doch über Sie anstatt über mich. Wo soll ich also anfangen?«


Der Körper der Kelgianerin entspannte sich zwar, das Fell bewegte sich jedoch noch immer unruhig, als sie antwortete: »Sprechen Sie mit mir über jene Krankheitsvorfälle, die Sie noch nicht erzählt haben oder über die Sie weder mit Medalont noch mit den Auszubildenden reden möchten, weil sie ungewöhnlich, beschämend oder sogar etwas anstößig sind. Vielleicht finde ich Ihre Erzählungen ja so unterhaltend, daß ich meine eigenen Probleme für eine Weile vergessen kann. Möchten Sie das für mich tun?«


»Ja«, willigte Hewlitt ein. »Erwarten Sie aber nicht zu viel Unterhaltung oder gar erotische Details von mir. Ich werde Ihnen von der Zeit erzählen,die ich auf der Erde verbracht habe, als ich mit meinen Großeltern zusammenlebte, die übrigens kein pelziges Haustier besaßen, mit dem ich hätte spielen können. Einige der Episoden sind allerdings ziemlich peinlich. Durchleben Kelgianer so etwas wie eine Pubertät?«


»Na klar! Oder dachten Sie, daß wir von Geburt an sexuell aktiv sind?«


»Nun, die Pubertät kann jedenfalls auch für gesunde Menschen äußerst unangenehm verlaufen«, meinte Hewlitt, ohne auf Morredeths Bemerkung einzugehen.


»Dann beschreiben Sie mir Ihre unangenehmen Erlebnisse und Ihre gesundheitlichen Mängel bis ins letzte Detail, das heißt, falls Sie nichts Interessanteres zu berichten haben«, forderte ihn Morredeth in ihrer unnachahmlich direkten Art auf.


Hätte ich bloß ein weniger persönliches Thema gewählt! dachte er und wunderte sich um so mehr, daß er schließlich ohne jegliches Zögern zu sprechen begann. Vielleicht hatte die Tatsache, daß Morredeth einer anderen Spezies angehörte, etwas damit zu tun, denn es machte zwar keinen Unterschied, ob er einer kelgianischen Patientin, einem melfanischen Chefarzt oder einer hudlarischen Krankenschwester seine Symptome erzählte, doch entsprang Morredeths Neugier eher persönlichem als medizinischem Interesse.


Also beschrieb er, wie er vom Einzelunterricht am Heimcomputer auf die höhere Schule wechselte, wo Gruppenunterricht und die Teilnahme an Sportveranstaltungen mehr ins Gewicht fielen. Als er von seinen Erfolgen sowohl bei den Mannschafts- wie auch bei den Einzelsportarten erzählte, die ihm insbesondere bei der weiblichen Studentenschaft einen guten Ruf einbrachten, unterbrach ihn Morredeth.


»Beklagen Sie sich etwa über diese Situation?« wollte sie wissen. »Oder prahlen Sie gerade mit Ihren Erfolgen beim weiblichen Geschlecht?«


»Ich beklage mich darüber«, antwortete Hewlitt, und seine Stimme wurde lauter, als mit der Erinnerung der Zorn in ihm aufwallte, »weil ich die Vorteile, die sich daraus für mich ergaben, nie genutzt habe. Niemalspassierte etwas. Selbst als ich mich von einer bestimmten jungen Frau stark angezogen fühlte, die auch an mir Interesse zeigte … nun, es war sehr unbefriedigend und frustrierend und… und schmerzlich.«


»Fühlten Sie sich denn noch von jemandem oder von etwas anderem angezogen?« erkundigte sich Morredeth. »Von einer Frau vielleicht, die sich aber nichts aus Ihnen machte? Oder haben Sie damals noch stärkere Gefühle für eine Ihrer kleinen pelzigen Kreaturen entwickelt?«


»Nein, um Himmels willen!« protestierte Hewlitt entschieden. Dann sah er ängstlich zu den Schlafenden in den nahe gelegenen Betten hinüber und senkte die Stimme. »Für wen halten Sie mich eigentlich, verdammt noch mal?«


»Für einen sehr kranken Terrestrier«, antwortete Morredeth. »Sind Sie nicht aus diesem Grund hier?«


