Etwas verspätet fiel mir nun ein, daß ich ja ganz flüchtig ein schwarzes Gesicht gesehen hatte, das zwischen den Portieren hinter dem Thron von Salensus Oll herausgespäht hatte.
Warum hatte mich dieses üble Gesicht nicht zu größerer Vorsicht gewarnt? Warum hatte ich mich während der – zugegeben – stürmischen Entwicklung der Dinge nicht um diese drohende Gefahr gekümmert? Es war müßig, jetzt reuige Überlegungen anzustellen, denn damit konnte ich dieses neue Problem nicht lösen. Wieder einmal war Dejah Thoris in die Klauen ihres Erzfeindes Thurid gefallen, in die des üblen schwarzen Prinzen der Erstgeborenen. Meine ganze mühsame Arbeit, alle Kämpfe waren umsonst gewesen. Und jetzt wußte ich auch, was der Ausdruck sinnloser Wut im Geten hatten.
Sie hatten die Wahrheit gekannt oder mindestens vermutet, und der Hektor der Heiligen Therns, der ja meine Prinzessin für sich selbst haben wollte, war in das Hochzeitsgemach gekommen, um Salensus Oll vermutlich an der, wie er sich selbst vorsagte, blasphemischen Perfidie gegen den Hohenpriester zu hindern. Und bei dieser Gelegenheit hatte er festgestellt, daß Thurid ihm den Preis vor der Nase weggestohlen hatte.
Phaidors Vergnügen bestand darin, daß sie den grausamen Schlag gegen mich genoß, und darin fand auch ihr eifersüchtiger Haß auf die Prinzessin von Helium Genugtuung.
Mein erster Gedanke war der, hinter die Wandverkleidungen und Portieren der Estrade zu schauen, denn dort hatte ich Thurid gesehen. Ich riß die kostbaren Wandgehänge von ihren Befestigungen, und nun sah ich dahinter eine schmale Tür.
Hier mußte Thurid mit seiner Beute entkommen sein, denn hier fand ich auch ein winziges, juwelenbesetztes Schmuckstück, das Dejah Thoris gehörte, denn es trug die Insignien der Prinzessin von Helium. Ich drückte meine Lippen auf dieses Kleinod und rannte den gewundenen schmalen Korridor entlang, der sanft zu den tiefergelegenen Galerien des Palastes abfiel.
Ich brauchte nicht lange zu gehen, bis ich zu dem Raum kam, in dem Solan Wache gehalten und gearbeitet hatte. Seine Leiche lag noch dort, wo sie gefallen war, nichts deutete darauf hin, daß in der Zwischenzeit jemand den Raum betrat. Trotzdem wußte ich, daß es zwei Personen waren: Thurid, der schwarze Prinz und Dejah Thoris. Unentschlossen blieb ich einen Augenblick stehen, denn ich wußte nicht, welchen der verschiedenen Ausgänge ich wählen sollte. Ich versuchte mich an das zu erinnern, was Thurid wiederholt hatte, als er bei Solan gewesen war, und ganz langsam, wie durch einen dichten Nebel, kamen die Weisungen Solans zurück, die er dem schwarzen Prinzen erteilt hatte.
»Durch jene Tür«, hatte Thurid zitiert und dabei auf ein Tor des großen Raumes gedeutet, »dann folge ich einem Korridor und gehe an drei davon rechts abzweigenden Korridoren vorbei. Im vierten gehe ich solange geradeaus weiter, bis ich dorthin komme, wo drei Gänge aufeinander treffen. Hier folge ich wieder dem rechten, halte mich aber sehr eng an die linke Wand, um nicht in die Grube zu fallen. Am Ende des Korridors komme ich zu einem Spiralgang, auf dem ich nach unten gehe, nicht nach oben. Dann führt der Weg weiter über einen Korridor ohne Abzweigungen.«
Sofort machte ich mich auf den Weg und achtete nicht einmal der Gefahren, die, wie ich doch wußte, dort lauern mochten.
Ein Teil dieses Weges war so schwarz wie die Sünde, aber der größte Teil davon war ausreichend oder gut beleuchtet. Die dunkelste Stelle war die, wo ich mich eng an die linke Wand halten mußte, um nicht in die Grube zu stürzen. Dazu hätte nicht viel gefehlt, denn fast wäre ich mir der Gefahr zu spät bewußt geworden.
