6

Nachdem wir einige Tage später in Laura festgemacht hatten, kamen Rim, Thurnock und ich in der Heckkabine der Tesephone zusammen und studierten eine Landkarte des Gebiets nordöstlich der kleinen Stadt.

Auf ihr zeichneten wir, so gut wir das nach unseren Informationen vermochten, den Weg zu Vernas Lager und Tanzkreis ein.

»Irgendwo hier«, sagte ich und deutete mit dem Schreibstift auf eine Stelle, »irgendwo hier muß das Lager sein.«

»Warum folgen wir nicht den Zeichen an den Bäumen?« wollte Thurnock wissen.

»Wenn die beiden Panthermädchen den Weg kannten, ist er auch anderen bekannt«, warf Rim ein.

»Außerdem«, sagte ich, »habe ich das Gefühl, als rechnete Verna mit einer Verfolgung durch Marlenus aus Ar. Es ist ihr zweifellos wichtig, daß er sich auf ihre Fährte setzt, damit sie ihre Pläne verwirklichen kann. Sie will sich nämlich wegen ihrer früheren Gefangenschaft und Erniedrigung an ihm rächen.« Ich sah Thurnock an. »Durchaus denkbar, daß sie ihm absichtlich solche Informationen über die Wege in die Hände spielt.«

»Damit sie seinen Anmarschweg kennt und ihm eine Falle stellen kann«, sagte Rim und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.

»Ja«, sagte ich.

»Und in diese Falle möchten wir nicht gern geraten«, sagte Rim.

»Aber Marlenus ist ein großer Ubar«, gab Thurnock zu bedenken. »Er nimmt sich bestimmt in acht.«

»Marlenus«, sagte ich, »ist ein großer Ubar, doch er ist nicht immer weise.«

»Marlenus hält sich zweifellos für einen großartigen Jäger«, meinte Rim. »Er rechnet damit, daß die Panthermädchen vor ihm und seinen Männern fliehen. Er rechnet mit Problemen nur, soweit es um das Aufspüren der Mädchen geht.«

»Er rechnet damit, daß ihm ein friedlicher Tabuk ins Netz geht«, sagte ich. »Dabei erwartet ihn eine Horde wilder Panther, die selbst auf der Jagd sind.«

»Das ist gefährlich«, sagte Thurnock.

»Allerdings.«

»Andererseits weiß Verna nichts von uns«, meinte Rim. »Wir haben die Überraschung auf unserer Seite.«

Ich rieb mir das Kinn. »Jedenfalls möchte ich das Lager aus einer Richtung angehen, die nicht gekennzeichnet ist. Andererseits habe ich kein Interesse daran, es mit Sklavennetzen zu erstürmen.«

»Willst du etwa mit den Panthermädchen verhandeln?« fragte Rim lächelnd.

Ich legte den Schreibstift fort. »Ich bin Kaufmann«, sagte ich.

»Wie soll es nun weitergehen?« wollte Thurnock wissen.

»Wir werden ein Hauptlager anlegen – angeblich um Sleenpelze zu kaufen und zu jagen. Dann wird ein ausgewählter Trupp in den Wald eindringen, doch so, als wüßte er nichts von Vernas Lager. Irgendwie muß dieser Trupp Verbindung mit Angehörigen ihrer Bande aufnehmen. Entweder kommen sie zu uns oder wir zu ihnen.«

»Es wäre für Panthermädchen ungewöhnlich, den ersten Schritt zu tun«, sagte Rim lächelnd. »Es sei denn, mit der Waffe.«

»Wir werden ein gefesseltes Sklavenmädchen freilassen, um uns mit ihnen in Verbindung zu setzen.«

»Die Panthermädchen werden die Sklavin jagen und fangen«, sagte Rim grinsend.

»Natürlich.«

»Und dann wird das Mädchen unsere Nachricht weitergeben – daß wir nämlich die Sklavinnen kaufen wollen, die sie im Lager haben.«

»Aber kein Mädchen kann gefesselt im Wald überleben«, wandte Thurnock ein.

»Richtig«, nickte ich. »Um so mehr wird sich das Mädchen anstrengen, schleunigst Verna in die Hände zu fallen.«

»Ja«, sagte Rim begeistert, »und wenn sie Vernas Gruppe nicht findet, kehrt sie zu uns zurück.«

Ich nickte. »Aber sie wird keine Mühe haben, Vernas Mädchen über den Weg zu laufen.«

»Du hast also ein erfahrenes Mädchen im Sinn«, grinste Thurnock, »eine Sklavin, die sich im Wald auskennt?«

»Ja.«

»Aber hast du dir auch überlegt, daß die Panthermädchen diese freigelassene Sklavin vielleicht behalten?«

»Ja, das habe ich mir überlegt.«

Thurnock sah mich ratlos an.

»Angenommen, das von uns freigelassene Mädchen ist Verna gut bekannt. Nehmen wir ferner an, das betreffende Mädchen wäre auch noch eine Rivalin Vernas, ein persönlicher Feind.«

Rim lachte.

»Was würde Verna mit ihr machen?« fragte ich.

»Ich verstehe!« rief Thurnock grinsend.

»Sie würde sofort wieder versklavt«, sagte Rim.

»Und wir hätten sofort oder an der nächsten Austauschstelle Kontakt mit Vernas Bande und bekämen auch unser Mädchen zurück«, sagte ich.

Thurnock grinste. »Aber welches Mädchen wollen wir dazu nehmen?«

»Sheera.«

Thurnock nickte, und Rim lachte.

»Ich habe mir gleich gedacht«, sagte ich, »daß uns das Mädchen noch mal nützlich sein würde.«

»Mir will scheinen, daß du sie auch unterwegs schon ganz nützlich gefunden hast«, sagte Rim vieldeutig und kniff ein Auge zu.

