8. Durch die Höhlen von Carrion

Unser Destinationskompaß führte uns geradeaus nach Norden, und wir flogen bei Tag und Nacht. Ich hatte ihn, als ich die Festung der Therns verließ, auf den anderen Flieger eingestellt, und diese Einstellung hatte sich nicht verändert.

Anfangs der zweiten Nacht bemerkten wir, daß die Luft merklich kälter wurde. Nun näherten wir uns sehr schnell der arktischen Region.

Ich wußte von den zahlreichen Expeditionen, die ausgesandt worden waren, um dieses unbekannte Land zu erforschen, und deren Erfahrungen mahnten mich zur Vorsicht. Niemals war nämlich ein Flieger zurückgekehrt, der eine größere Strecke hinter der Eisbarriere beflogen hatte, die den südlichen Rand der kalten Zone abschließt. Niemand wußte, was aus all diesen Leuten geworden war, nur daß sie außer Sicht gerieten, nachdem sie in dieses grimmige, geheimnisvolle Land am Pol vorgestoßen waren.

Die Entfernung zwischen Barriere und Pol war nicht allzu groß, und ein schneller Flieger konnte sie an sich in wenigen Stunden zurücklegen. Man nahm deshalb an, daß schreckliche Katastrophen über jene hereinbrachen, die das ›Verbotene Land‹ erreichten, denn so wurde es von den Marsbewohnern der äußeren Welt genannt. Ich nahm daher Geschwindigkeit weg, als wir uns der Barriere näherten, denn ich wollte vorsichtig und bei Tag über diese Eisfelsen wegfliegen, um mich zu orientieren, damit ich nicht in eine Falle rannte, falls es wirklich am Nordpol ein bewohntes Land geben sollte. Ich konnte mir vorstellen, daß es dort vielleicht eine Stelle geben könnte, die Matai Shang eine gewisse Sicherheit vor John Carter, Prinz von Helium, verleihen konnte.

Wir flogen im Schneckentempo und nur ein paar Fuß hoch über dem Boden dahin und ertasteten uns buchstäblich unseren Weg durch die Dunkelheit. Beide Monde waren untergegangen, und die Nacht war kohlschwarz, denn der Himmel war bewölkt. Wolken gibt es auf dem Mars nur in den Zonen an den Polen.

Plötzlich stand wie aus dem Boden gewachsen ein weißer Turm in meinem Weg. Ich warf das Seitensteuer blitzschnell herum und schaltete die Maschine auf Rückwärtsgang, aber es war zu spät, die Kollision war nicht mehr zu vermeiden. Es krachte, als wir auf den Eisturm knallten.

Der Flieger drehte sich halb um sich selbst, und die Maschine blieb stehen; der geflickte Treibstofftank riß auf, und wir stürzten zwanzig Fuß tief auf den Boden.

Zum Glück wurde bei diesem Absturz aus geringer Höhe keiner von uns verletzt, und als wir uns aus den Trümmern des Wracks herausgearbeitet hatten, kam gerade der kleinere Mond wieder über den Horizont herauf. In seinem Licht entdeckten wir, daß wir uns am Fuß einer mächtigen Eisbarriere befanden, die von großen Granitfelsen daran gehindert wird, sich weiter nach Süden auszubreiten. Welch ein Schicksal! Da hatten wir nun diese riesige Strecke ohne Zwischenfall hinter uns gebracht und unsere Reise fast vollendet, und nun waren wir auf der verkehrten Seite der Eisbarriere gestrandet! Ich sah Thuvan Dihn an, doch der schüttelte den Kopf.

Den Rest der Nacht verbrachten wir vor Kälte zitternd in unseren Schlafseiden und Pelzen auf dem Schnee, der den Fuß der Eisbarriere bedeckte.

