XXX

Das Jenseitige Land, die Schwarze Schlucht, 6492. Sonnenzyklus, Frühsommer.


Sie ritten auf die Festung Übeldamm zu, über der die Banner und Fahnen wehten. Doch sie sahen auch, dass die Mauern Schäden davongetragen hatten. Ingrimmsch blickte hinüber zu Tungdil, der sich dank der Hilfe von Lot-Ionan wieder mit der Rüstung bewegen konnte. »Was mag passiert sein?«

Er entsann sich, dass der Magus sie vor einigen Umläufen in seiner Bosheit die ganze Nacht hatte vor der erstarrten Rüstung grübeln lassen, ehe er bei Morgengrauen aufgestanden war, zwei schnelle Gesten vollführt und einen dunkelvioletten Schleier auf das Tionium geworfen hatte. Danach funktionierte die Panzerung tadellos und beulte sich vor aller Augen dazu noch selbst aus! Zuvor hatte sie nicht einmal auf die Berührung der Feuerklinge reagiert. Lot-Ionan erklärte niemandem, was er getan hatte. Nicht einmal seinem Ziehsohn. Danach war alles rasch gegangen.

Mallenia und Rodario hatten sie wirklich bei einem Gehöft zurückgelassen und waren in einem unglaublichen Galopp ins Braune Gebirge und von da ohne Aufenthalt weiter ins Jenseitige Land geritten. Sie nahmen sich Zeit für nichts. Erklären mussten sie ohnehin niemandem etwas - Tungdil war Großkönig und keinem Rechenschaft schuldig. Sein Wort war Befehl.

Ingrimmsch warf einen Blick auf den Magus. Mit dem werden wir noch größere Schwierigkeiten bekommen.

Tungdil hatte die Risse in den Mauern der Festung ebenso gesehen. »Solange Übeldamm steht, haben wir nicht verloren«, sagte er erleichtert. »Das Wichtigste ist: Wir sind nicht zu spät.«

Hörner wurden geblasen und verkündeten ihre Ankunft. Eine Abteilung Ubariu und Zwerge marschierte ihnen entgegen, um sie standesgemäß zu geleiten, und führte sie unter dem Jubel der Festungsbesatzung zum Turm, der mit langen Stangen und zusätzlichen Pfeilern versehen worden war.

Es kam Ingrimmsch vor, als zählte er auf den Wehrgängen übermäßig viele Kinder des Schmieds. »Täusche ich mich da?«, wollte er von Slin wissen, nachdem er ihn aufmerksam gemacht hatte.

Der Vierte schüttelte den Kopf. »Nein, tust du nicht.« Er sah zu den Fahnen. »Es sind einige Banner darunter, die ich nicht kenne.«

»Oder niemals habe sehen wollen«, ergänzte Balyndar und deutete nach rechts. »Das sind Clans der Dritten.«

»Bei Vraccas!«, rief Ingrimmsch überrascht. »Dann sind sie gekommen, um uns beizustehen!« Er blickte zu Tungdil. »Dein Stamm ist gekommen, um dem Großkönig seine Arme und Waffen zu leihen.« Er lachte erleichtert auf.

»Eine gute List, den Einäugigen zum Großkönig zu küren«, murmelte Balyndar leise. »Es war keine List«, widersprach Ingrimmsch aufbrausend. »Es war...« »Da ist Goda«, unterbrach ihn Slin. »Willst du dein Weib begrüßen, General, oder soll ich das für dich übernehmen?«

Ingrimmsch zügelte sein Pony, sprang herab und rannte auf seine Gemahlin zu, schloss sie in die Arme und ließ dafür sogar den Krähenschnabel los. »Ich halte sämtliches Glück aller Welten umfangen«, flüsterte er in ihr Ohr und spürte Enge in seiner Kehle. »Du hast mir gefehlt, Goda!«

Sie barg ihr Gesicht an seinem Hals und drückte ihn fest an sich. »Endlich«, raunte sie zurück. »Ich bin fast gestorben vor Sorge und durfte es dennoch nicht vor den anderen zeigen.« Sie sah zu Tungdil, der aufrecht wie stets auf seinem Pferd saß und neben Lot-Ionan stand. »Ihr habt es geschafft!«