»Ja«, erwiderte ich. »Sie ist ein Phänomen. Aber das ist in dem Zusammenhang unwichtig.«

»Etwas macht mir Sorgen«, sagte Rim. »Verna hat Talena in den Wald gebracht, um Marlenus in die Falle zu locken. Warum sollte sie sie dir verkaufen?«

»Das ist sicher nur eine Frage des richtigen Zeitpunkts, guter Informationen und eines angemessenen Preises.«

»Wie meinst du das?«

Ich zuckte die Achseln. »Nehmen wir einmal an, Marlenus fällt Verna in die Hände. Dann brauchte sie ihren Köder nicht mehr und würde ihn sicher für einen guten Preis verkaufen wollen.«

»Marlenus soll Verna in die Hände fallen?« fragte Thurnock ungläubig.

»Panthermädchen sind gefährlich«, sagte ich. »Ich glaube nicht, daß Marlenus das weiß. Er ist ein stolzer Mann. Aber das wichtigste Element in Vernas Plan ist, daß Marlenus glaubt, sie habe Talena in der Gewalt. Solange er das annimmt, ist es egal, ob es wirklich zutrifft oder nicht. Wenn der Verkauf also geheim bleibt, könnte sie mir ruhig Talena verkaufen – unabhängig von ihren Plänen mit Marlenus!«

»Vielleicht nimmt sie an, du würdest das Mädchen für eine gute Summe an Marlenus zurückgeben?« meinte Thurnock.

»Wir werden sie überzeugen, daß wir aus Tabor kommen«, sagte ich.

Tabor, dem Namen nach eine von Kaufleuten regierte Insel, mußte es nach Möglichkeit vermeiden, ihren großen Nachbarn Tyros vor den Kopf zu stoßen. Und zwischen Tyros und Ar hatte es seit über einem Jahrhundert böses Blut gegeben. Dementsprechend würde es ein taborischer Händler aus Angst vor Tyros niemals wagen, das Mädchen nach Ar zu verkaufen. Ein solcher Akt hätte einen Krieg auslösen können. Da war die Wahrscheinlichkeit schon größer, daß das Mädchen nach Tyros gebracht wurde – die Tochter des Todfeindes Marlenus, ein Zeichen des guten Willens der Kaufleute aus Tabor.

Die Feindschaft zwischen Tyros und Ar ging in erster Linie auf die tyrischen Zuwendungen für die Voskpiraten zurück, die an der Nordgrenze Ars die Flußschiffahrt heimgesucht hatten. Zur Zeit hatten die Voskpiraten keine Bedeutung mehr für die Wirtschaft Ars, doch die Erinnerungen waren noch lebendig. Der Voskverkehr ist für Ar, das keinen Seehafen hat, überaus wichtig. Die Binnenschiffahrt erweitert die Handelsmöglichkeiten sehr. Zum Unglück für Ar – und wohl zum Glück für die Seemächte des Thassa – ist es fast unmöglich, größere Schiffe durch das Voskdelta zu steuern. So bleibt Ar im wesentlichen eine Landmacht, doch der Flußverkehr auf dem Vosk und im Süden auf dem Cartius – hat große Bedeutung. Daß Tyros im letzten Jahrhundert die Voskpiraten finanzierte, war der Versuch, Ar die Voskmärkte zu nehmen und es von Überlandlieferungen abhängig zu machen, die natürlich zuerst durch die Häfen von Tyros oder anderer Seemächte laufen mußten.

»Wenn du Verna nun nicht überzeugen kannst, daß du aus Tabor bist?« wollte Rim wissen.

Ich zuckte die Achseln. »Wenn der Preis hoch genug ist, mag es Verna gleichgültig sein, ob wir aus Tabor kommen oder nicht.«

»Aber wenn sie überhaupt nicht verkaufen will?« Rim stand am Heckfenster und starrte hinaus.

»Dann bleibt uns keine andere Wahl, als Talena gewaltsam an uns zu bringen.«

»Aber wenn sich Verna und ihre Mädchen das nicht gefallen lassen?«

»Wir haben ausreichend Sklavenketten für Verna und ihre gesamte Bande«, sagte ich.

Rim starrte weiter aus dem Heckfenster der Tesephone. Plötzlich sagte er: »Da ist die Rhoda aus Tyros.«

Ich trat neben ihn. Thurnock starrte uns über die Schulter.

In langsamer Fahrt näherte sich die mittelgroße Galeere aus Tyros den Hafenanlagen Lauras. Ihr gelber Anstrich leuchtete im Abendlicht. Ich beobachtete, wie der Segelbaum heruntergeholt wurde, bis die Leinwand schlaff herabhing und sie entfernt und zusammengelegt werden konnte. Auf dem Deck machte ich Verschanzungen und Katapulte aus. Die Mannschaft bewegte sich zielstrebig. Ich hörte den dumpfen Trommelschlag des Keleustes, der den Rhythmus für die Ruderer angab.

Es war das Schiff aus Tyros, das schon in Lydius neben der Tesephone gelegen hatte – das Schiff, das kurz nach uns losgemacht hatte und uns offenbar gefolgt war.

Es war sicher nicht leicht gewesen, eine solche Galeere so weit flußaufwärts zu führen. Schon die flache Tesephone war unterwegs mehrmals leicht auf Grund gelaufen, so daß wir Stangen einsetzen mußten, um weiterzukommen. Es war interessant, daß der tyrische Kapitän ein solches Schiff nach Laura gebracht hatte. Natürlich erregte die Rhoda im Hafen großes Aufsehen. In Laura waren gewöhnlich nur leichte Galeeren und die schwerfälligen Lastbarken zu sehen, die von den mächtigen Tharlarion vom Ufer aus getreidelt wurden.

»Was hat so ein Schiff in Laura zu suchen?« wandte ich mich an Rim.

»Keine Ahnung.«

»Es wäre nicht undenkbar«, sagte Thurnock, »daß die Leute einfach nur Handel treiben wollen. Vielleicht wollen sie Panther- und Sleenfelle einkaufen.«

»Nein«, sagte ich, »das wäre nicht unmöglich.«

Wir sahen zu, wie die Mannschaft der Rhoda den Männern am Kai Taue zuwarf. Das Schiff war schnell festgemacht.