Bei Tagesanbruch hatten sich meine schwer angeschlagenen Lebensgeister wenigstens ein bißchen wieder zum gewohnten Optimismus durchgerungen, obwohl es, wie ich zugeben muß, recht wenig Grund dafür gab.

»Was werden wir nun tun?« fragte Thuvan Dihn. »Wie sollen wir dieses unzugängliche Eis übersteigen?«

»Erst müssen wir beweisen, daß es unzugänglich ist«, erwiderte ich, »aber das werde ich kaum zugeben, ehe ich nicht den ganzen Globus umkreist habe und abgeschlagen wieder auf diesem Fleck stehe. Je früher wir aufbrechen, desto besser ist es, denn eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Wir werden auch mindestens einen Monat brauchen, um diese kalten, beschwerlichen Kilometer zurückzulegen, die wir vor uns haben.«

Fünf Tage lang wanderten wir über das gefrorene, eisstarrende Land zu Füßen der Eisbarriere. Schreckliche Pelztiere griffen uns bei Tag und Nacht an. Nicht einen Augenblick konnten wir uns vor diesen wilden Dämonen des Nordens sicher fühlen.

Unser gefährlichster und ausdauerndster Feind war der Apt. Das ist eine riesige, weißpelzige Kreatur mit sechs Beinen, von denen vier kurz und dick sind und das Tier mit erstaunlicher Geschwindigkeit über Eis und Schnee tragen. Zwei weitere sind zu beiden Seiten des langen, kräftigen Halses an den Schultern angewachsen und enden in weißen, unbehaarten Händen, mit denen diese Tiere ihre Beute fangen und festhalten.

Kopf und Maul gleichen ungefähr den Flußpferden der Erde, nur daß beim Apt vom Unterkiefer aus zwei mächtige, gebogene Hörner fast bis zur Brust reichen.

Die beiden riesigen Augen riefen meine größte Neugier hervor. Sie reichen vom Schädeldach als große, ovale Flecken bis zu den Wur zeln der Hörner, so daß diese Waffen tatsächlich aus den unteren Teilen der Augen herauswachsen. Und diese Augen bestehen aus etliehen tausend Ozellen.

Das war eine ganz bemerkenswerte Augenkonstruktion für ein Tier das auf grellschimmernden Eis- und Schneeflächen jagt. Da wir einige dieser Tiere erlegten, konnte ich die Augen genauer untersuchen, und da stellte ich fest, daß jeder Ozellus sein eigenes Augenlid hat. Das Tier kann ganz nach Belieben jedes einzelne Facettenauge unabhängig von allen übrigen schließen, wenn ich auch davon überzeugt war, daß dieses Tier den größten Teil seines Lebens in dunklen unterirdischen Höhlen zubrachte. Auf diese Art konnte es sich gegen grelles Tageslicht schützen.

Dann begegneten wir dem größten Apt, den wir je gesehen hatten Dieses Tier maß an den Schultern volle sechs Meter und war so glatt, sauber und schön, daß ich hätte schwören mögen, es sei erst kürzlich ordentlich gebürstet und getrimmt worden.

Er stand mit etwas schiefgelegtem Kopf da und sah uns entgegen, als wir uns ihm näherten. Wir hatten nämlich herausgefunden, daß es eine beträchtliche Zeitverschwendung war, wenn wir diese Tierrier sen, die von dämonischer Wut besessen zu sein scheinen, in einem weiten Bogen umgingen. Selbst wenn sie sich nämlich die Bäuche vollgeschlagen haben und nichts mehr in ihnen Platz hat, töten sie aus Freude am Töten.

Dieser Apt nun griff uns nicht an, sondern schaute uns dumm entgegen, drehte sich um und trottete davon. Das hätte mich ja an sich sehr erstaunt, wäre nicht um seinen Hals ein breiter goldener Kragen gelegen, den ich im dicken Fell schimmern sah.