Es führte nämlich nur eine schmale Leiste, die kaum von Fußbreite war, an dieser schrecklichen Höhle entlang, in die ein Unwissender unweigerlich fallen mußte. Ich atmete erleichtert auf, als ich glücklich drüben war, und dann geleitete mich ein schwacher Lichtschimmer, bis ich am Ende des letzten Korridors in gleißendes Sonnenlicht hinaustrat, das von Schnee und Eis zurückgeworfen wurde.
Ich war natürlich für die Treibhaustemperaturen der überdachten und geheizten Stadt gekleidet, und der plötzliche Wechsel zu arktischer Kälte war äußerst unangenehm. Der schlimmste Gedanke war jedoch der, daß ich, nackt wie ich war, diese bittere Kälte nicht ertragen konnte und erfrieren mußte, ehe ich Thurid und Dejah Thoris einzuholen vermochte.
Es war ein grausames Schicksal, daß mir die Natur selbst den Weiterweg versperrte, nachdem ich allen menschlichen Bosheiten und zahlreichen sonstigen Widrigkeiten zum Trotz mein Ziel so nah vor Augen hatte. Ich taumelte zurück in die schützende Wärme des Tunnels und war hoffnungsloser Verzweiflung näher als je vorher in meinem Leben.
Natürlich hatte ich meine Absicht, Thurid zu verfolgen, nicht aufgegeben, und ich würde auch jederzeit unter Einsatz meines eigenen Lebens dieses große Ziel, Dejah Thoris zu befreien, weiterverfolgen, aber nun mußte ich mich erst in den Stand versetzen, erneut um meine geliebte Prinzessin kämpfen zu können.
Kaum war ich in den Tunnel zurückgekehrt, als ich fast über einen Haufen Pelze gestolpert wäre, die an der Wand des Korridors befestigt zu sein schienen. Als ich der Sache nachging, entdeckte ich, daß sie aber nur von einer geschlossenen Tür festgehalten wurden. Also öffnete ich diese Tür und befand mich in einer kleinen Kammer, in der an zahlreichen Wandhaken komplette Freiluftanzüge aus Pelz hingen, wie sie von den Gelben getragen wurden, wenn sie die geschützte Stadt verließen.
Da diese Kammer in unmittelbarer Nähe des Tunnelausgangs lag, mußte sie wohl der Umkleideraum für die Nobilitäten sein; Thurid, der das wußte, war hergekommen, um sich und Dejah Thoris für die bittere Kälte draußen auszustatten.
In seiner Hast hatte er einige Pelze auf den Boden fallen lassen, und der eine, der unter der Tür festgeklemmt war, hatte mich nun auf die richtige Spur geführt. Hätte er das geahnt, dann wäre er wohl ordentlicher mit den Kleidungsstücken umgegangen.
Ein paar Sekunden später hatte ich die warmen pelzgefütterten Stiefel und den Anzug aus Orlukfellen angezogen. Nur mit einer solchen Kleidung kann man sich vor den eisigen Winden schützen. Wieder kehrte ich zum Tunnelende zurück und fand im frischgefallenen Schnee die Spuren von Thurid und Dejah Thoris. Nun hatte ich es wesentlich leichter, wenn auch der Weg an sich äußerst beschwerlich war, denn es bestanden keine Zweifel mehr über die einzuschlagende Richtung, und ich mußte nicht mehr gegen Dunkelheit und verborgene Gefahren ankämpfen.
Durch eine schneebedeckte Schlucht führte der Weg zur Spitze eines niederen Hügels. Dahinter senkte er sich wieder in einem Tobel, stieg aber sofort wieder zu einem Paß an, der etwa einen halben Kilometer weiter einen felsigen Kamm überschritt.
An den Spuren konnte ich genau erkennen, daß Dejah Thoris nicht freiwillig mitgekommen war; der schwarze Prinz mußte sie mitzerren, und für kurze Strecken hatte er sie auch wohl getragen, denn dort ließ sich nur eine einzige Spur feststellen. Ich konnte mir vorstellen, daß sie sich erbittert gegen ihn gewehrt hatte. Als ich um die Schulter des Hügels bog, begann mein Herz heftig zu klopfen, und mein Puls jagte. In einer winzigen Mulde zwischen zwei Gipfeln sah ich vier Menschen vor dem Eingang einer riesigen Höhle stehen, und neben ihnen lag auf dem glitzernden Schnee ein Flieger, der wohl eben erst aus seinem Versteck gezogen worden war. Die vier Menschen waren Dejah Thoris, Phaidor, Thurid und natürlich Matai Shang. Die beiden Männer stritten hitzig miteinander; der Vater der Therns machte drohende Bewegungen, während der schwarze Prinz ihm immer wieder finstere Blicke zuwarf, während er seiner Arbeit nachging.
