Die Wachmänner gaben nicht im geringsten acht auf die Sklaven, denn die Roten Männer konnten sich keine zwei Fuß weit von den großen Ringen entfernen, an die sie mit kurzen Ketten gefesselt waren, obwohl jeder von ihnen die Waffe in der Hand hielt, an der er gerade gearbeitet hatte; und jedem war anzusehen, daß er nur allzu gerne in den Kampf eingegriffen hätte.
Die Gelben wandten ihre ganze Aufmerksamkeit mir zu, und trotzdem mußten sie sehr bald erkennen, daß sie zwar zu dritt, aber keineswegs zuviele waren, um das Arsenal gegen John Carter zu verteidigen. Ich wollte, ich hätte an jenem Tag mein eigenes Langschwert gehabt, das mir so gut in der Hand lag, aber ich glaube, auch mit den mir nicht sehr vertrauten Waffen der Gelben machte ich ihnen das Leben ziemlich schwer.
Anfangs war es für mich nicht ganz einfach, dem Hakenschwert auszuweichen, das die drei schwangen, aber nach ein paar Minuten war es mir gelungen, von einem der Ständer an der Wand ein zweites gerades Schwert herunterzureißen, und nun fühlte ich mich hinreichend bewaffnet.
Die drei drangen natürlich sofort auf mich ein, und hätten sie ein bißchen mehr Glück gehabt, dann wäre mein Ende recht nahe gewesen. Der vorderste machte einen heftigen Ausfall mit dem Hakenschwert gegen meine Seite, nachdem sie mich fast ganz an die Wand gedrängt hatten, aber ich wich seitlich so schnell aus, daß seine Waffe kaum mehr meinen erhobenen Arm streifte, aber mit voller Wucht in einen langen Speerständer sauste, und dort verfing sich der Haken. Ehe er ihn aus dem Durcheinander lösen konnte, hatte ich ihn schon mit meinem Schwert die Brust durchbohrt. Und dann bediente ich mich wieder einmal meiner alten, bewährten Taktik. Mit blitzschnellen Hieben und Stößen trieb ich sie vor mir her, bis sie an ihre Deckung überhaupt nicht mehr dachten. Aber da hatte ich sie schon das Fürchten gelehrt.
Dann begann einer von den beiden um Hilfe zu schreien, doch retten konnte sie das auch nicht mehr.
Ich konnte mit ihnen jetzt tun, was ich wollte, und ich hetzte sie auch mit weidlichem Vergnügen im ganzen Arsenal herum; und das wollte ich so lange weitermachen, bis ich sie da hatte, wo ich wollte, in Reichweite der Schwerter der angeketteten Sklaven. Ein paar Momente später lagen beide tot auf dem Boden.
Ihr Geschrei war allerdings nicht ganz nutzlos gewesen, denn draußen hörte ich die Schritte und Schreie vieler rennender Männer, das Klirren von Waffen und die Kommandorufe von Offizieren.
»Die Tür! Schnell, John Carter, verbarrikadiere die Tür!« rief Tardos Mors.
Schon war der erste Posten in Sicht, der, wie ich durch die offene Tür sah, quer über den Hof rannte. Und ihm folgten viele Mann der Palastwache und andere Krieger. In ein paar Sekunden mußten sie den Turm erreicht haben. Mit einem einzigen Sprung stand ich beim Portal, und das knallte ich donnernd zu.
»Der Riegel!« schrie Tardos Mors.
Ich versuchte den schweren Riegel vorzulegen, aber ich konnte ihn nicht vom Fleck bewegen.
»Ein bißchen anheben, damit du die Arretierung des Riegels lösen kannst!« rief einer der Roten Männer.
Die Gelben rannten über den Steinboden und kamen immer näher. Ich hob den Riegel an, und er fiel gerade in dem Augenblick an seinen Platz, als der vorderste Mann sich selbst gegen die Tür warf. Der Riegel hielt! Ich hatte es mit einem Sekundenbruchteil als Vorsprung gerade noch geschafft.
Jetzt konnte ich mich endlich auch mit den Gefangenen befassen. Zuerst ging ich zu Tardos Mors und fragte ihn nach den Schlüsseln für die fesseln, aber der Jeddak von Helium erklärte mir, die habe einer von denen bei sich, die hereinzukommen versuchten, und man müsse eben die Fesseln aufsprengen.
