Krug steht dicht vor der Transmatkabine, schwer atmend, zitternd. Er hat seine Bewegung genau berechnet. Ein oder zwei Schritte mehr, und er wäre Thor Watchman in das Feld gefolgt. Er ringt nach Atem. Dann tritt er zurück, wendet sich um.
Der Turm liegt in Trümmern. Tausende von Androiden stehen herum wie Statuen. Die Alphafrau Lilith Meson liegt, das Gesicht nach unten, im Schlamm und schluchzt. Ein Dutzend Meter entfernt kniet Manuel, eine traurige Gestalt, blutbefleckt, mit Schlamm bespritzt, seine Kleider in Fetzen, seine Augen leer, sein Gesicht kreidebleich und schlaff.
Krug empfindet ein großes Gefühl des Friedens. Sein Kopf ist klar. Er fühlt sich von allen Fesseln befreit. Er tritt zu Manuel.
»Steh auf«, sagt er.
Krug greift ihm unter die Arme, zieht ihn hoch und hält ihn, bis er aus eigener Kraft stehen kann.
Krug sagt: »Du bist jetzt der Boß. Ich überlasse dir alles. Leite den Widerstand, Manuel. Übernimm das Kommando. Stelle die Ordnung wieder her. Du bist der Mann an der Spitze. Du bist Krug. Verstehst du mich, Manuel? In diesem Augenblick danke ich ab.«
Manuel lächelt. Manuel hustet. Manuel starrt auf den schlammigen Boden.
»Es gehört alles dir, mein Junge. Ich weiß, du wirst es meistern. Die Dinge mögen düster aussehen heute, aber das ist nur vorübergehend. Du hast jetzt ein Reich, für dich, für Clarissa, für eure Kinder.«
Krug umarmt seinen Sohn. Dann geht er zu den Transmatkabinen. Er stellt die Koordinaten für das Fahrzeugmontagezentrum in Denver ein.
Tausende von Androiden sind anwesend, doch keiner scheint zu arbeiten. Sie starren Krug gelähmt vor Entsetzen an. »Wo ist Alpha Fusion?« fragt er. »Hat ihn jemand gesehen?«
Romulus Fusion erscheint. Er ist bestürzt beim Anblick Krugs. Krug gibt ihm keine Gelegenheit zu sprechen.
»Wo ist das Raumschiff?« fragt er sofort.
»Auf der Startrampe«, sagt der Alpha stockend.
»Führ mich hin.«
Die Lippen des Alpha bewegen sich zögernd, als wolle er Krug sagen, es habe eine Revolution stattgefunden, Krug sei nicht länger der Herr, seine Befehle hätten kein Gewicht mehr. Doch Alpha Fusion sagt nichts. Er nickt nur.
Er begleitet Krug zum Raumschiff. Da steht es, wie zuvor, verlassen auf der großen Rampe.
»Ist es fertig zum Start?« fragt Krug.
»Wir wollten in drei Tagen den ersten Testflug mit ihm durchführen, Sir.«
»Keine Zeit für einen Test jetzt. Sofortiger Start für eine interstellare Reise. Wir werden es per Automatik steuern. Besatzung ein Mann. Sag der Bodenstation, sie sollen das Schiff für sein früher besprochenes Reiseziel programmieren, Höchstgeschwindigkeit.«
Wieder nickt Romulus Fusion. Er bewegt sich wie in einem Traum. »Ich werde Ihre Instruktionen weitergeben«, sagt er.
»Gut. Sorgen Sie dafür, daß alles schnell geht.«
Der Alpha entfernt sich. Krug besteigt das Schiff, schließt und verriegelt die Luke hinter sich. Der planetarische Nebel NGC 7293 im Wassermann brodelt in seinem Gehirn, strahlt pulsierendes Licht aus, tönendes Licht, das wie ein Gong im Himmel klingt. Krug kommt, murmelt: Wartet! Wartet auf mich, ihr da oben! Krug kommt, um mit euch zu sprechen. Irgendwie. Ich werde einen Weg finden.
Selbst wenn eure Sonne Feuer ausstrahlt, das mich verbrennt, bevor ich euch erreicht habe. Krug kommt, um mit euch zu sprechen.
Er geht durch das Schiff. Alles ist in Ordnung.
Er schaltet nicht den Bildschirm für einen letzten Blick auf die Erde ein. Krug hat der Erde den Rücken gekehrt. Er weiß, wenn er jetzt hinausschaut, dann sieht er Brände in allen Städten aufflammen, und das will er nicht sehen; das einzige Feuer, das ihn jetzt hoch interessiert, ist jener feurige Ring im Wassermann. Die Erde ist etwas, das er Manuel vererbt hat.
Krug entkleidet sich. Er legt sich in eine der Gefriereinheiten des Lebensunterbrechungssystems. Er ist bereit zur Abreise. Er weiß nicht, wie lange die Reise dauern wird, noch ob er an ihrem Ende etwas vorfinden wird. Aber sie haben ihm keine andere Wahl gelassen. Er überantwortet sich ganz seinen Maschinen, seinem Raumschiff.
Krug wartet.
Werden sie diesem seinem letzten Befehl gehorchen?
Krug wartet.
Der Glasdeckel der Gefriereinheit schließt sich plötzlich, schneidet ihn vollkommen von der Außenwelt ab. Krug lächelt. Jetzt fühlt er die kühlende Flüssigkeit einströmen; er erschauert, als sie sein Fleisch berührt. Sie steigt an ihm hoch. Ja, die Reise wird bald beginnen. Krug wird zu den Sternen fliegen. Draußen stehen die Städte der Erde in Flammen. Ihn lockt jenes andere Feuer, der Gong im Himmel. Krug kommt! Krug kommt! Die Kühlflüssigkeit bedeckt jetzt beinahe seinen ganzen Körper. Er versinkt in Lethargie. Der pulsierende Lebensstrom in seinem Innern verebbt. Sein fieberndes Gehirn wird ruhig. Er war noch nie so vollkommen entspannt gewesen. Phantome tanzen in seinem Gehirn: Clarissa, Manuel, Thor, der Turm, Manuel, der Turm, Thor, Clarissa. Dann sind sie verschwunden, und er sieht nur noch den feurigen Ring von NGC 7293. Auch der beginnt zu verblassen. Er atmet jetzt kaum noch. Schlaf senkt sich auf ihn herab. Er wird den Start nicht spüren. Fünf Kilometer entfernt sprechen einige treu gebliebene Androiden zu einem Computer; sie schicken Krug zu den Sternen. Er wartet. Jetzt schläft er. Die kalte Flüssigkeit hat ihn verschlungen. Krug hat seinen Frieden gefunden. Er verläßt die Erde für immer. Er tritt seine letzte Reise an.