Auch Thuvan Dihn sah ihn und faßte ebenso wie ich Hoffnung für uns beide. Nur ein Mensch konnte ihm einen solchen Kragen umgelegt haben, und da noch keine uns bisher bekannte Rasse von Marsmenschen versucht hatte, dieses Riesentier zu zähmen, mußte er einem Volk gehören, von dessen Existenz wir nichts wußten. Vielleicht waren es die fabulösen Gelben Männer von Barsoom. Diese einstmals sehr mächtige Rasse hielt man für ausgerottet, obwohl manche Theoretiker der Meinung waren, sie könnten im eisigen Norden noch existieren.

Wir folgten dem riesigen Tier. Wula begriff sehr schnell, was wir wollten, und so war es nicht nötig, uns besonders zu beeilen, denn der Apt setzte in großen Sprüngen über das Eis und entschwand sehr schnell unseren Blicken.

Etwa zwei Stunden lang folgten wir der Spur entlang der Eisbarriere, und dann bog sie direkt in das rauheste, unwegsamste Gelände ab, das ich je gesehen hatte.

Riesige Granitblöcke versperrten uns immer wieder den Weiterweg. Wir drohten in tiefe Eisrinnen zu stürzen, falls der Fuß nur einmal ausrutschte, und vom Norden her wehte ein leichter Wind, der uns einen unbeschreiblichen Gestank entgegentrug, der uns vor Übelkeit würgen machte.

Weitere zwei Stunden verbrachten wir damit, über Felsblöcke zu klettern, und wir legten dabei nur ein paar hundert Meter bis zum unmittelbaren Fuß der Eisbarriere zurück.

Dann bogen wir um eine Felskante aus Granit und standen nun auf einem ebenen Stück schneebedeckten Landes von einigen Morgen Ausdehnung, das von jenen Eisbergen begrenzt war, die uns seit Tagen ärgerten und soviel Mühe bereiteten. Unmittelbar vor uns sahen wir den dunklen Eingang zu einer Höhle.

Dieser Höhle entströmte der schreckliche Gestank. Als Thuvan Dihn neben mir vor der Höhle stand, rief er erstaunt: »Bei all meinen Ahnen! Daß es mir beschieden ist, die sagenhaften Höhlen Carrions zu sehen! Sind sie das wirklich, dann haben wir auch den Weg über die Eisbarriere gefunden.

Die alten Chroniken der ersten Historiker von Barsoom, und diese Chroniken sind so alt, daß wir sie für Mythologie gehalten haben, berichten davon, daß die Gelben Männer sich vor den rasenden grünen Horden zurückgezogen hatten, als diese die Küsten der austrocknenden Seen verließen und auf ihren Raubzügen die Festungen der herrschenden Rassen überfielen.

Diese einst sehr mächtigen Rassen flohen, und bei jedem Schritt wurden sie gejagt, bis sie schließlich einen Weg durch die Eisbarriere des Nordens in ein fruchtbares, geschütztes Tal am Pol fanden. Vor der Öffnung des unterirdischen Weges, der in ihre Zuflucht führt fand eine riesige Schlacht statt, welche die Gelben Männer siegreich bestanden. In den Höhlen, die der Zugang zu ihrem neuen Land bildeten, häuften sie die Leichen der Toten auf, damit deren Gestank alle Verfolger abwehrte.

Und seit dieser Zeit werden alle Toten dieses sagenhaften Landes zu den Höhlen von Carrion getragen, so daß sie selbst in Tod und Verwesung ihrem Land noch dienen und fremde Eindringlinge fernhalten. Die Fabel erzählt, daß hierher auch alle Abfälle der Nation gebracht werden, alles, was verrotten und verwesen und so zu dem fürchterlichen Gestank beitragen kann, der unsere Nasen beleidigt. Und zwischen den verwesenden Toten lauert bei jedem Schritt der Tod, denn hier haben die Apts ihre Lager, die mit den unverdaulichen Resten ihrer Beute zu diesem infernalischen Gestank beitragen. Es ist ein entsetzlicher, widerlicher Weg zu unserem Ziel, doch der einzige, den es gibt.«

»Dann bist du also überzeugt, daß wir den Zugang zum Land der Gelben Männer gefunden haben?« rief ich.

