John Norman Die Jäger von Gor

1

»Ich wünsche nicht«, sagte Samos und hob den Blick vom Spielbrett, »daß du in die nördlichen Wälder reist.«

Ich musterte die Figuren. Nach reiflichem Überlegen setzte ich meinen Ubars Tarnkämpfer auf Ubars Schriftgelehrten Sechs.

»So eine Reise wäre gefährlich«, meinte Samos.

»Du bist am Zug«, erwiderte ich, ohne mich vom Spiel ablenken zu lassen.

Er bedrohte den Ubars Tarnkämpfer mit einem Speerträger, den er auf seinen Ubar Vier vorzog.

»Wir möchten dich nicht verlieren«, setzte Samos das Gespräch fort. Um seine Lippen spielte ein leichtes Lächeln.

»Wir?« fragte ich.

»Die Priesterkönige und ich«, sagte er und lächelte.

»Ich diene den Priesterkönigen nicht mehr.«

»Ach ja«, meinte Samos, seufzte und fügte hinzu: »Paß auf deinen Tarnkämpfer auf.«

Wir spielten in der großen Halle Samos, in einem hohen, luftigen Raum mit großen schmalen Fenstern. Es war tiefe Nacht. Eine Fackel brannte in einem Gestell links hinter mir. Schatten zuckten über das Spielbrett, das aus hundert roten und gelben Quadraten bestand. Die geschnitzten Spielfiguren wirkten in diesem Licht groß und massiv.

Wir saßen mit untergeschlagenen Beinen auf den Fliesen des Bodens, über das große Spiel gebeugt.

Rechts von mir klimperten die Sklavenglöckchen eines Mädchens.

Samos trug die blau-gelbe Robe eines Sklavenhändlers. Er war der erste Vertreter dieses Standes in Port Kar und erster Kapitän im Kapitänsrat dieser Stadt. Auch ich gehörte diesem Rat an, der seit dem Niedergang der vier Ubars von Port Kar herrschte – ich, Bosk aus Port Kar. Ich trug ein weißes Gewand, aus der Wolle der Hurt gewoben, aus dem fernen Ar importiert, mit feiner Goldborte aus Tor abgesetzt. Die Farbe meines Gewands wies mich als Kaufmann aus. Doch unter meiner Robe trug ich eine rote Tunika, die Farbe der Krieger.

In einer Ecke des Raums kniete ein Mann, der in Ketten gelegt war und ein breites Eisenband um den Hals trug. Zwei Wächter flankierten ihn, behelmt und bewaffnet. Der Kopf des Mannes war vor einigen Wochen verunstaltet worden; man hatte ihm von der Stirn bis in den Nacken einen handbreiten Streifen Haar abrasiert. Inzwischen wuchsen die Haarstoppeln nach, die wie das übrige Haar schwarz und borstig waren. Der Mann war sehr kräftig. Er war noch nicht gebrandet worden, obwohl er ein Sklave war. Der Halskragen wies ihn als Sklaven aus.

Das Mädchen kniete neben dem Spielbrett. Sie trug ein kurzes rotes Seidengewand, die Kleidung einer Vergnügungssklavin. Sie war schön. Ihr Kragen, der ein Schloß hatte, war mit gelbem Emaille verziert.

»Paga«, sagte Samos geistesabwesend und starrte auf das Spiel.

»Ja«, sagte ich.

Mit klimpernden Glöckchen zog sich die Sklavin zurück, ohne den knienden Mann eines Blickes zu würdigen.

Ich bemerkte seinen wütenden Blick und hörte, wie sich die Ketten bewegten. Die Wächter kümmerten sich nicht um ihn. Er konnte nicht entkommen. Das Mädchen lachte und ging weiter, um Paga zu holen.

»Paß auf deinen Tarnkämpfer auf«, sagte Samos.

Statt dessen attackierte ich mit meinem Ubar auf Ubars Tarnkämpfer Eins.

Darauf blickte ich Samos prüfend an, doch er schaute auf das Spiel.