»Es war einfacher, als wir angenommen hatten«, sagte er zu ihr und löste sich. »Lass es uns drinnen besprechen. Es gibt viel zu erzählen.«

»Hier auch.« Sie sah ihm fest in die Augen. »Leider nichts Gutes, mein Gemahl.« Das machte Ingrimmsch fahrig, und er drängte darauf, so schnell wie möglich in die Besprechungshalle zu kommen. Die Zwerge, Coira und Lot-Ionan folgten ihnen, Goda gab den Befehl, die Gäste dazuzuholen. Wo auch immer sie entlangliefen, die Zwerge sanken vor Tungdil auf die Knie und reckten ihm ihre Waffen als Zeichen ihres unbedingten Gehorsams entgegen. Ingrimmsch fiel mit einem Mal auf, dass Goda auf diese Geste verzichtet hatte. Es hätte mich auch gewundert...

Der Jubel in Übeldamm wollte gar nicht mehr enden. Auch von den anderen drei Toren schallten die Hörner, die Rufe und das Klappern der Beile und Äxte, die gegen die Schilde und Rüstungen geschlagen wurden, zu ihnen herüber. Ein Gewitter des Hochgefühls ging auf sie nieder, es hatte Zwerge, Menschen, Untergründige und Ubariu gleichermaßen erfasst.

Ingrimmsch lief aufrecht wie selten in seinem Leben zuvor. Stolz drückte er den Rücken durch und schulterte den Krähenschnabel, ging breitbeinig und winkte schließlich sogar mit einem Grinsen im Gesicht. Balyndar und Slin erging es nicht anders. Sie genossen es, als Helden betrachtet zu werden. Zu Recht.

Allein Godas verschlossene Miene trübte die Stimmung des Kriegers ein wenig. Aber nur ein wenig.

Die Doppeltür, die in die Beratungshalle führte, wurde von den Ubariuwächtern aufgestoßen.

Ingrimmsch klappte der Unterkiefer vor Staunen herab: An dem Tisch saßen Zwerge! Viele Dutzend Zwerge, allesamt Clanführer, und die Fahnen, die an den Wänden hinter ihnen befestigt waren, erklärten, um welche Abordnungen es sich handelte. »Bei Vraccas!«, entfuhr es ihm, und sein Herz raste voller Freude. »Gelehrter, siehst du das?« Er wollte ihn an der Schulter packen und ungestüm schütteln, um seinem Glücksgefühl freien Lauf zu lassen, doch er unterließ es.

»Bleibt an meiner Seite«, sagte Tungdil leise zu ihnen. »Sie sollen sich die Gesichter ihrer größten Helden einprägen und niemals mehr vergessen.« Er marschierte langsam und kraftvoll hinein.

Ein Klingeln und Klirren ertönte, als sich die Zwerge vor ihrem Großkönig verneigten, auf ein Knie sanken und in der alten Schwurgeste ihre Waffen hoben, um ihm den Treueid zu leisten. Sämtliche Stämme waren gekommen, sogar die Dritten und die Freien beugten sich vor Tungdil und versammelten sich unter seinem Befehl.

Niemand sprach in diesem feierlichen Moment, dem größten Augenblick in der Geschichte der Kinder des Schmieds.

Der überwältigende Anblick rührte Ingrimmsch zu Tränen. Sein Gelehrter hatte erreicht, was keinem Großkönig vor ihm gelungen war. Er schämte sich nicht für die salzigen Tropfen, die aus den Augenwinkeln in seinen Bart liefen, und sah die deutliche Regung auf vielen anderen Zwergengesichtern.

»Lange lebe Großkönig Tungdil Goldhand!«, rief er und reckte den Krähenschnabel, bevor auch er sich verneigte. Slin und Balyndar konnten sich der Wirkung des Anblicks nicht entziehen und taten es ihm nach. Goda ging als Letzte vor dem Einäugigen auf die Knie.

