Lilith Meson sagte: »Ich hatte einen Besucher hier, gestern morgen, Thor.«
»Manuel Krug?«
»Nein. Siegfried Fileclerk.«
Watchman richtete sich in Liliths tiefem Schaumstoffsessel auf. »Fileclerk. Hier? Warum?«
Lilith lachte. »Bist du jetzt schon so menschlich, daß du Eifersucht empfindest, Thor?«
»Ich finde das nicht lächerlich. Aus welchem Grund ist er in deine Wohnung gekommen?«
»Er kam ins Büro«, erwiderte Lilith. »Du weißt, er ist beim Eigentumsschutzamt in Buenos Aires, und er wollte mit mir eine neue Klausel in ihrem Kontrakt besprechen. Hinterher fragte er mich, ob er mich zu Hause besuchen könnte. Nun, ich lud ihn ein. Die Sache erschien mir harmlos.«
»Und?«
»Er versuchte, mich für die AGP zu gewinnen.«
»Ist das alles?«
»Nein«, sagte Lilith. »Er will, daß ich auch dich anwerbe.«
Watchman hustete. »Dafür besteht nur eine sehr geringe Chance.«
»Er meint es ungeheuer ernst, Thor. Er geht in der Sache der Gleichheit und Freiheit vollkommen auf. Zwei Minuten, nachdem wir hereingekommen waren, begann er mich mit Argumenten für sofortige politische Aktionen zu überschütten. Ich sagte ihm, ich sei religiös. Er sagte, das mache nichts, ich könnte weiterbeten für die wunderbare Intervention Krugs, doch inzwischen sollte ich diese Petition unterschreiben. Nein, sagte ich. Ich unterschreibe nie etwas. Er gab mir einen Stapel von Propagandawürfeln, das ganze AGP-Programm. Sie liegen in der Küche, wenn du dich dafür interessierst. Er war länger als eine Stunde hier.« Lilith lächelte verwirrend. »Ich habe seine Petition nicht unterschrieben.«
»Warum aber hat er sich an dich gewandt?« fragte Watchman. »Gedenkt er jeden Alpha in der Welt anzusprechen, einen nach dem andern, um sie für seine Sache zu gewinnen?«
»Ich habe es dir bereits gesagt. Er will, daß du unterzeichnest. Er weiß, daß ich in engen Beziehungen zu dir stehe, und er glaubt, wenn er mich überzeugen kann, wird er auch dich überreden können! Er hat mir das deutlich und mehrfach gesagt. Und wenn du unterschriebst, würden alle folgen.« Lilith richtete sich auf. »Er sagte wörtlich: ›Wenn Alpha Watchman auf unsere Seite tritt, Alpha Meson, bringt er viele einflußreiche Alphas mit. Es könnte der Wendepunkt in unserer gesamten Bewegung sein. Alpha Watchman halt vielleicht die Zukunft jedes Androiden in seiner Hand.‹ Wie denkst du darüber, Alpha Watchman?«
»Ich bin tief bewegt, Alpha Meson. Ich kann dir nicht beschreiben, wie sehr ich mich dadurch geehrt fühle. Wie hast du es fertig gebracht, ihn loszuwerden?«
»Indem ich versuchte, ihn zu verführen.«
»Wie?«
»Du hältst mich wohl für eine Hure, Thor? Ich werde nicht darüber reden, wenn du es nicht wünschst.«
»Ich wurde nicht programmiert, Eifersucht zu empfinden«, sagte Watchman gleichgültig. »Wenn du mich zum besten hältst, erreichst du nichts bei mir. Ich bin nicht in der Stimmung für alberne Scherze.«
»Nun gut. Es tut mir leid, daß ich überhaupt etwas gesagt habe.«
»Rede weiter. Du hast versucht, ihn zu verführen. Hast du Erfolg gehabt?«