Er hatte einen großen, massigen Kopf und kurzes weißes Haar. Sein Gesicht war von der Sonne dunkel gebräunt und vom Wind und von der See gezeichnet. Kleine goldene Ringe baumelten ihm an den Ohren. Er war Pirat und Sklavenhändler, ein Meister mit dem Schwert, ein Kapitän aus Port Kar. Er betrachtete konzentriert das Spiel.

Dann nahm er nicht den Ubars Tarnkämpfer mit seinem Speerträger. Er sah mich vielmehr an und verteidigte seinen Heimstein, indem er seinen Schriftgelehrten auf Ubar Eins vorrückte, von wo er seinen Ubars Tarnkämpfer Drei steuern konnte – und damit die tödliche Diagonale beherrschte.

»Wie ich höre, ist Talena, die Tochter des Marlenus aus Ar, als Sklavin in die nördlichen Wälder gebracht worden«, sagte ich beiläufig.

»Woher hast du diese Information?« wollte er wissen. Samos war immer mißtrauisch.

»Von einer Sklavin, die in meinem Haus gelebt hat«, sagte ich. »Sie war ein hübsches Mädchen. Ihr Name war Elinor.«

»Ist das jene El-in-or, die nun Rask aus Treve gehört?« fragte er.

»Ja«, sagte ich und lächelte. »Ich habe hundert Goldstücke für sie bekommen.«

Samos lächelte. »Für einen solchen Preis wird Rask aus Treve dafür sorgen, daß er den tausendfachen Gegenwert an Freuden von ihr erhält.«

Ich lächelte ebenfalls. »Zweifellos. Und doch vermute ich, daß echte Liebe die beiden verbindet.«

Samos lächelte. »Liebe?« fragte er. »Liebe – zu einer Sklavin? Daß ich nicht lache!«

»Paga, die Herren?« fragte das dunkelhaarige Mädchen und kniete neben dem Tisch nieder.

Ohne sie anzusehen, hob Samos seinen Weinkelch. Das Mädchen schenkte ein.

Auch ich hob das Trinkgefäß und erhielt frischen Wein.

»Warte dort drüben«, sagte Samos, und sie gehorchte.

»Liebe oder nicht«, fuhr er fort, »er wird ihr den Kragen nicht nehmen. Immerhin stammt er aus Treve.«

»Sicher«, sagte ich. Und ich zweifelte nicht, daß Samos recht hatte. Obwohl er sie liebte, würde Rask aus Treve diesem Mädchen keine Rechte einräumen; sie würde in der absoluten Abhängigkeit eines goreanischen Sklavenmädchens bei ihm leben – das war nach den Sitten Treves gar nicht anders möglich.

»Es heißt, die Männer aus Treve sind würdige Gegner«, meinte Samos.

Ich schwieg.

»Jedenfalls sollen das die Kämpfer auf Ko-ro-ba immer wieder festgestellt haben.«

»Ich bin Bosk aus Port Kar«, sagte ich.

»Natürlich«, versicherte er lächelnd.

Ich zog meinen Ubarreiter des Hohen Tharlarion vor, so daß er die Reihe beherrschte, auf der gut geschützt Samos’ Heimstein lag.

»Es ist lange her, daß du der Freie Gefährte Talenas warst, der Tochter des Marlenus«, bemerkte Samos. »Die Gefährtenschaft ist beendet, da sie nicht jährlich erneuert wurde. Und du bist zwischendurch Sklave gewesen.«

Ärgerlich starrte ich auf das Spiel. Es traf zu, daß die Gefährtenschaft nach den goreanischen Gesetzen gelöscht war, da wir sie nicht erneuert hatten. Es stimmte auch, daß unabhängig davon jede goreanische »Ehe« sofort beendet worden wäre, wenn einer der beiden Partner versklavt wurde. Beschämt erinnerte ich mich an meine Abenteuer im Voskdelta, wo ich einmal – obwohl ich Krieger war – auf den Knien darum gefleht hatte, am Leben zu bleiben, wo ich die Unwürdigkeit der Sklaverei höher eingeschätzt hatte als einen ehrenvollen Tod. Ja, ich, Bosk aus Port Kar, war schon einmal Sklave gewesen.