»Ja, aber ich habe doch nicht das gehabt, was Sie mir gerade unterstellen wollten«, stellte Hewlitt klar, wobei er unwillkürlich lachen mußte. »Nach Meinung der Universitätsärzte war ich sogar überhaupt nicht krank. Die haben doch glattweg behauptet, mein Körper sei in jeder Hinsicht ein physikalisches Musterexemplar. Nachdem viele unangenehme Tests und Experimente mit mir durchgeführt worden waren, meinten sie, es gäbe weder einen anatomischen noch einen hormonellen Grund dafür, weshalb es beim Erreichen des Höhepunkts der sinnlichen und körperlichen Erregung bei mir zu keinem Samenerguß komme. Außerdem sagten sie, daß ich durch irgendein unwillkürliches oder unbewußtes Verhalten, das sie sich nicht erklären konnten, den Mechanismus des Samenergusses im letzten Moment zurückhalten würde. Diese plötzliche Unterbrechung des Samenflusses löse einen unmittelbaren Schmerz aus, und die Beschwerden im Genitalbereich würden erst dann nachlassen, sobald die Flüssigkeit resorbiert worden sei. Sie schlossen daraus, daß mein Problem wahrscheinlich auf einem tief sitzenden Kindheitstrauma beruhe, das sich in Form von zeitweilig auftretender Schüchternheit äußere, die so intensiv sei, daß sie sich auf den körperlichen Zustand auswirke.«


»Was ist Schüchternheit?« fragte Morredeth. »Mein Translator gibt keinekelgianische Bedeutung für dieses Wort an.«


Wenn ein Wesen immer genau das sagte, was es dachte, konnte man von ihm auch nicht erwarten, daß es wußte, was Schüchternheit bedeutete. Solch einem Wesen einen solchen Begriff zu erklären, war praktisch dasselbe, als sollte man einem Blinden eine Farbe beschreiben, doch wollte es Hewlitt zumindest versuchen.


»Schüchternheit ist eine Art psychologische Barriere in der menschlichen Interaktion. Sie ist so etwas wie eine unüberwindbare Mauer auf geistiger Ebene, die eine schüchterne Person davon abhält, das zu sagen oder zu tun, was sie möchte. Unerfahrenheit, Überempfindlichkeit oder sogar Feigheit sind für gewöhnlich die Gründe, weshalb die Worte, die die betreffende Person sagt, und die Handlungen, die sie ausführen möchte, unterdrückt werden. Unter Terrestriern ist Schüchternheit während der Pubertät sehr verbreitet, wenn es zu ersten Annäherungsversuchen zwischen den Geschlechtern kommt und… «


»Das ist doch lächerlich!« unterbrach ihn Morredeth. »Auf Kelgia ist das Gefühl eines Mannes oder einer Frau gegenüber dem anderen Geschlecht unmöglich zu verbergen. Wenn beispielsweise ein Kelgianer oder eine Kelgianerin für jemand anderen ein starkes Interesse empfindet, das aber nicht erwidert wird, hat er oder sie die Möglichkeit, auf einen Versuch zu bestehen, den anderen so lange zu beeinflussen, bis dieser auf seine Gefühle reagiert oder seine Zuneigung jemand anderem zuwendet. Diejenigen, die durch ihre Beharrlichkeit Erfolg haben, sind normalerweise die besten Lebenspartner. Hat Ihnen denn die psychologische Behandlung nicht dabei geholfen, Ihre Scheu eventuell zu überwinden und eine normale Paarung einzugehen?«


»Nein«, antwortete Hewlitt.


Zum ersten Mal, seit er es mit Kelgianern zu tun gehabt hatte, sah er, wie das Fell beinahe völlig reglos war, jedoch nur für einen kurzen Moment, bevor es sich um so stürmischer bewegte.