»Ihr seid meinem Ruf gefolgt«, erhob Tungdil seine dunkle Stimme, und sie sandte das Majestätische aus seinem Innern aus und übergoss die Zuhörer damit. »Dafür danke ich euch. Die entscheidende Schlacht um das Geborgene Land wird in der Schwarzen Schlucht geschlagen, denn der Krieg, der vor zweihundertfünfzig Zyklen begonnen hat, ist nicht beendet.« Er ließ den Blick schweifen. »Deswegen bin ich zurückgekehrt: um meinem Volk beizustehen.«

»Das ist gelogen«, zischte Goda, was aber nur Ingrimmsch vernahm.

Er funkelte sie an, und sie biss sich auf die Lippen.

»Ihr seht, dass ich mich verändert habe, doch in meinem Herzen bin ich ein Kind des Schmieds geblieben. Ohne meine Freunde«, er zeigte auf die Zwerge hinter sich, »wäre mir meine erste Aufgabe niemals gelungen. Umso gewisser ist es, dass wir die zweite Herausforderung gemeinsam bestehen werden.« Er bedeutete ihnen, sich zu erheben. »Ich trage den Titel des Großkönigs durch die Wahl der Vierten und der Fünften. Manche mögen das als Makel sehen, nicht von allen Stämmen gekrönt worden zu sein.« Tungdil hob die Arme. »Ich frage euch, jeden Einzelnen von euch, jeden Clanführer und jeden König, aus diesem Grund ein zweites Mal: Wollt ihr, dass ich euch führe?« Unter der laut gerufenen Zustimmung erbebte der Raum, und Ingrimmsch rannte ein Schauer über den Rücken. Eine solche Einigkeit!

Tungdil verbeugte sich nun vor den Zwergen. »Ich schwöre, dass ich meinem Volk diene und dass ihr meine Wahl niemals bereuen werdet.« Dann richtete er sein braunes Auge dorthin, wodie Dritten standen. »Tritt vor, König der Dritten, und verkünde, was wir besprochen haben.«

Zu Ingrimmschs Erstaunen wich Rognor Sterbenshieb einen Schritt zurück und machte einem vertrauten Gesicht Platz. »Hargorin Todbringer!«, entschlüpfte es ihm überrascht. Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet.

Der stattliche Zwerg legte die breiten Hände an den Gürtel. »Mein Name ist als Anführer der Schwarzen Schwadron gefürchtet, doch meine Taten unterstanden einem einzigen Zweck: meinem Stamm das Überleben zu sichern, damit er sich an einem Umlauf wie diesem gemeinsam mit unseren Brüdern und Schwestern an eine Tafel zu setzen vermag. Und das Böse zu bekämpfen«, erklärte er getragen. »Rognor war mein Kanzler, der die Befehle von mir empfing und sie ausführte. Er wäre für mich gestorben, wenn die Albae eine Heimtücke geplant hätten, um den König der Dritten zu töten.« Er zeigte auf Balodil. »Und es war auch meine Anweisung, dass tapfere Krieger sich in Zhadär verwandelten, um weitere Geheimnisse der Albae zu ergründen und sie mit eigener List zu schlagen.«

Der erste Dritte mit Anstand. Abgesehen vom Gelehrten.

Ingrimmsch lauschte ihm gebannt wie alle anderen in der Halle.

»Wir haben Vorbereitungen getroffen. Und wir sind es leid«, sprach Hargorin weiter. »Wir sind es leid, gegen unsere Brüder und Schwestern zu kämpfen. Auch wenn es uns ein Leichtes wäre, die verbliebenen Stämme auszulöschen, weil wir in der Überzahl sind und dank der Zhadär die Festungen in- und auswendig kennen: Wir greifen euch nicht an. Das Wissen, euch besiegen zu können, reicht uns aus.« Er atmete tief ein. »Ich, Hargorin Todbringer aus dem Clan der Todbringer, erkläre hiermit die Fehde zwischen uns und den übrigen Zwergen des Geborgenen Landes, mögen sie einem Stamm angehören oder sich als frei bezeichnen, für beendet! Keine Zwergin und kein Zwerg muss mehr um sein Leben fürchten, wenn er das Schwarze Gebirge betritt oder einen meines Stammes trifft.« Er pochte gegen seine Waffe. »Sie wird niemals Zwergenblut zu schmecken bekommen. Das schwöre ich bei Vraccas! Wir sind ein Volk, die Kinder des Schmieds!«

