Ich wanderte zwischen den bewußtlosen Panthermädchen umher. Sie schliefen lange. Dieser Luxus sollte ihnen in Zukunft nicht mehr vergönnt sein.
»Kettet sie zu den anderen Gefangenen«, sagte ich zu Vinca.
»Ja, Herr.«
Wir hatten acht Mädchen von unserer Gefangenenkette gelöst und zu Paaren zusammengeschlossen. Meine Pagasklavinnen erhielten das Kommando über je ein Paar.
Die angeketteten Sklavinnen begannen die bewußtlosen Panthermädchen aufzulesen und zu den anderen Gefangenen zu schleppen, wo sie in einer Reihe ins Gras gelegt wurden, um an unsere große Kette angeschlossen zu werden.
»Ich freue mich, daß wir jetzt mehr Sklaven haben«, sagte das blonde Panthermädchen. »Da haben wir alle weniger zu schleppen.«
Ich hatte den Lagerplatz und die Umgebung sorgfältig ausgekundschaftet. Wieder gab es zahlreiche Anzeichen für einen überstürzten Aufbruch. Die Tyrer waren zweifellos froh und tatkräftig erwacht, begierig, ihren Weg zum Meer fortzusetzen. Doch zu ihrem Entsetzen hatten sie feststellen müssen, daß sich viele Panthermädchen nicht wecken ließen – all jene, die gestern abend von Miras Wein getrunken hatten.
Die Mädchen lagen in tiefer Bewußtlosigkeit und hatten auf nichts reagiert – allenfalls hatten sie gestöhnt und sich herumgewälzt.
Wie erwartet waren die Tyrer nicht geblieben, um die Mädchen zu beschützen und zu verteidigen. Sie nahmen natürlich an, daß dieses Ereignis nur das Vorspiel zu einem Großangriff war. Sie hatten ja keine Ahnung, wie zahlreich oder kampfstark ihr Feind war. Sie dachten nur an die eigene Sicherheit. Auch kam es für sie nicht in Frage, die Bewußtlosen zu tragen, die das Tempo nur noch weiter gemindert hätten. Einige wichtige Mädchen aus Huras Bande waren vielleicht von ihren Artgenossinnen geschleppt worden. Doch die meisten waren einfach zurückgelassen worden – wie auch zahlreiche Zelte und viel Gepäck.
Ich betrachtete zwei der bewußtlosen Panthermädchen. Sie waren nach dem Genuß des Weins angenehm erwärmt eingeschlafen. Sie hatten sicher keine Ahnung, daß das Getränk ein Schlafmittel enthielt. Wenn sie erwachten, würden sie annehmen, daß es Morgen sei, und würden ihren Marsch fortsetzen wollen. Um so größer war dann ihre Überraschung.
Plötzlich glaubte ich in einem der zurückgebliebenen kleinen Zelte eine Bewegung wahrzunehmen.
Ohne mir etwas anmerken zu lassen, wanderte ich weiter und sah mich im Lager um. Als ich hinter der Zeltwand außer Sichtweite war, schob ich mich ins Unterholz.
Gleich darauf entdeckte ich ein Panthermädchen im Zelt. Sie kniete am Boden, den Rücken zu mir. Sie hatte einen schußbereiten Bogen angelegt und suchte offenbar ein Ziel. Sie hatte sich schlafend gestellt, schien jedoch bei vollem Bewußtsein zu sein. Noch hatte sie keine Chance für einen guten, sicheren Schuß gehabt. Einen Fehlschuß durfte sie nicht riskieren. Andere Zelte und die hin und her wandernden Panthermädchen waren zwischen uns gewesen. Ich bewunderte sie. Was für eine mutige Frau! Andere waren geflohen. Sie war zurückgeblieben, um die ohnmächtigen Waldmädchen zu verteidigen.
Natürlich war das ein Fehler gewesen.
Von hinten umfing ich sie, und sie schrie entsetzt auf. Ich fesselte sie. »Wie heißt du?« fragte ich, als ich die Knoten auf ihrem Rücken festzog.
»Rissia.«
Ich schleppte sie zu den anderen Mädchen und legte sie in die Reihe.
Dann sah ich mich wieder im Lager um. Die bewußtlosen Panthermädchen lagen nun nebeneinander im Gras.
»Bringt die Arbeitssklavinnen zurück«, sagte ich.
Die Pagasklavinnen trieben die vier Mädchenpaare zusammen und befestigten sie wieder an der Sklavenkette.
Ich führte die Mädchen zur Seite, so daß sich das Ende der Sklavenkette neben dem bewußtlosen Mädchen befand und sie mühelos daran befestigt werden konnten.
Dann machte ich mich daran, die neuen Gefangenen zu sichern. Meine Sklavenketten, die ich aus zurückgelassenen Beständen der Tyrer hatte, reichten nicht mehr aus, so daß wir Lederschnüre zu Hilfe nehmen mußten. Schließlich waren sämtliche Gefangenen gefesselt und mit ihren Nachbarn verbunden. Ich blickte an der langen Reihe entlang.
Mira hatte vorzügliche Arbeit geleistet. Offenbar war sie zuletzt doch mit den anderen geflohen. Vielleicht hatte Hura sie noch nicht im Verdacht. Es konnte ja sein, daß sie von dem Zusatz im Wein nichts gewußt hatte. Vielleicht nahm man auch an, daß nicht der Wein, sondern etwas anderes die Betäubung hervorgerufen hatte.
Ich musterte die Sklavinnen. Gestern abend hatte ich fünfundzwanzig weibliche Gefangene gehabt. Damit hatten die Tyrer nach meiner Rechnung ohne Hura über neunundsiebzig Panthermädchen verfügt.
»Ein ausgezeichneter Fang«, sagte Vinca und blickte an der Reihe entlang.
Und damit hatte sie recht. Achtundfünfzig neue Sklaven lagen an meiner Kette.
Hura hatte, wenn ich richtig gezählt hatte, hundertundvier Mädchen gehabt. Davon blieben ihr jetzt noch einundzwanzig. Mira mitgerechnet. Die anderen vierundachtzig verschönten die Sklavenkette eines gewissen Bosk aus Port Kar, eines Kaufmanns aus der bekannten Hafenstadt.
Als der Marsch begann, befehligte Sarus nach meiner Zählung hundertundfünfundzwanzig Tyrer. Ich hatte diese Zahl in den letzten Tagen auf sechsundfünfzig reduziert. Gestern morgen hatte Sarus einen weiteren Mann selbst umgebracht, so daß er noch fünfundfünfzig Mann hatte.
Ich rechnete damit, daß er bald damit beginnen würde, Sklaven im Wald zurückzulassen. Vermutlich war seine Angst so groß, daß er sie nicht mal zu töten wagte.
Zweifellos ging es ihm jetzt in erster Linie darum, das Meer zu erreichen, um dort von der Rhoda und der Tesephone aufgenommen zu werden. Notfalls würde er alle Sklaven aufgeben – natürlich mit einer Ausnahme: Marlenus aus Ar.
Ich betrachtete die Spuren, die er und seine Kolonne hinterlassen hatten. Es wurde Zeit, daß ich ihn wieder einmal heimsuchte.
»Die Sklavinnen haben nun lange genug geschlafen«, sagte ich zu Vinca. »Holt Wasser und weckt sie.«
»Ja, Herr.«
»Und dann folgt ihr mir wie in den letzten Tagen.«
»Ja, Herr.«
Ich verließ mein Lager und heftete mich wieder an die Fersen meiner Feinde.