»Tut mir leid«, entschuldigte sich Morredeth. »Diese Situation muß sehr frustrierend für Sie sein.«»Ja.«


»Vielleicht kann Ihnen der Chefarzt ja helfen«, versuchte ihn Morredeth trotz ihrer Ehrlichkeit zu beruhigen. »Wenn Medalont Ihr Problem nicht beheben kann, würde er das als eine persönliche Beleidigung ansehen. Ganz gleich wie ernst eine Krankheit oder Verletzung auch ist, das Orbit Hospital hat den Ruf, alles und jeden zu heilen. Nun ja, fast jeden.«


Für einen Augenblick starrte Hewlitt auf das Fell der Kelgianerin, das sich in wellenförmigen Strudeln bewegte, als wäre es ein brodelndes Quecksilberbad, dann sagte er: »Der Chefarzt hat zwar meinen Krankenbericht, aber bisher hat er mich noch nicht nach meinem unfreiwilligen Zölibat gefragt. Vielleicht glaubt er wie der Universitätspsychologe, daß sich das ganze Problem nur in meinem Kopf abspiele. Aber die Beschwerden waren… und sind nicht schmerzhaft, solange ich den körperlichen Kontakt mit dem weiblichen Geschlecht vermeide.


Als sich allmählich herausstellte, daß der Psychologe kein Stück weiterkam«, fuhr Hewlitt fort, während er ein Auge auf die wachsende Erregung von Morredeths Fell warf, »behauptete er, ich würde mich nur stur weigern, auf seine psychotherapeutischen Behandlungsmethoden anzusprechen. Mir wurde geraten, mein Leben von nun an lieber ohne weibliche Gesellschaft zu verbringen, was ich mir nach Meinung des Psychologen insgeheim wahrscheinlich sowieso wünschte. So etwas komme zwar selten vor, schade aber nicht der Gesundheit. In der Vergangenheit hätten das bereits viele hochangesehene Leute getan und bedeutende Beiträge zur Philosophie und Wissenschaft geleistet, indem sie ihr eheloses Leben der Religion widmeten, als Schriftsteller und Lehrer tätig waren oder ihr sexuelles Verlangen durch wissenschaftliche Forschung kompensiert hätten…« Er hielt inne, weil sowohl Morredeths Körper als auch ihr Fell zusehends in Bewegung gerieten. Die darunterliegenden Muskelbänder zogen sich abwechselnd krampfartig zusammen und lösten sich wieder, so daß sich die Kelgianerin unter wilden Zuckungen hin und her wand und gegen das Bett prallte.»Was ist mit Ihnen?« erkundigte sich Hewlitt besorgt. »Soll ich die Schwester rufen?«


»Nein«, widersprach die Kelgianerin, wobei ihr Oberkörper auf den Boden zu rollen drohte. »Ich will nur nicht, daß Sie sich noch weiter auf solch törichte Art und Weise in meine Belange einmischen.«


Hewlitt überlegte, ob er die Sichtblenden hochziehen sollte, damit das Bett vom Personalraum aus zu sehen wäre, doch dann fiel ihm ein, daß Morredeths Bett wahrscheinlich auch mit einer Kamera überwacht wurde. »Ich wollte Ihnen doch nur helfen«, entschuldigte er sich, während er den sich krümmenden Körper der Kelgianerin ängstlich beobachtete.


»Warum machen Sie so etwas Grausames?« verlangte Morredeth zu wissen. »Wer hat Sie damit beauftragt, so etwas mit mir zu machen?«


»Ich… ich verstehe Sie nicht«, stammelte er verwirrt. »Was habe ich denn Schlimmes gesagt?«


»Sie sind kein Kelgianer, und deshalb können Sie auch nicht ganz verstehen, welche seelischen Verletzungen Sie mir zugefügt haben. Zuerst haben Sie davon erzählt, wie Sie Ihr pelziges Haustier gestreichelt haben, und sich dann für Ihr unsensibles Verhalten entschuldigt. Jetzt reden Sie über sich selbst und wie unmöglich es für Sie ist, eine Lebensgefährtin zu finden, dabei ist doch ganz offensichtlich, daß Sie in Wirklichkeit von mir und meinen Problemen sprechen. Sie müssen dazu von jemandem aufgefordert worden sein. Als Lioren früher versuchte, so etwas mit mir zu machen, habe ich die Ohren einfach dichtgemacht. Wer hat Sie darum gebeten, so mit mir zu reden? Lioren? Braithwaite? Der Chefarzt? Und warum?«


Zuerst verspürte er den Drang, alles zu leugnen, aber das wäre unfair gewesen, denn Kelgianer konnten weder selbst lügen, noch würden sie damit rechnen, belogen zu werden. Entweder sollte er nichts sagen oder die Wahrheit erzählen.


