„Irgendwann in der nächsten Zeit werde ich mir ein paar Tage freinehmen", sagte Spence Olham beim Frühstück. Er blickte sich zu seiner Frau um. „Ich schätze, ich habe mir ein wenig Erholung verdient. Zehn Jahre sind eine lange Zeit."
„Und das Projekt?"
„Man wird den Krieg auch ohne mich gewinnen. Die Erde ist nicht wirklich in Gefahr." Olham setzte sich an den Tisch und zündete sich eine Zigarette an. „Die Nachrichtenmaschinen fälschen die Berichte, damit es so aussieht, als wären uns die Außerirdischen weit überlegen. Weißt du, was ich in meinem Urlaub gern tun möchte? Ich würde gern einen Campingausflug in die Berge vor der Stadt machen, wo wir damals waren. Erinnerst du dich? Ich bekam eine Pilzvergiftung, und du wärst damals beinahe auf eine Blindschleiche getreten."
„Sutton Wood?" Mary begann den Frühstückstisch abzuräumen. „Der Wald ist vor ein paar Wochen abgebrannt. Ich dachte, du wüßtest das. Das Feuer ist durch einen Blitzschlag entstanden."
Olhams Schultern sackten nach vorn. „Hat man nicht einmal versucht, etwas dagegen zu unternehmen?" Er verzog die Lippen. „Kein Mensch kümmert sich mehr um diese Dinge. Sie denken nur noch an den Krieg." Er biß die Zähne zusammen, und er sah wieder die Bilder vor sich: die Außerirdischen, der Krieg, die Nadelschiffe.
„Wie sollte man auch an etwas anderes denken?"
Olham nickte. Natürlich hatte sie recht. Die schwarzen kleinen Schiffe von Alpha Centauri hatten die Linien der irdischen Kreuzer mühelos durchbrochen und sie wie eine Herde aufgeschreckter Hühner erscheinen lassen. Es hatte nur Rückzugsgefechte gegeben, und schließlich griff der Krieg auf die Erde über.
Bis schließlich in den Laboratorien von Westinghouse die Schutzkuppel erfunden wurde. Sie wurde über den Hauptstädten der Erde errichtet und schließlich über den ganzen Planeten ausgedehnt, und die Kuppel war die erste wirksame Verteidigung, die erste Antwort auf die Angriffe der Außerirdischen - wie sie von den Nachrichtenmaschinen bezeichnet wurden.
Aber den Krieg zu gewinnen, das war eine andere Sache. Jedes Laboratorium, jede Projektgruppe arbeitete Tag und Nacht unermüdlich daran, weitere Antworten zu finden: eine Offensivwaffe, die das Kriegsglück wenden konnte. So auch zum Beispiel seine Projektgruppe. Jeden Tag, Jahr für Jahr.
Olham erhob sich und drückte seine Zigarette aus. „Wie das Schwert das Damokles. Es schwebt immer über uns. Ich werde müde. Ich sehne mich danach, einmal richtig auszuspannen. Aber ich befürchte, es geht jedem so."
Er holte sein Jackett aus dem Schrank und trat auf die Veranda. Der Flitzer mußte jeden Moment eintreffen, der schnelle kleine Käfer, der ihn zum Projekt bringen würde.
„Ich hoffe, Nelson verspätet sich nicht." Er blickte auf seine Uhr. „Es ist schon kurz vor sieben."
„Da kommt der Käfer", sagte Mary und spähte zwischen den Häuserreihen hindurch. Die Sonne glitzerte auf den Dächern und spiegelte sich auf den schweren Bleiplatten. In der Siedlung war es still; nur eine Handvoll Menschen war bereits erwacht. „Wir sehen uns später. Und wage ja nicht, Überstunden zu machen."
Olham öffnete die Tür des Flitzers und glitt hinein, lehnte sich mit einem Seufzer in den Sitz zurück. Neben Nelson befand sich noch ein älterer Mann in dem Käfer.
„Nun?" sagte Olham, als der Käfer davonschoß. „Gibt es irgend etwas Neues?"
„Das Übliche", antwortete Nelson. „Man hat ein paar Schiffe der Außerirdischen erwischt und einen weiteren Asteroiden aus strategischen Gründen aufgegeben."
„Es wird Zeit, daß unser Projekt zu einem Ergebnis führt. Vielleicht liegt es nur an der Propaganda der Nachrichtenmaschinen, aber im letzten Monat hatte ich wirklich von allem die Nase voll. Alles wirkt so ernst und bedrohlich, daß das eigentliche Leben dabei ganz verblaßt."
„Sie meinen also, daß der Krieg vergeblich geführt wird?" fragte der ältere Mann plötzlich. „Sie sind doch selbst ein wichtiger Bestandteil des Krieges."
„Das ist Major Peters", stellte Nelson ihn vor. Olham und Peters schüttelten einander die Hände. Olham musterte den älteren Mann.
„Was führt Sie so früh zu uns?" fragte er. „Ich kann mich nicht erinnern, Sie schon früher hier in der Stadt oder beim Projekt gesehen zu haben."
„Nein, ich gehöre nicht zum Projekt", erwiderte Peters, „aber ich bin über Ihre Arbeit im Bilde. Meine eigene Arbeit ist von anderer Art."
Er wechselte mit Nelson einen Blick. Olham bemerkte es und runzelte die Stirn. Der Käfer erhöhte seine Geschwindigkeit, huschte über das unfruchtbare, kahle Land hinweg, der fernen Silhouette der Projektanlagen entgegen.
