21. Rituelle Geburt, ritueller Tod

Durch den Donner und durch das Poltern und Klappern der Knochen, das Brutzeln der toten Kinder und Mazurewicz' Gekicher hörte ich eine kraftvolle, dröhnende Stimme: »Jenkin! Hör auf! Bring ihn zu mir!«

Brown Jenkin knurrte und versetzte mir einen letzten trotzigen Hieb. Aber offenbar blieb ihm nichts anderes übrig, als mich zum Altar zu bringen, wo der junge Mr. Billings in seinem weiten weißen Gewand stand.

Billings sah sehr verändert aus, da sein Haar seit dem letzten Mal, als ich ihn gesehen hatte, völlig weiß geworden war und sein Gesicht von Erschöpfung und moralischem Zerfall gezeichnet war. Er sah aus wie ein Mann, der alles gegeben hatte: Leib und Seele.

Er lächelte mich sonderbar an und streckte seine Hand aus, als erwarte er, dass ich sie ergriff und schüttelte.

»Sie haben also nicht auf mich gehört. Sie sind nicht fortgegangen«, sagte er. Seine Stimme war viel rauer geworden, hatte aber nichts von ihrer Autorität verloren. »Ich wusste, dass Sie nicht gehen würden. Und jetzt sind Sie genau da, wo ich Sie haben wollte!«

Er tippte sich mit einem Finger an die Stirn. »Psychologie ist schon immer meine Stärke gewesen. Ich wollte Sie hier haben, und jetzt sind Sie hier.«

»Woher wussten Sie, dass ich bleiben würde?«

»Das war doch offensichtlich«, sagte Billings. »Sie haben Liz geliebt, nicht wahr? Verliebte machen immer das Gegenteil von dem, was man ihnen rät. Da Sie hier sind, müssen Sie geblieben sein. Zumindest lange genug, damit Ihre Liz zum dritten Mal schwanger wird, was schließlich alles war, was sie von Ihnen wollte. Leider hat ihre Nachkommenschaft nicht überlebt. Aber natürlich war das Jahr 1992 noch zu schön. Man konnte durchatmen, ohne husten zu müssen. Aber das Hexen-Wesen verließ sie, als sie starb, und versteckte sich in den Mauern des Fortyfoot House, um schließlich einen neuen Wirt zu finden. Eine wirklich nette Maklerin. So ging es dann weiter bis zum heutigen Tag. Jetzt sind wir bereit für die letzte große Erneuerung.«

Er nahm meine Hand und zog mich hinter sich her zu den Matratzen, auf denen die aufgeblähte Frau lag. Ihr winziges Gesicht starrte mich ausdruckslos an. Ihre Kinn war fettverschmiert, und Fett bahnte sich auch seinen Weg zwischen ihren riesigen Brüsten entlang.

»Darf ich vorstellen: Vanessa Charles«, sagte Billings lächelnd. »Ein Fräulein aus Ventnor. Und die erste Hexe in der Geschichte der Menschheit, die es bis zum Schluss geschafft hat. Darum brauchte sie so viele Kinder. Junges Fleisch, das ihren Babys Kraft verleiht! Aber wir haben 2049, und niemand kann noch Kinder bekommen. Es gibt einfach keine Kinder mehr. Darum mussten wir ins Fortyfoot House zurückkehren und die Kinder aus der Vergangenheit holen.«

Der winzige Mund der Frau öffnete und schloss sich unaufhörlich, doch auf einmal hauchte sie: »Na, Trottel. Ich wusste, dass ich dich am Ende doch noch kriegen würde, du Feigling.«

»Kezia«, flüsterte ich.

»Oh ja, Trottel. Und auch Liz. Und alle anderen auch. Und jetzt die reizende Vanessa. Wie wär's mit einem letzten Kuss, Trottel?«

Sie gab ein leises Zischen von sich, das ein Lachen darstellen sollte, hielt aber inne, als ihr gewaltiger Bauch plötzlich massiv bebte und das Innere der Kapelle in einen gleißenden Blitz getaucht wurde.