»Die hudlarische Schwester hat mich darum gebeten, mit Ihnen zu reden«, gestand er schließlich ein. »Sie wollte aber nicht…«»Aber die Hudlarerin ist doch gar keine Psychologin!« unterbrach ihn Morredeth empört. »Wie konnte sie so etwas Schreckliches tun? Sie hat sich unqualifiziert verhalten, und sie hat mit meinen Gefühlen gespielt. Ich werde dieses ungehörige Verhalten dem Chefarzt melden.«


Hewlitt versuchte, die aufsteigende Wut der Kelgianerin zu besänftigen: »Alle Personen, die ich bisher kennengelernt habe, hielten sich insgeheim für gute Psychologen, ob nun mit oder ohne Ausbildung…« Und ich schließe mich da mit ein, fügte er in Gedanken hinzu. »Genauso wie alle von sich glaubten, sie wären hervorragende Autofahrer und hätten einen unübertroffenen Sinn für Humor. Das Problem ist, daß sich Psychologen selten auf eine Behandlungsmethode einigen können. – Haben Sie eigentlich Schmerzen?«


»Nein, ich habe eine unbändige Wut!« fuhr ihn Morredeth an.


Wenn man die Spezies der Patientin berücksichtigte, dann mußte man ihre Worte als die reine, wenn auch subjektive Wahrheit ansehen, dachte Hewlitt, und während er die wachsende Erregung des sich heftig bewegenden Fells und Körpers beobachtete, überlegte er, ob es sich dabei um die kelgianische Ausdrucksform einer rüden Geste handeln könnte.


»Sie dürfen auf die hudlarische Schwester nicht so wütend sein«, versuchte er Morredeth zu besänftigen. »Sie hat mir erzählt, Lioren habe mit Einwilligung des Chefarztes angeordnet, Ihre Beruhigungsmittel für die Nacht zu reduzieren, damit Sie mehr Zeit mit sich allein verbringen können. Man erhofft sich dadurch, daß Sie auf diese Weise mehr über sich nachdenken und besser mit sich ins Reine kommen können. Um diesen Prozeß voranzutreiben, wurde dem jeweiligen Klinikpersonal untersagt, sich während der Nacht mit Ihnen zu unterhalten, abgesehen von den wenigen Worten, die während der routinemäßigen Überprüfung Ihrer Lebenszeichen notwendig sind. Die hudlarische Schwester war bezüglich dieser Behandlungsweise anderer Meinung, traute sich aber nicht, sich den Anordnungen ihrer Vorgesetzten zu widersetzen, obwohl sie sich große Sorgen um Ihren zu erwartenden Kummer macht. Als sie dann von mir erfuhr, daß ich mich bei Ihnen für die Vorfälle beim Kartenspielenentschuldigen wollte, bat sie mich, mit Ihnen zu sprechen.


Sie hat mir nicht gesagt, worüber ich reden soll, außer daß ich versuchen solle, Sie von Ihren Problemen abzulenken. Leider ist mir das offensichtlich nicht gelungen, aber das war mein Fehler, und die Hudlarerin trägt keinerlei Schuld an meinem unsensiblen Verhalten und Ihrem Zorn.«


»Dann werde ich das Fehlverhalten der Schwester auch nicht melden«, sagte Morredeth. »Trotzdem bin ich immer noch wütend.«


»Ich kann Sie durchaus verstehen«, stimmte ihr Hewlitt zu. »Damals habe ich nämlich dieselbe Wut und Enttäuschung empfunden wie Sie. Anfangs war es mir unendlich peinlich, daß meine Freunde über mich lachten und hinter meinem Rücken tuschelten, weil sie mich für eine Art sexuellen Krüppel hielten… «


»Aber man hat Ihnen die Behinderung doch nicht angesehen!« unterbrach ihn Morredeth, und ein plötzlicher Muskelkrampf brachte sie bedrohlich nahe an die Bettkante. »Meine Freunde werden nicht hinter meinem Rücken lachen und tuscheln, sondern sich freundlich verhalten und meine Gesellschaft meiden, damit ich nicht ihren Ekel bemerke, den sie mir gegenüber empfinden. Aber das können Sie wahrscheinlich nicht verstehen, nicht wahr?«


