9. Bei den Gelben Männern

Es dauerte nicht lange, da tat Thuvan Dihn auch mit. Obwohl das Hakenschwert eine uns ungewohnte Waffe war, wurden wir drei recht schnell mit den anderen fünfen fertig.

Als der Kampf zu Ende war, wandte sich unser neuer Bekannter an mich, nahm den Schild von seinem Handgelenk und hielt ihn mir entgegen. Ich wußte nicht, was diese Geste zu bedeuten hatte, nahm jedoch an, daß sie der Ausdruck großer Dankbarkeit war. Später wurde mir erklärt, diese Geste symbolisiere das Angebot des Lebens eines Mannes für einen großen Dienst, den man ihm getan hat, und daß ich den Schild zurückwies, war genau die Reaktion, die sich gehörte und von mir erwartet wurde.

»Dann nimm von Talu, Prinz von Marentina, dieses Zeichen seiner Dankbarkeit entgegen«, sagte der Gelbe Mann, griff in einen seiner weiten Ärmel und holte einen Armreif heraus, den er um meinen Arm legte. Dasselbe geschah dann mit Thuvan Dihn.

Dann fragte er nach unseren Namen und aus welchem Land wir kämen. Er schien mit der Geographie der äußeren Welt recht gut vertraut zu sein, und als ich ihm erzählte, daß ich aus Helium sei, hob er die Brauen.

»Ah«, fragte er, »du suchst wohl euren Herrscher und seine Begleitung?«

»Weißt du von ihnen?« erkundigte ich mich interessiert.

»Nicht viel mehr als das, daß sie von meinem Onkel gefangen genommen wurden; es ist Salensus Oll, Jeddak der Jeddaks, Regent von Okar, welches das Land der Gelben Männer von Barsoom ist. Über ihr Schicksal weiß ich nichts, denn ich liege mit meinem Onkel im Krieg, weil er versucht, meine Macht in der Verwaltung von Marentina zu brechen.

Die, vor denen du mich gerettet hast, sind Krieger, die er ausgeschickt hat, damit sie mich finden und erschlagen sollten, denn sie wissen, daß ich oft allein auf die Jagd gehe und den heiligen Apt töte, den Salensus Oll so sehr verehrt. Zum Teil haßt Salensus Oll mich deshalb so sehr, weil ich seine Religion hasse; in erster Linie fürchtet er jedoch meine immer größer werdende Macht, denn in ganz Okar würde man mich lieber an seiner Stelle als Regenten und Jeddak der Jeddaks sehen. Er ist ein grausamer, tyrannischer Herr, den alle hassen, und wenn sie ihn nicht allzu sehr fürchten würden, könnte ich über Nacht eine

ganze Armee aus dem Boden stampfen, die die paar vernichten würde, die ihm noch treu ergeben sind. Meine eigenen Leute sind sehr loyal, und das kleine Tal von Marentina hat an den Hof von Salensus Oll seit mehr als einem Jahr keinen Tribut mehr geleistet. Er kann uns auch nicht dazu zwingen, denn ein Dutzend Männer sind in der Lage, den schmalen Weg nach Marentina gegen eine Million Krieger zu halten. Aber jetzt zu euren eigenen Angelegenheiten. Wie kann ich euch helfen? Mein Palast steht zu eurer Verfügung, wenn ihr mir die Ehre erweisen wollt, nach Marentina zu kommen.«

»Wenn wir unsere Arbeit getan haben, werden wir gerne deine Einladung annehmen«, erwiderte ich. »Aber vorläufig kannst du uns damit helfen, daß du uns den Weg beschreibst zum Hof von Salensus Oll und uns rätst, wie wir Zugang zur Stadt erhalten, oder zum Palast, oder zu jenem Platz, wo unsere Freunde gefangen gehalten werden.«

Talu musterte ein wenig unsere glatten Gesichter, Thuvan Dihns rote Haut und meine weiße.