»Bald ist es so weit«, sagte Billings freudig, sah mich dann aber misstrauisch an und fragte: »Sie verstehen doch, dass ich keine andere Wahl hatte, oder?«

»Was soll das heißen?«, erwiderte ich. Ich konnte meinen Blick nicht von Vanessas wogendem Bauch abwenden, ich konnte nicht anders, als darüber nachzudenken, was die Ursache für dieses heftige Wogen sein mochte. Ich wollte um keinen Preis dabei sein, wenn das, was sich in ihrem Bauch verbarg, auf die Welt kam.

»Was das heißen soll? Was das heißen soll? Glauben Sie, ich wollte, dass all die unschuldigen Kinder abgeschlachtet werden? Sie hatten mich um zwölf Kinder gebeten, mehr nicht. Und die habe ich ihnen gegeben. Warum, habe ich Ihnen gesagt. Ich empfand so tiefes Bedauern, ich habe wirklich versucht, sie aufzuhalten! Darum hatte ich Sie gebeten, Fortyfoot House zu verlassen, damit Liz ihre Schwangerschaft nicht vollenden konnte und die Hexe in ihr sterben würde. Alle drei Schwangerschaften müssen vom gleichen menschlichen Spender kommen. Sonst sind die Embryos nur wie ein kurzes Erschrecken und sterben, und dann stirbt auch das Hexen-Wesen. Darum ist Vanessa hier die einzige überlebende Hexe.«

»Wenn ich das gewusst hätte ...«, begann ich.

»Ja, ich hätte mich wohl deutlicher ausdrücken sollen. Ich habe es versucht, Sir, ich habe es versucht. Aber Sie machten das, was Sie wollten!«

Der Boden zitterte, weitere Schädel lösten sich aus dem Knochenberg, und Mazurewicz flüsterte: »Ich muss sie weiter füttern, es ist fast so weit!«

Billings kehrte zurück auf den Platz neben dem Altar, auf dem er zuvor gestanden hatte. »Mr. Mazurewicz ist mein Geburtshelfer, nicht wahr, Mr. Mazurewicz? Das ist er schon immer gewesen, wenn Hexen gebären. Diejenigen, die nichts von den Alten wissen und von der Macht, die sie besaßen ... nun, diejenigen hatten meistens vor Mr. Mazurewicz Angst. Sie wussten überhaupt nicht, wovor sie wirklich Angst hätten haben müssen!«

Er legte seine Hand auf Mazurewicz' Schulter und drückte sie liebevoll, aber auch respektvoll. »Mr. Nicolas Mazurewicz ist der Herr, den die Leute den König der Finsternis nennen. Manche sagen auch Satan zu ihm.«

»Es wird Zeit!«, drängte Mazurewicz. »Sie muss gefüttert werden.«

»Machen Sie schon«, sagte Billings und packte Miller an der Schulter. Ich weiß nicht, auf welchen Nerv er drückte, aber Miller konnte nur mit Mühe ausatmen, während seine Augen hervortraten. Weder bewegte er sich noch sprach er ein Wort. Mazurewicz kehrte zu der zuckenden Vanessa zurück und schnitt für sie von Leber und Lunge dicke dampfende Scheiben ab, um sie ihr zwischen ihre vollen Lippen zu drücken.

»Ich hätte es Ihnen wirklich deutlicher erklären sollen«, sagte Billings. »Es gibt so viele Dinge, die ich hätte tun sollen, die ich aber versäumt habe. Und all die toten Kinder! Es ist eine Schande, Sir, eine wirkliche Schande. Ich weine um sie.«

Direkt hinter mir kicherte Brown Jenkin.

»Ruhig, Jenkin«, rief Billings ihn zur Ordnung. Er ließ Miller wieder los und erhob seine Arme.