»Nein«, erwiderte Lilith. »Es war eine plötzliche Eingebung. Ich sagte mir, Fileclerk ist so stumpf, daß er wahrscheinlich schreiend davonlaufen wird. Und wenn er statt dessen den Köder annimmt, nun, wäre es wenigstens ein Spaß gewesen. So zog ich mich vor ihm aus und begann… wie sagt man… ihm Avancen zu machen. Komm, sagte ich, laß uns einander umarmen. Siggie. Komm, Siggie. Ich faßte ihn an. Ich zog alle Register meiner Versuchungskünste. Ich strengte mich sehr an, Thor, mehr, als ich mich anstrengen mußte, dich zu verführen. Er zeigte keine Erregung. Er bat mich aufzuhören.«
»Natürlich«, sagte Watchman. »Es ist so, wie ich dir zu erklären versucht habe. Männliche Alphas interessieren sich nicht für Sex. Er ist irrelevant für ihr Verhaltensmuster.«
»Sei dessen nicht so sicher. Fileclerk begehrte mich. Er war bleich. Er zitterte.«
»Aber warum ging er dann nicht mit dir ins Bett? Hatte er Angst, sich politisch zu kompromittieren?«
»Nein«, sagte Lilith. »Der Grund war, daß er Trauer hat.«
»Trauer?«
»Um seine Frau. Cassandra Nukleus war seine Frau. Die AGP tritt für die Androidenehe ein. Er ist vor drei Jahren mit Alpha Nukleus getraut worden. Er hält eine sechsmonatige Trauerzeit ein, während der er sich nicht von jungen Alphafrauen verführen lassen will. Er erklärte es mir und ging dann schnell fort, als ob er Angst hätte, er könnte weich werden, wenn er länger bei mir bliebe.«
»Seine Frau, sein Eheweib?« murmelte Watchman kopfschüttelnd.
»Die AGP plant, ihre Petition an den Kongreß um eine Klausel über die Androidenehe zu ergänzen. Fileclerk sagte auch, wenn du und ich heiraten wollten, Thor, könnte er es arrangieren, wenn wir der Partei beiträten.«
Watchman lachte höhnisch. »Er redet wie ein Kind! Wozu ist eine Ehe gut? Können wir Kinder haben, die ein legal gegründetes Elternhaus brauchten? Wenn ich bei dir wohnen wollte, würde ich bei dir wohnen, Lilith. Oder du bei mir. Muß dazu irgend jemand irgendwas Feierliches sagen? Uns ein Stück Papier geben?«
»Es ist die Idee, Thor. Die Idee einer ständigen Vereinigung zwischen Mann und Frau, so wie es bei Menschen ist. Es ist Gefühlssache. Er liebte sie wirklich, Thor.«
»Ich bin sicher, daß er sie liebte. Ich sah ihn weinen, als Spaulding sie tötete. Aber liebte er sie mehr, weil sie verheiratet waren? Wenn die Ehe so eine wunderbare Institution ist, warum kommt Manuel Krug dann jede Woche hierher? Sollte er nicht zu Hause bleiben und seine ständige Vereinigung mit Mrs. Krug pflegen?«
»Es gibt gute Ehen und schlechte Ehen«, sagte Lilith. »Und mit wem du schläfst, sagt nicht notwendigerweise etwas darüber aus, wie gut deine Ehe ist. Jedenfalls, Fileclerks Ehe war eine gute. Und ich sehe nicht, was es uns schaden soll, diesen menschlichen Brauch zu übernehmen, wenn wir wirklich an unsere Gleichheit glauben.«
»Nun gut«, sagte Watchman spöttisch. »Willst du mich heiraten?«
»Ich sprach ganz im allgemeinen von der Übernahme des Brauchs.«
»Ich spreche im besonderen. Wir brauchen nicht der AGP beizutreten, um getraut zu werden. Ich werde mit Alpha Konstructor und Alpha Dispatcher sprechen, und wir werden die Trauungszeremonie in der Gemeinde abhalten und uns heute abend in der Kapelle trauen lassen. Einverstanden?«
»Mach darüber keine Witze, Thor.«
»Das ist mein Ernst.«
»Du bist wütend, und du weißt nicht, was du redest. Vor zwei Minuten hast du mir noch gesagt, du hältst die Ehe zwischen Androiden für absurd. Jetzt willst du, daß wir uns in der Gemeinde trauen lassen. Du kannst es nicht ernst meinen, Thor.«