»Erst müßt ihr nach Marentina kommen, denn euer Aussehen muß verändert werden, ehe ihr darauf hoffen könnt, in eine der Städte von Okar zu gelangen. Ihr müßt gelbe Gesichter und schwarze Barte haben, und eure ganze Aufmachung muß so werden, daß ihr kein Mißtrauen erregt. In meinem Palast lebt ein Mann, der euch das Aussehen eines ganz echten Gelben Mannes verleihen kann, wie Salensus Oll persönlich nicht echter aussehen kann.«

Das schien ein recht kluger Rat zu sein, und da wir auf andere Art sicher niemals Zugang zu Kadabra, der Hauptstadt von Okar, finden konnten, machten wir uns mit Talu, Prinz von Marentina, auf den Weg zu seinem kleinen, felsumschlossenen Land.

Der Weg war außerordentlich beschwerlich, und mich wunderte es gar nicht mehr, daß Marentina wenig Angst vor einer Invasion haben mußte, da es ja weder Thoats noch Flieger gab. Nach einem anstrengenden Marsch erreichten wir aber unser Ziel, auf das ich einen ersten Blick werfen konnte, als ich in etwa einer Meile Entfernung von der Stadt auf einer Anhöhe stand.

Eine Stadt aus marsischem Beton erstreckte sich in ein tiefes Tal; jeder Platz, jeder offene Raum und jede Straße war mit Glas überdacht. Rund um die Stadt herum gab es überall Schnee und Eis, aber davon war keine Spur auf den Kuppeln aus Kristallglas zu bemerken, welche die ganze Stadt überwölbten.

Dann sah ich auch, wie diese Menschen gegen die Unbilden des arktischen Klimas kämpften und wie sie umgeben von ewigem Eis in Luxus und Behaglichkeit lebten. Ihre Städte waren richtiggehende Gewächshäuser, und als ich diese Stadt näher kennenlernte, wuchsen mein Respekt und meine Bewunderung für die großartige wissenschaftliche und technische Geschicklichkeit dieser von der übrigen Welt abgeschlossenen Nation ins Ungemessene.

In dem Augenblick, als wir die Stadt betraten, warf Talu seine Pelzüberkleider ab, und das taten wir auch. Ich sah, daß seine Erscheinung sich wenig von jener der Roten Rasse auf Barsoom unterschied; unter seinem Lederharnisch, der dick mit Edelmetall und Juwelen bedeckt war, konnte er in der warmen, feuchten Luft der Stadt recht gut nackt einhergehen.

Drei Tage lang waren wir Gäste des Prinzen Talu, und er erwies uns jede Höflichkeit und jede Aufmerksamkeit, die sich denken und ermöglichen ließ. Natürlich zeigte er uns auch alles, was uns in seiner großen Stadt interessierte.

Das Atmosphärenwerk von Marentina kann in den Städten des Nordpolgebietes alles Leben unendlich lange erhalten, wenn es überall sonst auf dem sterbenden Mars schon erloschen ist, weil es keine Atmosphäre mehr gibt. Vom riesigen Zentralwerk sind also die Polargebiete unabhängig. Ich kann mich nur noch allzu gut an jene Panne im Zentralwerk erinnern, die mir Gelegenheit gab, Leben und Glück in einer fremden Welt, die ich so sehr lieben gelernt hatte, zu erhalten.

Der Prinz zeigte uns auch das Heizsystem; hier werden die Sonnenstrahlen in riesigen Reservoiren unter der Stadt gespeichert, und es bedarf zur Aufrechterhaltung einer angenehmen Wärme und eines ewigen Sommers in diesem glorreichen Garten nur geringer Mengen. Der Verkehr rollte auf breiten Straßen dahin, die mit dem ockerfarbenen Gras der toten Seegründe besät waren. Es gab daher keinen Lärm rollender Räder. Außerdem gibt es zahlreiche kleine Schweber, mit denen der größte Teil des Verkehrs in den Ländern nördlich der Eisbarriere bewältigt wird.