»Das Problem«, sagte er dann mit gesenkter Stimme, als weihe er mich in eine Verschwörung ein, »bestand darin, dass sie mir im Gegenzug für meine Dienste etwas ganz Besonderes anboten. Wenn ich ihnen die Kinder brachte, die sie für die große Erneuerung brauchten, würden sie mich zu einem der ihren machen. Ich würde ebenfalls über die Welt herrschen können. Und auch über Raum und Zeit! Ich würde für immer existieren, bis in alle Ewigkeit. Ich würde alles Vorstellbare erfahren und vieles andere, das unvorstellbar ist. Ich würde die Grenzen der Ewigkeit überschreiten können. Nur ein Mensch kann sich ihnen anschließen, nur ein einziger! Mein Vater war natürlich auch versucht, doch er wollte ihnen nicht die Kinder geben. Nur ein Mensch auf der ganzen Welt, der ihnen das Wissen gibt, um über jeden anderen Menschen zu herrschen! Zumindest in den wenigen elenden Jahren, die die Menschen noch zu leben haben, bevor wir sie jagen und verspeisen und für unsere Belustigung benutzen.«

Miller rieb sich das Genick, während er sich von Billings entfernte: »Sie sind völlig verrückt!«

Billings bedachte ihn mit einer wegwerfenden Handbewegung, dann kam er auf mich zu, bis er so nah war, dass ich seinen säuerlichen Atem riechen konnte.

»Sie waren derjenige, den ich haben wollte, David! Jemand, der über die Alten etwas weiß. Ein Gauleiter sozusagen. Ein Mensch, der mit einer Hexe zusammen war. Jemand, der für mich zu den Menschen spricht, wenn ich bei den Alten bin. Ich werde Gott sein und Sie mein Jesus. Verstehen Sie das?«

Ich konnte kaum sprechen. Mit einem Mal verstand ich die Dimensionen meiner eigenen Schwäche und meiner Gutgläubigkeit, aber auch meiner Menschlichkeit.

»Der Gedanke gefällt Ihnen doch, oder?«, sagte Billings. »Laufen Sie, habe ich Ihnen gesagt! Aber Sie sind nicht gelaufen, nein, Sie nicht. Zu neugierig, zu leicht zu verführen. Jetzt werden Sie an meiner Seite warten, bis Sie sehen, was geschieht. Jenkin, pass auf sie auf, lass sie nicht entkommen!«

»Ach, merde«, murrte Brown Jenkin und zog mich mit einer Klaue zur Seite.

Billings begann wieder zu singen. »Tekeli-li! Tekeli-li!« Die Erde bebte so heftig, dass sich große Teile Putz von den Wänden der Kapelle lösten und auf die Ziegel stürzten. »Tekeli-li! Tekeli-li!«

Sogar Brown Jenkin wich zurück, als Mazurewicz einen Arm hob und schrie: »Es ist so weit! Es ist endlich so weit! Die Erneuerung, Billings! Die Erneuerung!«

Donner grollte über unsere Köpfe hinweg. Die Naturgewalten, die diese Erneuerung auslösten, waren verheerend. Aber das überraschte nicht weiter, wenn man überlegte, dass diese unglaublich aufgeblähte Vanessa Charles jeden Augenblick Kreaturen zur Welt bringen würde, die einst über Raum und Zeit geherrscht hatten.

Mazurewicz tanzte wie eine schlecht gewickelte Vogelscheuche umher und hob das Messer, mit dem er zuvor das Fleisch geschnitten hatte. Er wirbelte umher, und dann stieß er die Klinge tief in Vanessas Bauch, der sanft glänzte.

Vanessas Augen weiteten sich vor Schmerz. Einer ihrer fetten Arme schoss hilflos nach oben, doch sie musste von Anfang an gewusst haben, dass sie sterben würde. Mazurewicz bewegte das Messer nach oben und öffnete sie mit einem grotesken Kaiserschnitt, als das Ding, das in ihr herangewachsen war, beschloss, sich den Weg nach draußen mit Gewalt zu bahnen.