»So überzeugt wie nur möglich, denn es gibt nur eine alte Legende, die diese Überzeugung stützt. Aber sieh doch, wie genau bis jetzt alle Erzählungen von der Existenz und der Zuflucht der Gelben sich mit dem decken, was wir selbst auf dem Weg zu ihrem neuen Land gesehen haben.«

»Dann mögen uns die Götter weiter gnädig sein«, sagte ich. »Vielleicht können wir hier auch das Geheimnis um das Verschwinden von Tardos Mors, Jeddak von Helium und Mors Kajak, seinem Sohn, klären, denn sonst blieb kein anderer Fleck auf ganz Barsoom undurchsucht. Viele Expeditionen und noch viel mehr Spione haben volle zwei Jahre nach ihnen gesucht, und das letzte Wort, das wir seinerzeit von. ihnen hörten, war, daß sie meinen Sohn Carthoris hinter der Eisbarriere vermutet hatten.«

Während wir miteinander sprachen, hatten wir uns dem Höhleneingang genähert, und als wir kaum zwei Schritte hineingegangen waren, wurde mir klar, weshalb die grünen Feinde der Gelben Männer diese Schwelle nicht überschritten hatten.

Mannshoch lagen die Gebeine der Toten auf dem Boden der ersten Höhle, und über all den Knochen lag der süßlich-scharfe Gestank vermodernden Fleisches, durch welches sich die Apts einen grauenhaften Weg zur zweiten Höhle gefressen hatten.

Das Dach der ersten Höhle war sehr niedrig, so daß sich der Gestank bis zur Greifbarkeit verdichtet hatte. Man war direkt versucht, sein Schwert zu ziehen, um sich auf der Suche nach frischer Luft einen Weg freizuhauen.

»Ist es möglich, daß es Menschen gibt, die eine so vergiftete Luft atmen und trotzdem weiterleben können?« fragte Thuvan Dihn, den es immer wieder heftig würgte.

»Nicht für lange Zeit jedenfalls«, antwortete ich. »Wir wollen uns daher beeilen. Ich werde vorangehen, und du folgst mir. Zwischen uns geht Wula.« Und damit stürzte ich mich voll Todesverachtung in die nächste Höhle.

Sieben Höhlen brachten wir so hinter uns; in der Größe unterschieden sie sich erheblich voneinander, nicht aber in dem, was wir in ihnen vorfanden. Die achte Höhle enthielt dann die Lager der Apts. Eine ganze Herde dieser mächtigen Tiere hatte sich hier zusammengefunden. Einige von ihnen schliefen, andere rissen Fleischstücke aus frischgeschlagener Beute, andere trugen ihre Liebeskämpfe untereinander aus.

Selbst mir wäre es als Wahnsinn erschienen, hätte man diese Höhle mit den fürchterlichen Tieren durchqueren wollen, und so schlug ich Thuvan Dihn vor, er solle mit Wula zur Außenwelt zurückkehren und mit ausreichenden Hilfsmitteln wiederkommen, um nicht nur die Apts zu besiegen, sondern auch mit allen anderen Hindernissen aufzuräumen, die sich uns noch in den Weg stellen konnten.

