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Am Freitagmorgen zogen schwere Wolken über Bartlesville auf, aus denen gegen Mittag die ersten Tropfen fielen. Willie Chandler sah aus dem Fenster seiner kleinen Werkstatt, in der er Radios und Fernsehgeräte reparierte, und freute sich, daß er einige belegte Brote mitgebracht hatte, so daß er nicht in das Restaurant gehen mußte.

Das war allerdings das einzige, worüber er sich wirklich freuen konnte.

Das Geschäft ging schlecht, und Willie steckte bis über beide Ohren in Schulden. Als er vor drei Jahren seine Werkstatt einrichtete, hatte er noch geglaubt, daß Bartlesville groß genug sei, um ihm eine regelmäßige Beschäftigung zu sichern.

Willie Chandler war zweiunddreißig; er war groß und schlank und trug eine Hornbrille. Sein fröhliches Lächeln machte ihn überall beliebt, so daß die Leute alle nötigen Reparaturen bei ihm ausführen ließen. Aber trotzdem verdiente er zu wenig, um seinen Lebensunterhalt und den seiner gelähmten Mutter zu bestreiten.

Er aß gerade sein zweites Sandwich und trank dazu heißen Kaffee aus einer Thermosflasche, als vom Fenster her ein leichtes Kratzen hörbar wurde.

Auf dem Fensterbrett saß eine große schwarze Katze und kratzte mit der Pfote gegen die Scheibe. Das Tier tropfte geradezu vor Nässe und erregte Willies Mitleid, denn er mochte Katzen.

»Willst du einen Augenblick hereinkommen? Sehr vernünftig!« Willie öffnete das Fenster einen Spalt breit, und die Katze sprang leicht zu Boden.

Der Mann hatte ihr etwas von seinem Brot abgegeben und stand nun auf, um der Katze einen Schluck Wasser zu holen, als das Telefon klingelte. Er nahm den Hörer ab. »Willie Chandler, Radio- und Fernsehreparaturen.«

»Hier spricht Cap Hayden, Willie.« Cap Hayden gehörte der General Store, dem die kleine Poststelle angeschlossen war. »Ich wollte dir nur sagen, daß das Paket aus Chicago angekommen ist.«

»Prima, Cap. Ich komme gleich.«

»Noch etwas, Willie – es ist ein Nachnahmepaket und kostet sechs Dollar achtzig. Diesmal kann ich es nicht aufschreiben, weil die Postkasse gesondert geführt werden muß.«

»So ein Pech«, meinte Willie bedauernd. »Hör zu, Cap, ich brauche das Paket dringend, damit ich Dolf Marshs Fernsehapparat reparieren kann. Dafür bekomme ich dann zwanzig Dollar – in dem Ding steckt bereits eine Menge Arbeit – und Dolf zahlt sofort bei der Ablieferung. Aber im Augenblick habe ich nur noch etwas über drei Dollar in der Tasche. Könntest du mir nicht den Rest leihen? Ich gebe dir das Geld sofort zurück, nachdem ich den Apparat abgeliefert habe.«

»Okay, Willie, das läßt sich machen.«

»Danke. Cap. Ich komme gleich.«

Willie nahm Hut und Mantel von einem Haken, ging zur Tür und drehte sich noch einmal um. »Katze«, sagte er, »du mußt auf den Laden aufpassen, während ich fort bin. Wenn jemand hereinkommen sollte – aber das ist unwahrscheinlich –, dann soll er einen Augenblick warten, bis ich zurück bin.«

Er öffnete die Tür und wandte sich noch einmal zurück. »Katze«, sagte er, »du kannst gern hierbleiben, solange es draußen regnet, aber ich werde dich nicht behalten. Das kann ich mir nicht leisten, denn wie du gehört hast, bin ich völlig pleite – und so wird es wohl auch noch längere Zeit hindurch sein.«

Die Katze gab keine Antwort. Willie ging hinaus und schloß die Tür hinter sich.

Als er nach einer Viertelstunde zurückkam, stellte er erstaunt fest, daß die Katze seine Abwesenheit ausgenutzt hatte, um sich überall gründlich umzusehen. In dem dünnen Staubfilm, der den Arbeitstisch teilweise bedeckte, war zu erkennen, wo sie umhergewandert war.

Auf dem Tisch lag auch ein Handbuch über Elektronik, das jetzt an einer anderen Stelle als zuvor aufgeschlagen war. »Katze, hast du dich über Elektronik informiert?« fragte Willie und mußte dabei unwillkürlich lachen. Anscheinend hatte er sich doch mit der Seite geirrt.

Er ließ sich auf seinem Stuhl nieder, nachdem er das Paket geöffnet hatte, und klopfte einladend auf den Tisch. »Komm, wenn du mir bei der Arbeit zusehen willst. Ich würde dir gern alles erklären, aber dazu verstehe ich selbst nicht genug von Elektronik. Es reicht gerade für diese Art Reparaturen, aber darüber hinaus habe ich genauso wenig Ahnung wie du. Aber du darfst mir gern zusehen.«

Er klopfte noch einmal auf den Tisch, und diesmal folgte die Katze seiner Einladung. Sie saß bewegungslos da und beobachtete jeden Handgriff mit einer Konzentration, die für Katzen typisch ist. Willie erklärte ihr jeden Arbeitsgang, während er die Röhre einsetzte, einen Widerstand auswechselte und einige Drähte anlötete.

Die Katze erwies sich als ausgezeichneter Zuhörer. Als sie schließlich nach einiger Zeit auf den Boden sprang, an die Tür lief und dort miaute, schob Willie nur ungern den Stuhl zurück, um sie hinauszulassen.

»Schade, daß du schon gehen mußt, Katze«, sagte er freundlich. »Hoffentlich besuchst du mich bald wieder.«

Draußen regnete es nicht mehr. Willie sah der Katze bedauernd nach, als sie über die Straße rannte und in einem Torweg verschwand.

Willie erfuhr nie, daß er in dieser einen Stunde gewogen und als zu leicht befunden worden war; daß ihm ein Erlebnis erspart geblieben war, das unweigerlich mit seinem Tod geendet hätte.

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