„Was machen Sie beruflich?" erkundigte sich Olham. „Oder ist es Ihnen nicht erlaubt, darüber zu sprechen?"
„Ich bin bei der Regierung", erklärte Peters. „Bei der FSA, dem Sicherheitsdienst."
„Oh?" Olham wölbte die Augenbrauen. „Hat man Informationen über feindliche Infiltranten in dieser Region?"
„Um ehrlich zu sein, Mr. Olham, bin ich hier, um mit Ihnen zu reden."
Olham war verwirrt. Er dachte über Peters' Worte nach, aber er konnte sich nicht vorstellen, was er von ihm wollte.
„Sie wollen mit mir reden? Warum?"
„Ich bin hier, um Sie als Spion der Außerirdischen zu verhaften. Deshalb bin ich so früh am Morgen aufgestanden. Packen Sie ihn, Nelson..."
Die Pistole bohrte sich in Olhams Rippen. Nelsons Hände zitterten, bebten vor unterdrückter Erregung, und sein Gesicht war bleich. Er holte tief Atem und stieß die Luft mit einem zischenden Laut wieder aus.
„Sollen wir ihn jetzt töten?" flüsterte er Peters zu. „Ich schlage vor, wir töten ihn sofort. Wir dürfen nicht warten."
Olham starrte in das Gesicht seines Freundes. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort heraus. Die beiden Männer blickten ihn starr an, saßen steif und ernst vor Furcht da. Olham fühlte sich wie betäubt. Sein Kopf schmerzte, und vor seinen Augen drehte sich alles.
„Ich verstehe nicht", murmelte er.
In diesem Moment ließ der Flitzer den Boden unter sich und schoß in die Höhe, dem Himmel entgegen. Unter ihnen wurde das Projektgelände kleiner und kleiner und verschwand. Olham schloß den Mund.
„Wir können noch ein wenig warten", erklärte Peters. „Ich möchte ihm zuvor noch einige Fragen stellen."
Olham starrte benommen geradeaus, während der Käfer durch das All raste.
„Die Verhaftung ist erfolgt", sagte Peters zum Bildsprecher. Auf dem Monitor erschien das Gesicht des Sicherheitschefs. „Das dürfte für jeden eine Erleichterung sein."
„Irgendwelche Komplikationen?"
„Keine. Er ist ohne Verdacht zu schöpfen in den Käfer eingestiegen. Anscheinend hielt er meine Anwesenheit für nicht besonders ungewöhnlich."
„Wo befinden Sie sich jetzt?"
„Wir sind noch unterwegs, innerhalb der Schutzkuppel. Wir fliegen mit Höchstgeschwindigkeit. Man kann davon ausgehen, daß die kritische Periode vorbei ist. Ich bin froh, daß die Startdüsen dieses Flitzers sich in gutem Zustand befanden. Wenn es in jenem Augenblick einen Versager gegeben hätte... "
„Ich möchte ihn sehen", erklärte der Sicherheitschef. Er blickte Olham offen an, der reglos dasaß, die Hände im Schoß, die Augen starr geradeaus gerichtet.
„Das also ist der Mann." Eine Zeitlang musterte er Olham. Olham sagte nichts. Schließlich nickte der Beamte Peters zu. „In Ordnung. Das genügt." Eine leichte Andeutung von Ekel überschattete sein Gesicht. „Ich habe gesehen, was ich sehen wollte. Sie haben etwas vollbracht, an das man sich noch lange Zeit erinnern wird. Sie erhalten beide eine Belobigung."
„Das ist nicht nötig", wehrte Peters ab.
„Wie groß ist jetzt noch die Gefahr? Besteht noch immer die Möglichkeit, daß... "
„Die Möglichkeit besteht, aber sie ist nicht sehr wahrscheinlich. Soweit ich weiß, ist ein Kodewort erforderlich. Auf jeden Fall müssen wir das Risiko eingehen."
„Ich werde der Mondbasis Ihr Kommen ankündigen."
„Nein." Peters schüttelte den Kopf. „Ich werde das Schiff außerhalb der Basis landen. Ich möchte sie nicht in Gefahr bringen."
„Wie Sie wollen." Die Augen des obersten Sicherheitsbeamten flackerten, als er Olham noch einmal ansah. Dann verschwand sein Bild. Der Monitor wurde dunkel.
Olham wandte sich zum Fenster. Der Flitzer hatte bereits die Schutzkuppel durchstoßen und erhöhte mehr und mehr seine Geschwindigkeit. Peters hatte es eilig; unter dem Boden grollten die Düsen und arbeiteten mit höchster Leistungskraft. Sie hatten Angst vor ihm, schreckliche Angst, die sie zu größter Hast antrieb.
Neben ihm im Sitz bewegte sich Nelson unbehaglich hin und her. „Ich glaube, wir sollten es jetzt tun", sagte er. „Ich würde alles dafür geben, wenn wir es jetzt hinter uns bringen könnten."
„Nur keine Aufregung", riet Peters. „Ich möchte, daß Sie eine Weile das Schiff steuern, damit ich mit ihm reden kann."
Er glitt zu Olham hinüber, blickte ihm ins Gesicht. Schließlich streckte er eine Hand aus, berührte ihn vorsichtig am Arm und dann an der Wange.