»Inzwischen«, fuhr ich fort, »kann ich vielleicht allein den Weg zu den Gelben Menschen finden. Sollte ich keinen Erfolg haben, dann wird wenigstens nur ein Menschenleben geopfert. Wenn wir beide gehen und umkommen, ist niemand mehr da, der eine Suchaktion für Dejah Thoris und deine Tochter anführen kann.«

»Ich werde dich hier nicht allein lassen, John Carter«, erwiderte Thuvan Dihn. »Ob wir nun dem Sieg oder dem Tod entgegengehen, der Jeddak von Ptarth bleibt an deiner Seite. Ich habe gesprochen, und du hast mich gehört.«

Sein Ton ließ eindeutig darauf schließen, daß es sinnlos war, ihn mit diesem oder jenem Argument von seinem Entschluß abzubringen. Deshalb schloß ich mit mir selbst einen Kompromiß, den nämlich, Wula zurückzuschicken. Eiligst schrieb ich eine Notiz, die ich in ein kleines Metallkästchen legte und an seinem Hals befestigte. Dann befahl ich dem treuen Tier, Carthoris in Helium aufzusuchen. Obwohl eine halbe Welt voll unzähliger Gefahren zwischen uns und meinem Sohn lag, wußte ich bestimmt, daß Wula es tun würde, wenn es überhaupt getan werden konnte.

Von Natur aus hat Wula eine ungeheure Ausdauer, Wildheit und Schnelligkeit und kann daher mit allen Gefahren fertig werden, die ihm nicht massiert gegenübertreten. Sein sicherer Instinkt und seine wache, ungewöhnliche Intelligenz konnten ihm darüber hinaus zur Erfüllung seines Auftrages nur nützlich sein.

Natürlich wußte ich, daß Wula mich nicht gerne verließ, wie ich ihn auch nicht gerne ziehen ließ. Ich konnte nicht anders, ich mußte ihm zum Abschied die Arme um den Hals legen und das riesige Tier zärtlich an mich drücken. Einen Moment später rannte mein treuer Wula durch die Höhlen zurück in die Außenwelt.

In meinem Brief an Carthoris hatte ich ihm genau beschrieben, wo und wie er die Höhlen von Carrion finden könne, und hatte ihm eindringlich klar gemacht, wie er auf dem Landweg zu dieser Stelle finden könne. Auf gar keinen Fall dürfe er versuchen, mit Fliegern über die Eisbarriere zu gelangen, schon gar nicht mit großen Schiffen. Ich erklärte ihm auch, daß ich nicht wisse, was hinter der achten Höhle liege, sei aber überzeugt, daß irgendwo hinter der Eisbarriere seine Mutter sich in der Gewalt von Matai Shang befinde, möglicherweise sogar sein Groß- und sein Urgroßvater, falls sie noch lebten. Ich riet ihm ferner, Kulan Tith und den Sohn von Thuvan Dihn aufzusuchen und sie um Schiffe und Krieger zu bitten, um den Zugang zu diesem Land gegebenenfalls im ersten Ansturm zu sichern.

»Und«, schloß ich, »falls du noch Zeit hast, Tars Tarkas zu suchen und mitzubringen, dann soll er mitkommen. Falls ich noch am Leben bin, wenn du kommst, dann kann ich mir kein größeres Vergnügen denken als das, Schulter an Schulter mit meinem alten Freund zu kämpfen.«

Als Wula uns verlassen hatte, beriet ich mich mit Thuvan Dihn in der siebenten Höhle darüber, was nun getan werden konnte. Wir machten viele Pläne zur Durchquerung der achten Höhle und verwarfen sie alle wieder. Von unserem Platz aus bemerkten wir, daß die Kämpfe unter den Apts allmählich nachließen; viele hatten auch zu fressen aufgehört und sich zum Schlafen hingelegt.

Wenig später kamen wir zur Überzeugung, daß es nicht mehr lange dauern konnte, bis all diese riesigen Tiere friedlich schlummerten, und dann konnten wir es auch wagen, diese achte Höhle zu durchqueren.

Ein Apt nach dem anderen streckte sich auf den Knochen und verwesenden Fleischresten am Boden aus, bis nur noch ein einziges Tier wach war. Dieser Bursche lief rastlos herum und schnüffelte ständig an seinen Gefährten und dem Unrat der Höhle.