»Oh Gott«, sagte Miller.

Die gesamte Kapelle erzitterte, der Himmel wurde ringsum von Blitzen zerrissen.

Vanessas Bauch riss auf, und in der entstandenen Öffnung kamen Tentakel zum Vorschein, die an einen Tintenfisch erinnerten. Immer mehr Arme drängten nach draußen, bis ihr ganzer Bauch von zappelnden Tentakeln überzogen war.

»Der Sohn des Speichels«, rief Billings. »Der Sohn des Speichels! Ja! Ja!«

Entsetzt sah ich in Vanessas Gesicht. Sie lebte immer noch und fühlte alles. Welche Schmerzen sie dabei aushielt, vermochte Gott allein zu sagen. Einen Augenblick später hörte ich ihre Rippen brechen, und die tentakelbewehrte Bestie erhob sich und gewann an Größe.

Vanessa riss die Augen auf, und gleißende Lichtstrahlen schössen aus ihrem Inneren heraus. Auch ihr Mund öffnete sich weit, aus ihm trat ebenfalls ein Lichtstrahl. Dann explodierte ihr Kopf, und eine zuckende Kugel aus strahlendem Protoplasma kam zum Vorschein, gefolgt von drei oder vier weiteren, die alle wie schimmernde gasförmige Quallen aussahen.

»Der Sohn des Samens!«, verkündete Billings.

Dann folgte eine weitere blutige Explosion, die Vanessa in tausend Stücke zerriss. Aus ihren Überresten erhob sich ein riesiger schwarzer formloser Schatten, der von einer Aura völliger Kälte und unendlicher Bösartigkeit umgeben war.

»Der Sohn des Blutes! Tekeli-li! Tekeli-li!«

Die drei abscheulichen Söhne der Alten schwebten in der Luft über dem, was von Vanessa Charles übrig geblieben war. Nach Tausenden von Jahren im Verborgenen waren sie endlich zurückgekehrt, um wieder über eine öde und vergiftete Welt zu herrschen. Ich verstand nicht wirklich, wer sie waren oder woher sie eigentlich kamen. Aber ich hatte das Gefühl, dass sie glaubten, die Erde gehöre ihnen, nicht uns, und dass sie keine Gnade walten lassen würden, um sie wieder für sich zu beanspruchen.

Mazurewicz wischte das Messer an seinem Mantel ab und trat mit gesenktem Haupt zurück. Billings ging zur gleichen Zeit mit ausgestreckten Armen auf die drei schwebenden Wesen zu und begrüßte sie wie Götter.

»Ich habe euch zurückgeholt!«, rief er. »Ich habe euch zurückgeholt! Sohn des Samens, Sohn des Speichels und Sohn des Blutes! Ich habe euch zurückgeholt! Jetzt könnt ihr euch vereinen, und ich kann ein Teil von euch werden!«

Ich begann, eine düstere Unruhe zwischen den drei Kreaturen zu spüren. Das tintenfischähnliche Ding rollte seine

Tentakel auf, die leuchtenden Kugeln zogen sich zusammen. Über ihnen hing der kalte schwarze Schatten in der schwefelhaltigen Luft und wirkte wie ein Vorhang zu Beginn einer fantastischen Zaubernummer.

Es hatte sogar etwas mit Zauberei zu tun - jener ursprünglich vormenschlichen Zauberei, die uns Hexen und Wunderheiler und Seher beschert hatte.

Völlig furchtlos trat Billings in die blutigen Überreste von Vanessa Charles, einen Fuß stellte er auf ihr zerschmettertes Rückgrat, dann warf er den Kopf nach hinten.