Olham sagte nichts. Wenn ich nur Mary informieren könnte, dachte er wieder. Wenn ich nur Gelegenheit hätte, sie zu informieren. Er blickte sich um. Aber wie? Durch den Bildsprecher? Nelson saß an den Kontrollen und hielt die Waffe in der Hand. Es gab nichts, das er unternehmen konnte. Er war gefangen, saß in der Falle.
Aber warum?
„Hören Sie", begann Peters. „Ich möchte Ihnen einige Fragen stellen. Sie wissen, welches Ziel wir haben. Wir steuern den Mond an. In einer Stunde werden wir auf der erdabgewandten Seite, dem finsteren Teil des Mondes landen. Nachdem wir gelandet sind, werden wir Sie sofort einer Gruppe von Männern übergeben, die dort bereits auf Sie warten. Man wird Ihren Körper augenblicklich zerstören. Haben Sie das verstanden?" Er blickte auf seine Uhr. „Innerhalb von zwei Stunden werden Ihre Überreste zwischen den Kratern verstreut sein. Nichts wird von Ihnen zurückbleiben."
Olham kämpfte seine Betäubung nieder. „Können Sie mir nicht sagen..."
„Gewiß. Ich werde es Ihnen sagen." Peters nickte. „Vor zwei Tagen erhielten wir eine Meldung, daß ein außerirdisches Schiff die Schutzkuppel durchdrungen hat. Das Schiff setzte einen Spion in Gestalt eines humanoiden Roboters ab. Der Roboter hatte den Auftrag, ein bestimmtes menschliches Wesen zu töten und an seine Stelle zu treten."
Peters sah Olham ruhig an.
„Die Person, die der Roboter darstellen sollte, war Spence Olham, ein hochrangiger Wissenschaftler bei einem der Forschungsprojekte. Weil dieses bestimmte Projekt in eine entscheidende Phase eintrat, wurde der Roboter präpariert. In ihm befand sich eine U-Bombe. Unser Agent wußte nicht, wie die Bombe ausgelöst werden sollte, aber er vermutete, daß dies durch einen bestimmten Satz, eine gewisse Wortfolge geschehen würde. Der Roboter würde das Leben der Person, die er getötet hatte, fortsetzen, seinen üblichen Beschäftigungen nachgehen, sein Familienleben fortsetzen. Er wurde dafür konstruiert, diese Person namens Spence Olham zu ersetzen. Und niemand würde den Unterschied bemerken."
Olhams Gesicht war leichenblaß geworden.
Er starrte seine Hände an. „Aber ich bin doch Olham!”
„Als der Roboter Olham gefunden und getötet hatte, war es sehr einfach, sein Leben zu übernehmen. Der Roboter wurde wahrscheinlich vor acht Tagen von dem Schiff abgesetzt. Der Austausch erfolgte vermutlich während des letzten Wochenendes, als Olham einen kurzen Ausflug in die Berge unternahm."
„Aber ich bin Olham." Er wandte sich an Nelson, der vor den Kontrollen saß. „Erkennst du mich denn nicht? Du kennst mich doch seit zwanzig Jahren. Erinnerst du dich nicht an die Zeit, als wir zusammen das College besuchten?" Er stand auf. „Wir beide waren auf der Universität. Wir bewohnten das gleiche Zimmer." Er ging auf Nelson zu.
„Bleib mir vom Leib!" schrie Nelson.
„Hör mich doch an. Erinnerst du dich an unser zweites Semesterjahr? Erinnerst du dich an dieses Mädchen? Wie war doch gleich ihr Name..." Er rieb sich über die Stirn. „Die mit dem schwarzen Haar. Die, die wir bei Ted kennengelernt haben."
„Aufhören!" Nelson fuchtelte wütend mit seiner Waffe. „Ich will nichts mehr hören. Du hast meinen Freund Spence Oldham getötet! Du... Maschine."
Olham sah Nelson an. „Du irrst dich. Ich weiß nicht, was geschah, aber der Roboter hat mich nicht gefunden. Irgend etwas muß schiefgegangen sein. Vielleicht ist das Schiff abgestürzt." Er wandte sich an Peters. „Ich bin Olham. Ich weiß es. Es gab keinen Austausch. Ich bin derselbe, der ich immer war."
Er betastete sich, fuhr mit den Händen über seinen Körper. „Es muß doch einen Weg geben, das festzustellen. Bringen Sie mich zur Erde zurück. Sorgen Sie für eine Röntgenuntersuchung, eine neurologische Analyse, irgend etwas in dieser Art, das Sie überzeugen kann. Oder vielleicht findet man auch das abgestürzte Schiff."
Weder Peters noch Nelson sagten etwas.
„Ich bin Olham", beteuerte er wieder. „Ich weiß, wer ich bin. Aber ich kann es nicht beweisen."
„Der Roboter", erklärte Peters, „würde gar nicht darüber informiert sein, daß er nicht der echte Spence Olham ist. Er würde sowohl geistig als auch körperlich Olham sein. Man stattete ihn mit einem künstlichen Gedächtnis aus, mit falschen Erinnerungen. Er würde aussehen wie er, seine Erinnerungen, seine Gedanken und Interessen besitzen, seine Arbeit fortführen.
Aber ein Unterschied besteht. Im Innern des Roboters befindet sich eine U-Bombe, die bereit ist, auf den auslösenden Satz hin zu explodieren. Deshalb bringen wir Sie zum Mond. Man wird Sie zerlegen und die Bombe entfernen. Vielleicht wird sie explodieren, doch das spielt keine große Rolle dort oben."
Olham setzte sich langsam.
„Wir werden bald da sein", bemerkte Nelson.