Ab und zu blieb er stehen und spähte erst zu dem einen Höhlenausgang, dann zum anderen. Er benahm sich ganz so, als sei er zum Wachtposten bestimmt worden.

Schließlich kamen wir zur Überzeugung, daß er nicht schlafen würde, solange die anderen schliefen, und so suchten wir nach einer Möglichkeit, ihn zu überlisten. Endlich hatte ich eine Idee, die ich sofort Thuvan Dihn unterbreitete, und da sie ausführbar erschien, beschlossen wir, sie sofort zu testen.

Thuvan Dihn stellte sich unmittelbar neben dem Zugang zur achten Höhle an die Wand, während ich mich absichtlich dem Apt zeigte, als er zur siebenten Höhle schaute. Dann tat ich einen Satz zur anderen Seite hinüber und drückte mich dort fest an die Wand.

Lautlos und schnell bewegte sich das riesige Tier zur siebenten Höhle, um den Eindringling zu sehen, der ihn in seiner Behausung zu stören wagte. Er schob den Kopf durch die enge Öffnung, welche die zwei Höhlen verbindet; zwei mächtige Langschwerter warteten schon auf ihn, sausten herunter und trennten ihm, ehe er noch zu einem Knurren ansetzen konnte, den Kopf ab, der uns vor die Füße rollte.

Schnell überzeugten wir uns davon, daß keiner der Apts in der achten Höhle sich bewegt hatte. Wir kletterten über den Kadaver des Tieres, das den Zugang blockierte, und betraten die achte Höhle. Lautlos wie Schlangen schlichen wir an den schlafenden Tieren vorbei. Das einzige Geräusch, das wir machten, war ein gelegentliches schmatzendes Saugen, wenn unsere Füße in den schlammigen Unrat auf dem Boden traten und wir sie zum nächsten Schritt aufheben mußten.

Einmal rührte sich ein Tier, über dessen Kopf ich gerade wegsteigen mußte, ein wenig, und ich wartete, hielt den Atem an und wagte mich nicht zu bewegen. In der rechten Hand hatte ich mein Kurzschwert dessen Spitze ich auf jene pelzige Stelle richtete, unter der das Herz schlug.

Der Apt tat einen schweren Seufzer und lag wieder ruhig da, so als habe er eben einen schweren Traum ausgeträumt. Jetzt konnte ich endlich über seinen Kopf wegsteigen.

Thuvan Dihn folgte mir, und eine Minute später standen wir am Ausgang dieser gefährlichen Höhle.

Die Höhlen von Carrion bestehen aus siebenundzwanzig miteinander verbundenen Felskammern und scheinen vor unendlichen Zeiten vom Wasser ausgewaschen worden zu sein, als sich ein mächtiger Strom aus dieser Eiswüste einen Weg nach Süden suchte. Die restlichen neunzehn Höhlen brachten wir ohne Zwischenfall hinter uns.

Später erfuhren wir, daß es nur einmal im Monat möglich ist, diese Höhlen zu queren, da sich dann alle Apts in einer einzigen Kammer aufhalten. Sonst schweifen sie einzeln oder paarweise von einer Kammer zu anderen. Einmal im Monat schlafen sie einen ganzen Tag lang, und wir hatten außerordentliches Glück, gerade rechtzeitig angekommen zu sein.

Als wir die letzte Höhle verließen, fanden wir uns in einem trostlosen Land aus Eis und Schnee, entdeckten jedoch einen gut ausgetretenen Pfad, der nach Norden führte. Überall gab es dieselben großen Felsblocke wie vor der Eisbarriere, und so konnten wir niemals weit sehen.