Ein paar hackten schon mit den Schwertern daran herum, und die Gelben bearbeiteten mit Speeren und Äxten die Tür. Auch ich hieb mit meinem Schwert an der Kette herum, die Tardos Mors festhielt, und im gleichen Tempo, wenn auch vervielfacht, hackten die draußen an der Tür herum.
Mit einem letzten Schwertstreich brach ich die Kette auf, und Tardos Mors war frei, wenn auch noch ein paar Kettenglieder an seinem Fußknöchel hingen.
Und jetzt biß auch eine Axt von draußen einen Holzsplitter aus der Tür. Unter der furchtbaren Wucht der Schläge von den Äxten und Schwertern der Gelben zitterte sie heftig. Es herrschte ein schrecklicher Lärm, in dem das Klirren der Sklavenketten im Arsenal völlig unterging. Ich machte mich nun daran, Mors Kajak zu befreien, während sich Tardos Mors um einen anderen Gefangenen bemühte. Wir mußten uns sehr beeilen, wenn wir alle Fesseln gelöst haben wollten, solange die Tür noch standhielt. Jetzt flog auch schon ein Stück der Türfüllung nach innen, und Mors Kajak lief dorthin, um die anstürmenden Gelben abzuwehren, damit wir die anderen befreien konnten.
Mit einem von der Wand abgerissenen Speer hielt er die Stellung, bis ihm andere befreite Gefangene zu Hilfe kamen. Schließlich waren alle bis auf einen frei, aber gleichzeitig krachte unter der Wucht einer improvisierten Ramme die schwere Tür ein, und die Horden der Gelben waren über uns.
»In die oberen Kammern hinauf!« schrie der noch angekettete Rote. »Nach oben hinauf! Dort könntet ihr den Turm gegen ganz Kadabra verteidigen! Haltet euch nicht mit mir auf, denn ich kann mir keinen glorreicheren Tod denken als den im Dienst von Tardos Mors und des Prinzen von Helium.«
Natürlich dachte ich nicht daran, das Leben auch nur eines einzigen Roten zu opfern, am wenigsten das jenes löwenherzigen Mannes, der uns so sehr anflehte, ihn zu verlassen, damit wir uns in Sicherheit bringen konnten.
»Schneidet seine Fesseln durch!« rief ich zwei Roten zu. »Wir übrigen halten inzwischen den Feind auf.«
Damit waren wir zehn, die gegen die Okarianer kämpften, und ich möchte schwören, daß dieser alte Wachtturm noch kein hitzigeres Gefecht erlebt hatte als das, welches wir der Palastwache lieferten. Die ersten Gelben wichen zurück vor den Schwertern der in vielen Kriegen erfahrenen Roten. Mindestens ein Dutzend toter Okarianer blockierten nun die Tür, aber über diese grauenhafte Barriere drangen immer weitere Gelbe vor und schrien ihren heiseren, ohrenbetäubenden Kampfesschrei.
Es war ein fürchterliches Handgemenge. Wir konnten mit unseren Schwertern nicht mehr richtig ausholen und stießen daher zu, ehe uns ein Feind auf mehr als Armeslänge auf den Leib zu rücken drohte. Zwischen dem Kriegsgeschrei der Gelben ertönten die glorreichen Rufe der Roten; »Für Helium! Für Helium!« Seit undenklichen Zeiten war es dieser Ruf gewesen, der die Tapfersten der Tapferen im Kampf angespornt hatte, so daß der Ruhm von Heliums Helden sich über den ganzen Planeten verbreiten konnte.
Endlich war auch der letzte Rote Mann frei, und nun waren wir dreizehn, die sich den Soldaten von Salensus Oll entgegenstellten. Kaum einer von uns blutete nicht aus einer ganzen Anzahl von Wunden, aber zum Glück für uns war noch keiner gefallen.
Von draußen sahen wir Hunderte von Gelben über den Hof eilen, und vom unteren Korridor, durch den ich zum Arsenal gekommen war, hörte man das laute Klirren von Waffen und rauhes Männergeschrei.
Bald wurden wir also nun von zwei Seiten her in die Zange genommen, und da hatten wir dann trotz all unserer Tapferkeit wenig Aussicht mehr, uns behaupten zu können, denn wir mußten unsere Streitkräfte dann ebenso teilen wie unsere Aufmerksamkeit.
