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Natürlich ist eine Bordkarte nur ein Stück Papier, und als nur acht Passagiere die kleine zweimotorige Maschine bestiegen, wurde ich wieder nervös; doch wir starteten planmäßig, Als das Flugzeug vom Boden abhob, sackte ich in meinem Stuhl zurück, und die Erleichterung durchströmte mich wie der Luftzug der Propeller. Bis zu diesem Augenblick hatte ich nicht gewußt, wie nervös ich war. Nathan und Sarah hielten auf den Sitzen vor uns Händchen und grinsten, und Buddha saß neben mir auf dem Fenstersitz und sah auf das Katmandu-Tal hinaus oder auf den flatternden grauen Kreis des Propellers, ich konnte es nicht genau sagen. Ein erstaunlicher Bursche, dieser Buddha.

Wir erhoben uns aus dem grünen Katmandu-Tal und flogen über die Berge in Richtung Norden, hinauf ins Land des Schnees. Die anderen Passagiere, vier Engländer, sahen aus ihren Fenstern, begeisterten sich über den erhabenen Anblick und scherten sich nicht die Bohne darum, daß einer ihrer Mitreisenden doch ein sehr seltsam aussehender Bursche war. In dieser Hinsicht gab es kein Problem. Nachdem die Maschine die normale Flughöhe erreicht hatte, kam einer der beiden Stewards den Gang entlang und bot uns kleine eingepackte Süßigkeiten an, genau, wie andere Fluggesellschaften Getränke oder Mahlzeiten anbieten. Es war unglaublich niedlich, fast wie Kinder, die spielten, eine Fluggesellschaft zu führen, aber der Gedanke war nur solange niedlich, bis man sich daran erinnerte, daß man mit diesen Typen in fünftausend Metern Höhe weilte und sie einen bald über die höchsten Berge der Erde fliegen würden, um dann auf einem winzigen Behelfsflugplatz zu landen. Dann war es gar nicht mehr niedlich, und man ertappte sich dabei, wie man schwer schluckte und versuchte, nicht an Fallströme, Lebensversicherungen, Metallschwächen und das Leben nach dem Tode zu denken …

Ich rutschte auf meinem Sitz vor, in der Hoffnung, daß die anderen Passagiere zu beschäftigt waren, um bemerkt zu haben, daß Buddha seinen Schokoriegel geschluckt hatte, ohne vorher das Papier zu entfernen. Bei den beiden uns gegenüber war ich mir gar nicht so sicher, aber sie waren so sehr Engländer, daß sie Buddha allerhöchstens nicht so oft angesehen hätten, wenn sie ihn für etwas seltsam hielten. Kein Problem.

Es dauerte nicht lang, bis der Steward »Stellen Sie bitte das Rauchen ein!« sagte und die Maschine sich vornüber neigte und auf eine besonders spitze Gruppe schneebedeckter Gipfel zuhielt. Keine Spur einer Landepiste; in der Tat erschien schon allein die Vorstellung, daß sich da unten eine befinden könnte, völlig absurd. Ich atmete tief durch. Um Ihnen die Wahrheit zu sagen — ich hasse das Fliegen.

Ich nehme an, einige von Ihnen kennen die Landepiste von Lukla direkt unter der Everest-Region. Sie liegt hoch neben der Dudh Khosi-Schlucht, und der Grasstreifen, der etwa um fünfzehn Grad abfällt und nur zweihundert Meter lang ist, führt genau in die Talwand. Wenn man dort landet, kann man eigentlich nur diese Talwand sehen, und man hat den Eindruck, direkt darauf zuzurasen. In der letzten Minute zieht der Pilot die Maschine hoch und landet auf dem Streifen, und nach dem unausweichlichen Hoppeln rollt man ziemlich schnell aus, weil es so steil aufwärts geht. Es ist eine beeindruckende Erfahrung, und einige Leute finden danach zur Religion oder geben zumindest das Fliegen auf.

Doch in Wirklichkeit gibt es mindestens ein Dutzend Landepisten der RNAC in Nepal, die viel schlimmer als die in Lukla sind, und zu unserem Leidwesen stand die Piste bei J– ganz oben auf dieser Liste. Zuerst einmal war sie ursprünglich gar keine Landepiste gewesen, sondern ein Gerstenfeld, eine Terrasse von vielen auf einem Berg über einem Dorf. Man verbreitete sie und installierte an einem Ende einen Luftsack, nachdem man die Gerste natürlich herausgerissen hatte, und das war’s dann schon. Eine Instant-Landepiste. Nicht nur das, sondern das Tal, in dem sie sich befand, war auch noch tief — etwa fünfzehnhundert Meter — und fiel sehr steil ab, mit einer fast vertikalen Felswand knapp anderthalb Kilometer flußaufwärts von der Landepiste und einer scharfen Biegung knapp anderthalb Kilometer flußabwärts, und wirklich niemand, der noch bei gesundem Verstand war, käme auf die Idee, dort eine Landepiste anzulegen. Meine Überzeugung davon wuchs zusehends, als wir dreitausend Meter tief in das Terrassental stürzten und so nah an einer seiner Wände vorbeiflogen, daß ich bequem den Gerstenertrag pro Hektar hätte schätzen können, hätte mir der Kopf danach gestanden. Ich versuchte, Buddha zu beruhigen, doch er nestelte das Papier meines Schokoriegels aus dem Aschenbecher und schien nicht gestört werden zu wollen. Manchmal wäre es ganz nett, ein Yeti zu sein. Dann erblickte ich unsere Landepiste, beobachtete, wie sie größer wurde — so groß wie ein Lineal ungefähr —, und wir setzten auf. Unser Pilot war gut; wir hoben nur zweimal wieder ab und hätten noch ein paar Meter gehabt, als wir stehenblieben.

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