Einige Stunden später kamen wir hinter einem riesigen Felsblock hervor und standen vor einem steilen Hang, der in ein Tal hinunterführte. Und unmittelbar vor uns sahen wir sechs wilde, schwarzbär tige Burschen, deren Haut von der Farbe reifer Zitronen war. Wir zogen uns natürlich sofort wieder hinter einen niedrigeren Felsbrocken in Deckung zurück. »Das sind die Gelben Männer von Barsoom«, flüsterte mir Thuvan Dihn zu. Wir vermochten es kaum zu glauben, jene verschollene Rasse entdeckt zu haben, die jeder eher für eine Legende gehalten hätte als für die Wirklichkeit.

Von unserem Versteck aus beobachteten wir die Gruppe, die mit dem Rücken zu uns am Fuß eines anderen hohen Felsblockes stand.

Einer der Männer spähte um die Felskante, als wolle er heimlich einen beobachten, der sich näherte. Bald kam ein weiterer Gelber in mein Gesichtsfeld. Alle Männer trugen herrliche Pelze, die sechs vor uns die schwarz-gelb gestreiften des Orluk, während der siebente, der einzelne Mann, der herankam, in das schneeweiße Fell eines Apt gehüllt war.

Die Gelben Männer trugen zwei Schwerter an ihren Gürteln, und jedem hing ein kurzer Speer über den Rücken. Am linken Arm hatten sie alle einen Schild von der Größe eines Suppentellers mit der vertieften Seite nach außen.

Einem gewöhnlichen Schwertmann mochte diese Bewaffnung lächerlich und ungenügend erscheinen, doch später war ich wiederholt Zeuge der Geschicklichkeit, mit der die Gelben diese Dinge handhaben.

Eines der Schwerter, mit denen sie ausgerüstet waren, erregte meine besondere Aufmerksamkeit. Ich nenne es wohl Schwert, doch in Wirklichkeit war das Ding eine sehr scharf geschliffene Klinge, die an der Spitze einen richtigen Haken hatte.

Das zweite Schwert hatte auch etwa die Länge des Hakenschwertes, war also etwas kürzer als mein Langschwert, ganz gerade und zweischneidig. Jeder hatte im Gürtel auch einen Dolch, doch den entdeckte ich erst später.

Als sich der Mann im weißen Pelz näherte, griffen die anderen sechs fester um ihre Schwerter; das Hakenschwert hatten sie links, das andere rechts, und am linken Handgelenk war der kleine Schild befestigt.

Die sechs Männer schrien gellend und drangen auf den siebenten ein. Die Schreie erinnerten mich außerordentlich an das Kriegsgeschrei der Apachen im Südwesten Nordamerikas. Sofort zog der Angegriffene seine Schwerter, und als die anderen über ihn herfielen, erlebte ich einen so schönen Kampf, wie man ihn nicht alle Tage zu sehen bekommt.

Die Angreifer versuchten mit dem Hakenschwert den Gegner zu erfassen, doch der Suppentellerschild schnellte blitzschnell vor und fing den Haken ab. Einmal traf der Kämpfer im weißen Pelz mit dem Hakenschwert einen Gegner in der Seite, zog ihn zu sich heran und durchbohrte ihn mit dem anderen Schwert.

Natürlich war die Übermacht der anderen viel zu groß. Obwohl der Mann im weißen Pelz ein außerordentlich geschickter und tapferer Kämpfer war, konnte ich mir ausrechnen, daß es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis die restlichen fünf seine großartige Abwehr durchbrechen und ihn zu Boden schicken konnten.

Da meine Sympathie immer dem Schwächeren gilt, konnte ich, obwohl ich von der Ursache des Streites nichts wußte, nicht mit zusehen, wie die fünf Männer ihn abzuschlachten versuchten.

Zugegeben, ich brauche keine Entschuldigung, wenn ich in einen Kampf eingreifen will, denn ich liebe nun einmal einen guten Kampf und weiche niemals aus.

Ehe also Thuvan Dihn noch ahnte, was ich vorhatte, sah er mich an der Seite des Mannes im weißen Pelz erbittert gegen seine fünf Angreifer kämpfen.

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