»In die oberen Kammern!« rief Tardos Mors, und im nächsten Moment rannten wir auch schon die Spiralrampe nach oben. Der blutige Kampf ging natürlich auch hier weiter, denn jene Soldaten, die wir an der Tür in Schach gehalten hatten, drängten nach. Hier verloren wir auch unseren ersten Mann, einen edlen, tüchtigen Kämpfer, den wir außerordentlich vermißten. Aber schließlich waren alle nach oben unterwegs, nur ich kämpfte noch gegen die Okarianer, bis die anderen oben in relativer Sicherheit waren.
Auf der engen Rampe konnte mich immer nur ein Gegner angreifen, so daß mir die Abwehr nicht allzu schwer wurde, da ich ja nicht sehr lange aushaken mußte. Ich zog mich ganz allmählich und schrittweise kämpfend nach oben zurück.
Die Palastwache folgte mir natürlich auf den Fersen. Fiel einer unter meinem Schwertstreich, war sofort ein anderer zur Stelle, der über den Leichnam seines Kameraden wegklettern mußte. Jeder Fußbreit Boden, den sie gewannen, mußten sie mindestens mit einem Toten bezahlen, uns als ich den geräumigen Wachtturm von Kadabra mit den dicken Glasmauern erreichte, hatte mein Schwert reiche Ernte gehalten.
Meine Kameraden standen schon bereit, meinen Platz einzunehmen, so daß ich zum Atemholen ein wenig zur Seite treten konnte. Von dieser luftigen Höhe aus hatte man nach jeder Richtung hin eine wundervolle, völlig freie Aussicht. Nach Süden erstreckten sich zerklüftete Eisfelder bis zum Rand der Eisbarriere. Im Osten und Westen und auch ganz weit und nebelhaft im Norden erkannte ich weitere Städte der Okarianer, während im Vordergrund, unmittelbar vor den Mauern von Kadabra, der düstere, grimmige Turm aufragte. In den Straßen von Kadabra herrschte ein schrecklicher Tumult. Dort wogte ein erbitterter Kampf hin und her, und jenseits der Stadtmauern marschierte eine lange Kolonne auf das nächstliegende Tor zu.
Ich drückte meine Nase fester an die Glaswand, denn ich traute meinen eigenen Augen nicht. Aber schließlich war kein Zweifel mehr möglich, und mit einem Freudenschrei, der sich recht merkwürdig zwischen den Kriegsrufen, dem Fluchen, Stöhnen und Waffengeklirr ausnahm, rief ich Tardos Mors zu mir.
Kaum stand er neben mir, als ich in die Straßen von Kadabra hinunterdeutete und ihm die heranmarschierenden Kolonnen zeigte, über denen in der kalten arktischen Luft die Flaggen und Banner von Helium wehten.
Wenige Augenblicke später hatte jeder Rote Mann im Turm diesen herzerhebenden Anblick genossen, und ich möchte schwören, daß der uralte Turm von dem Freudenschrei erzitterte, den unsere kleine Truppe ausstieß.
Aber wir mußten unseren Kampf fortsetzen. Wenn auch die Kolonnen von Helium schon in Kadabra einmarschierten, war die Stadt noch weit von einer Kapitulation entfernt, und nicht einmal der Palast war angegriffen, viel weniger besetzt worden. Ein Teil von uns kämpfte also erbittert weiter, während ein paar andere immer wieder einen kurzen Blick auf das erhebende Schauspiel werfen durften.
Dann waren unsere Leute an den Palasttoren. Riesige Kampframmen wurden aufgefahren und gegen die mächtigen Tore gerichtet. Aber dann wurden die Roten Krieger von der Mauerkrone aus mit Speeren angegriffen.
Wieder griffen die tapferen Helianer an, doch sie wurden von der Übermacht der Okarianer abgewehrt. Viele Männer von Helium fielen tapfer kämpfend unter dem Ansturm einer überwältigenden Übermacht der Verteidiger.
Dann wurden die Palasttore aufgerissen, und ein großer Trupp der Leibgarde des Jeddaks stürmte heraus. Es war die Blüte der Armee von Okar, und sie stürmten voran, um ihre schwer angeschlagenen Regimenter wieder in den Kampf zu führen.