Ingrimmsch stand wie vom Donner gerührt. Er blickte zu Tungdil, dann zu Goda und schließlich zu Hargorin. »Friede?«, kam es undeutlich aus seinem Mund. »Die Dritten schließen Frieden mit uns?« Hargorin lächelte ihn an. »Friede«, wiederholte er.

Hätte man in diesem Augenblick eine winzige Spatzenfeder zu Boden schweben lassen, man hätte sie auftreffen hören.

Die Könige und Clanführer starrten Hargorin und seine Abordnung an. Sie hatten die Worte vernommen, doch noch fehlte ihnen der Glaube daran.

Ingrimmsch konnte es nachvollziehen. Auch er fand die Sprache nicht wieder. Weitere Hunderte, ja, Tausende von Zyklen der Hatzjagd, des Krieges, des Hasses waren mit wenigen Sätzen beendet worden, ohne dass es lange Verhandlungen gegeben hatte! Ermöglicht von einem einzigen Zwerg: Tungdil Goldhand.

Das ist seine größte Leistung, dachte er. Es wird keinen Großkönig mehr nach ihm geben, der ihnüberragt. Er wird als Bringer der Einigkeit in Stein gemeißelt werden. Aus einem angezweifelten Rückkehrer wurde der unerreichte Krieger und Großkönig der Stämme. Ingrimmsch atmete vor Aufregung immer schneller, und als noch immer keiner ein Wort verlauten ließ, rief er: »Da schlag Vraccas mit seinem Hammer rein: Will denn niemand jubeln?« Ein Stimmorkan brach los, der das Gewitter bei ihrem Einzug in den Schatten und die Ohren auf eine harte Probe stellte. Die Zwerginnen und Zwerge schrien ihre Erleichterung und überbordende Freude laut hinaus, schwenkten die Waffen und eilten auf die Dritten zu. Nicht um sie anzugreifen, sondern um ihnen die Hände zu schütteln. Tungdil stand immer noch an seinem Platz, eine Hand in die Seite gestemmt, die andere hielt Blutdürster, und besah sich die Szene mit einem Lächeln.

Ingrimmsch konnte sich nicht länger zurückhalten: Er umarmte seinen Freund lachend und klopfte ihm dabei mehrmals auf den Rücken. »Das war großartig, Gelehrter!«, rief er.

»Ohne dich, alter Freund, wäre es mir nicht geglückt«, gab der Einäugige zurück und reichte ihm die Hand, dann drehte er sich zu Slin, Balodil und Balyndar. »Ohne keinen von euch wäre es mir geglückt. Ihr hattet euren Anteil daran.« Schließlich wandte er sich an die Versammlung. »Feiern können wir später«, verschaffte er sich mit dröhnender Stimme Gehör. »Lasst uns der Toten gedenken, die bei unserer Mission ihr Leben ließen und bei Vraccas in der Schmiede willkommen geheißen wurden.«

Zu Ingrimmschs Verblüffung nannte Tungdil jeden einzelnen Namen der Gefallenen, vom Zwerg bis zum Zhadär.

»Und nun möchte ich von dir hören«, er blickte zu Goda, »was sich während unserer Abwesenheit zugetragen hat.«

Die Maga berichtete. Vom eigenen Überfall auf die Scheusale, von ihrer Gegenattacke und dem Erscheinen des gegnerischen Magus, von der Entführung ihrer Tochter, von der Verwundung des Sohnes. Von sämtlichen Vorgängen rund um die Schwarze Schlucht.

Ingrimmschs Hochstimmung verflog jäh, und die Sorge um seine Kinder ließ ihn aufspringen.