»Tyros«, sagte ich, »ist mit Ar verfeindet. Sollte Marlenus Verna und ihrer Bande in die Hände fallen, hätte Tyros sicher großes Interesse daran, den Ubar von den Panthermädchen zu kaufen.«

Vielleicht war die Rhoda aus diesem Grund nach Laura gekommen. Ein solcher Schlag wäre für Tyros ein großer Erfolg gewesen.

»Vielleicht sind die Leute aber nicht an Marlenus interessiert«, sagte Rim und sah mich an.

Ich erwiderte verwirrt seinen Blick.

»Wer kann voraussehen, was im Wald passiert?« fragte er.

»Was tun, Kapitän?« wollte Thurnock wissen.

»Wir verfolgen unsere Pläne weiter«, sagte ich.


»Du weißt, was du zu tun hast?« fragte ich Sheera.

»Ja«, sagte sie. Wir befanden uns tief im Wald. In ihrer kurzen, ärmellosen weißen Tunika sah das Panthermädchen wie jede andere gewöhnliche Sklavin aus.

»Deine Handgelenke!« sagte ich.

»Du wirst mich doch nicht fesseln!« rief sie entsetzt. »Dann wäre ich im Wald verloren!«

Ich ließ die Sklavenbänder zuschnappen. So konnte Sheera kaum rennen und schon gar nicht klettern.

»Bedeute ich dir denn gar nichts?« fragte sie.

»Nein.«

»Und unsere Nächte auf dem Schiff?«

»Du bedeutest mir nichts.«

Rim, Thurnock und fünf Männer begleiteten mich. Wir hatten einige Tauschgüter und etwas Gold mitgebracht.

Wir wollten hier unser Lager errichten, das uns mit einem Palisadenzaun vor wilden Tieren und nächtlichen Angriffen der Panthermädchen schützen sollte.

Sheera sah sich niedergeschlagen um. »Vielleicht töten sie mich einfach.«

»Das ist nicht anzunehmen. Panthermädchen werden eine Sklavin immer verkaufen.«

»Aber ich bin Sheera, Vernas Feindin. Wenn sie mich fängt, will sie mich vielleicht umbringen.«

»Das glaube ich nicht. Sie wird dich verkaufen.«

»Dann laß mich jetzt gehen«, sagte sie nervös.

Ich warf einen Blick auf die Sonne. »Dazu ist es noch zu früh.«

Wahrscheinlich brauchten Vernas Mädchen nicht lange, um die Fliehende aufzugreifen. Wir hatten uns keine Mühe gegeben, unser Vorrücken geheimzuhalten oder unsere Spuren zu verwischen. Wahrscheinlich wußte die Bande längst von unserer Gegenwart. Ich hatte vor einer Ahn eine Bewegung im Unterholz gesehen – und das war bestimmt kein Waldpanther gewesen.

Die Männer spitzten Palisadenstämme zu und rammten sie rings um unseren Lagerplatz in den Boden.

Ich setzte mich mit untergeschlagenen Beinen hin, zog einen Pfeil aus dem Köcher und machte mich daran, den Schaft neu zu federn.

Nördlich von Laura liegen mehrere große Sklavengehege. Es hatte fast einen Vormittag lang gedauert, bis Rim, Thurnock und ich den gekennzeichneten Baum gefunden hatten. Wir hatten auch den nächsten Baum entdeckt und die Himmelsrichtung festgelegt. In die Heckkabine der Tesephone zurückgekehrt, waren wir dann genauer als zuvor den Hinweisen der beiden gefangenen Panthermädchen gefolgt und hatten die ungefähre Lage von Vernas Lager auf der Karte eingetragen. Unsere ursprüngliche Schätzung war gar nicht mal so falsch gewesen. Natürlich mußten wir uns dem Lager, sollte es dazu kommen, aus einer anderen Richtung nähern. Und wollten wir das Lager mit Sklavennetzen stürmen, mußten wir das nach leisem Anschleichen tun und aus unerwarteter Richtung schnell und energisch zuschlagen.

Unsere Pläne liefen gut.

Ich dachte an das Sklavenmädchen Tana, das früher Elizabeth Cardwell geheißen hatte, ein Mädchen, das nun in der Taverne des Sapedon in Lydius arbeitete. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Sie war ein Risiko eingegangen und mußte nun die Folgen tragen. Wahrscheinlich dachte sie öfter an mich, während sie ihre Gäste – bediente.

Auch dachte ich an Telima, die ebenfalls eine Entscheidung getroffen hatte. Wenn sie wollte, sollte sie ruhig in ihren geliebten Sümpfen bleiben!

Ich war auf der Suche nach Talena. Talena war keine einfache Pagasklavin, auch kein simples Rencemädchen, das ich aus dem Sumpf in die Stadt geholt hatte. Talena war die Tochter eines Ubar.

Mit Talena an meiner Seite mochte es mir gelingen, erster Kapitän im Kapitänsrat von Port Kar zu werden.

Und wer konnte wissen, welche anderen politischen Entwicklungen in dieser Stadt möglich waren. Ich war in Port Kar beliebt. Vielleicht kam es bald wieder dazu, daß nur ein Ubar in der Stadt regierte.

Und Talena an meiner Seite wäre die schönste, reichste und mächtigste Frau auf ganz Gor!

Ich stellte den Pfeil fertig.

Ich wollte Talena befreien.

Wir würden unsere Gefährtenschaft erneuern, und Talena mochte mir manchen Vorteil bringen – an Einfluß und Vermögen. Vielleicht konnte ich eines Tages sogar eine Position erringen, die derjenigen ihres Vaters überlegen war.

Ich stand auf, den Pfeil in der Hand, und legte ihn über zwei Steine. Morgen früh würde er trocken sein.