»Du bist am Zug«, sagte ich.

»Du hast keine Verpflichtung, Talena zu suchen«, blieb Samos beim Thema.

Das wußte ich. »Ich bin ihrer nicht würdig.«

Nie hatte ich sie vergessen, die schöne grünäugige Talena mit der Olivenhaut und der herrlichen Figur und den fantastischen Lippen, erfüllt vom stolzen Blut Marlenus’ aus Ar, des Ubar dieser Stadt, des Ubar aller Ubars. Sie war meine erste wirkliche Liebe gewesen. Es war Jahre her, daß wir uns berührt hatten.

»Die Priesterkönige haben mich von ihr getrennt«, sagte ich mit zusammengepreßten Lippen.

Samos hob den Blick nicht. »Im Kampf der Welten sind wir nur unwichtige Spielsteine.«

»Ich habe jedenfalls erfahren, daß sie in die nördlichen Wälder gebracht wurde«, sagte ich. »Und zwar von Verna der Gesetzlosen, als Lockmittel für Marlenus aus Ar, der seine Tochter angeblich befreien will.« Ich blickte auf. »Auf einer Jagdexpedition hat Marlenus vor kurzem auch Verna und ihre Mädchen gefangen. Er steckte sie in Käfige und stellte sie als Jagdtrophäen aus. Sie sind jedoch geflohen und wollen sich jetzt rächen.«

»Du tätest gut daran, in Port Kar zu bleiben«, sagte Samos.

»Talena wird in den nördlichen Wäldern festgehalten.«

»Liebst du sie noch immer?« wollte Samos wissen und sah mich prüfend an.

Ich fühlte mich ertappt. Seit Jahren hatte die großartige Talena, die herrliche Talena in den geheimsten Träumen meines Herzens die wichtigste Rolle gespielt, meine erste, unvergeßliche Liebe. Sie war wie eingebrannt gewesen in mein Gedächtnis. Ich erinnerte mich, wie ich sie gesehen hatte – auf den Feldern nahe dem Sumpfwald südlich von Ar, in der Karawane Mintars, im großen Lager von Pa-Kurs Horde und auf dem hohen Justizzylinder Ars und im sanften Lampenschein Ko-ro-bas, wo wir eng beieinander gesessen und den Wein der Freien Gefährtenschaft getrunken hatten. Wie konnte ich sie nicht lieben – Talena, meine erste wahre Liebe, die erste Liebe meines Lebens?

»Liebst du sie?« wiederholte Samos seine Frage.

»Natürlich!« rief ich ärgerlich.

»Es ist viele Jahre her.«

»Das ist egal!«

»Aber ihr beide habt euch seit damals vielleicht verändert.«

»Möchtest du dieses Thema mit dem Schwert erörtern?« fragte ich gereizt.

»Vielleicht«, sagte Samos, »wenn du mir erklären kannst, inwiefern das für dieses Thema sinnvoll ist.«

Ich senkte wütend den Blick.

»Es wäre doch durchaus denkbar, daß du nur eine Erinnerung liebst – und keine Frau. Ein Sinnbild, keine wirkliche Person mehr.«

»Wer nie geliebt hat«, sagte ich bitter, »sollte nicht von Dingen sprechen, die er nicht kennt.«

Samos blieb gelassen. »Das mag stimmen.«

»Du bist am Zug«, sagte ich.

Ich blickte durch den Saal. Einige Meter entfernt kniete die Sklavin auf den Fliesen, den großen Pagakrug neben sich. Sie blickte hochmütig auf den angeketteten männlichen Sklaven und lächelte ihn verächtlich an. Er erwiderte ihren Blick, und ich spürte, daß er zornig war über seine Demütigung.

»Und was ist mit Telima?« fragte Samos.

»Sie wird mich verstehen.«

»Ich habe Informationen«, berichtete er, »daß sie heute abend, als du dein Haus verlassen hattest, in die Sümpfe zurückgekehrt ist.«

Ich sprang auf.