Ein paar Augenblicke lang sah es so aus, als könne nichts mehr die Niederlage der Roten Heere aufhalten, aber dann erblickte ich eine edle Gestalt auf einem mächtigen Thoat; es war nicht das zierliche Thoat der Roten Männer von Helium, sondern ein Riesentier der Kämpfer von den Gründen der Toten Seen.
Und dieser Krieger haute sich mit seinem Langschwert den Weg nach vorne frei, und hinter ihm ordneten sich die Soldaten von Helium wieder zu einer kampfstarken Formation. Dann hob er den Kopf und schrie denen auf den Mauern eine Herausforderung zu. Nun sah ich auch sein Gesicht, und mein Herz schwoll vor unbändigem Stolz und Glück, als die Roten Krieger an die Seite ihres Anführers eilten und den Grund zurückgewannen, den sie gerade verloren hatten.
Das Gesicht des Mannes auf dem Thoat war das meines Sohnes, Carthoris von Helium.
An seiner Seite kämpfte ein riesiger Kriegshund; schon der erste Blick sagte mir, daß es nur Wula sein konnte, mein treuer, kluger Wula, der auf ganz bewundernswerte Art die ihm gestellte Aufgabe gelöst hatte. Innerhalb unwahrscheinlich kurzer Zeit hatte er die Legionen nach dem Norden gebracht.
Noch wußten wir nicht, ob die Heere der Roten nicht doch zu spät gekommen waren, um etwas zu retten; rächen konnten sie sich jedoch auf jeden Fall, und ich konnte mir recht gut vorstellen, was diese unbesiegten Soldaten mit den gehaßten Okarianern anstellen würden. Ich seufzte, als ich daran dachte, daß ich das vielleicht gar nicht mehr erleben würde.
Die Roten Soldaten hatten die äußere Palastmauer noch immer nicht bezwungen, aber sie kämpften unvergleichlich tapfer gegen die Elite Okars, die jeden Fußbreit ihres Bodens erbittert verteidigte. Aber nun nahm mich wieder das Geschehen an der Stadtmauer gefangen, denn hier begab sich wieder etwas. Eine Truppe riesiger Krieger ritt heran, welche die Roten Männer ein ganzes Stück überragten. Es waren die grünen Alliierten von Helium, die wilden Horden von den Gründen der Toten Seen weit im Süden.
In grimmigem Schweigen rasten sie auf das Tor zu, aber die breiten, weichen Tatzen ihrer Reittiere machten nicht den geringsten Lärm Sie rasten in die Stadt herein, quer über den weiten Platz vor dem Palast des Jeddaks der Jeddaks, und sofort erkannte ich nun an der Spitze dieser riesigen Krieger ihren Anführer, meinen Freund Tars Tarkas, Jeddak von Thark.
Mein sehnlicher Wunsch war also in Erfüllung gegangen. Wie lange hatte ich mir schon gewünscht, wieder einmal Seite an Seite mit meinem ältesten Freund kämpfen zu dürfen! Nur wurde es vorläufig kein Kampf Seite an Seite, aber ich kämpfte hier im hohen Turm von Okar für dieselbe Sache wie er.
Es sah gar nicht so aus, als würden unsere Feinde auch nur im geringsten daran denken, den Kampf einzustellen. Immer neue Kämpfer drangen in den Turm ein, und der Raum, in dem wir uns befanden, war oft mit mehr Toten als Lebenden angefüllt. Manchmal legten sie eine kurze Pause ein, um ihre Toten wegzuziehen und damit frische Krieger heranstürmen konnten, um den Trank des Todes zu kosten. Ich hatte wieder einmal Mors Kajak beim Kampf abgelöst, damit er den Kampf in den Straßen unter uns beobachten konnte. Plötzlich tat er einen lauten Schrei, in dem ich einen Unterton der Sorge hörte. Sofort lief ich zu ihm, und er deutete weit hinaus zum südlichen Horizont.
»Alas! Daß ich gezwungen sein könnte, ein grausames Schicksal mit anzusehen, ohne ihnen zu Hilfe eilen oder wenigstens warnen zu können!« rief er.