»Willst du mich nicht heiraten? Mache dir keine Sorgen, ich würde mich nicht in deine Affäre mit Manuel einmischen. Ich bin nicht für Alleinbesitzanspruch programmiert, aber wir könnten zusammen wohnen, zusammen leben, wir könnten…«
»Hör auf damit, Thor!«
»Warum?«
»Was zwischen uns existiert, kann weiterexistieren ohne Ehe. Du weißt das. Ich weiß das. Ich wollte dir keinen Antrag machen. Ich habe nur versucht, dir etwas über Siegfried Fileclerk zu sagen, über die Natur seiner Gefühle, die Komplexität seiner Beziehung zu Alpha Nukleus, sowie über die Einstellung der AGP zu…«
»Genug. Genug.« Watchman hielt sich die Ohren zu und schloß die Augen. »Ende der Konversation. Ich bin froh, daß du Siggie Fileclerk nicht verführen konntest, und erstaunt, daß die AGP für die Ehe eintritt, und jetzt ist Schluß. Verstanden?«
»Du bist in schlechter Stimmung heute, Thor.«
»Das bin ich.«
»Warum? Kann ich etwas für dich tun, dir helfen?«
»Leo Spaulding hat mir heute etwas gesagt, Lilith. Er sagte, wenn die AGP-Delegation ihre Petition dem Kongreß einreicht, wird Krug eine Erklärung abgeben, in der er die ganze Androidengleichheitsbewegung verdammt und betont, daß er uns überhaupt nie geschaffen hätte, wenn er geahnt haben würde, daß wir eines Tages die Bürgerrechte forderten.«
Lilith hielt den Atem an. Mit Tränen in den Augen machte sie viermal das Krug-bewahre-uns-Zeichen.
»Das ist nicht möglich«, hauchte sie.
»Spaulding berichtete, Krug habe es ihm vor einer Woche gesagt, und zwar im Nemoclub, in Gegenwart des Sprechers Salah al-Din, des Senators Fearon, und einiger anderer Leute. Leon hat mir das natürlich nur beiläufig im Verlauf einer Konversation mitgeteilt, boshaft eingeflochten in ein freundliches Gespräch zwischen Ektogenen und Androiden. Er weiß, daß ich gegen die AGP bin. Er tat so, als tue er mir einen Gefallen, der Bastard!«
»Kann es wahr sein!«
»Natürlich kann es wahr sein. Krug hat nie etwas über die Rolle der Androiden in der Gesellschaft geäußert. Ich habe selbst keine Ahnung von seiner wirklichen Einstellung. Ich habe immer angenommen, daß er mit uns sympathisiert, doch vielleicht habe Ich nur meine eigenen Hoffnungen in ihn projiziert. Die Frage ist nicht, kann es wahr sein, sondern ist es wahr?«
»Würdest du ihn fragen?«
»Ich wage es nicht«, erwiderte Thor. »Ich glaube, daß diese ganze Geschichte Leon Spauldings boshaftem Geist entstammt, daß Krug nicht daran denkt, sein Prinzip, sich nicht in die Politik einzumischen, aufzugeben, sondern daß er, wenn er je eine Erklärung abgibt, sagen würde, daß wir alle hoffen und beten sollen. Doch es entsetzt mich, daran zu denken, daß ich mich irre. Ich habe Angst, Lilith. Eine Anti-Gleichheits-Erklärung aus dem Munde Krugs würde unserem Glauben jede Grundlage entziehen, uns in tiefste Finsternis stoßen. Jetzt weißt du, was mich die ganze Zeit bewegt hat.«
»Mußt du dich nur auf das verlassen, was Spaulding gesagt hat? Kannst du nicht rückfragen bei Senator Fearon oder dem Sprecher? Finde heraus, was wirklich gesagt wurde.«
»Sie nach vertraulichen Einzelheiten von Krugs Tischgesprächen fragen? Du bist wohl nicht bei Trost? Sie würden es umgehend Krug berichten.«
»Aber was willst du dann tun?«
»Krug nötigen, ihn indirekt in unserem Sinne beeinflussen«, erwiderte Watchman. »Ich wünsche, daß du Manuel mitnimmst in die Kapelle.«