Ich war außer mir. Der Raum schien um mich zu kreisen.

»Was hast du von ihr erwartet?« fragte Samos aufreizend ruhig.

»Warum hast du mir das nicht eher gesagt?«

»Was hättest du getan?« fragte er zurück. »Hättest du sie in Sklavenketten an deine Lagerstatt gefesselt?«

Ich starrte ihn wütend an.

»Sie ist eine stolze Frau.«

»Ich liebe sie …«, sagte ich.

»Dann geh in die Sümpfe und suche sie!« sagte er hart.

»Ich … ich muß aber in die nördlichen Wälder«, stotterte ich.

»Hausbauer auf Ubaras Schriftgelehrten Sechs«, sagte Samos ungerührt und rückte eine große schmale Holzfigur auf dem Brett in meine Richtung.

Ich senkte den Blick. Ich mußte meinen Heimstein verteidigen.

»Du mußt dich zwischen den beiden entscheiden«, sagte Samos.

Wie wütend ich war! Ich schritt durch den von Fackeln erleuchteten Saal, und meine Robe wehte hinter mir her. Ich schlug mit der Faust gegen die Steinmauern. Hatte mich Telima nicht verstanden? Begriff sie nicht, was ich tun mußte? Ich hatte mir Mühe gegeben, das Haus des Bosk in Port Kar groß zu machen. Ich bekleidete in der Stadt eine hohe Position. Ein Platz an meiner Tafel gehörte zu den ehrenvollsten in ganz Gor! Welche Ehre es war, die Frau des Kaufmanns und Admirals Bosk zu sein! Und doch hatte sie sich von allem abgekehrt? Sie hatte mich vor den Kopf gestoßen! Sie hatte es gewagt, mich, Bosk, bloßzustellen! Die Sümpfe hatten ihr nichts zu bieten. Wollte sie tatsächlich Gold, Edelsteine, Stoffe und Münzen, die vorzüglichen Weine und Bediensteten und Sklaven, die Sicherheit des Hauses Bosk gegen die einsame Freiheit und Stille der Sümpfe des Voskdeltas eintauschen? Erwartete sie etwa, daß ich ihr nacheilte und um ihre Rückkehr flehte, während Talena, meine frühere Gefährtin, als Sklavin in den grünen Wäldern des Nordens litt? Nein, dieser Trick funktionierte nicht!

Sollte sie doch in den Sümpfen leben, bis sie genug hatte, sollte sich doch verzweifelt zurückgekrochen kommen, sollte sie doch wie ein kleiner Haussleen wimmernd an der Tür kratzen und um Aufnahme flehen!

Aber zugleich wußte ich, daß Telima nie zurückkehren würde.

Tränen stiegen mir in die Augen.

»Was hast du vor?« fragte Samos, ohne den Blick von dem Spielbrett zu nehmen.

»Morgen früh«, erwiderte ich, »reise ich ab. Mein Ziel sind die Wälder des Nordens.«

»Tersites«, sagte Samos leise, »baut ein Schiff, das bis zum Ende der Welt segeln kann – und weiter.«

»Ich diene den Priesterkönigen nicht mehr!«

Ich wischte mir mit dem Ärmel meiner Robe die Augen. Dann kehrte ich zum Spielbrett zurück.

Mein Heimstein war bedroht.

Und doch fühlte ich mich entschlossen und stark. Ich trug mein Schwert. Ich war Bosk, ich hatte früher der Kaste der Krieger angehört.

»Heimstein auf Ubars Tarnkämpfer Eins«, sagte ich.

Samos bewegte die Figur für mich.

Ich deutete mit einem Kopfnicken auf den angeketteten männlichen Sklaven.

»Ist das der Sklave?« fragte ich Samos.

»Bringt ihn her«, befahl der Sklavenhändler.

Die beiden Wächter zerrten den Mann hoch und schleppten ihn, unter die Achselhöhlen gefaßt, herbei. Dann drückten sie ihn wieder in kniende Position. Das Sklavenmädchen lachte.