»Versuchen Sie ruhig zu liegen, verdammt noch mal!« rief Hewlitt. »Sonst fallen Sie noch aus dem Bett und verletzen sich womöglich. Hören Sie endlich auf damit, so herumzurollen!«


»Wenn Sie der Anblick stört, dann gehen Sie doch!« erwiderte Morredeth. »Kelgianer können zwar manchmal ihre Gefühle kontrollieren, aber niemals verbergen. Starke Empfindungen sind nun mal mit unwillkürlichen Fell- und Körperbewegungen verbunden. Haben Sie das nicht gewußt?«


Nein, aber jetzt weiß ich es, murmelte Hewlitt in sich hinein und sagte dann laut: »Selbst terrestrische Psychologen vertreten die Auffassung, daß es oft besser ist, wenn man sich von seinen Gefühle befreit, anstatt sie aufzustauen. Ich möchte nicht gehen, sondern mich mit Ihnen unterhaltenund Sie von Ihren Problemen ablenken. Bis jetzt bin ich darin noch nicht sehr erfolgreich gewesen, wie?«


»Das kann man wohl laut sagen. Aber bleiben Sie ruhig, wenn Sie unbedingt wollen.«


Die Heftigkeit ihrer Körperbewegungen schien etwas nachzulassen, und Hewlitt beschloß, das Risiko einzugehen, nicht das Thema zu wechseln.


»Danke, Morredeth. Und was unser gemeinsames Problem angeht, haben Sie natürlich recht. Ihre Situation ist ungleich schlimmer als meine, da sie einen bleibenden Schaden haben, der darüber hinaus für jedermann sichtbar ist. Aber das heißt nicht, daß ich Ihre Gefühle nicht verstehen würde, denn ich hatte für viele Jahre dieselbe Art von Problemen, wenngleich in geringerem Ausmaß. Ich glaube nicht, daß die seelischen Narben jemals verheilen werden und ich mit der Notwendigkeit klarkommen werde, allein zu leben und zu arbeiten und den körperlichen Kontakt zu Frauen vermeiden zu müssen. Ich weiß, wie es Ihnen ergehen muß, allerdings weiß ich auch, daß Sie sich nicht ständig so miserabel fühlen werden.


Ist Ihnen eigentlich schon mal der Gedanke gekommen, daß möglicherweise Lioren und nicht die Hudlarerin recht haben könnte? Oder daß es besser wäre, wenn Sie Ihrem Problem hier an Ort und Stelle ins Auge sehen, ich meine, hier im Krankenhaus, wo jederzeit Hilfe verfügbar ist, anstatt zu Hause, wo Sie Ihrer Aussage nach ganz allein sein werden? Oder daß es Ihnen nicht immer so schlecht gehen wird, wie im Moment? Fast sämtliche Wesen, ob nun Kelgianer oder Terrestrier, gewöhnen sich mit der Zeit fast an alles und… «


»Sie reden schon wie Lioren…«, unterbrach ihn Morredeth, und dann passierte es…


Da ihr Fell längst nicht mehr so unruhig wie noch wenige Minuten zuvor war und die unkontrollierten Körperbewegungen allmählich nachgelassen hatten, kam ihre plötzliche Verkrampfung völlig unerwartet. Morredeth nahm die Form eines langgezogenen, pelzigen Zylinders an und ließ sich zur entgegensetzten Bettkante von Hewlitt rollen. Ohne nachzudenken, griff ermit beiden Händen nach ihr, um sie zurück aufs Bett zu ziehen.


Er erwischte sie am Stoffabschnitt, der die Wundverbände abdeckte, und gerade als er im Begriff war, ihren Sturz aufzuhalten, schnappten die Verschlüsse auf, und er hielt nur noch den Stoff in den Händen.


Die Kelgianerin gab ein langes, hohes Wimmern von sich, das sich wie ein Nebelhorn im Fistelton anhörte, dann bekam sie erneut einen Krampf und rollte auf die andere Seite des Betts zurück … und direkt auf Hewlitt drauf. Halb fallend, halb gleitend, fiel er mit der immer noch auf ihm liegenden Morredeth auf den Boden.


»Schwester!« schrie er.