Ich sah Sheera an. Es war noch zu früh für sie.

Langsam machte ich einen Rundgang und sah mir an, wie die Männer mit der Befestigung des Lagers vorankamen. Wir hatten unsere Pläne nur in einem Punkt geändert – und dieser Punkt betraf die Ankunft der Rhoda aus Tyros in Laura.

Wir hatten die Tesephone aus dem laurischen Hafen gesteuert und waren um weitere zwanzig Pasang flußaufwärts gefahren. Hier, am Nordufer, hatten wir unser Lager errichtet. Oberhalb von Laura ist der Fluß weitaus weniger befahrbar, besonders im Spätsommer. Obwohl die Rhoda eine leichte Galeere war, ragte ihr Kiel doch erheblich tiefer ins Wasser als der unsere. Außerdem war sie viel länger. So konnte sie uns unmöglich zu dem neuen Lager folgen. Zusätzlich wollte ich flußabwärts Wachen aufstellen, die jede Annäherung anderer Boote melden sollten. Ich hatte das ganze Lager mit Wachen umstellt, für den unwahrscheinlichen Fall, daß man sich durch den Wald anschleichen wollte.

Ich hielt diese Vorsichtsmaßnahmen im Grunde für überflüssig, doch ich ordnete sie trotzdem an.

Abgesehen von allem anderen gab uns das Lager oberhalb Lauras die nötige Abgeschiedenheit für unsere Pläne. Soweit es die Stadtbewohner betraf, waren wir bemüht, bessere Preise für Sleenpelze herauszuholen. So etwas kam ab und zu vor. Niemand brauchte von unseren wahren Absichten zu erfahren.

Unser Lager am Flußufer ähnelte in etwa einem halbbefestigten goreanischen Marinelager. Die Tesephone war auf das Ufer gelaufen und lag schräg auf der Seite, wodurch wir die Möglichkeit hatten, ihre Außenplanken abzukratzen, neu zu teeren und abzudichten – zuerst auf der einen, dann auf der anderen Seite. Natürlich würden sich die Männer auch um das stehende und laufende Gut an Bord kümmern, um die Taue und die Takelage und die Rudereinrichtung. Während diese Arbeiten im Gang waren, mußte ein Teil der Mannschaft Steine vom Ufer herbeischleppen und im Wald Stämme schneiden, um eine Mauer zu bauen, die das Lager schützen sollte. Zum Wasser hin war dieser Schutzwall natürlich offen. Planen wurden zwischen der Mauer und der Tesephone gespannt und boten Schatten und Schutz bei Regenschauern.

Ich war stolz auf meine Mannschaft und nahm mir vor, Paga aus Laura für sie holen zu lassen.

»Wie geht die Arbeit voran?« erkundigte ich mich bei Thurnock.

»Ausgezeichnet, Kapitän«, entgegnete er.

Die Männer waren bald fertig.

Wie ich erfahren hatte, lag das Lager Marlenus’, des großen Ubar aus Ar, irgendwo nördlich oder nordwestlich von Laura. Vielleicht benutzte er sogar die gleiche Stelle wie vor einigen Monaten, als er in den nördlichen Wäldern gejagt und dabei Verna und ihre Bande gefangen hatte.

Marlenus, das glaubte ich zu wissen, war bestimmt sehr zuversichtlich. Aber beim zweitenmal ließ sich die berühmte Gesetzlose sicher nicht so leicht fangen.

»Noch zwei Pfähle, und wir sind fertig«, meldete Thurnock.

Ich warf einen Blick auf die Sonne, die nun hinter den Bäumen stand. In einer halben Ahn mußte es dunkel sein.

Dies war die richtige Zeit für die Flucht eines Sklavenmädchens.

Ich wandte mich an Sheera. »Auf die Füße, Sklavin!« befahl ich. Sie sah mich mit zusammengepreßten Lippen an.

»Hast du mich deshalb gekauft?« fragte sie und deutete mit einer Kopfbewegung auf den Wald ringsum.

»Ja«, erwiderte ich.

Mit vor dem Leib gefesselten Armen glitt sie durch die letzte verbleibende Lücke in unserem Palisadenzaun und eilte in den Wald.

Es lag in ihrem Interesse, Verna so schnell wie möglich in die Hände zu fallen. Die hungrigen Nachtsleen des Waldes würden in etwa einer Stunde ihren Bau verlassen.

»Was machen wir jetzt, Kapitän?« fragte Thurnock. Die Wand war geschlossen.

»Wir kochen uns ein Mahl«, sagte ich. »Dann essen wir und warten ab.«


Etwa zur zwanzigsten Ahn, die auf Gor die Mitternachtsstunde ist, hörten wir außerhalb unserer Befestigung ein Geräusch.

»Nicht das Feuer löschen!« sagte ich zu meinen Leuten. »Wir wollen lieber etwas zurücktreten.«

Daß wir das Feuer brennen ließen, bezeugte unsere friedlichen Absichten. Allerdings hielten wir uns etwas abseits, damit wir den Panthermädchen kein zu leichtes Ziel boten.

Doch uns zu erschießen, konnte nicht in ihrer Absicht liegen, sonst hätten wir eben das Geräusch nicht gehört – das Knacken eines Astes, das uns alarmieren und den Mädchen unsere Reaktion zeigen sollte.

Ich stand in der Nähe der Flammen und hob die Hände hoch, damit die Panthermädchen sehen konnten, daß ich unbewaffnet war.

»Ich bin Bosk von der Freien Insel Tabor«, sagte ich. »Ich bin Kaufmann. Ich möchte mit euch verhandeln.«

Stille.

»Wir haben Waren anzubieten.«

Aus der Dunkelheit außerhalb unseres Lagers trat kühn eine Frau. Sie war mit einem Bogen bewaffnet und trug ein Pantherfell.

»Laßt das Feuer heller brennen!« befahl sie.

»Tu, was sie sagt«, wandte ich mich an Thurnock.