Aber Goda hielt ihn mit einem Blick davor zurück, die Versammlung zu verlassen. »Es geht ihnen beiden gut. Besuche sie, wenn die Unterredung beendet ist«, bat sie ihn. »Seit der Flucht meiner Tochter hat sich nichts mehr ereignet. Die Ungeheuer haben ihre Türme neu errichtet und sie mächtiger gebaut als zuvor. Das Lager hat wieder die alte Größe wie vor unserem ersten Ausfall«, schloss sie ihre Erzählung. »Aber der Magus hat sich nicht mehr blicken lassen.«

Tungdil nickte. »Da habt ihr vernommen, weswegen wir einen Lot-Ionan benötigen, um es mit diesem Zwerg aufzunehmen, der sich selbst Vraccas nennt. Ich habe ihn mir in den Zyklen jenseits der Schlucht zu meinem Todfeind gemacht, doch ich versichere euch, dass er früher oder später hinausgedrängt wäre. Seine Machtgier ist unersättlich.« Er ließ das Modell der Schwarzen Schlucht bringen, auf dem die Zelte, sogar die Türme mit kleinen Markierungen festgesteckt waren. »Er ist unser vorderstes Ziel, denn wenn er stirbt, werden die Bestien den Mut verlieren. Danach haben wir leichtes Spiel und werden die Schlucht endgültig über ihnen einstürzen lassen, damit nichts Böses mehr aus ihr emporsteigen kann!«

»Wann werden wir losschlagen?« Hargorin betrachtete das Modell mit gerunzelter Stirn.

»In zwei Umläufen. So lange möchte ich mich von meiner Reise erholen.« Tungdil pochte mit dem Zeigefinger gegen die Glaskuppel, die den Schirm darstellte. Klirrend zerbarst sie. »Das wird Lot-Ionan für uns tun und an meiner Seite in die Schlacht reiten. Wir räumen mit den Scheusalen auf, und sobald der Zwerg seine drohende Niederlage bemerkt, wird er sich zeigen.« Er sah die Könige eindringlich nacheinander an. »Niemand stellt sich ihm in den Weg! Er gehört allein mir und Lot-Ionan, denn kein anderer vermag es, ihn aufzuhalten. Goda hat es euch bereits geschildert. Ihr würdet vergehen.«

»Außer mir«, fiel im Balyndar ins Wort. Er zog die Feuerklinge aus dem Futteral und zeigte sie der Versammlung. Ein lautes Raunen war die Folge. »Die Waffe, die einst den Dämon besiegte, der Nödonn und viele Feinde des Geborgenen Landes vernichtete, ist zu ihrem Volk zurückgekehrt. Und wird ein weiteres Mal vonnöten sein.« »Die Diamanten leuchten ja«, rief einer der Zwerge. »Was ist unter uns, das sie zum Glimmen bringt und vor dem sie uns warnen will?«

Der Zhadär trat vor. »Ich«, kicherte er. »Ich mag wie ein Zwerg wirken, doch ich habe mich schon längst verändert. Die Albae gaben mir den Keim des Bösen zu kosten, doch ich nutzte ihn, um Gutes zu tun. Deswegen«, säuselte er und zeigte auf die Feuerklinge, »funkelt sie so schön. Sie wittert mich.«

Goda blickte zu Tungdil und wollte etwas sagen, doch Ingrimmsch verbot ihr mit einer deutlichen Geste den Mund. Er ahnte, dass sie aufs Neue Zweifel an der Echtheit des Gelehrten hatte schüren wollen. Nicht jetzt, formulierte er tonlos.

»Er ist der Letzte seiner Art«, sagte Tungdil. »Seine Freunde und Kampfgefährten sind unterwegs gefallen und haben sich für die gute Sache und die Befreiung des Geborgenen Landes geopfert. Mit seiner Hilfe werden wir auch den verstecktesten Alb in seinem Loch aufspüren und ihn vernichten, sobald wir unseren Sieg im Jenseitigen Land eingefahren haben.«

Die Zwerginnen und Zwerge klatschten oder trommelten mit ihren Waffen gegen den Tisch.