Er lehnte sich zurück und dachte fieberhaft nach, während sich das Schiff langsam senkte. Unter ihnen lag die zerklüftete Oberfläche des Mondes, dieses endlose Kraterfeld. Was konnte er nur tun? Was konnte ihn noch retten?
„Machen Sie sich fertig", forderte ihn Peters auf.
In ein paar Minuten würde er tot sein. Tief unter sich konnte er einen winzigen Punkt erkennen, vermutlich irgendein Gebäude. In dem Gebäude hielten sich Männer auf, das Verschrottungsteam, das darauf wartete, ihn in Stücke zu zerlegen. Sie würden ihn aufschneiden, seine Arme und Beine abreißen, ihn auseinandernehmen. Wenn sie keine Bombe entdeckten, würden sie überrascht sein; dann würden sie wissen, daß er kein Roboter war, doch für ihn kam dieses Wissen dann zu spät.
Olham blickte sich in der kleinen Kabine um. Nelson umklammerte noch immer seine Waffe. Er hatte keine Chance. Wenn er doch nur einen Arzt erreichen könnte, der ihn einer Untersuchung unterzog - das war die einzige Möglichkeit. Mary konnte ihm helfen. Fieberhaft überlegte er, und seine Gedanken überschlugen sich. Nur ein paar Minuten blieben ihm noch. Wenn er doch nur mit ihr in Verbindung treten könnte.
„Also", sagte Peters. Das Schiff schwebte langsam nach unten, hüpfte auf dem rauhen Boden. Dann herrschte Stille.
„Hören Sie", begann Olham heiser. „Ich kann beweisen, daß ich Spence Olham bin. Holen Sie einen Arzt. Schaffen Sie ihn... "
„Dort kommt die Mannschaft", erklärte Nelson. „Sie werden gleich hier sein." Er blickte Olham nervös an. „Ich hoffe, daß nichts schiefgeht."
„Wir werden fort sein, bevor sie mit der Arbeit beginnen", sagte Peters. „In ein paar Minuten haben wir alles hinter uns." Er legte seinen Druckanzug an. Als er fertig war, ließ er sich von Nelson die Pistole geben. „Ich kümmere mich
um ihn."
Nelson stieg ebenfalls in seinen Druckanzug und arretierte hastig die Verschlüsse. „Was ist mit ihm?" Er deutete auf Olham. „Braucht er auch einen?"
„Nein." Peters schüttelte den Kopf. „Roboter benötigen keinen Sauerstoff."
Die Mannschaft hatte das Schiff fast erreicht. Sie verharrten, warteten. Peters gab ihnen ein Zeichen.
„Kommen Sie!" Er bewegte den Arm, und die Männer kamen vorsichtig näher; steife, groteske Gestalten in plumpen Raumanzügen.
„Wenn Sie die Luke öffnen", sagte Olham, „wird das meinen Tod bedeuten. Das ist Mord."
„Öffnen Sie die Luke", sagte Nelson. Er griff nach dem Schalter.
Olham beobachtete ihn. Er sah, wie sich die Hand des Mannes um das Metallrad legte. Im nächsten Moment würde die Luke aufgleiten und die Innenatmosphäre des Schiffes nach draußen entweichen. Er würde sterben, und schließlich würden sie erkennen, daß sie einen Fehler begangen hatten. Vielleicht würden zu einer anderen Zeit, wenn kein Krieg herrschte, die Menschen nicht auf diese Weise handeln, nicht einen anderen in den Tod hetzen, nur weil sie Angst hatten. Jeder empfand Furcht, jeder war bereit, den Einzelnen um der Gemeinschaft willen zu opfern.
Man wollte ihn töten, weil man nicht Zeit genug hatte, sich von seiner Unschuld zu überzeugen. Man durfte einfach nicht länger warten.
Er sah Nelson an. Nelson war seit Jahren sein Freund gewesen. Sie waren zusammen zur Schule gegangen. Er war Trauzeuge bei seiner Hochzeit gewesen. Nun war Nelson dabei, ihn zu töten. Aber Nelson war nicht schlecht; es war nicht seine Schuld. So waren die Zeiten. Vielleicht hatte sich ähnliches während der Pestepidemien ereignet. Sobald jemand einen Flecken aufwies, hatte man ihn vermutlich auch getötet, ohne einen Moment zu zögern, ohne Überprüfung, allein auf den Verdacht hin. In Zeiten der Gefahr gab es keine andere Möglichkeit.
Er nahm es ihnen nicht übel. Aber er wollte leben. Sein Leben war zu wertvoll, um geopfert zu werden. Olham überlegte nervös. Was konnte er tun? Gab es eine Möglichkeit? Er blickte sich verzweifelt um.
„Komm", sagte Nelson.
„Sie haben recht", erklärte Olham. Der Klang seiner eigenen Stimme überraschte ihn. Es war der Mut der Verzweiflung. „Ich brauche keine Luft. Öffnen Sie die Luke."
Sie erstarrten, blickten ihn verblüft, erregt an.
„Machen Sie schon. Öffnen Sie die Luke. Es spielt keine Rolle." Olhams Hand verschwand unter seinem Jacket. „Ich bin neugierig, wie weit Sie beide laufen können."
„Laufen?"
„Sie haben noch fünfzehn Sekunden zu leben." Unter seiner Jacke bewegten sich seine Finger, und sein Arm wurde plötzlich steif. Er entspannte sich, lächelte knapp. „Sie haben sich geirrt, was den Kode-Satz betrifft. In dieser Hinsicht haben Sie unrecht gehabt. Jetzt noch vierzehn Sekunden."