Widerstrebend häufte Thurnock mehr Holz auf das Feuer, bis das Innere des Lagers gut ausgeleuchtet war. Außerhalb des Feuerscheins war kaum etwas zu erkennen. Meine Männer und ich waren nun ein leichtes Ziel für die Mädchen des Waldes.

»Legt Schwertgürtel und Waffen ab!« befahl die Frau.

Auf mein Zeichen hin legten meine Männer ihre Waffen neben dem Feuer nieder.

»Ausgezeichnet«, sagte die Frau von der anderen Seite des Palisadenzauns und musterte uns. Auch ich konnte sie nun deutlicher erkennen. Sie trug einen goldenen Armreif um das linke Handgelenk und ein zweites goldenes Schmuckstück am rechten Bein.

»Ihr seid umstellt«, rief sie.

»Natürlich«, erwiderte ich.

»Auf jeden von euch ist mindestens ein Pfeil gerichtet.«

»Natürlich.«

»Worüber wollt ihr verhandeln?«

»Laßt uns das in Ruhe besprechen.«

»Dazu müßt ihr einige Palisadenpfähle entfernen.«

Ich gab Thurnock einen Wink. »Nehmt vier Pfähle heraus.« Widerstrebend gehorchte er.

Mit hoch erhobenem Kopf kam das Panthermädchen zu uns ins Lager und sah sich um. Sie hatte überhaupt keine Angst. Mit dem Fuß schob sie die am Boden liegenden Waffen näher zum Feuer.

»Setzt euch«, sagte sie zu meinen Männern und deutete auf den Fuß der Palisadenmauer.

Ich gab den Männern ein Zeichen, daß sie gehorchen sollten. Sie mußten sich so hinsetzen, daß sie ins Feuer blickten. So konnten sich ihre Augen nicht so schnell wieder an die Dunkelheit gewöhnen. Wurde das Feuer plötzlich gelöscht, waren sie eine Ehn lang geblendet und den Panthermädchen hilflos ausgeliefert.

Das Mädchen nahm nun mit untergeschlagenen Beinen mir gegenüber Platz.

Von draußen ertönten weitere Geräusche, und ich sah, wie sich etwas Weißes in der Dunkelheit bewegte, von zwei Panthermädchen flankiert.

Von zwei Wächterinnen gestützt, wurde Sheera ins Lager gebracht. Sie war natürlich noch immer gefesselt und wurde jetzt vor dem Feuer zu Boden gestoßen. Man schien sie ausgepeitscht zu haben.

»Wir haben diese verirrte Sklavin gefunden«, sagte die Anführerin.

»Sie gehört mir«, sagte ich.

»Weißt du, wer sie ist? Sie war einmal ein Panthermädchen – Sheera.«

»Oh.«

Das Mädchen lachte. »Sie war eine große Rivalin Vernas – und Verna macht sich jetzt das Vergnügen, sie dir zurückzugeben. Taugt sie überhaupt etwas?«

Ich sah Sheera nachdenklich an. »Ja, sie stellt sich ganz vernünftig an.«

Sheera senkte wütend den Blick. Einige Panthermädchen lachten höhnisch.

»Wir wollen vier Pfeilspitzen für das Mädchen.«

»Ein vernünftiger Preis«, bemerkte ich.

»Mehr als genug für eine billige Sklavin.«

Sheera hatte die Fäuste geballt. Ich gab Zeichen, daß sich ein Panthermädchen vier Pfeilspitzen aus einem unserer Lastballen nehmen solle. Sie gehorchte und nahm vier Spitzen, nicht mehr.

»Du bist also Verna?« fragte ich die Anführerin.

»Nein.«

Ich sah sie enttäuscht an.

Sie musterte mich mißtrauisch. »Du suchst Verna?« fragte sie.

»Ich bin weit gereist, um Geschäfte mit ihr zu machen.« Mürrisch starrte ich das Mädchen an. »Ich hatte angenommen, ich befinde mich in dem Gebiet, das von Verna und ihrer Gruppe beansprucht wird.«

»Ich gehöre zu Vernas Gruppe«, erwiderte das Mädchen.

»Das ist gut.«

Das Mädchen, das mir gegenübersaß, war blond und blauäugig, wie man es oft bei Panthermädchen findet. Sie war sehr hübsch, hatte jedoch einen grausamen Zug um den Mund.

»Ich bin Bosk aus Tabor«, sagte ich.

»Und ich heiße Mira.«

»Kannst du für Verna sprechen?«

»Ja, und für wen sprichst du?«

»Für mich.«

»Nicht für Marlenus aus Ar?«

»Nein.«

»Das ist interessant«, sagte sie nachdenklich. »Aber Verna sagte uns ohnehin, daß Marlenus aus Ar anders vorgehen würde.«

»Da hat sie wahrscheinlich recht.« Marlenus würde als Angreifer in den Wald eindringen und nicht als Unterhändler kommen.

»Weißt du, daß sich Marlenus im Wald aufhält?« fragte sie.

»Ja, davon habe ich gehört.«

»Weißt du, wo sich sein Lager befindet?«

»Nein – außer daß es irgendwo nördlich oder nordöstlich von Laura liegen soll.«

»Wir wissen, wo es zu finden ist«, sagte Mira.

»Mich interessiert besonders eine Frau, die angeblich in Vernas Lager gefangengehalten wird.«

»Eine Sklavin?«

»Möglich. Sie soll dunkelhaarig und sehr schön sein.«

»Du meinst Talena«, sagte Mira lächelnd, »die Tochter Marlenus’ aus Ar.«

»Ja«, sagte ich. »Befindet sie sich in eurem Lager?«

»Vielleicht«, sagte Mira. »Vielleicht auch nicht.«

»Ich bin bereit, eine große Summe für sie zu bieten – ganze Gewichte an Gold.«

Ein goreanisches Gewicht ist zehn goreanische Stein schwer. Und ein »Stein« entspricht etwa zwei irdischen Kilogramm.