Vorsichtig kroch ich weiter, damit sie mich nicht zu früh sahen. Ich wollte ja hören, was sie sprachen. Sie schienen dann einen Kompromiß zu schließen, denn gemeinsam zerrten sie die heftigen Widerstand leistende Dejah Thoris auf das Deck des Fliegers. Hier wurde sie angebunden. Die anderen stiegen wieder auf den Boden hinunter, um das Schiffchen startklar zu machen. Phaidor kehrte bald wieder zurück und begab sich in die Kabine auf dem Deck.
Ich war ihnen auf 300 Meter nahe gekommen, als Matai Shang mich erspähte. Er packte Thurid an der Schulter und wirbelte ihn in meine Richtung herum. Da sie mich nun gesehen hatten, wäre es sinnlos gewesen, mich weiterhin zu verstecken, und so vergaß ich jede Vorsicht und rannte so schnell ich konnte auf den Flieger zu.
Die beiden Männer versuchten eiligst den Propeller anzuwerfen, den sie kurz vorher aufgeschraubt hatten. Ich vermutete, daß er einer Reparatur bedurft hatte.
Ich hatte etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als der Propeller sich endlich zu drehen begann. Beide rannten nun wie besessen zur Strickleiter, die auf Deck führte.
Thurid erreichte sie zuerst, und mit der Geschicklichkeit eines Affen kletterte er zum Deck hinauf. Dort drückte er auf den Tankknopf für die Antriebsmaschine, so daß sich der Flieger langsam in die Luft hob. Das tat er jedoch viel zu langsam, und so vermutete ich, daß das Schiffchen nicht ganz in Ordnung war.
Noch etwa hundert Meter war ich entfernt, als es meiner Reichweite entschwand.
Vor der Stadt Kadabra lag eine große Flotte riesiger Schiffe, die von Helium und Ptarth, die ich vor wenigen Stunden vor der Vernichtung bewahrt hatte. Ehe ich sie aber erreichen konnte, war Thurid sicher schon über die Eisbarriere in Sicherheit geflogen.
Als ich noch rannte, sah ich, daß Matai Shang sich an der schwankenden Strickleiter zum Deck hinauf hangelte. Über ihm lehnte an der Reling der schwarze Prinz der Erstgeborenen, und er grinste über sein ganzes teuflisches Gesicht. Vom Heck des Schiffchens hing ein Seil herunter und schleifte hinterdrein, und das erweckte neue Hoffnung in mir. Konnte ich es erreichen, ehe es zu hoch über meinem Kopf endete, dann konnte es mir auch gelingen, daran zum Deck hinaufzuklettern.
Daß mit dem Flieger etwas ganz und gar nicht stimmte, lag auf der Hand, denn er hatte zu wenig Auftrieb, und in der Horizontalen bewegte er sich überhaupt nicht. Zweimal schon hatte Thurid den Anlasserhebel herumgelegt, doch das Schiffchen wurde nur von einer leichten Brise ein wenig geschaukelt.
Jetzt hatte Matai Shang den Bootsrand fast erreicht, und eine lange, klauenähnliche Hand griff hinauf nach dem Geländer.
Thurid beugte sich zu seinem Mitverschwörer hinunter.
In der Hand des Schwarzen blitzte plötzlich ein gezückter Dolch. Er zuckte nach unten in das aufgehobene Gesicht des Vaters der Therns. Mit einem lauten Angst- und Schmerzensschrei griff der Heilige Hekator verzweifelt nach dem drohend erhobenen Arm.
Ich war nun fast unmittelbar hinter dem schleifenden Seil. Noch immer stieg das Schiffchen und trieb gleichzeitig im leichten Wind von mir weg. Dann stolperte ich, weil ich natürlich immer nach oben schaute, über einen Eisbrocken und fiel, als ich stürzte, mit dem Kopf gegen einen Felsen. Auf Armlänge war ich dem Seil nahe gekommen, das sich nun langsam von mir in die Höhe entfernte.
Durch den Sturz wurde ich ohnmächtig. Es kann aber nicht länger als ein paar Sekunden gedauert haben, da ich bewußtlos auf dem Eis des Nordens lag. Und meine geliebte Prinzessin war in den Klauen dieses Teufels in Menschengestalt und trieb immer weiter von mir weg. Als ich wieder die Augen aufschlug, sah ich Thurid und Matai Shang am oberen Ende der Strickleiter miteinander kämpfen. Der Flieger trieb jetzt etwa hundert Meter weiter südlich, aber das Seilende hing ungefähr fünfzehn Meter oder mehr über dem Boden.