»Jetzt könnt ihr euch vereinen!«, schrie er. »Und ich kann ein Teil von euch werden!«

Mir wurde bewusst, dass ich einem genealogischen Ereignis beiwohnte, das so bedeutend war wie die erste Zellteilung oder die ersten Gehversuche eines Fisches an Land oder die ersten Laute einer affenähnlichen Kreatur beim Versuch, Worte zu bilden. Die Zukunft des gesamten Planeten hing von diesem einen entscheidenden Augenblick ab. Nicht nur die Zukunft, auch die Vergangenheit.

Hoch über mir wurde das Tentakelding von der Schwärze des Schattens aufgesogen, gefolgt von den leuchtenden Kugeln. Übrig blieb eine riesige, dunkle Wolke, die so kalt war, dass ihre Kälte abstrahlte. Yog-Sothoth, drei in einem, die Unselige Dreifaltigkeit, aus der die Alten geschaffen worden waren, die Hölle auf Erden. Und Mazurewicz, der Teufel, war der Geburtshelfer.

Die Welt hatte in meinen Augen nie wirklich Sinn ergeben. Wir befanden uns auf diesem Planeten, der durchs All flog, doch den Grund für unsere Anwesenheit konnte eigentlich niemand erklären. Jetzt aber, da der eisig kalte Schatten von Yog-Sothoth über mir schwebte, kam es mir so vor, als gebe es auf jedes Rätsel des menschlichen Lebens, auf jeden Aberglauben und auf jede Religion eine Antwort.

Die grundlegende Tatsache unserer Existenz auf diesem Planeten war, dass wir nicht die Ersten waren. Unsere Überlieferungen waren voll von Geistern und Halluzinationen,

Mythen und Aberglauben. Die >Traumzeit< hatten die Aborigines es genannt. Die Zeit davor. Die Zeit vor uns, als die Alten die Erde beherrscht hatten.

Meine Ohren wurden von einem tiefen, trommelnden Geräusch bombardiert, als sich der schwarze Schatten langsam über Billings herabsenkte. Er schrie ekstatisch, während die Wolke immer tiefer sank.

Blitze zuckten um ihn herum, Funken sprangen von seinen Haaren über. Während er schrie, schössen Funken aus seinem Mund wie Blitze von einem Schweißgerät.

»Ich werde euch alle beherrschen!«, schrie er uns an. »Ich werde ewig leben und euch alle beherrschen!«

Ohne etwas zu sagen und ohne mich anzusehen, stürmte Miller auf den Altar zu. Brown Jenkin schlug mit einer Klaue nach ihm, traute sich aber nicht, ihm zu folgen.

»Sergeant!«, rief ich. »Sergeant!«

Miller stieg aber über die Knochen, so schnell er konnte, und plötzlich verstand ich, was er vorhatte. >Ein Mann<, hatte Billings geprahlt. >Ein Mann kann euch alle verfolgen und vernichten^ Was aber, wenn dieser eine Mann nicht der junge Mr. Billings war, sondern ...?

Miller versetzte Billings einen Stoß, der ihn zu Boden schickte und mitten in den blutigen Uberresten von Vanessa Charles landen ließ. Billings schrie ihn entsetzt an, doch Miller trat ihn, nicht nur einmal, sondern wieder und wieder, bis Billings den Halt verlor und von dem Knochenberg rutschte. Auf dem Rücken liegend fand er sich an der Mauer der Kapelle wieder.

Miller nahm seinen Platz ein. Sein Gesichtsausdruck hatte etwas Glückseliges und zugleich Märtyrerhaftes, als habe er der Menschheit schließlich doch noch einen Dienst erwiesen, der seiner würdig war. Kein Wunder, dass er von Anfang an geglaubt hatte, dass Brown Jenkin wirklich existierte. Er war fast ein Heiliger.