»Dann geht zu euren Kriegerinnen und Kriegern, verkündet ihnen, was in zwei Umläufen geschehen wird, und ruht euch aus.« Der Großkönig verneigte sich wieder vor ihnen. »Vraccas wird mit euch sein.« Er drehte sich um, nickte Ingrimmsch zu und verließ die Halle.

Goda kam zu ihrem Gemahl. »Du hast es so gut vernommen wie ich.« »Was denn?« »Vraccas wird mit uns sein.« Sie sah Tungdil nach. »Aber wer ist mit ihm?« »Ach, Goda.« Ingrimmsch seufzte und schüttelte den Kopf. Er ließ sie stehen und sah endlich nach seinen Kindern.

Einen Umlauf später, Ingrimmsch hatte sich gerade für ein Nickerchen auf das Lager geworfen, klopfte es an seiner Tür, und ein Bote bat ihn, mit ihm in die Besprechungshalle zu kommen. Der Großkönig hatte geladen.

Also machte sich Ingrimmsch auf die Sohlen, um zum Treffen zu eilen. Dabei dachte er über den kommenden Umlauf und die bevorstehende Schlacht nach. Überall in Übeldamm erklang das Reiben der Schleifsteine und Klirren der Schmiedehämmer, letzte Vorbereitungen wurden getroffen. Die Taktik war festgelegt. Nichts mehr konnte etwas daran ändern.

Sorgen machte er sich weniger um sich und sein Überleben, sondern vor allem um Sanda. Ich würde so vieles geben, dass sie sich wieder erholt. Während sein verletzter Sohn genas, sah er an Sandas Augen, dass sie das Erlebte in der Gefangenschaft noch lange nicht abgestreift hatte.

Einen ähnlichen Ausdruck bemerkte er bei Coira, die sich von ihrem Beinahetod durch Sisaroth nicht erholt hatte. Aus diesem Grund hatte er sie beide zusammengeführt und hoffte, dass sie sich gegenseitig helfen konnten.

Balyndar war sein zweites Sorgenkind. Ingrimmsch fürchtete, dass der Fünfte etwas Unbesonnenes mit der Feuerklinge tun könnte, was den Verlauf der Schlacht zum Schlechten für die Zwerge wenden würde. Der Blick, den Balyndar und Goda sich zugeworfen hatten, war der zweier Verschwörer gewesen. Es brachte auch nichts, mit seiner Gemahlin zu reden. Sie hatte ihre Meinung und wich nicht davon ab. Tungdils Verdienste zählten für sie nicht.

»Vraccas, warum hast du uns einen solch störrischen Verstand gegeben?«, beschwerte er sich leise, bevor er in den Gang bog, der zur Versammlungshalle führte. Auch Coira war eben auf dem Weg dorthin.

Grüßend hob er den Arm, und sie verlangsamte ihre Schritte. Sie trug ein dunkelblaues Gewand mit langen Ärmeln und eine schwarze Haube auf dem Kopf. Ingrimmsch erkannte Weyurns Wappen als Stickerei und Ziernaht an den Ärmelaufschlägen. »Wie geht es Euch, Königin?« »Gut, danke.« Sie lächelte. »Ihr wollt wissen, ob ich mit Eurer Tochter gesprochen habe?«

Ingrimmsch wackelte mit dem Kopf, der Zopf rutschte nach vorne. »Es beschäftigt mich sehr, sie so... angeschlagen und verwirrt zu sehen. Sie ist so anders.«

Auf Coiras Stirn erschienen Falten. »Habt Ihr Euch von den Zweifeln Eurer Gemahlin anstecken lassen?«

»Welche Zweifel?«

»Dass es nicht Eure Tochter sei, die zurückgekehrt ist.«

Ingrimmsch warf die Hände in die Luft. »Geht das schon wieder los! Erst der Gelehrte, jetzt die eigene Tochter! Sie leidet an Verfolgungswahn!«