Ich sah in die angegebene Richtung und erkannte den Grund seiner Sorge. Eine mächtige Flotte von großen Schiffen und kleineren Fliegern näherte sich Kadabra. Es war ein majestätischer Anblick. Sie kamen mit beträchtlicher, immer größer werdender Geschwindigkeit von der Eisbarriere heran.
»Dieser schreckliche Turm, den sie den Wächter des Nordens nennen, winkt sie zu sich«, erklärte Mors Kajak traurig. »Genauso hat er Tardos Mors und seiner großen Flotte gewinkt. Sieh, wie sie dort liegen, die zerschmetterten Schiffe, ein schauerliches Monument der zerstörerischen Kraft, der nichts und niemand widerstehen kann.«
Ich sah sie ja auch, diese zahllosen Wracks, aber auch noch etwas anderes, das Mors Kajak nicht sah. Ich kannte ja diesen unterirdischen Raum, an dessen Wänden zahllose fremdartige Geräte und Instrumente waren.
Im Mittelpunkt dieses Raumes stand ein langer Tisch, und davor saß ein kleiner, alter Mann mit vor Habsucht vorquellenden Augen, der Geld zählte; aber – und das war viel wichtiger – ich wußte auch von dem Magnetschalter, und ich kannte den schwarzen Griff mit dem eingelegten kleinen weißen Magneten.
Die Flotte draußen näherte sich sehr schnell. In fünf Minuten mußte diese wundervolle, mächtige Armada als wertloser Schrott zu Füßen des schwarzen Turmes jenseits der Stadtmauer liegen und aus einem Tor würden Gelbe Horden stürmen, um die wenigen Überlebenden zu Sklaven zu machen, die sich benommen aus den Wracks herausarbeiteten. Und für die, welche das nicht mehr konnten, würden dann die furchtbaren Apts kommen. Mich schauderte bei diesem Gedanken, denn ich konnte mir die entsetzliche Szene nur allzu gut vorstellen.
Schon von jeher war ich in Entscheidung und Tat sehr rasch gewesen. Der Impuls, der mich antreibt, ist zugleich auch die Tat, denn wenn mein Verstand logisch zu denken beginnt, werden sofort auch die dazugehörigen Taten ausgelöst. Das muß irgendwie im Unterbewußtsein geschehen, denn objektiv ist mir das nicht bewußt. Psychologen sagten mir immer wieder, daß eine allzu genaue Erforschung meiner mentalen Aktivität vielleicht alles andere als schmeichelhaft sei, denn das Unterbewußtsein kenne keine Vernunft. Mag das nun sein, wie es will, durch eine sofortige Tat erzielte ich schon häufig einen durchschlagenden Erfolg, während allzu genaue Denker die vielen Für und Wider allzu lange gegeneinander abwogen.
In diesem Fall war die Schnelligkeit der Tat wichtiger als alles andere. Ich griff fester um mein Schwert und rief meinen Kameraden an der Spiralrampe zu, sie sollten mir den Weg freihalten.
»Weg frei für den Prinzen von Helium!« schrie ich, und ehe die Gelben, deren Mißgeschick es war, an jener Stelle zu kämpfen, noch wußten, wie ihnen geschah, hatte mein Schwert schon einen Kopf abgeschlagen und ein Herz durchbohrt. Wie ein wütender Bulle raste ich hinunter.
»Weg frei für den Prinzen von Helium!« schrie ich, als ich die verblüfften Garden von Salensus Oll buchstäblich überrannte. Ich hieb nach links und rechts, bis die letzten unten am Fuß der Spiralrampe der Meinung waren, eine ganze Armee rase herunter und Hals über Kopf flohen.
Das Arsenal im Erdgeschoß des Turms war ganz leer und verlassen denn die Okarianer waren längst in den Hof geflohen, und so sah also keiner, daß ich den Spiralweg zum darunterliegenden Geschoß weiterrannte.
Ich lief so schnell wie meine Beine mich trugen den Korridor entlang zu jener Stelle, wo die fünf Korridore abzweigten und wählte den Gang, der zum Raum des alten habgierigen Mannes führte. Ich schenkte mir die Formalität des Anklopfens und stürmte hinein. Am Tisch saß der alte Mann; als er mich sah, sprang er auf und zog sein Schwert.