»Ich bin schon da«, meldete sich die Hudlarerin, die sich bereits innerhalb der Sichtblenden befand und sich über die beiden beugte. »Sind Sie verletzt, Patient Hewlitt?«


»N… nein«, stammelte er. »Bis jetzt jedenfalls noch nicht.«


»Gut. Die Spezies, die der DBLF-Klassifikation angehören, setzen ihre Füße niemals als natürliche Waffen ein, so daß Ihnen wahrscheinlich nichts zustoßen wird. Erst mal brauche ich jemanden, der mir hilft. Ich möchte aber keine Zeit damit vergeuden, eine andere Schwester von einer anderen Station zu rufen, und außerdem will ich mir nicht nachsagen lassen, mit einem einfachen Notfall nicht klargekommen zu sein. Sind Sie bereit, mir zu helfen?«


Ich soll Ihnen helfen? dachte Hewlitt. Das Geräusch, das er von sich gab, konnte er noch nicht einmal selbst übersetzen, doch die Hudlarerin betrachtete es offenbar als Zustimmung.


»Ihre gegenwärtige Lage auf dem Fußboden ist für unser Vorhaben ideal«, versicherte sie ihm. »Sie sollen mir nämlich dabei helfen, Patientin Morredeth ruhigzustellen. Bitte legen Sie die Arme um sie herum, und greifen Sie mit beiden Händen in das Rückenfell. Noch fester, bitte, Sie tun ihr nicht weh. Bedauerlicherweise brauche ich vier meiner Gliedmaßen, um meinen Körper abzustützen, also bleibt noch ein Tentakel, mit dem ich Ihnen helfen werde, die Patientin ruhigzustellen, und mit dem anderenwerde ich das Beruhigungsmittel verabreichen. Gut, genau so werden wir es machen.«


Hewlitt versuchte, mit beiden Händen nach Morredeths Fell zu greifen und gleichzeitig die Innenseiten der Unterarme gegen ihren Rücken zu pressen, während die Hudlarerin mit einem Tentakel mit sanftem, aber festem Druck ihren Hals umschlang. Morredeth mußte ruhig gehalten werden, damit die Schwester die richtige Stelle für die Injektion ausfindig machen konnte. Die Kelgianerin gab noch immer diese hohen, wimmernden Geräusche von sich, während sie mit aller Macht versuchte, sich seinen Armen zu entwinden, indem sie mit den über dreißig Füßen über seinen Bauch, seine Brust und sein Gesicht hochzulaufen versuchte. Glücklicherweise waren die Beine kurz, dünn und nicht sehr muskulös, und die Füße, die keine Zehennägel oder sonstige knochige Enden hatten, waren wie kleine, feste Schwämme, so daß er das Gefühl hatte, ununterbrochen mit wattierten Trommelstöcken attackiert zu werden. Diese Erfahrung war allerdings eher etwas irritierend als schmerzhaft. Morredeths Anstrengungen mußten sie ins Schwitzen gebracht haben, denn er nahm eine zunehmende, leicht nach Pfefferminze riechende Körperausdünstung wahr.


Als wäre ihm mit einem Mal die ganze Kraft entwichen, spürte er in jedem Muskel seines Körpers eine unverhofft auftretende Schwäche, und dort, wo seine Haut das Fell berührte, das sich unentwegt zwischen seinen Fingern drehte und wand, kribbelte es heiß an den Händen und den entblößten Unterarmen. Diese Erfahrung war ihm derart fremd, und es kitzelte so sehr, daß er sich mit aller Anstrengung dagegen wehren mußte, nicht zu lachen. Plötzlich wölbte Morredeth den Rücken und versuchte, sich mit aller Gewalt zu befreien, wobei ihm fast die Hände abrutschten.


»Entschuldigung, aber meine Hände schwitzen!« keuchte er unter der Last. »Sie wäre mir beinahe entwischt.«


»Sie machen das sehr gut, Patient Hewlitt«, ermunterte ihn die Schwester, wobei sie die erst kurz zuvor verabreichte Beruhigungsspritze wieder in die Tasche zurücksteckte. »In wenigen Sekunden wird allesvorbei sein. Das vorübergehende Nachlassen Ihrer Umklammerung kann durch die Berührung Ihrer Finger mit dem Fell verursacht worden sein, das mit dem öligen Medikament des Wundverbands und dem Schweiß der Patientin durchtränkt ist. Außerdem habe ich erfahren, daß DBDG-Terrestrier selbst dann in den Handflächen schwitzen, wenn sie sich körperlich nicht anstrengen und keinen Temperaturanstieg haben. Dabei kann es sich um ein Anzeichen für eine heftige Gefühlsreaktion auf eine bestehende oder bevorstehende Stressituation handeln, die durch…«


»Aber meine Handflächen schwitzen bis zu den Ellbogen hoch!« unterbrach Hewlitt sie, zumal er absolut nicht willens war, sich in dieser Situation schon wieder einen medizinischen Vortrag der Schwester anzuhören.