Der Sklave richtete sich starr auf und sah uns an. Sein Stolz schien ungebrochen zu sein, was mir gefiel.

»Du hast einen ungewöhnlichen Barbier«, sagte Samos.

Wieder kicherte das Mädchen.

Der kahlrasierte Streifen auf seinem Kopf zeigte an, daß er von den Panthermädchen der nördlichen Wälder gefangengenommen und als Sklave verkauft worden war. Von Frauen versklavt zu werden ist eine der größten Erniedrigungen, die man einem Goreaner antun kann – von Frauen, die ihn dann, wenn sie seiner überdrüssig geworden sind, mit Profit verkaufen.

»Es heißt«, sagte Samos, »daß nur Schwächlinge und Dummköpfe und Männer, die es verdient haben, von Frauen versklavt werden.«

Der Mann starrte Samos düster an. Ich spürte, daß sich seine auf dem Rücken gefesselten Hände zu Fäusten ballten.

»Auch ich war einmal der Sklave einer Frau«, sagte ich zu dem Mann.

Er starrte mich verblüfft an.

»Was soll nun aus dir werden?« fragte Samos.

Das breite Sklavenband, das sich um den Hals des Mannes zog, war aus gehämmertem Metall und zusammengeschmiedet; es hatte kein Schloß.

»Was immer du wünschst, Herr«, sagte er.

»Wie bist du den Panthermädchen in die Hände gefallen?« wollte ich wissen.

»Sie haben mich im Schlaf überfallen«, sagte er. »Ich erwachte und hatte ein Messer an der Kehle. Ich wurde angekettet, und dann fielen alle über mich her. Anschließend wurde ich an einen einsamen Strand des Thassa gebracht, am Westrand der großen Wälder.«

»Eine bekannte Kontaktstelle«, sagte Samos. »Eines meiner Schiffe hat ihn und ein paar andere dort erworben.« Er sah den jungen Mann an. »Erinnerst du dich noch an deinen Preis?«

»Zwei Stahlmesser«, sagte der Mann, »und fünfzig stählerne Pfeilspitzen.«

»Und ein Steingewicht harter Kandis aus der Küche Ars«, ergänzte Samos lächelnd.

»Ja«, sagte der Mann gepreßt.

Wieder lachte das Sklavenmädchen und klatschte in die Hände. Samos tadelte sie nicht.

»Was soll nun dein Schicksal sein?«

»Bestimmt wirst du mich zum Galeerensklaven machen«, sagte er.

Die großen Handelsgaleeren Port Kars, Cos’, Tyros’ und anderer Meeresmächte setzten Tausende solcher elender Sklaven ein, die mit Erbsen- und Schwarzbrotsuppe ernährt wurden, in den Ruderdecks angekettet waren und unter den Peitschen der Sklavenherren Frondienste leisten mußten. Ihr Leben erhielt seinen Rhythmus allein durch die Fütterungen, die Auspeitschungen und die schwere Arbeit an den Rudern.

»Was hast du in den nördlichen Wäldern gesucht?« fragte ich ihn.

»Ich bin ein Gesetzloser«, sagte er stolz.

»Du bist Sklave«, korrigierte ihn Samos.

»Wenige Reisende wagen sich in die Wälder des Nordens«, bemerkte ich.

»Im allgemeinen habe ich meine Beute außerhalb des Waldes gesucht.« Er sah die Sklavin an. »Manchmal auch im Wald.«

Sie errötete. »Als ich gefangen wurde, war ich auf einem solchen Raubzug.«

Samos lächelte.

»Ich dachte, ich jagte die Frauen«, fuhr er fort. »Doch es war umgekehrt. Sie haben mich gejagt – und gefangen.«

Das Mädchen lachte auf, und er senkte ärgerlich den Blick.