Fast irr vor Zorn über mein Mißgeschick, das mich stolpern ließ, als der Erfolg fast schon in meiner Reichweite war, dachte ich wieder einmal an meine irdischen Muskeln, die nun erneut eine Probe ihrer Tüchtigkeit ablegen sollten. Das Seil war jetzt direkt über mir. Ich setzte zu einem mächtigen Katzensprung an – und hatte Erfolg. Etwa einen Meter über dem unteren Ende bekam ich das Seil zu fassen. Doch zu meinem Schrecken rutschte es mir langsam aber sicher durch die Finger. Ich versuchte mit einer Hand nach oben zu greifen, aber nun rutschte ich nur noch schneller.
Nun sollte mir also das Seil entgleiten, und damit schwand dann meine letzte Möglichkeit, meine geliebte Prinzessin zu erreichen und zu retten. Ich litt in diesen Sekunden Höllenqualen.
Aber da spürten meine Finger einen Seilknoten, und ich rutschte nicht mehr weiter.
Mit einem Gebet der Dankbarkeit auf den Lippen kletterte ich nach oben, dem Deck entgegen. Thurid und Matai Shang konnte ich im Augenblick nicht sehen, doch ich hörte, wie sie erbittert kämpften der Thern um sein Leben, der Schwarze um den geringen Auftrieb, den ihm ein Körper Ballast weniger garantierte.
Starb Matai Shang, bevor ich das Deck erreichte, dann standen meine weiteren Chancen nicht besonders gut, denn der schwarze Prinz brauchte ja nur das Seil abzuschneiden, um sich für immer von mir zu befreien. Das Schiffchen trieb nämlich jetzt über eine tiefe, weite Schlucht, in dessen gähnende Tiefen mein Körper stürzen würde, und diesen Sturz konnte ich mit Sicherheit nicht überleben. Schließlich schloß sich meine Hand doch um das Schiffsgeländer, und in diesem Augenblick gellte unter mir ein so schrecklicher Schrei, daß mir fast das Blut in den Adern gefror. Ich schaute nach unten und sah ein kreischendes, zappelndes Ding in den Abgrund stürzen. Es war Matai Shang, Heiliger Hekator, Vater der Therns, der seiner letzten und endgültigen Abrechnung entgegensah.
Nun schob ich meinen Kopf über das Decksgeländer und sah Thurid mit dem Dolch in der Hand heranstürzen. Er kam von gegenüber dem vorderen Kabinenende, während ich in unmittelbarer Hecknähe auf das Schiffchen kletterte. Es lagen aber nur wenige Schritte zwischen uns. Keine Macht der Welten konnten mich auf das Deck hinaufheben, ehe der wütende Schwarze heran war.
Mein Ende war also gekommen, und ich wußte es. Hätte ich noch daran gezweifelt, dann wäre das scheußliche, hämische Grinsen in diesem irren, boshaften Gesicht überzeugend genug gewesen. Hinter Thurid erblickte ich meine Dejah Thoris, die uns mit entsetzten, riesigen Augen beobachtete und verzweifelt an ihren Fesseln zerrte. Nun verlangte ein grausames Schicksal auch noch, daß sie Zeuge meines schrecklichen Todes wurde.
Ich versuchte nicht länger auf Deck zu klettern, sondern griff fester um das Decksgeländer und zog mit der anderen Hand meinen Dolch. Wenn ich schon sterben mußte, dann wollte ich es so tun, wie ich gelebt hatte – kämpfend.
Als Thurid gegenüber der Kabinentür stand, kam ein neues Element in diese grauenhafte Tragödie, die sich auf dem Deck von Matai Shangs flugunfähigem Schiffchen abspielte.
Es war Phaidor.
Ihr Haar war zerrauft, ihr Gesicht gerötet, und ihre Augen sahen verweint aus. Zu Tränen hatte sich die stolze Göttin bisher noch nie herabgelassen. Jetzt tat sie einen Sprung auf mich zu. In der Hand hatte sie einen langen, dünnen Dolch. Ich warf meiner Prinzessin einen letzten, lächelnden Blick zu, denn ich wollte wie ein Mann sterben. Dann wandte ich mich zu Phaidor um. Ich wartete auf den tödlichen Stoß.