Zwei entsetzte Gesichter starrten ihn hinter den Helmscheiben der Druckanzüge an. Dann stolperten, rannten sie auf die Luke zu, rissen sie auf. Pfeifend entwich die Luft in das Vakuum. Peters und Nelson drängten sich aus dem Schiff. Olham setzte sich in Bewegung. Er griff nach dem Schott und drückte es zu. Der automatische Druckausgleicher setzte laut zischend ein und erneuerte die Atmosphäre. Olham entließ schaudernd die Luft aus der Lunge.
Noch eine Sekunde länger und...
Draußen vor dem Fenster hatten die beiden Männer die Mannschaft erreicht. Die Gruppe verteilte sich, und die
Männer rannten in alle Richtungen davon. Einer nach dem anderen warfen sie sich auf den Boden, suchten Deckung. Olham setzte sich an das Steuerpult. Er aktivierte die Kontrollen. Als sich das Schiff in den Himmel schraubte, kamen die Männer wieder auf die Beine und blickten ihm mit offenen Mündern nach.
„Tut mir leid", murmelte Olham, „aber ich muß zurück zur Erde."
Er steuerte das Schiff auf dem gleichen Kurs zurück, den sie gekommen waren.
Es war Nacht. Rings um das Schiff zirpten Grillen, erfüllten die frostige Dunkelheit mit ihren Lauten. Olham beugte sich über den Bildsprecher. Langsam formten sich die Umrisse; der Anruf war ohne Schwierigkeiten durchgekommen. Erleichtert atmete er auf.
„Mary", stieß er hervor. Die Frau starrte ihn an. Sie keuchte.
„Spence! Wo bist du? Was ist geschehen?"
„Das kann ich dir jetzt nicht sagen. Hör zu, ich muß schnell sprechen. Sie können die Verbindung jeden Augenblick unterbrechen. Du mußt zum Projekt fahren und Dr. Chamberlain suchen. Wenn er dort nicht ist, dann nimm irgendeinen anderen Arzt. Bring ihn zum Haus und sorge dafür, daß er dort bleibt. Er soll seine Apparate mitbringen, Röntgengerat, Fluoroskop, alles."
„Aber... "
„Tu, was ich dir sage. Beeile dich. Er soll sich in einer Stunde bereithalten." Olham schob sich näher an den Bildschirm heran. „Ist alles in Ordnung? Bist du allein?"
„Allein?"
„Ist jemand bei dir? Hat... hat Nelson oder sont jemand mit dir gesprochen?"
„Nein, Spence. Ich verstehe das alles nicht."
„In Ordnung. Ich werde in einer Stunde bei dir im Haus sein. Und sprich mit niemand darüber. Sorge unter irgendeinem Vorwand dafür, daß Chamberlain kommt. Gib an, daß du schwerkrank bist."
Er unterbrach die Verbindung und blickte auf seine Uhr. Einen Moment später verließ er das Schiff, schritt in die Dunkelheit hinein. Vor ihm lag ein knapper Kilometer.
Er begann schneller zu gehen.
Licht schimmerte durch das Fenster - die Stehlampe. Er kauerte am Zaun und beobachtete das Haus. Kein Laut ertönte, keine Bewegung war zu entdecken. Er hob seine Uhr und las bei Sternenlicht die Zeit ab. Fast eine Stunde war inzwischen vergangen.
Ein Flitzerkäfer huschte die Straße entlang und verschwand wieder.
Olham sah zum Haus hinüber. Der Arzt mußte bereits eingetroffen sein. Vermutlich befand er sich zusammen mit Mary im Wohnzimmer und wartete auf ihn. Olham kam ein Gedanke. Hatte sie das Haus überhaupt verlassen können? Vielleicht hatte man sie daran gehindert. Vielleicht tappte er geradewegs in eine Falle.
Aber was blieb ihm anders übrig?
Mit den Untersuchungen, Aufnahmen und Berichten des Arztes hatte er eine Chance, eine Chance zu beweisen, daß er noch immer Olham war. Wenn er erreichte, daß man ihn untersuchte, daß er lang genug lebte, um von ihm getestet zu werden...
Auf diese Weise konnte er es beweisen. Vermutlich war dies auch die einzige Möglichkeit. Seine einzige Hoffnung befand sich im Innern des Hauses. Dr. Chamberlain war ein geachteter Mann. Er war ein Stabsarzt des Projekts. Er würde es wissen, sein Wort in dieser Angelegenheit würde Gewicht besitzen. Er würde ihrer Hysterie, ihrem Wahnsinn
mit Tatsachen begegnen.
Wahnsinn. - Das war es. Wenn sie nur warten, langsamer vorgehen, in Ruhe handeln würden. Aber sie konnten nicht warten. Er mußte sterben, augenblicklich sterben, ohne Untersuchung, ohne Verhandlung, ohne Prüfung. Der einfachste Test würde es beweisen, aber sie hatten keine Zeit, auch nur den einfachsten Test durchzuführen. Sie konnten nur noch an die Gefahr denken. An Gefahr, und sonst an nichts anderes.
Er erhob sich und bewegte sich auf das Haus zu. Dann erreichte er die Veranda. Vor der Tür verharrte er, horchte. Noch immer kein Laut. Im Haus war es vollkommen still - zu still.