»Das denke ich auch«, meinte Coira milde, um den Zwerg zu beruhigen. »Es ist ganz eindeutig Eure Tochter. Sie hat viele persönliche Dinge erzählt.« Sie blieb vor der Tür stehen. »Ihr ist das Schrecklichste widerfahren, was einer Frau widerfahren kann, wenn sie in Gefangenschaft gerät. Angeblich hat der Zwerg, der sie entführte, es angekündigt und die Schuld auf Goda geschoben, weil sie seine Bedingungen nicht erfüllte. Ein Teil ihres Verstandes ist daran zerbrochen.« Sie berührte ihn an der Schulter. »Ich kann nichts für sie tun, Boindil Zweiklinge. Dagegen ist das, was ich erleben musste, harmlos.«

Ingrimmsch konnte nichts entgegnen, zu groß war der Hass, der in ihm tobte. Hass auf den Gegner in der Rüstung aus Vraccasium, gegen den er bei aller Kampfkunst machtlos war. Ich werde seine Leiche schänden.

Wütend betrat er mit ihr zusammen die Halle - und musste vor Überrumplung stehen bleiben: außer Tungdil, Slin, Balyndar und Balodil standen dort zwei Elben in weißen Gewändern, unter denen Panzerungen aus hellem Palandium schimmerten. Sie trugen Schwerter und Schilde auf dem Rücken sowie zwei längere Dolche an ihren Gürteln. Der eine war braunhaarig, die Elbin fast weiß auf dem Schopf, und sie sahen für Ingrimmschs Geschmack zu lang, zu dünn und zu hübsch aus. Wie bei den Albae: Esgibt keine Fetten und keine Hässlichen. Es könnte einer mal furzen wie ein Pony, damit sie nichtsoperfekt sind.

Tungdil bat die Maga und seinen Freund herein und stellte sie den Elben vor. »Dies sind die letzten beiden Helden, denen ihr die Vernichtung der Albae im Geborgenen Land verdankt. Sie haben ebenso daran mitgewirkt wie ich.« Er nannte ihre Namen, dann zeigte er auf die Elben. »Das sind Ilahin und seine Gemahlin Fiea. Nachdem die Aufstände in den Albae-Gebieten begannen, haben sie ihr Versteck verlassen und die Menschen gegen die Schwarzaugen geführt.«

»Doch dazu wären wir niemals in der Lage gewesen, wenn Ihr nicht die Vorarbeit geleistet hättet«, sagte Fiea freundlich und mit dem eigentümlichen Singen der Elben in der Stimme, das kein Zwerg wirklich mögen konnte und das die Langen so bewunderten.

»Es ist euch also zu Ohren gekommen?«, meinte Ingrimmsch und blickte auf die Ohrspitzen, dabei bleckte er die Zähne.

Ilahin lachte herzlich. »Zwergenspäße haben mir gefehlt.«

Ingrimmsch stutzte. »Du magst es, wenn man dich aufzieht?«

»Er ist eine Ausnahme«, warf Fiea ein und klang nicht mehr ganz so freundlich. »Ich dagegen mag es nicht.«

»Halte dich zurück, alter Freund«, sagte Tungdil und bat ihn und Coira, Platz zu nehmen. »Sie sind gekommen, um sich zu bedanken und Kunde aus dem Geborgenen Land zu bringen.«

Ilahin wartete, bis sie saßen. »Aiphatöns Tat und Euer Eingreifen haben es uns ermöglicht, wieder zu erscheinen und die Elben ihren Anteil an der Befreiung unserer Heimat leisten zu lassen. Da wir dem Kind der Unauslöschlichen nicht danken können und wollen, weil seine Abstammung es uns verbietet, möchten wir es bei Euch umso mehr.« Er nahm eine Schatulle vom Boden und öffnete sie. Darin lagen Dolche aus weißlichem Metall. »Sie sind aus reinem Palandium und schneiden alles. Die Macht der Elbengöttin ist in sie eingefahren und soll Euch in der kommenden Schlacht rüsten.« Fiea überreichte jedem Einzelnen von ihnen eine Klinge.

