Die Mädchen wurden gefesselt, und Marlenus reichte Verna an einen seiner Männer weiter.
Dann beugte er sich herab und durchtrennte meine Fesseln mit einem Sleenmesser.
»Marlenus! Marlenus!« rief eine Stimme.
Ein Mädchen drängte sich vor. Einer der Kämpfer hielt sie am Arm fest.
»Ich bin Mira!« sagte sie. »Mira!«
Marlenus blickte auf. »Laß sie frei«, sagte er zu dem Mann, der sie festhielt.
Der Krieger gehorchte. Das Mädchen hob ihr Fell vom Boden auf und zog es an.
»Verräterin!« rief Verna.
Mira ging zu ihr und spuckte ihr ins Gesicht. »Sklavin!« fauchte sie.
»Ich besiege jede Stadt«, sagte Marlenus, »hinter deren Mauern ich ein Tarngewicht Gold schmuggeln kann.«
Verna bäumte sich auf in ihren Fesseln, doch sie kam nicht mehr los.
Ich richtete mich auf und rieb mir die Gelenke. »Meinen Dank an Marlenus aus Ar!«
»Ich werde Leutnant von Hura«, sagte Mira zu Verna, »wenn ihre Bande eintrifft und diesen Teil des Waldes in Besitz nimmt.«
Verna schwieg.
Ich rappelte mich mühsam auf und legte meine Tunika wieder an. Wie immer war Marlenus siegreich geblieben. Er war wirklich der Ubar aller Ubars.
Marlenus wandte sich an die gefesselte Anführerin der Panthermädchen. »Du hast uns viel Mühe bereitet!« sagte er. »Aber obwohl du eine Gesetzlose bist, will ich dein Leben schonen, denn du bist auch eine Frau!«
Verna wandte den Kopf zur Seite.
»Ich habe gehört, daß bald weitere Panthermädchen in diesen Teil der Wälder kommen«, sagte ich. »Es wäre vielleicht ratsam, sich so schnell wie möglich zurückzuziehen.«
Marlenus lachte. »Das muß Huras Bande sein«, sagte er. »Die Mädchen stehen in meinen Diensten!«
Verna stieß einen Wutschrei aus.
Marlenus sah das Mädchen an. »Ich dachte mir schon, daß sie mir bei der Jagd auf dieses Geschöpf helfen können!« Und er deutete auf Verna.
»Doch die hier« – und Marlenus strich Mira übers Haar – »war mir am nützlichsten. Mit meinem Gold hat Hura ihre Bande vergrößert und wird Mira als Stellvertreterin aufnehmen. Und Mira hat sich ihre Belohnung wirklich verdient.«
Er reichte dem Panthermädchen einen schweren Beutel Gold.
»Ich danke dir, Ubar«, sagte Mira.
»Dann hat sie dir also das Lager und die Lage des Tanzkreises verraten?«
»Ja.«
»Sind meine Männer im Lager?«
»Wir sind zuerst ins Lager gezogen«, sagte Marlenus, »und haben sie dort befreit.«
»Gut.«
»Aber ihre Köpfe waren bereits geschoren«, sagte Marlenus.
Ich zuckte die Achseln. »Jedenfalls verdanke ich dir viel.«
»Was soll aus uns werden?« fragte Verna.
»Neugier steht einer Kajira nicht an«, sagte Marlenus und legte mir die Hände auf die Schultern. »Wir verdanken einander viel.«
Er hatte den Thron seines Reiches nicht vergessen.
»Aber du hast mich aus Ar verbannt«, wandte ich ein. »Du hast mir Brot, Feuer und Salz verweigert.«
»Ja«, sagte Marlenus. »Denn du hattest vor langer Zeit den Heimstein Ars erobert.«
Ich schwieg.
»Spione berichteten mir«, fuhr er fort, »daß du in den Wäldern warst. Ich hatte gehofft, dich wiederzusehen, aber nicht so.«
Lächelnd musterte er meinen Kopf, und ich wich ärgerlich zurück.
Marlenus lachte. »Du bist nicht der erste, der Panthermädchen in die Hände fällt. Soll ich dir eine Mütze besorgen?«
»Nein.«
»Komm mit mir ein paar Tage in unser Lager nördlich von Laura – mein Bann über dich soll dort nicht gelten.«
»Sehr großzügig von dir.«
»Sei nicht verbittert«, sagte er lächelnd.
»Also gut, wir kommen mit.«
Ich sah mich um und entdeckte Mira, die ihre Waffen wieder an sich genommen hatte.
»Mira hat es ganz schlau angestellt«, sagte ich. »Sie behauptet, du hättest deine Streitkräfte zurückgezogen und sogar Talena verstoßen. Das Dokument, das sie uns vorlegte, war eine gute Fälschung.«
Marlenus’ Blick wurde plötzlich hart. »Das Dokument war keine Fälschung. Talena flehte mich an, ich solle sie freikaufen wie es eine Frau von Stand nie tun würde.«
»Dann ist die Verstoßung also gültig?« fragte ich.
»Ja«, sagte Marlenus. »Und jetzt laß uns von etwas anderem sprechen.«
»Aber was ist mit Talena?«
»Wer ist diese Person?« fragte Marlenus zurück.
Ich schwieg.
Marlenus wandte sich an Verna. »Wie ich höre, hast du ein Mädchen in der Gewalt, das ich einmal gekannt habe. Ich will sie befreien und mit nach Ar nehmen. Sie soll in meinem Palast unterkommen.«
Verna hob den Kopf. »Sie befindet sich in der Nähe einer Austauschstelle«, sagte sie. »Sie wird dort gefangengehalten.«
Marlenus blickte sie nachdenklich an. »Wenn ich dich nach Ar schaffe, mache ich denselben Fehler nicht ein zweites Mal«, sagte er. »Diesmal gibt es keine Verräter unter meinen Männern, keine Spione aus Treve. Von meinen Begleitern kenne ich jeden einzelnen persönlich. Außerdem wirst du diesmal als Sklavin nach Ar geführt.«
Sie sah ihn entsetzt an.
»Und ich lasse dir die Ohren durchstechen.«
Verna wandte den Kopf und begann zu weinen.
Marlenus schüttelte den Kopf. »Du weinst wie eine Frau.«
Dann wandte er sich an mich. »Wir kehren heute abend in Vernas Lager zurück und verbringen dort die Nacht. Morgen suchen wir mein Lager auf, das nördlich von Laura liegt.« Er stand auf und legte mir einen Arm um die Schulter. »Wir haben viel zu besprechen. Es ist lange her seit unserem letzten Zusammensein.«