Olham stand bewegungslos auf der Veranda. Im Haus versuchte man jeden Laut zu vermeiden. Warum? Es war ein kleines Haus; nur ein paar Schritte entfernt, hinter der Tür mußten Mary und Dr. Chamberlain stehen. Trotzdem konnte er nichts hören, kein Stimmengemurmel, einfach nichts. Er starrte die Tür an. Es war eine Tür, die er schon tausendmal geöffnet und geschlossen hatte, jeden Morgen und jeden Abend.
Er legte seine Hand auf den Türknauf. Dann, mit einem Mal, hob er die Hand und betätigte statt dessen die Türglokke. Die Glocke läutete, erklang irgendwo im Innern des Hauses. Olham lächelte. Er hörte, wie sie sich bewegten.
Mary öffnete die Tür. Sobald er ihr Gesicht sah, wußte er Bescheid.
Er rannte los, warf sich in das Gebüsch. Ein Sicherheitsbeamter stieß Mary zur Seite und feuerte an ihr vorbei. Die Büsche barsten auseinander. Olham kroch weiter, sprang auf und rannte los, eilte mit pochendem Herzen in die Dunkelheit hinaus. Ein Scheinwerfer flammte auf, und ein Lichtstrahl kreiste suchend hinter ihm.
Er überquerte die Straße und sprang über einen Zaun. Er prallte auf dem Boden auf und hastete durch einen Hinterhof. Hinter ihm näherten sich Männer, Sicherheitsbeamte, die einander irgendwelche Worte zuriefen, während sie ihm folgten. Olham schnappte nach Luft, seine Brust hob und senkte sich.
Ihr Gesicht... Er hatte es mit einemmal gewußt. Die zusammengekniffenen Lippen, die entsetzten, aufgerissenen Augen. Er stellte sich vor, er hätte so gehandelt, wie ursprünglich geplant, die Tür geöffnet und wäre eingetreten! Sie hatten den Anruf aufgezeichnet und waren sofort zur Stelle gewesen, nachdem er aufgelegt hatte. Wahrscheinlich glaubte Mary ihren Angaben. Kein Zweifel, auch sie hielt ihn für einen Roboter.
Olham lief und lief. Er entkam den Beamten, ließ sie weit hinter sich zurück. Offenbar befanden sich unter ihnen keine guten Läufer. Er kletterte einen Hügel hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Gleich würde er das Schiff erreicht haben. Aber wohin danach? Er bewegte sich langsamer und blieb dann stehen. Er konnte den Flitzer bereits sehen; er zeichnete sich gegen den Himmel ab, dort, wo er gelandet war. Die Siedlung lag hinter ihm; er befand sich in den Außengebieten der Wildnis, die die bewohnten Gebiete trennte, wo die Wälder und Einöden begannen. Er überquerte ein verdorrtes Feld und erreichte die ersten Bäume, wo er sich fürs erste verstecken konnte.
Als er den Flitzer fast erreicht hatte, öffnete sich die Luke.
Peters trat heraus, umrahmt von dem Glanz der Innenbeleuchtung. In den Händen hielt er eine schwere BorisPistole. Olham blieb stehen, erstarrte. Peters blickte sich um, versuchte die Dunkelheit zu durchdringen. „Ich weiß, daß Sie irgendwo in der Nahe sind", sagte er. „Kommen Sie her, Olham. Es wimmelt überall nur so von Sicherheitsbeamten."
Olham rührte sich nicht.
„Hören Sie mir zu. Wir werden Sie bald erwischen. Offenbar glauben Sie noch immer nicht, daß Sie ein Roboter sind. Ihr Anruf bei der Frau beweist, daß Sie noch immer von den Illusionen Ihrer künstlichen Erinnerungen beherrscht werden.
Aber Sie sind der Roboter. Sie sind der Roboter, und in Ihrem Innern befindet sich die Bombe. Jeden Moment können Sie oder ich oder irgend jemand anders den Kodesatz aussprechen. Wenn das geschieht, wird die Bombe alles in Kilometern Umkreis zerstören. Das Projekt, die Frau, wir alle werden getötet werden. Verstehen Sie das?"
Olham sagte nichts. Er horchte. Menschen näherten sich ihm, schlichen durch den Wald.
„Wenn Sie nicht herauskommen, werden wir Sie jagen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir Sie erwischen. Wir werden Sie nicht noch einmal zur Mondbasis bringen. Sobald Sie entdeckt werden, zerstören wir Sie, und wir werden das Risiko in Kauf nehmen, daß die Bombe dabei explodiert. Ich habe alle verfügbaren Sicherheitskräfte in diesem Gebiet zusammengezogen. Der ganze Bezirk wird Quadratmeter für Quadratmeter abgesucht. Es gibt keinen Ort, zu dem Sie flüchten können. Ein Kordon bewaffneter Männer hat diesen Wald umstellt. Sie haben noch etwa sechs Stunden, bis der letzte Fleck überprüft ist."
Olham entfernte sich lautlos. Peters redete weiter; er hatte ihn noch immer nicht entdeckt. Es war zu dunkel, um etwas zu sehen. Aber Peters hatte recht. Es gab keinen Ort, zu dem er fliehen konnte. Er war jenseits der Siedlung, in den Außenbereichen, wo der Wald begann. Er konnte sich eine Zeitlang verstecken, aber sie würden ihn auf jeden Fall erwischen.
Alles eine Frage der Zeit.
Olham hastete leise durch den Wald. Kilometer um Kilometer, jedes Fleckchen des Bezirks wurde abgesucht, überprüft, kontrolliert. Der Ring schloß sich immer enger, mit jeder Sekunde blieb ihm weniger und weniger Raum.