Die breiten Reifen dieser Schweber, die auch auf dem Boden fahren können, sind gummiähnliche Gasbeutel, die mit dem achten barsoomischen Strahl, dem der Antriebskraft, gefüllt sind. Das ist eine außerordentlich bemerkenswerte Entdeckung der Marsleute, die es den Völkern ermöglicht, große Flotten riesiger Luftschiffe zu unterhalten, welche dem Roten Menschen der äußeren Welt eine deutliche Überlegenheit verleihen. Dieser Strahl schleudert das eigene oder reflektierte Licht des Planeten in den Raum hinaus, und wenn er eingcfangen und gespeichert wird, ist er die Tankfüllung der barsoomischen Luftschiffe.

Die Grundflieger, auch Schweber genannt, haben in ihren automobilradähnlichen Tanks nur soviel Treibstoffvorrat, daß die Maschine angetrieben und gesteuert werden kann. Sie haben Hinterradantrieb, und die Hauptarbeit leistet ein kleiner Propeller am Heck. l.s ist ein köstliches Erlebnis, in diesen bequemen Schwebern zu fahren, die sich leicht wie Federn über den weichen, moosigen Straßen von Marentina bewegen. Sie fahren oder schweben zwischen prächtigen Bäumen mit wundervollen Blüten dahin, die für die Vegetation auf Barsoom so charakteristisch sind.

Gegen Ende des dritten Tages hatte der Hofbarbier – mir fällt keine passendere Bezeichnung für ihn ein – bei Thuvan Dihn und mir eine solche Verwandlung bewirkt, daß unsere eigenen Frauen uns nicht mehr hätten erkennen können. Unsere Haut war von derselben zitronengelben Farbe wie seine eigene, und dichte schwarze Kinn- und Backenbärte klebten fest in unseren Gesichtern. Selbstverständlich hatten wir auch die kompletten Waffengürtel der Krieger von Okar, welche unsere Verwandlung abrundeten. Und wenn wir uns außerhalb der geheizten Stadt aufhielten, trugen wir einen schwarz-gelb gestreiften Anzug aus Orlukpelz.

Talu gab uns die genauesten Anweisungen für unsere Reise nach Kadabra, der Hauptstadt der Nation von Okar; ›Okar‹ ist der Rassenname der Gelben Männer. Unser guter Freund begleitete uns sogar ein ganzes Stück und versprach uns seine Hilfe, so wir ihrer bedürften.

Zum Abschied streifte er mir einen seltsam gearbeiteten Ring über den Finger mit einem tiefschwarzen, glanzlosen Stein, der fast wie bituminöse Kohle aussah; in Wirklichkeit ist es aber der kostbarste, unbezahlbar wertvolle Stein von ganz Barsoom.

»Aus dem Mutterstein wurden noch drei weitere geschnitten«, erklärte er mir. »Diese drei Steine sind in meinem Besitz und werden von Edelmännern meines Vertrauens getragen. Alle wurden in geheimer Mission an den Hof von Salensus Oll geschickt Solltest du einem von ihnen auf fünfzig Fuß in die Nähe kommen, so wirst du ein schnelles Prickeln in den Fingern spüren, am kräftigsten an jenem Finger, an dem du den Ring trägst. Der andere mit dem Gegenstück zu deinem Ring hat dasselbe Gefühl. Es wird hervorgerufen von elektrischen Stromstößen, die immer dann auftreten, wenn ein anderer aus demselben Mutterstein geschnittener Ring in den Wirkungsbereich des einen kommt. Du wirst dann wissen, daß ein Freund in der Nähe ist, an den du dich um Hilfe wenden kannst, wenn du sie brauchst.