»Und würdest du dieses Mädchen für noch mehr Geld an Marlenus weiterverkaufen?«

»Ich will mit ihr keine Gewinne machen«, sagte ich.

Mira stand auf, und ich folgte ihrem Beispiel.

»Viel Gold«, wiederholte ich.

Doch als ich in Miras Augen blickte, wurde mir klar, daß Talena nicht zum Verkauf stand.

»Ist das Mädchen in eurem Lager?« fragte ich noch einmal.

»Vielleicht«, antwortete Mira ausweichend. »Vielleicht auch nicht.«

»Setzt einen Preis für sie fest.«

»Dieser Wald gehört den Panthermädchen, Kaufmann«, sagte Mira. »Du solltest ihn morgen früh schleunigst verlassen. Es ist ein Glück für dich, daß wir ein Geschäft miteinander gemacht haben.«

Ich nickte.

Sie musterte meine Männer. »Gute Ware – die Burschen würden sich in Sklavenketten gut machen.«

Mit diesen Worten kehrte sie zur Öffnung in unserer Palisadenmauer zurück und drehte sich noch einmal um. »Kaufmann«, sagte sie, »in Zukunft solltest du dich nicht in die Angelegenheiten von Verna und Marlenus mischen.«

»Verstanden«, sagte ich.

Das Mädchen machte kehrt und verschwand schnell in der Dunkelheit, gefolgt von ihrer Truppe.

Meine Männer sprangen auf und packten wutschnaubend ihre Waffen.

Ich ging zu Sheera und faßte sie unter das Kinn. »Hast du Verna gesehen?«

»Ja.«

»Warst du in ihrem Lager?«

»Nein.«

»Halten die Panthermädchen Talena hier gefangen?«

»Weiß ich nicht.«

Ich ließ sie los.

»Hat dir Verna etwas für mich aufgetragen?«

»Nein.«

Ich stieß sie wütend von mir. »Thurnock!« brüllte ich. »Setz die Pfähle wieder ein!«

Mein getreuer Freund machte sich sofort an die Arbeit.

Ich starrte hinaus in die Dunkelheit der Wälder. Wir würden tatsächlich den Wald verlassen. Spätestens morgen mittag waren wir wieder in unserem Lager am Fluß.

Aber wir würden zurückkehren.

Ich hatte Verna und den Panthermädchen ihre Chance gegeben!


Unsere Männer hatten uns freudig willkommen geheißen. Wie ich feststellte, war die Arbeit am Flußlager gut vorangekommen.

In meiner Abwesenheit hatten einige Jäger und Gesetzlose Sleenpelze gebracht. Wir hatten ihnen gute Preise bezahlt – in Gold oder Tauschwaren. Für die Einwohner Lauras und die Jäger im Wald waren wir einfache Kaufleute, die Felle und Lederwaren suchten. Ich war nicht unzufrieden.

»Schau!« sagte Rim eine Stunde nach unserer Ankunft. »Der kleine Sleen!«

Ich beobachtete Tina, die einen Wasserkrug schleppte. Sie hatte ihre kurze Sklaventunika mit einer Gürtelschnur zusammengerafft. Ich lächelte.

Rim und ich näherten uns dem Mädchen, das sich erschrocken umwandte.

»Heb die Arme über den Kopf!« befahl ich.

Nervös gehorchte sie. Rim zupfte am Knoten ihres Gürtels, und sofort fielen einige Gegenstände aus ihrem Gewand zu Boden – mehrere kleine goreanische Pflaumen, eine kleine Larmafrucht und zwei Silbertarsks.

Mehrere Männer waren näher gekommen und beobachteten die Szene. »Mir fehlen zwei Silbertarsks«, sagte einer und nahm die Münzen aus dem Sand.

Tina versuchte zu fliehen, doch einer meiner Leute hielt sie fest und zerrte sie zurück.

»Eine hübsche kleine Diebin!« bemerkte Rim.

»Und sehr geschickt!« sagte ich.

»Schon mein Vater war ein Dieb!« rief sie. »Und sein Vater ebenfalls.« Sie begann zu zittern. »Was wird mein Herr jetzt tun?«

»Ich überlege, ob ich dich auspeitschen lassen soll.«

Sie schüttelte verzweifelt den Kopf.

»Glaubst du, daß du mir innerhalb einer Ehn eine goldene Tarnscheibe bringen könntest – von doppeltem Wert?«

»Ich habe kein Gold!« rief sie.

»Dann muß ich dich wohl auspeitschen lassen.«

»Nein!« rief sie. »Bitte nicht!« Wieder machte sie kehrt und versuchte zu fliehen. Verzweifelt drängte sie sich durch die Menge.

Sekunden später wurde sie von zwei Männern zurückgezerrt und vor mir in die Knie gezwungen. Sie senkte den Kopf.

»Anscheinend müssen wir sie doch auspeitschen«, sagte Rim.

»Ich glaube, nicht«, meinte ich.

Tina hob den Kopf. Sie lächelte und hielt mir die rechte Hand hin. Darin lag eine goldene Tarnscheibe von doppeltem Wert.

Die Männer stießen einen Freudenschrei aus. Sie schlugen sich anerkennend mit der rechten Faust an die linke Schulter.

Ich zog Tina hoch. Sie lächelte. »Du bist unschlagbar«, sagte ich.

Sie senkte lächelnd den Blick.

»Aber hast du die Absicht, in diesem Lager wieder zu stehlen?« fragte ich.

»Nein, Herr«, erwiderte sie ernst.

»Im Gegenteil«, sagte ich. »Ich wünsche, daß du deine Talente trainierst. Du darfst in diesem Lager stehlen, was du willst – doch innerhalb einer Ahn mußt du das Gestohlene dem Eigentümer zurückgeben.«

Sie lachte entzückt, während meine Männer unbehagliche Blicke wechselten.

»Heute abend«, fuhr ich fort, »wirst du uns nach dem Essen eine kleine Vorstellung geben.«

»Ja, Herr.«

»Wessen Goldstück ist das?« fragte ich und hob die Münze.