Was blieb ihm noch? Er hatte den Flitzer verloren, die einzige Hoffnung auf Flucht. Sie waren in seinem Haus; seine Frau war bei ihnen und glaubte zweifellos, daß der echte Olham ermordet worden war. Er ballte die Fäuste. Irgendwo lag ein abgestürztes außerirdisches Nadelschiff, und in ihm die Überreste des Roboters. Irgendwo in der Nähe war das Schiff abgestürzt und auseinandergebrochen.
Und unter den Trümmern lag der beschädigte Roboter.
Schwache Hoffnung keimte in ihm auf. Was wäre, wenn er seine Überreste fand? Wenn er ihnen das Wrack, die Überreste des Schiffes, des Roboters zeigen konnte...
Aber wo? Wo sollte er suchen?
Er marschierte weiter, tief in Gedanken versunken. Vermutlich war es nicht weit von ihm entfernt. Das Schiff mußte in der Nähe des Projektgeländes niedergegangen sein; der Roboter hatte vermutlich den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen sollen. Er erklomm eine Anhöhe und sah sich um. Abgestürzt und verbrannt. Gab es einen Anhaltspunkt, irgendeinen Hinweis? Hatte er etwas gelesen, etwas gehört, was daraufhindeutete? Irgendein verlassener Ort, ein einsamer Fleck, wo sich nie Menschen aufhielten?
Plötzlich lächelte Olham. Abgestürzt und verbrannt...
Sutton Wood.
Er beschleunigte seine Schritte.
Es war Morgen. Das Sonnenlicht sickerte durch die verwüsteten Bäume, schien auf den Mann herab, der sich am Rande der Lichtung zusammengekauert hatte. Olham blickte hin und wieder auf und horchte. Sie waren nicht mehr weit entfernt, vielleicht nur noch ein paar Minuten. Er lächelte.
Unter ihm, über die Lichtung verstreut und über die ver kohlten Stümpfe, die einst Sutton Woods gewesen waren, lagen ineinander verkantete Wrackteile. Im Sonnenlicht glitzerten sie ein wenig, glühten mild. Es war nicht allzu schwer gewesen, die Absturzstelle zu finden. Sutton Wood war ein Ort, den er sehr gut kannte; schon oft in seinem Leben, als er noch jünger gewesen war, hatte er sich hier aufgehalten. Er hatte gewußt, wo er die Überreste finden würde. Da war eine Felsgruppe, die schroff aus dem Waldboden aufragte.
Ein landendes Schiff, dessen Pilot den Wald nicht kannte, hatte nur eine geringe Chance, nicht daran zu zerschellen. Und jetzt hockte er geduckt auf den Steinen und blickte auf das Schiff - oder auf das, was von ihm übriggeblieben war hinunter.
Olham stand auf. Er konnte sie hören, und sie waren ganz nah, kamen heran, unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Er spannte die Muskeln an. Alles hing davon ab, wer ihn als erster sah. Falls es Nelson war, hatte er keine Chance. Nelson würde ihn sofort niederschießen. Er würde tot sein, bevor sie das Schiff entdeckten. Aber wenn er Zeit hatte, sie anzurufen, sie einen Moment lang aufzuhalten... Das war alles, was er brauchte. Sobald sie das Schiff sahen, war er gerettet.
Aber wenn sie zuerst schossen...
Ein verkohlter Zweig knackte. Eine Gestalt erschien und kam vorsichtig näher. Olham holte tief Luft. Ihm blieben nur noch ein paar Sekunden, vielleicht die letzten Sekunden seines Lebens. Er hob einen Arm und äugte forschend nach unten.
Es war Peters.
„Peters!" Olham winkte ihm zu. Peters hob seine Waffe und zielte. „Schießen Sie nicht!" Seine Stimme zitterte. „Warten Sie einen Augenblick. Schauen Sie dort, auf der Lichtung."
„Ich habe ihn gefunden", schrie Peters. Sicherheitsbeamte
lösten sich aus dem verkohlten Wald.
„Schießen Sie nicht. Schauen Sie. Das Schiff, das Nadelschiff. Das Schiff der Außerirdischen. Schauen Sie!"
Peters zögerte. Er ließ seine Waffe sinken.
„Es ist dort unten", sprudelte Olham rasch hervor. „Ich wußte, daß ich es hier finden würde. Der Waldbrand. Nun müssen Sie mir glauben. Sie werden die Überreste des Roboters in dem Schiff entdecken. So sehen Sie doch endlich nach."
„Dort unten ist tatsächlich irgend etwas", sagte einer der Männer nervös.
„Schießen Sie!" erklang eine Stimme. Es war Nelson.
Peters drehte sich herum. „Ich habe das Kommando. Es wird niemand schießen. Vielleicht sagt er die Wahrheit."
„Schießen Sie", verlangte Nelson erneut. „Er hat Olham getötet. Und jeden Augenblick kann er auch uns töten. Wenn die Bombe explodiert... "
„Seien Sie still." Peters näherte sich dem Abhang. Er blickte nach unten. „Schauen Sie sich das an." Er winkte zwei Männer zu sich heran. „Gehen Sie hinunter und sehen Sie nach, um was es sich dabei handelt."
Die Männer eilten den Hang hinunter, quer über die Lichtung. Sie bückten sich, stöberten in den Überresten des Schiffes.
„Nun?" rief Peters.