Als er den Kopf wieder hob, fragte er: »Wann werde ich auf die Galeeren geschickt?«

»Du bist kräftig und siehst gut aus«, bemerkte Samos. »Vielleicht zahlt eine reiche Frau einen guten Preis für dich.«

Der Mann stieß einen Wutschrei aus und versuchte aufzustehen.

Doch die Wächter griffen ihm in die Haare und zerrten ihn wieder auf die Knie.

»Kennst du dich in den nördlichen Wäldern aus?« fragte ich den Mann.

»Wer kennt sich dort schon aus?« fragte er zurück.

Ich sah ihn schweigend an.

»Ich kann in den Wäldern überleben. Und ich kenne ein Gebiet von vielen hundert Quadrat-Pasang im Süden und Westen des Waldgebiets.«

»Eine Bande Pantherfrauen hat dich gefangen?« setzte ich meine Befragung fort.

»Ja.«

»Wie hieß die Anführerin der Gruppe?«

»Verna.«

Samos sah mich an. Ich war zufrieden. »Du bist frei«, sagte ich zu dem Mann und wandte mich an die Wächter. »Nehmt ihm die Ketten ab.«

Die Wächter öffneten die Schlösser der Armreifen und die Doppelkette, die seine Fußknöchel sicherte.

Er starrte mich sprachlos an.

Das Sklavenmädchen hatte ebenfalls die Augen aufgerissen. Sie machte einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf.

Ich zog einen Beutel aus der Tasche und reichte Samos fünf Goldstücke.

Damit hatte ich den Mann gekauft. Nun stand er ohne Ketten vor uns. Er rieb sich die Handgelenke und sah mich verständnislos an.

»Ich bin Bosk«, sagte ich zu ihm, »aus dem Haus Bosk aus Port Kar. Du bist frei. Du kannst ab sofort kommen und gehen, wie du willst. Morgen früh werde ich von meinem Haus auf der anderen Seite der Stadt, am Deltaufer, aufbrechen. Mein Ziel sind die nördlichen Wälder. Wenn du Lust hast, kannst du nahe beim großen Kanaltor auf mich warten und mich begleiten. Ich könnte einen kräftigen jungen Mann wie dich gebrauchen, der sich darüber hinaus in den Wäldern auskennt. Einverstanden?«

»Ja, Kapitän«, sagte er.

»Samos«, fuhr ich fort, »darf ich die Gastfreundschaft deines Hauses für diesen Mann erbitten?«

Samos nickte.

»Er braucht Nahrung, Kleidung, Waffen seiner Wahl, ein Zimmer, etwas zu trinken.« Ich musterte den Mann und lächelte. Der Gestank der Sklavengehege umgab ihn. »Außerdem schlage ich ein warmes Bad vor.«

Ich wandte mich an den jungen Mann und fragte ihn: »Wie heißt du?« Nachdem er nun frei war, hatte er auch wieder einen Namen.

»Rim«, sagte er stolz.

Ich fragte ihn nicht nach seiner Herkunft, denn er war ein Geächteter. In den Kreisen der Gesetzlosen spricht niemand von seiner Heimatstadt.

Das Sklavenmädchen war nun ganz an die Wand zurückgewichen. Sie hatte Angst.

»Bleib stehen!« sagte ich, und sie erstarrte.

Sie war bemerkenswert hübsch.

»Was willst du für sie?« fragte ich Samos.

Er zuckte die Achseln. »Vier Goldstücke.«

»Ich kaufe sie«, erwiderte ich und zählte Samos vier Münzen in die Hand.

Sie sah mich entsetzt an.

Rim musterte das Mädchen, das mich flehend anstarrte. Doch ich blieb hart. Sie schüttelte entsetzt den Kopf.

Ich deutete auf Rim. »Du gehörst jetzt ihm«, sagte ich.

»Nein! Nein!« rief sie und warf sich mir zu Füßen. »Bitte, Herr, nicht das!«

Doch als sie aufblickte, sah sie in meinen Augen nur Härte, die Härte eines goreanischen Mannes, der eine Sklavin betrachtet.

Ihre Unterlippe zitterte, und sie senkte den Kopf.

»Wie heißt sie?« fragte ich Samos.