Sollte dich ein anderer Ringträger um Hilfe bitten, sollst du sie ihm nicht versagen. Sollte dir der Tod drohen, so verschlucke ihn lieber, ehe du ihn in die Hände der Feinde fallen läßt. Behüte ihn mit deinem Leben, John Carter, denn eines Tages könnte er mehr für dich bedeuten als dein eigenes Leben.«

Nachdem mir unser Freund zum Abschied diesen Rat gegeben hatte, kehrte er nach Marentina zurück, und wir machten uns auf den Weiterweg nach Kadabra zum Hof von Salensus Oll, Jeddak der Jeddaks. Am Abend dieses Tages erblickten wir das riesige Glasdach der Stadt Kadabra. Sie liegt in einer Mulde in Polnähe und ist von felsigen, schneebedeckten Hügeln umgeben. Vom Paß aus, über den wir das Tal betraten, hatten wir eine herrliche Aussicht auf diese Großstadt des Nordens. Die Kuppeln aus Kristallglas funkelten im Sonnenlicht, das sich auch in den eisbedeckten Außenmauern fing, die sich um die ganze Stadt ziehen und einen Umfang von guten einhundert Meilen haben.

In regelmäßigen Abständen sind in diese Mauer Tore eingelassen, durch die man in die Stadt gelangen kann. Sie waren jedoch, wie wir schon aus dieser Entfernung feststellen konnten, alle geschlossen, und Talus Rat entsprechend verschoben wir unseren Einzug in die Stadt bis zum folgenden Morgen.

Wir fanden auch die Höhlen in den Hügeln, von denen er gesprochen hatte, und in einer von ihnen suchten wir Unterschlupf für die Nacht. Unser warmer Orlukpelz gestattete uns einen behaglichen, erfrischenden Schlaf, und wir wachten am folgenden Morgen kurz nach Sonnenaufgang auf.

In der Stadt herrschte schon reges Leben, und aus den Toren kamen Gruppen Gelber Männer. Wir hielten uns haargenau an die Instruktionen unseres Freundes aus Marentina und blieben einige Stunden lang versteckt, bis eine Gruppe von etwa einem halben Dutzend Krieger auf dem Pfad unterhalb unseres Versteckes vorübergeritten war und auf dem Weg, den wir gekommen waren, in den Hügeln verschwanden.

Wir warteten noch eine Weile, bis wir sicher sein konnten, daß sie unsere Höhle nicht mehr sahen; Thuvan Dihn und ich krochen aus der Höhle heraus und folgten ihnen, um sie einzuholen, sobald sie tief im Hügelland waren.

Als wir uns in ihrer unmittelbaren Nähe befanden, rief ich laut den Führer an, der die ganze Gruppe halten ließ und sich zu uns umdrehte. Das war nun der kritische Augenblick. Konnten wir diese Männer täuschen, dann war alles übrige verhältnismäßig einfach.

»Kaor!« schrie ich.

»Kaor!« erwiderte der Anführer der Gruppe.

»Wir sind von Illall«, sagte ich und nannte damit die am weitesten abgelegene Stadt von Okar, die wenig Verkehr mit Kadabra hat. »Gestern erst kamen wir an, und heute früh berichtete uns der Kapitän des Tores, daß ihr auszieht, um Orluks zu jagen. Diesen Sport können wir in unserer eigenen Umgebung nicht ausüben, und so sind wir euch nachgeeilt, um euch zu bitten, daß ihr uns auf die Jagd mitnehmt.«

Der Offizier fühlte sich geschmeichelt und erlaubte uns gerne, daß wir uns ihnen für den Tag anschließen dürften. Die Vermutung, sie könnten auf Orlukjagd sein, erwies sich als richtig; Talu hatte uns erklärt, dies würde in neun von zehn Fällen zutreffen, wenn ein Trupp in der Richtung, die wir nach Kadabra nahmen, die Stadt verließ. Dieser Weg führt nämlich direkt zu jenen Ebenen, auf denen sich dieses elefantenhafte Tier vorwiegend aufhält.