Die Männer überprüften ihre Börsen, doch niemand erhob Anspruch auf das Geld.

»Gehört es etwa mir?« fragte ich Tina.

»Nein«, sagte sie lächelnd. »Die Münze kommt aus Thurnocks Beutel.«

Thurnock, der seinen Geldbeutel nur von außen betastet hatte, schnaubte verächtlich durch die Nase. »Mir gehört diese Münze nicht«, sagte er entschieden.

»Hattest du denn einen Doppeltarn bei dir?« fragte ich.

»Ja«, sagte Thurnock und begann in seinem Beutel zu wühlen. Dann wurde er plötzlich rot.

Ich warf Thurnock die Münze zu und sah Tina an. »Du bist eine süße kleine Diebin«, stellte ich fest, nahm sie in die Arme und küßte sie.

»Wenn ich nun meine Beute nicht innerhalb einer Stunde zurückgebe«, fragte sie, »was geschieht dann mit mir?«

»Beim erstenmal wird dir die linke Hand abgeschlagen.«

Sie wehrte sich in meinen Armen.

»Beim zweitenmal verlierst du die rechte Hand.«

Ihre vor Entsetzen geweiteten Augen waren nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt.

»Begreifst du, was ich sagen will?« fragte ich.

»Ja, Herr.«

Ich ließ sie los.


Bis auf die Wächter saßen alle Männer um das Feuer innerhalb der Schutzmauer unseres Flußlagers.

Vor mir kniete Sheera und bot mir nach Art der goreanischen Sklavin die Weinschale.

»Wann kehren wir in die Wälder zurück?« fragte Rim, der neben mir saß.

»Nicht sofort. Zuerst möchte ich den Männern hier etwas Zerstreuung bieten.«

»Haben wir dazu noch Zeit?«

»Ich glaube, schon. Wir kennen die ungefähre Lage von Vernas Lager. Marlenus hat dagegen keine Ahnung. Er treibt sich noch immer in der Nähe von Laura herum.«

»Du bist ein sehr geduldiger Mann«, sagte Rim.

»Geduld«, sagte ich, »ist eine Tugend der Kaufleute.«

»Und auch eine Tugend der Spieler und bestimmter Krieger.«

»Mag schon sein«, erwiderte ich und trank von meinem Wein.

»Ich bin jedenfalls nicht so geduldig«, sagte er.

»Morgen wanderst du nach Laura. Du sorgst dafür, daß vier Pagasklavinnen – die schönsten, die in Laura aufzutreiben sind – hierher ins Lager geschickt werden.«

»Aber es sind Männer aus Tyros in der Stadt«, gab Rim zu bedenken.

»Wir sind einfache Kaufleute aus Tabor.«

»Das ist wahr«, lächelte Rim.

»Ich kann es nicht erwarten«, sagte Thurnock, »wieder in den Wald zu ziehen!«

Ich sah ihn an.

»Thurnock«, sagte ich, »ich brauche einen Mann hier, einen Offizier, dem ich vertrauen kann, der in meiner Abwesenheit über das Lager wacht.«

»Nein!« rief Thurnock.

Ich schlug ihm auf die Schulter. »Vielleicht können wir dir ein kleines Panthermädchen aus dem Wald mitbringen.«

»Nein!« sagte Thurnock verzweifelt.

»Aber es ist mein Wunsch, mein Freund«, sagte ich.

Thurnock senkte den Kopf. »Jawohl, Kapitän.«

Ich stand auf. »Es ist Zeit für die kleine Demonstration, die ich euch versprochen habe. Tina! Komm her.«

Die Männer murmelten zustimmend. Auch Cara und Sheera hockten sich erwartungsvoll in den Sand.

Tina kam an meine Seite. »Paß auf – fühlst du das?« Sie legte die Finger an meinen Geldbeutel, öffnete die Schnur und nahm eine Münze heraus.

»Ja.«

»Natürlich«, sagte sie. Ich sah sie verdutzt an.

Sie gab mir die Münze zurück, ich steckte sie wieder in den Beutel.

»So etwas spürt man immer, wenn man darauf wartet«, sagte sie achselzuckend.

»Ich hatte dich für geschickter gehalten«, bemerkte ich ärgerlich.

»Sei nicht böse, Herr«, flehte sie, drückte sich an mich, legte mir die linke Hand um die Hüfte und zupfte damit an meiner Tunika. Ihre Lippen berührten die meinen. Ich erwiderte ihren Kuß und schob sie dann von mir.

Nun reichte sie mir die Münze zum zweitenmal.

Ich lachte, und die Männer applaudierten lebhaft.

»Diesmal hast du nichts gespürt«, stellte Tina fest.

»Nein.«

»Und doch ist dasselbe geschehen.«

Sie freute sich über mein verdutztes Gesicht und erklärte den anderen, was sie getan hatte.

»Er war abgelenkt«, sagte sie zur Menge. »Darauf muß man immer achten. Ich habe an seinem Gewand gezupft, daß er es merken mußte, und ihn geküßt. Im allgemeinen können wir nicht auf mehrere Dinge zugleich achten. Daß sich der Dieb zu schaffen macht, ist zu spüren, aber man merkt nichts, weil man sich auf etwas anderes konzentriert. Man kann auch die Aufmerksamkeit durch ein Wort oder einen Blick ablenken. Man kann ein vorgesehenes Opfer dazu bringen, daß es an einer bestimmten Stelle einen Angriff erwartet – und kann dann ganz woanders zuschlagen.«

»Sie redet ja wie ein General!« knurrte Thurnock. Tina sah ihn an, und er wich zurück. »Bleib mir vom Leib!«

Die Männer lachten.

»Du, Herr«, sagte Tina zu einem hübschen jungen Seemann, der ein Amethystarmband trug. »Würdest du bitte mal vortreten?«

Er stand auf und starrte sie erwartungsvoll an.