»Wann?«
»Sobald du kannst. Verheimliche nichts vor ihm. Zeig ihm alles. Bearbeite sein Gewissen, dann schicke ihn zu seinem Vater, bevor Krug vor dem Kongreß eine Erklärung abgeben kann. Wenn Krug überhaupt beabsichtigt, eine Erklärung abzugeben.«
»Ich werde es tun«, sagte Lilith. »Ja, es wird bestimmt das beste sein.«
Watchman nickte. Er starrte auf den Boden. In seinem Gehirn tickte es schmerzhaft, und in seinem Hals spürte er einen wolligen Knäuel. Er haßte die Intrigen, in die er sich jetzt selbst verwickelte, diese Komplotte und Gegenkomplotte, diese Spekulation auf Manuel Krugs schwachen Willen, diese Annahme, daß Krug… Krug!… durch so einfache Machenschaften manipuliert werden könnte. All dies schien ihm wie eine Verleugnung allen Glaubens. Es war eine zynische Art, mit dem Schicksal zu hadern, und Watchman fragte sich, wie ernsthaft sein Glaube je gewesen war. War es alles Fassade gewesen, das Knien in der Kapelle, das Murmeln der Sprüche, die Versenkung in Krug, die Hingabe, die Gebete – alles nur ein Mittel, sich zu betäuben, die Zeit auszufüllen, bis der Augenblick der Wahrheit kam, die Kontrolle über die Ereignisse zu übernehmen? Watchman verwarf den Gedanken. Doch das ließ ihn mit leeren Händen dastehen. Erwünschte, er hätte dies nie begonnen. Er sehnte sich zurück nach dem Turm, angeschlossen an den Computer, freudig auf der Datenflut reitend. Ist es das, was es heißt, menschlich zu sein? Diese Entscheidungen, die Zweifel, diese Ängste? Warum dann nicht Android bleiben, den göttlichen Plan akzeptieren, dienen und nicht mehr verlangen, sich zurückziehen aus diesen Verschwörungen, diesen widerstreitenden Gefühlen, diesen Stürmen der Leidenschaft? Er beneidete die Gammas, die nichts wollten. Doch er konnte kein Gamma sein. Krug hatte ihm diesen Verstand gegeben. Krug hatte ihn dazu geschaffen, zu zweifeln und zu leiden. Gesegnet sei der Wille Krugs! Watchman erhob sich, ging langsam durch den Raum und schaltete, um sich selbst zu entfliehen, das Holovisionsgerät ein. Das Bild von Krugs Turm leuchtete auf dem Schirm: riesig, glänzend, schön, blitzend im Januarlicht. Eine Schwenkkamera glitt langsam die gesamte Höhe des Turmes hinauf, während der Kommentator über die Erreichung der 1000-Meter-Höhe sprach und den Turm mit den Pyramiden verglich, der großen Mauer Chinas, dem Leuchtturm von Alexandria, dem Koloß von Rhodos. Eine großartige Leistung, die den Weg zur Kommunikation mit anderen Rassen auf fernen Sternen öffnete. Ein Werk von eigener Schönheit, schimmernd und schlank. Die Kamera glitt hinauf und hinunter über die Glasmauern. Das Auge schaute von der Spitze hinunter in den Schacht. Grinsende Gammas winkten zurück. Watchman sah sich selbst, in Probleme vertieft, nicht bemerkend, daß er holovisiert wurde. Und da war Krug, glühend vor Stolz, die Einzelheiten des Turms einer Schar von Senatoren und Industriellen erklärend. Der Schirm schien die Kälte der Tundra auszustrahlen. Die Kamera glitt über die im Permafrost eingebetteten Gefrierstreifen, von denen Nebel aufstieg. Wenn der Boden nicht ständig gefroren gehalten wird, erklärte der Kommentator, ist die Stabilität des Turms nicht gewährleistet. Eine beispiellose Leistung der