Soweit es die Jagd betraf, war der Tag ein Mißerfolg, denn wir sahen nicht ein einziges Orluk. Das war jedoch für uns recht günstig, denn die Leute aus Kadabra waren über ihr Mißgeschick sehr bekümmert und wollten die Stadt unter keinen Umständen durch das Tor betreten, durch welches sie ausgezogen waren, da sie gegenüber dem Kapitän vom Tor mit ihrer Geschicklichkeit in der Jagd auf dieses gefährliche Tier allzu sehr geprahlt hatten.

Wir näherten uns Kadabra also einige Meilen von dem Punkt entfernt, an dem die Gruppe am Morgen weggeritten war. Wir brauchten daher keine unangenehmen Fragen jenes Torkapitäns zu befürchten, von dem wir behauptet hatten, er habe uns der Gruppe nachgeschickt.

Unmittelbar vor der Stadt fiel mein Blick auf ein hohes, schwarzes, turmähnliches Ding, das sich einige hundert Fuß in die Luft erhob und in einer verworrenen Masse von Abfall zu stehen schien, der jetzt teilweise zugeschneit war.

Ich konnte es natürlich nicht wagen, diesbezügliche Fragen zu stellen, denn wäre ich wirklich ein Gelber gewesen, hätte ich vermutlich wissen müssen, was dieses Ding war. Ehe wir jedoch das Tor erreichten, erfuhr ich, was ich wissen wollte.

Wir standen kurz vor dem Tor, als einer aus der Gruppe einem anderen etwas zurief und gleichzeitig zum südlichen Horizont deutete. Ich folgte der Richtung seines Hinweises, und meine Augen entdeckten den Rumpf eines großen Schiffes, das hinter dem Kamm der Hügel hervorkam und sich schnell näherte.

»Gibt es denn noch immer Narren, welche die Geheimnisse des verbotenen Nordens enthüllen wollen?« sagte der Offizier mehr zu sich selbst als zu uns. »Werden sie denn nie von ihrer fatalen Neugier geh e i l t ? «

»Hoffen wir, daß das nie der Fall ist«, erwiderte einer der anderen.

»Denn wie sollten wir uns sonst Sklaven und Vergnügen verschaff e n ? «

»Richtig. Trotzdem sind es dumme Tiere, die immer wieder in eine Region vorstoßen, aus der noch keiner zurückgekehrt ist.«

»Bleibt stehen, damit wir das Ende dieses Schiffes beobachten können«, schlug einer vor.

Der Offizier schaute zur Stadt hinüber. »Die Wache hat es schon gesehen, und deshalb können wir bleiben, falls man uns braucht.«

Ich sah einige hundert Krieger aus dem nächstgelegenen Stadttor kommen. Sie bewegten sich recht gemütlich, als hätten sie keinerlei Eile. Ich bemerkte auch bald, daß sie sich tatsächlich Zeit lassen konnten.

Nun schaute ich wieder zu dem Schiff hinüber. Es bewegte sich sehr schnell der Stadt entgegen, und deshalb war ich sehr erstaunt, als ich bemerkte, daß die Propeller stillstanden.

Das Schiff hielt schnurgerade auf den Turm zu. In letzter Minute sah ich, daß der Versuch unternommen wurde, die Maschine in den Rückwärtsgang zu bringen, aber es flog geradeaus weiter, als werde es von einer unwiderstehlichen Kraft angezogen.

Auf Deck herrschte erregte Geschäftigkeit; Männer rannten hin und her, besetzten die Kanonen und machten die kleinen Einmannrettungsflieger los, von denen auf jedem größeren Schiff eine ganze Flotte vorhanden ist. Immer näher kam das Schiff diesem schwarzen Turm; nun mußte es jeden Moment anprallen, aber da sah ich schon eine ganze Wolke der kleinen Einmannflieger vom Deck des Mutterschiffes aufsteigen.

Sie stoben wie ein ganzer Libellenschwarm davon, aber sie waren noch nicht richtig vom Mutterschiff freigekommen, als sie ihre Nasen samt und sonders auf den Turm ausrichteten. Und auch sie rasten nun mit unheimlicher Geschwindigkeit demselben Ende entgegen, welches das Mutterschiff erwartete.