»Küß mich«, sagte sie.

»Aber gern.« Er beugte sich vor, legte ihr die Hände um die Hüften und küßte sie. Sie stellte sich eifrig auf die Zehenspitzen.

Als der Kuß sie wieder los ließ, griff er nach seinem Geldbeutel und grinste. »Du hast ihn nicht bekommen!« sagte er lachend.

»Hier ist dein Armband«, entgegnete Tina und reichte ihm den Amethystreif. Die Menge lachte begeistert.

Ich hatte beobachtet, wie sie das Schmuckstück geschickt mit einer Hand öffnete, während er sie umarmte. Die meisten jedoch waren so überrascht wie der junge Seemann, als sie das Armband in Tinas Hand entdeckten. Wir applaudierten lebhaft.

Geschlagen, aber lachend, legte der junge Mann das Armband wieder an und setzte sich an seinen Platz.

»Herr!« rief Tina.

Er blickte auf.

»Dein Beutel«, sagte sie und warf ihm seine Geldbörse zu.

Wieder lachten alle.

»Es ist nicht leicht, einen Beutel aufzuknoten«, sagte ich.

»Das stimmt«, gab sie zu und sah mich lächelnd an. »Natürlich kann man die Schnur auch durchschneiden.«

Ich lachte und mußte daran denken, wie geschickt sie mich bei unserem ersten Zusammentreffen in Lydius beraubt hatte.

»Rim war so nett, eine kleine Klinge für mich zu machen – aus einem alten Rasiermesser.«

Rim gab ihr eine winzige Klinge, die auf besondere Art geschliffen war. Sie schmiegte sich zwischen ihren Zeige- und Mittelfinger und war kaum zu sehen.

»Herr?« fragte Tina.

Ich stand auf, entschlossen, mich nicht hereinlegen zu lassen. Doch als Tina mich anrempelte, war meine Börse abgeschnitten, ehe ich es merkte.

»Ausgezeichnet«, sagte ich und knotete den Beutel wieder fest. Ich würde mir morgen einen neuen besorgen. »Ob du das noch einmal schaffst?« fragte ich.

»Möglich«, sagte Tina. »Ich weiß es nicht. Du bist jetzt gewarnt.«

Wieder ging sie an mir vorbei, und diesmal blieben die Schnüre intakt.

»Du hast es nicht geschafft«, sagte ich.

Da reichte sie mir den Inhalt des Beutels, und ich lachte. Sie hatte die Börse unten aufgeschlitzt und die Münzen in ihre Hand fallen lassen.

Tina gab Rim das Messer zurück, und wir alle spendeten begeistert Beifall.


Später am Abend stand Rim auf und gähnte. Er legte einen Arm um Cara und verließ mit ihr das Feuer. Die Männer tranken und unterhielten sich angeregt.

Sheera besaß die Kühnheit, fragend meinen Unterarm zu berühren. Ich scheuchte sie mit einem Blick zurück. Sie senkte den Kopf und trollte sich.

Ich unterhielt mich noch lange mit Thurnock und besprach unsere Expedition in den Wald und meine Anordnungen für das Lager.

Das Feuer war niedergebrannt, und die Wachen hatten gewechselt, als wir endlich zu Bett gingen.

Es war eine heiße Nacht, die Sterne standen funkelnd am schwarzen goreanischen Himmel. Die drei Monde waren schön anzuschauen. Die Männer lagen auf ihren Decken unter den Planen, die sich von der Tesephone zur Palisadenmauer erstreckten.

Der Fluß plätscherte gemächlich dahin, seinem Ziel, dem Thassa, dem Meer, entgegen, das gut zweihundert Pasang entfernt war. Ich hörte den Schrei von Nachtvögeln am Himmel, und das Fauchen eines Sleen, der vielleicht einen Pasang entfernt war. Scharen von Moskitos machten sich unangenehm bemerkbar.

Ich betrachtete den Umriß der Tesephone in der Dunkelheit. Sie war ein gutes Schiff.

Plötzlich bemerkte ich, daß vor mir eine Gestalt stand. Sie trug das kurze ärmellose Sklavengewand.

»Sei gegrüßt, Sheera«, sagte ich.

»In den Wäldern mußte ich Lasten tragen«, begann sie. »Ich wurde gefesselt fortgeschickt, um von den Panthermädchen gefangen zu werden. Von ihnen wurde ich mißhandelt und ausgepeitscht.«

Ich zuckte die Achseln. »Du bist eben eine Sklavin.«

»Vorhin«, sagte sie, »habe ich deinen Arm berührt. Das hat mich viel Überwindung gekostet. Mehrere Ahn lang habe ich mit mir gekämpft – und es dann doch getan. Doch dein Blick war hart.«

Ich schwieg.

»Ich bin kein Panthermädchen mehr«, fuhr sie fort. »Du hast mich auf dem Schiff gelehrt, was es heißt eine Frau zu sein. Du hast mir alles genommen – aber auch alles gegeben.«

Sie griff nach meiner Hand und küßte sie schluchzend. Im nächsten Augenblick umfaßte ich ihren Kopf und zog sie zu mir herab.

»Sei still – Sklavin«, sagte ich und preßte meine Lippen auf die ihren. Mit der Fingerspitze strich ich über ihren Körper und spürte seine hilflose Sehnsucht. Sheera begann heftig zu atmen. Sanft strich ich über ihre Brustwarzen. Sie richteten sich bei der Berührung sofort auf und wurden hart. Ich küßte sie. Ihre Reaktion war nicht vorgetäuscht. Meine Finger strichen zärtlich über ihren Körper. Ich genoß das Vergnügen des Herrn, der sich einer vorzüglichen Sklavin bedient, und ich spürte, wie ihr Körper hilflos zuckte. Auch Sheera, das ehemalige Panthermädchen, genoß also die Berührung ihres Herrn. Da legte ich mich zu ihr, und wir vergaßen die Welt um uns.

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