»Auf jeden Fall besteht für Sie keine Gefahr«, beruhigte ihn die Hudlarerin. »Kelgianische Krankheitserreger können die Speziesbarriere nicht durchbrechen… Oh! Ich glaube, Patientin Morredeth entspannt sich allmählich.«


Die Kelgianerin bewegte nun auch ihre Beine nicht mehr, und ihr Körper lag schlaff und mit vollem Gewicht auf Hewlitts Bauch und Brust. Die Schwester schob nun die wieder freien Greiftentakel von beiden Seiten unter den Körperschwerpunkt der Kelgianerin und hob Morredeth auf das Bett. Während Hewlitt wieder auf die Beine kam, brachte sie den schlaffen Körper Morredeths in die für ruhende Kelgianer anscheinend bequeme S-Form. Er konnte gerade noch einen Blick auf die große aufgedeckte Hautfläche und das strähnige, verfärbte Fell werfen, bevor sie die gelösten Verbände wieder anlegte.


»Bitte waschen Sie sich das Medikament der Kelgianerin von den Händen ab, Patient Hewlitt«, forderte ihn die Schwester auf. »Es wird Ihnen zwar nicht schaden, aber es könnte sein, daß sie den Geruch unangenehm finden, dann gehen Sie ins Bett zurück und versuchen zu schlafen. Ich werde später bei Ihnen vorbeischauen, um zu sehen, ob Sie kleinere Abschürfungen erlitten haben, die Sie in der momentanen Aufregung vielleicht gar nicht bemerken.Bevor Sie gehen, muß ich mich noch für mein spätes Eintreffen entschuldigen. Wie Sie wahrscheinlich wissen, befinden sich in den Sensorenmeßgeräten auch Mikrofone, so daß auch die akustischen Signale von Patienten auf die Überwachungsmonitore übertragen werden. Diese Signale werden übrigens aufgezeichnet, damit sie auch für spätere Untersuchungen zur Verfügung stehen. Durch die Richtung, in die sich Ihre Unterhaltung entwickelte, war mir schnell klar, daß etwas passieren und eine schnelle Injektion des Beruhigungsmittels erforderlich werden könnte. Da es sich dabei um ein neu entwickeltes Medikament handelt, bin ich dazu verpflichtet, eine Verabreichung des Mittels vorher mit der Pathologie genau abzusprechen, wenn kein Chefarzt auf der Station ist. Deshalb bin auch erst eingetroffen, als Sie bereits um Hilfe riefen.«


Hewlitt lachte. »Und ich habe die ganze Zeit das Gefühl gehabt, daß Sie unglaublich schnell da waren. Aber wenn das Gespräch mit Morredeth aufgezeichnet wurde, bedeutet das nicht auch, daß Sie Schwierigkeiten bekommen werden? Ich meine, schließlich habe ich ihr davon erzählt, daß Sie mit der Dienstanweisung, ihr keine Beruhigungsmittel mehr zu geben und sich nachts nicht mehr mit ihr unterhalten zu dürfen, nicht einverstanden sind. Was bedeutet das jetzt für Sie? Sind Sie sich sicher, daß man Ihnen keine Vorwürfe machen wird?«