Und dann kam die Kollision. Nach allen Richtungen wurden die Menschen vom Deck des Schiffes geschleudert, während das Schiff selbst erbarmenswürdig angeschlagen abstürzte und den Wrackhaufen am Fuß des Turmes um ein weiteres großes Schiff bereicherte. Dem großen Schiff folgte der ganze Schwärm der Einmannflieger, die alle ohne Ausnahme an den Turm geprallt waren.

Ich bemerkte, daß die Wracks die Turmmauer entlangkratzten, und ihr Fall war nicht so schnell, wie freier Fall eigentlich hätte sein müssen. Und nun ging mir schlagartig eine Erkenntnis auf. Jetzt konnte ich mir erklären, warum niemals ein Schiff oder ein Flieger von jenseits der Eisbarriere zurückgekehrt war.

Der Turm war ein ungeheuer starker Magnet, und ein Schiff, das auch nur an den Rand des Wirkungsbereiches dieses Magneten kam, wurde unwiderstehlich angezogen, denn auf Barsoom bestehen diese Schiffe großenteils aus Aluminiumstahl, so daß nichts die Vernichtung dieser Schiffe aufhalten konnte.

Später erfuhr ich dann, daß der Turm unmittelbar auf dem magnetischen Pol des Mars errichtet ist. Ob das jedoch die einzige Erklärung für die unberechenbare Anziehungskraft dieses Turmes ist, kann ich nicht sagen. Ich bin ein Kämpfer und kein Wissenschaftler. Und jetzt kannte ich auch den Grund für die lange Abwesenheit von Tardos Mors und Mors Kajak. Diese unerschrockenen, tüchtigen Krieger hatten den Geheimnissen und Gefahren des gefrorenen Nordens getrotzt, um Carthoris zu suchen, der so lange verschollen war, daß das Haupt seiner schönen, wundervollen Mutter Dejah Thoris, Prinzessin von Helium, vor Kummer gebeugt war. In dem Augenblick, als der letzte kleine Flieger auf dem Schrotthaufen gelandet war, schwärmten schwarzbärtige Gelbe Krieger über die Wracks und nahmen alle gefangen, die nur leicht oder gar nicht verletzt waren, und töteten mit einem Schwertstoß die, welche verwundet waren oder von denen man annahm, daß sie sich kräftig zur Wehr setzen würden.

Einige der unverletzten Roten Männer kämpften tapfer gegen ihre grausamen Feinde, aber die meisten schienen von dem großen Unglück, das sie überkommen hatte, so verwirrt und bestürzt zu sein, daß sie sich willenlos die goldenen Handfesseln anlegen ließen. Als der letzte Gefangene gebunden war, kehrten alle zur Stadt zurück. Am Tor begegneten uns eine ganze Meute furchterregender Apts mit Goldkrägen; jedes der Tiere wurde von zwei Kriegern geführt, die sie an dicken goldenen Ketten festhielten.

Unmittelbar außerhalb des Tores ließen die Krieger diese Tiere frei. Die Apts stürmten dem schwarzen Turm entgegen, und ich wußte ohne zu fragen, was dort ihre Aufgabe war. Wären in dieser grausamen Stadt Kadabra nicht andere Menschen gewesen, die der Hilfe viel dringender bedurften als die Toten und Sterbenden da draußen, dann wäre ich diesen Tieren nachgeeilt und hätte den Kampf mit ihnen aufgenommen, die hinausgeschickt wurden, um die armen Opfer zu töten und aufzufressen.

Was blieb mir anderes übrig, als den Gelben Kriegern zu folgen? Ich zog ein wenig den Kopf ein und dankte meinem Schicksal, das Thuvan Dihn und mir einen so leichten Zugang zur Hauptstadt des Salensus Oll gestattete.

In der Stadt selbst hatten wir keine Schwierigkeit, unsere Freunde vom Morgen zu verlieren, und wenig später befanden wir uns in einem Hotel.

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