Olham hielt den Atem an. Er lächelte leise. Es mußte dort sein; er hatte nicht die Zeit gehabt, sich selbst zu überzeugen, aber es mußte einfach dort sein. Plötzlich überfielen ihn Zweifel. Angenommen, der Roboter hatte lang genug funktioniert, um sich von der Absturzstelle zu entfernen? Angenommen, sein Körper war völlig zerstört, durch das Feuer zu Asche verbrannt worden?
Er preßte die Lippen aufeinander. Schweiß trat ihm auf die Stirn. Nelson starrte ihn an, und sein Gesicht war immer
noch gerötet. Seine Brust hob und senkte sich.
„Töten Sie ihn", sagte Nelson. „Bevor er uns umbringt."
Die beiden Männer erhoben sich.
„Was haben Sie gefunden?" fragte Peters. Er hielt die Waffe schußbereit. „Ist dort irgend etwas?"
„Sieht so aus. Es ist tatsächlich ein Nadelschiff. Und dort befindet sich noch etwas."
„Ich werde es mir anschauen." Peters hastete an Olham vorbei. Olham blickte ihm nach, wie er den Hügel hinunter auf die Männer zuging. Die anderen folgten ihm neugierig.
„Es ist eine Art Körper", erklärte Peters. „Schauen Sie sich das an!"
Olham schritt auf sie zu. Sie standen im Kreis und blickten auf etwas hinunter.
Auf dem Boden lag, verbogen und zerdrückt, eine groteske Gestalt. Sie wirkte menschlich, wenn man davon absah, daß sie so seltsam verkrümmt war, daß Arme und Beine nach allen Richtungen abstanden. Der Mund stand offen; die Augen wirkten glasig.
„Wie eine stillgelegte Maschine", murmelte Peters. Olham lächelte schwach. „Nun?" sagte er.
Peters blickte ihn an. „Ich kann es nicht glauben. Sie haben die ganze Zeit die Wahrheit gesagt."
„Der Roboter hat mich nie gefunden", fuhr Olham fort. Er holte eine Zigarette hervor und setzte sie in Brand. „Er wurde zerstört, als das Schiff abstürzte. Sie waren alle viel zu sehr mit dem Krieg beschäftigt, um sich zu fragen, warum ein abgelegener Wald so plötzlich abbrennen kann. Nun wissen Sie es."
Er stand rauchend da und beobachtete die Männer. Sie waren dabei, die grotesken Überreste des Roboters vom Schiff fortzuschleppen. Der Körper war steif, die Arme und Beine wie erstarrt.
„Jetzt werden Sie auch die Bombe finden", sagte Olham.
Die Männer legten den Körper auf den Boden. Peters bückte sich.
„Ich glaube, ich sehe schon einen Teil davon." Er streckte eine Hand aus und berührte den Körper.
Die Brust der Maschine war aufgeplatzt. In dem klaffenden Riß glitzerte etwas. Etwas Metallisches. Schweigend starrten die Männer das Metall an.
„Das hier hätte uns alle vernichtet, wäre es nicht selbst zerstört worden", bemerkte Peters. „Dieser Metallkasten."
Stille herrschte.
„Ich glaube, wir schulden Ihnen eine Menge", wandte sich Peters an Olham. „Für Sie muß das ein Alptraum gewesen sein. Wären Sie nicht entkommen, hätten wir..." Er brach ab.
Olham drückte seine Zigarette aus. „Ich wußte natürlich, daß mich der Roboter niemals gefunden hatte. Aber ich hatte keine Möglichkeit, Ihnen das zu beweisen. Manchmal ist es unmöglich, etwas sofort zu beweisen. Das war das ganze Problem. Ich konnte einfach nicht nachweisen, daß ich ich selbst war."
„Wie wäre es mit einem Urlaub?" fragte Peters. „Ich glaube, daß wir es einrichten können, Ihnen einen Monat Urlaub zu geben. Sie könnten sich ausruhen, sich erholen."
„Im Augenblick möchte ich nur nach Hause gehen", erklärte Olham.
„Einverstanden", nickte Peters. „Wie Sie wünschen."
Nelson hatte sich auf den Boden gekauert, hockte direkt neben dem Robotwrack. Er griff nach dem Metallstück, das in der Brust glitzerte.
„Faß es nicht an", sagte Olham. „Vielleicht ist sie noch immer scharf. Wir sollten das besser dem Expertentrupp überlassen."
Nelson sagte nichts. Plötzlich umklammerte er das Metallstück und zerrte daran, griff mit seiner Hand in die Brust. Er zerrte heftiger.
„Was machst du da?" schrie Olham.
Nelson stand auf. Er hielt den Metallgegenstand in der Hand. Sein Gesicht war schreckensbleich. Es war ein Messer, ein Nadelmesser der Außerirdischen, und blutverschmiert.
„Das hat ihn getötet", flüsterte Nelson, „Damit wurde mein Freund umgebracht." Er sah Olham an. „Du hast ihn damit getötet und neben dem Schiff zurückgelassen."
Olham zitterte. Seine Zähne klapperten aufeinander. Er blickte von dem Messer zu dem Leichnam. „Das kann nicht Olham sein", sagte er. Er war wie betäubt, alles drehte sich um ihn. „Habe ich mich getäuscht?"
Er keuchte.
„Aber wenn das Olham ist, dann muß ich... "
Er beendete den Satz nicht, nur die erste Hälfte. Der Atomblitz war sogar noch auf Alpha Centauri zu sehen.