Ich warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu und rannte zum Schalter; so schnell ich auch war, der alte Mann war vor mir dort. Wie er das gemacht hatte, kann ich nicht sagen, denn kein auf dem Mars heimisches Lebewesen kann sich mit jener wundervollen Geschwindigkeit bewegen, die ein Vorteil meiner irdischen Muskeln ist. Wie ein Tiger fauchte er mich an, und ich verstand recht gut, weshalb man ausgerechnet Solan für diese wichtige Aufgabe ausgewählt hatte.
Nie im Leben ist mir ein solcher Schwertkämpfer begegnet, und eine solche Beweglichkeit, wie sie der greise Knochensack zeigte, war mir unbegreiflich. Er war gleichzeitig an vierzig Stellen, und ehe ich noch eine Möglichkeit gefunden hatte, mich auf ihn als Gefahr einzustellen, hatte er schon einen Affen aus mir gemacht, fast schon einen toten Affen.
Es ist doch immer recht merkwürdig, wie überraschende Bedingungen Fähigkeiten mobilisieren, die man gar nicht zu haben glaubte. An jenem Tag erfuhr ich nämlich, was Schwertkampf heißt und welche Meisterschaft ich erreichen konnte, wenn ich gegen einen so alten, ausgekochten Zauberer der Klinge wie Solan anzutreten hatte. Fast schien es, als könne er mich besiegen, aber dann wurden auch in mir eine Menge Möglichkeiten lebendig, die vorher geschlafen zu haben schienen. Ich focht, wie ich nie geglaubt hätte, daß ein menschliches Wesen fechten kann. Daß dieses königliche Duell ausgerechnet in einem Kellerraum gekämpft wurde, tat mir schrecklich leid, denn gerade dieser Kampf hätte eine große Zuschauermenge von Kennern verdient, die ihn zu würdigen verstanden hätten. Aber so geht es doch häufig und anscheinend auf allen Welten die größten, wunderbarsten Leistungen werden selten in angemessener Umgebung vollbracht. Und dabei wäre doch ein solches Ereignis auf Barsoom, dem Planeten blutigster Kämpfe, am fachkundigsten bewundert worden.
Ich kämpfte also, um den Schalter zu erreichen, Solan, um dies zu verhüten. Obwohl wir kaum mehr als einen Meter davon entfernt kämpften, kam ich keinen Fingerbreit vorwärts; er konnte mich aber ebenso wenig zurückdrängen, wenigstens nicht während der ersten fünf Minuten des Kampfes.
Dabei wußte ich aber genau, daß ich in den nächsten Sekunden diesen Schalter umgelegt haben mußte, wenn ich die Flotte von der Vernichtung retten wollte. Ich griff also wieder einmal auf eine alte Taktik zurück und stürmte voran; ebenso gut hätte ich gegen eine dicke, solide Ziegelwand stürmen können, so stur hielt Solan seinen Grund.
Einmal war ich sogar nahe daran, von ihm aufgespießt zu werden, doch das Recht war schließlich auf meiner Seite, und ich glaube noch immer, daß dieses Bewußtsein einem Mann ein ungeheures Selbstvertrauen verleiht, jedenfalls ein viel größeres als wenn man weiß, daß man für eine ungerechte Sache kämpft.
Als ich das nächste Mal gegen Solan anrannte, tat ich das mit neu aufpoliertem Selbstvertrauen, und jetzt blieb ihm nichts anderes mehr übrig, als sich meiner Taktik unterzuordnen. Das hatte zur Folge, daß ich innerhalb weniger Sekunden in Reichweite des Schalters kam. Wenn ich nun auf die Deckung meines Schwertes verzichtete und meine Brust seinem Schwert darbot, dann beschwor ich einen raschen Tod herauf; ich sah jedoch keine andere Möglichkeit und mußte es wagen, weil ich nur so die heranrasende Flotte zu retten vermochte. Ich verrenkte mich also ziemlich und stieß mit meiner Schwertspitze so gegen den Schalter, daß er aus seiner bisherigen Stellung gerissen wurde.
So erstaunt und entsetzt war Solan darüber, daß er vergaß, den tödlichen Stoß gegen meine Brust zu führen und laut schreiend den Schalter wieder in die alte Stellung zurückzudrehen versuchte; doch er hatte noch nicht einmal die Hand richtig danach ausgestreckt, als ihm schon meine Schwertspitze das Herz durchbohrte.