Nie hatte ich dieses schöne Gesicht schöner gesehen als jetzt. Noch nie hatte ich es richtig zu glauben vermocht, daß in einem so schönen Leib eine so verdorbene, grausame Seele wohnte. Aber jetzt las ich etwas ganz anderes, etwas Neues in ihren Augen, eine ungewohnte Sanftheit, eine Pein, die mir ans Herz griff.
Nun stand Thurid neben mir und schob sie weg, um zu mir gelangen zu können. Was dann geschah, spielte sich so blitzschnell ab, daß alles schon vorüber war, ehe ich die Wahrheit auch nur ahnte. Phaidors schlanke Hand schoß vor und griff nach der Dolchhand des Schwarzen. Ihre rechte Hand mit dem schimmernden Dolch zuckte nach oben.
»Das ist für Matai Shang!« schrie sie und stieß dem schwarzen Dator die Klinge tief ins Herz. »Das ist für alles Böse, das du Dejah Thoris angetan hast!«
Und wieder stieß sie mit dem Dolch zu.
»Und das, und das und das!« kreischte sie. »Das für John Carter, Prinz von Helium!« Mit jedem Wort stach der spitze Dolch von neuem in das böse Herz des großen Schurken. Und dann versetzte sie der Leiche des Erstgeborenen einen Stoß, so daß er dem Körper seines Opfers folgte.
Ich war wie gelähmt vor staunendem Entsetzen, und deshalb hatte ich während dieser schauerlichen Szene keinen Versuch gemacht, auf Deck zu gelangen. Ihre nächste Handlung überraschte mich noch mehr, denn Phaidor streckte mir ihre Hand entgegen und half mir auf das Deck hinauf, wo ich nun in meiner Verblüffung dastand und sie nur verständnislos anstarrte.
Die Andeutung eines Lächelns umspielte ihre Lippen. Es war nicht das frühere grausame oder höhnische Lächeln einer hochmütigen Göttin, als die ich sie kannte.
»Du wunderst dich, John Carter, über die seltsame Verwandlung, die in mir vorgegangen ist?« fragte sie. »Ich werde sie dir erklären. Es ist die Liebe zu dir.« Ich runzelte bei diesen Worten die Brauen, doch sie hob eine abwehrende, beschwörende Hand.
»Warte. Es ist eine andere Liebe als die meine, die deiner Prinzessin Dejah Thoris, denn die hat mich gelehrt, was wahre Liebe ist, was sie sein soll und wie anders sie ist als die selbstsüchtige, eifersüchtige Leidenschaft, die ich für dich empfunden habe.
Ich bin nun anders geworden. Ich glaube, jetzt könnte ich so lieben, wie Dejah Thoris dich liebt, aber nun besteht mein ganzes Glück in der Erkenntnis, wie sehr ihr einander verbunden seid, denn nur bei ihr kannst du wahres Glück finden.
Aber ich bin sehr unglücklich darüber, daß ich in meiner sinnlosen Leidenschaft soviel Unheil gestiftet habe. Viele Sünden habe ich abzubüßen, und wenn ich auch unsterblich bin, so ist auch ein ewiges Leben zu kurz für eine Sühne.
Doch es gibt noch eine andere Möglichkeit. Wenn Phaidor, die Tochter des Heiligen Hekator der Heiligen Therns so sehr gesündigt hat, dann hat sie aber auch schon versucht, wenigstens etwas wieder gut zu machen. Wenn du jetzt noch an ihrer Aufrichtigkeit zweifeln solltest, dann wird sie diese auf die einzige Art beweisen, die ihr noch möglich ist – sie hat dich für Dejah Thoris gerettet und wird dich nun ihrer Umarmung überlassen.«
Damit wandte sie sich ab und stürzte sich über die Reling in den Abgrund.
Mit einem Schrei des Entsetzens stürzte ich auf sie zu, um sie zurückzuhalten, um dieses Leben zu retten, das ich zwei Jahre lang am liebsten ausgelöscht hätte. Ich kam zu spät.
Ich hatte Tränen in den Augen, als ich mich umwandte, um nicht in den schauerlichen Abgrund sehen zu müssen.
Einen Augenblick später hatte ich Dejah Thoris die Fesseln abgenommen. Sie legte mir ihre liebevollen Arme um den Hals und drückte ihren zauberhaften Mund auf meine Lippen, um mich den erlebten Schrecken vergessen zu machen und alles Leid, das ich erduldet hatte, bis ich den Lohn dafür in meinen Armen halten durfte.