Zwar wußte er nicht, was die Schwester gerade dachte, doch hatte er das Gefühl, daß sie besorgt war, als sie antwortete: »Einige Leute, zu denen auch Medalont, Leethveeschi und Lioren gehören, werden sich die Aufnahme genau anhören, und man wird mich ausdrücklich kritisieren. Doch wie Sie bereits bemerkt haben dürften, haben Hudlarer ein sehr viel dickeres Fell als die meisten anderen Lebewesen. Trotzdem vielen Dank für Ihr Verständnis, Patient Hewlitt. So, und nun werden Sie bitte zurück ins Bett gehen. Morredeth schläft friedlich, und es geht ihr…« Sie hielt plötzlich inne, denn die unwillkürlichen Wellenbewegungen von Morredeths Fell waren so langsam geworden, daß sie fast zum Stillstand gekommen waren. Sofort berührte die Schwester mit einer Tentakelspitze eine Stelle in der Nähe von Morredeths Genick, um dort mit den fingerartigen Fortsätzenden Puls zu fühlen. Danach griff sie in die Ausrüstungstasche und zog einen Scanner heraus, den sie über zwei verschiedene Stellen in der Brustgegend der Patientin bewegte. Mit der anderen Tentakelspitze drückte sie auf einen Knopf des Kornmunikators, und über dem Bett begann an der Decke ein rotes Licht schnell und gleichmäßig zu blinken.


»Reanimationsteam!« sagte sie. »Station sieben, Bett Nummer zwölf, Klassifikation DBLF, Kelgianerin. Seit etwa neunzig Sekunden Herzstillstand beider Herzen… Patient Hewlitt, gehen Sie in ihr Bett zurück. Sofort!«


Ohne den Blick von dem völlig regungslos daliegenden Körper abwenden zu können, trat Hewlitt von der Bettkante zurück, bis er sich außerhalb der Sichtblenden befand. Doch anstatt ins Bett zu gehen, wartete er in der Nähe, bis in weniger als einer Minute das Reanimationsteam mit dem Ausrüstungswagen eintraf. Das rote Licht an der Decke hörte auf zu blinken, und weil man um Morredeths Bett herum ein schalldichtes Feld errichtet hatte, herrschte plötzlich absolute Stille auf der Station.


Das ist bestimmt gemacht worden, um die schlafenden Patienten nicht zu stören, und sicherlich nicht deshalb, damit ich nicht hören kann, was dort vor sich geht, sagte er sich.


Er hatte keine Ahnung, wie lange er dort schon in der Dunkelheit gewartet und wie gebannt auf die sich bewegenden Schatten gestarrt hatte, die auf die Sichtblenden projiziert wurden, als endlich die beiden Ärzte des Reanimationsteams wieder auftauchten. Seine Neugier wurde jedoch nicht befriedigt, da sich die beiden beim Verlassen der Station nicht unterhielten, so daß seine Besorgnis nur um so größer wurde. Die hudlarische Schwester, deren mächtiger Schatten sich nicht bewegte, verharrte hinter den Sichtblenden.


Er wartete scheinbar eine Ewigkeit, doch die hudlarische Schwester wich nicht von Morredeths Seite. Betrübt, schuldbewußt und enttäuscht wandte er sich ab und ging in den Waschraum, um sich die Reste der kelgianischen Wundsalbe von den Händen und Armen abzuwaschen. Danach kehrte er zu seinem Bett zurück, legte sich hin und schloß die Augen.Während der restlichen Nacht hörte er, wie sich die Hudlarerin zweimal auf der Station entlangbewegte, um nach den schlafenden Patienten zu sehen und nach dem einen, der nur so tat, als würde er schlafen. Doch brauchte sie nicht mit ihm zu sprechen, um Bescheid zu wissen, denn das Meßgerät lieferte ihr sämtliche medizinischen Informationen, die sie dazu brauchte. Wahrscheinlich fühlte sich die Schwester für das, was geschehen war, verantwortlich, weil Sie ihm vorgeschlagen hatte, sich mit Morredeth zu unterhalten. Dennoch fühlte er sich genauso verantwortlich, und er hatte beinahe Angst davor, sie darauf anzusprechen. Deshalb machte er keinerlei Anstalten dazu und blieb lieber ruhig liegen, wobei er sich immer wieder die Frage stellte, wie es möglich sein konnte, daß er das Leben der Kelgianerin allein dadurch gefährdet hatte, weil er sich mit ihr unterhalten hatte. Er fühlte sich sowohl körperlich als auch seelisch so schlecht wie in seinem ganzen Leben noch nicht.


Er war immer noch wach und grübelte vor sich hin, als das Licht angeschaltet wurde und die Tagschicht ihren Dienst antrat.


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