»Sie wird so heißen, wie ich sie nenne«, warf Rim ein.

Sie wimmerte gequält auf. Nach goreanischem Gesetz sind Sklaven kaum besser gestellt als Tiere und haben kein Recht auf einen Namen.

»Ich werde dich Cara nennen«, sagte Rim.

»In welchem Zimmer sollen wir den Mann unterbringen?« fragte einer der Wächter.

»Bringt ihn in eines der großen Gästezimmer, in denen wir bedeutende Sklavenhändler aus fernen Städten unterbringen.«

»Das torianische Zimmer?«

Samos nickte. Tor ist eine Wüstenstadt, bestens bekannt wegen ihres Prunks und ihres Reichtums.

Rim zerrte das Mädchen an den Haaren hoch. »Geh ins torianische Zimmer«, sagte er, »und bereite dort ein Bad für mich vor, außerdem ein Mahl und besorge Wein. Und dann stell dich darauf ein, daß du meine Sinne erfreust.«

»Ja, Herr.«

»Geh, Cara«, sagte er.

»Ja, Herr«, flüsterte sie, sprang auf und eilte weinend aus dem Saal.

»Kapitän«, sagte Rim und sah mich an. »Ich danke dir für das Mädchen.«

Ich nickte.

»Und jetzt, ehrenwerter Samos«, sagte Rim kühn, »würde ich gern die Dienste eines Mannes aus deinem Haus in Anspruch nehmen, eines Metallarbeiters. Er soll meinen Kragen entfernen.«

Samos nickte.

»Außerdem hätte ich gern den Schlüssel zu Caras Kragen, damit ich ihn abnehmen kann. Ich möchte ihr einen neuen anlegen.«

»Sehr wohl«, sagte Samos. »Wie soll die Inschrift lauten?«

»Der Text soll lauten: ›Ich bin die Sklavin Cara. Ich gehöre Rim, dem Geächteten.‹«

»So soll es geschehen«, sagte Samos lächelnd.

»Außerdem hätte ich gern ein Schwert mit Scheide, ein Messer und einen großen Bogen mit Pfeilen.«

»Hast du früher mal der Kriegerkaste angehört?« fragte ich.

Er lächelte mich an. »Mag sein.«

Ich warf ihm den Beutel mit Gold zu, aus dem ich zuvor ihn und das arrogante Sklavenmädchen bezahlt hatte.

Er fing die Börse auf und gab sie lächelnd an Samos weiter.

Dann wandte er sich ab. »Führt mich in eure Waffenkammer«, sagte er zu einem der Wächter. »Ich brauche Waffen.«

Ohne sich umzudrehen, verließ er den Saal, gefolgt von den Wächtern.

Samos wog den Beutel in der Hand. »Er zahlt gut für seine Unterbringung«, sagte er.

Ich zuckte die Achseln. »Großzügigkeit ist das Vorrecht des freien Mannes.«

Gold bedeutete Rim nichts. Vielleicht war er früher tatsächlich Krieger gewesen.

»Glaubst du, du wirst ihn je wiedersehen?«

»Ja«, erwiderte ich. »Ich glaube, schon.«

Wir standen nebeneinander in dem hohen Saal mit den schmalen Fenstern, er in den Roben des Sklavenhändlers, ich in der Tunika eines Kaufmanns, wenn ich darunter auch das Rot des Kriegers trug. Die Fackeln knisterten.

Samos und ich starrten auf das Spielfeld mit seinen hundert Feldern und den schweren geschnitzten Figuren.

»Ubar auf Ubar Neun«, sagte Samos und sah mich an.

Ich hatte gut geplant. »Ubar auf Ubar Zwei«, sagte ich.

Samos stand hinter dem Spielfeld, blickte auf und breitete die Hände aus. »Du hast gewonnen«, sagte er.

Ich sah ihn nur an.

»Willst du es dir nicht noch einmal überlegen?« fragte er.

»Nein«, entgegnete ich, wandte mich mit wehender Robe um und schritt zum Portal.

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