Umweltbeherrschung. Wunderbar. Ein Denkmal für die Phantasie und die Tatkraft des Menschen. Ja. Ja. Phänomenal. Mit einer impulsiven, heftigen Bewegung schaltete Watchman das Gerät ab. Die schimmernde Silhouette des Turms verblaßte, wurde weggewischt wie ein Traum. Er stand an der Wand, kehrte Lilith den Rücken, versuchte zu begreifen, wie es kam, daß das Leben plötzlich so kompliziert für ihn geworden war. Er hatte menschlich werden wollen. Ja. Hatte er nicht zu Krug gebetet, daß ihm und allen seiner Art die Privilegien der aus dem Leibe Geborenen zuerkannt werden sollten? Ja. Ja. Und mit den Privilegien kam die Verantwortung. Und mit der Verantwortung die Verwirrung, Rivalität, Sex, Liebe, Ränkespiel. Vielleicht, dachte Watchman, bin ich doch nicht reif genug dafür. Vielleicht hätte ich ein bescheidener, hart arbeitender Alpha bleiben sollen, anstatt aufzubegehren und den Willen Krugs herauszufordern. Vielleicht. Vielleicht. Er vollführte das Ritual der Ruhe, doch ohne Erfolg. Du bist jetzt menschlicher als du wirklich zu sein wünschtest, Alpha Watchman, sagte er zu sich selbst. Er spürte, daß Lilith dicht hinter ihm stand. Ihre Brüste berührten seinen Rücken. Sie umarmte ihn, preßte ihren Körper gegen den seinen.
»Armer Thor«, murmelte sie. »So tief in Gedanken, so bekümmert. Möchtest du, daß wir uns lieben? Vielleicht hilft es dir.«
Konnte er sie zurückweisen? Er zwang sich zu gespielter Leidenschaft, küßte sie, streichelte sie. Körper preßte eng gegen Körper. Sie öffnete sich ihm, und er drang in sie ein. Diesmal hatte er schon mehr Übung. Doch es blieb für ihn ein rein mechanischer Vorgang, ein Reiben von Fleisch gegen Fleisch, eine kalte Ekstase. Er selbst empfand keine Lust dabei, doch es lag eine indirekte Befriedigung darin, Lilith keuchen und stöhnen zu hören, sich aufbäumen zu sehen, während er ihr Lust schenkte. Ich bin wirklich nicht menschlich genug, trotz allem, sagte er sich, und sie ist viel zu menschlich. Er bewegte sich schneller. Jetzt verspürte er wieder jenes lustvolle Kitzeln. Krug hatte seine Geschöpfe wohl geplant, alle Nervenverbindungen waren vorhanden, wenn auch zum Teil ihrer Funktion beraubt. Als der Höhepunkt sich näherte, glaubte Watchman einige Augenblicke lang echte Leidenschaft zu empfinden. Er schnaubte, grub seine Finger in Liliths Schultern, stürmte mit angehaltenem Atem dem Gipfel entgegen. Dann kam der Erfüllung bringende Erguß, und ihm folgte, wie beim erstenmal, Traurigkeit, der schale Geschmack, die innere Leere. Ihm war, als stünde er in einem großen unterirdischen Grabgewölbe, Hunderte von Metern lang und viele Meter breit, überall Staub und Spinnweben, vertrocknete Kränze. Er zwang sich, in Liliths Umarmung zu bleiben, obwohl er sich nichts mehr wünschte, als sich von ihr zu lösen und allein zu sein. Er öffnete die Augen. Sie weinte. Sie lächelte. Sie glühte und war schweißbedeckt.
»Ich liebe dich«, sagte sie zärtlich.
Watchman zögerte. Er mußte eine Antwort geben. Sein Schweigen, das Sekunde um Sekunde verschlang, drohte ihn zu ersticken. Warum konnte er nicht antworten? Es war unmöglich, jetzt nichts zu sagen. Er berührte ihr warmes Fleisch. Er war weich, entspannt.
Schließlich sagte er schnell, um es hinter sich zu bringen: »Ich liebe dich, Lilith.«