Die kalte schwarze Wolke senkte sich auf ihn herab wie der Vorhang in einem Theater. Warum sollte sich Yog-Sothoth darum kümmern, welchen Menschen er in sich aufnahm? Einen Moment lang sah ich Detective Sergeant Miller mit leuchtenden Augen; sein ganzer Körper war von blendender Statik umgeben, seine Haare wirbelten nach oben, er hatte die Arme ausgestreckt. Dann schoss die Wolke empor in den giftig gelben Himmel, begleitet von einem Geräusch, das die Atmosphäre so sehr in Bewegung versetzte, dass ich nicht das Geräusch hörte, sondern nur die Schmerzen in meinen Trommelfellen spürte. Und dann war es vorüber.

Billings stolperte durch den Berg aus Knochen, fassungslos. »Ich!«, schrie er zum Himmel hinauf. »Ich! Ich war derjenige, den ihr mitnehmen solltet!«

»Et maintenantpourquoi?«, fragte Brown Jenkin noch aufgeregter. »Tu as promised me alles, you fucker! Et maintenant c'est tout disparu, dans cet cloud!«

Billings fiel auf die Knie, stöhnte, schluchzte und schlug sich gegen die Brust. Brown Jenkin begab sich zu ihm, baute sich vor ihm auf und spuckte ihm wieder und wieder ins Gesicht, bis Billings' Gesicht völlig von Jenkins Spucke überzogen war.

»Pourquoi did I suffer and fight for all of these years, bastard-bastard! Pourquoi!«

Billings ballte die Fäuste und heulte, als trauere er.

Brown Jenkin stand vor ihn und sah ihn hasserfüllt an. Mit einer plötzlichen, fast beiläufigen Bewegung schossen seine Klauen über Billings' Kehle und rissen seinen Kehlkopf heraus. Blut schoss aus der Wunde, und Billings sackte schließlich in sich zusammen, während ein Bein noch zuckte. Brown Jenkin stand da mit dem Kehlkopf auf seine Klaue gespießt. Seine Oberlippen verzog er zu etwas, was einem Grinsen nahe kam.

Ich zögerte noch einen Augenblick lang, dann rannte ich los. Mazurewicz sah mich, machte aber keine Anstalten, mich aufzuhalten. Vielleicht sah er das menschliche Dilemma viel philosophischer, als man glauben mochte. Vielleicht hatte er aber auch einfach keine Lust, hinter mir herzurennen. Ich stürmte über den Friedhof, sprang über den Bach und kämpfte mich den rutschigen Hügel hinauf. Uber mir zogen sich düstere Wolken zusammen, und die See gab ein langsames öliges Gurgeln von sich. Vielleicht hatte Mazurewicz mir auch nur nicht folgen wollen, weil seine Arbeit getan war. Er hatte die Geburt der Unseligen Dreifaltigkeit überwacht, und Gott würde nie wieder über diesen Planeten herrschen.

Außer Atem und schweißnass stieg ich die Feuerleiter hinauf, balancierte auf der Regenrinne entlang, während ich mich vorsah, damit ich nicht ausrutschte. Auf halber Höhe brach eine der Sprossen heraus und fiel lärmend auf den Boden der Veranda. Ich klammerte mich sekundenlang an die Leiter und zitterte vor Angst. Schließlich schaffte ich es, den restlichen Weg zurückzulegen, während ich ein Stoßgebet nach dem anderen sprach. Endlich hatte ich das Dachfenster erreicht, während über dem Ärmelkanal Blitze zuckten. Ich sah mich ein letztes Mal um. Ich bezweifelte, (lass ich das fahr 2049 erleben würde, doch hier befand ich mich mitten in dieser Zeit, umgeben von sterbender Vegetation, beißender Luft und öligen Meeren. Irgendwo zeugte Yog-Sothoth bereits seinen Nachwuchs. Vielleicht hatten sie den Planeten verdient, den sie jetzt geerbt hatten. Auf jeden Fall hatten wir es verdient, ihn zu verlieren.

Ich zwängte mich durch das Dachfenster und schloss es. Die letzten Tropfen sauren Regens schlugen gegen das Glas.


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