Ingrimmsch musste eingestehen, dass es gute Arbeit war, doch kein Vergleich zu den Waffen der Zwerge. Die Elben hatten andere Herstellungsweisen und Methoden zum Härten und Schmieden, das sah er schon alleine an der Beschaffenheit der Oberfläche. Kinderspielzeug. Weil er es sich jedoch nicht mit ihnen verderben wollte, bedankte er sich artig für die Gabe und verstaute sie an seinem Gürtel. Dass eine Elbenwaffe es bis an das Wehrgehänge eines Zwerges geschafft hatte, bedeutete ein Kuriosum. »Wir haben weite Teile von Dsön Bharä ebenso vernichtet wie Phöseon Dwhamant und ihm seinen alten Namen Älandur gegeben. Die Menschen werden dafür sorgen, dass nichts mehr an die Existenz der Albae erinnert.« Ilahin zeigte auf seine Gemahlin. »Fiea und ich werden in die Goldene Ebene zurückkehren und eine Siedlung errichten. Wir sind uns sicher, dass die Elben wieder ins Geborgene Land ziehen werden, wenn die Kunde über den Sieg hinaus ins Jenseitige Land gedrungen ist. Sie sollen eine Heimat vorfinden, keine Fremde.« Der Elb lächelte.

»Wie entzückend. Aber Ihr seid doch nur zu zweit«, merkte Slin an.

»Wir leben lange genug, um vieles zu schaffen«, erwiderte Ilahin.

»Und wir sterben nicht eher, bis die Elben angekommen sind«, fügte Fiea überzeugt hinzu.

»Die Dolche sind nicht das einzige Geschenk. Sie möchten uns bei der bevorstehenden Schlacht gegen die Scheusale beistehen«, eröffnete Tungdil.

»Ist das nicht sehr gefährlich? Wo Ihr doch eine Heimat für Euresgleichen schaffen wollt?«, meinte Slin und merkte erst nach seinen Worten, dass man sie durchaus als verletzend empfinden konnte. »Ich... zweifele Euer Kampfgeschick nicht an, Fiea und Ilahin, aber... es wird eine gewaltige Schlacht mit mehr als nur Verletzten werden. Gewiss ist sie kein Vergleich zu der Hätz auf Albae, die Ihr im Geborgenen Land geführt habt.«

Fiea blickte ihn an. »Eure Sorge ist rührend, doch wir wissen zu kämpfen, Slin.« Sie verneigte sich. »Gestattet, dass wir uns zur Ruhe begeben. Unsere Körper müssen für den kommenden Umlauf erholt sein.« Sie und Ilahin gingen hinaus.

»Was sagt man dazu?« Balyndar hatte den Dolch vor sich auf dem Tisch liegen. »Die Elben kriechen aus ihrem Waldversteck.« Slin und Balodil lachten leise. »Sie wissen, wann ein Gefecht aussichtslos erscheint und wann ihm Erfolg gegönnt ist.« Tungdil sah ihn strafend an und zurrte den Dolch am Gürtel fest. »Frag die Fünften und die Ersten. Sie nutzten in den vergangenen Zyklen ähnliche Strategien, wie ich gehört habe. Darin besteht der Unterschied zur Feigheit, die du ihnen unterstellt hast.« Er ging zur Tür. »Wir sehen uns morgen. Ich werde nicht mehr gestört, bis die Sonne sich erhebt und wir die Scheusale angreifen.«

Ingrimmsch verabschiedete sich ebenfalls und verschwand hinaus. Slin betrachtete das Modell von Schlucht und Festung. »So, so. Morgen ist der Umlauf gekommen.« Er schenkte Coira einen kurzen Blick. »Ihr werdet es schaffen, Maga?« »Mit Lot-Ionans und Godas Beistand sollte es keine Schwierigkeit bedeuten, das Gebirge einstürzen zu lassen«, antwortete sie. »Allein wäre es mir niemals gelungen, aber zu dritt sehe ich dem gelassen entgegen.«

»Aber wenn Ihr zu viel Energie beim Kampf einbringen müsst?« Balyndar schnippte einige Figürchen im Lager der Bösen um.

»Davon gehe ich nicht aus. Lot-Ionan ist derjenige, der die meisten Zauber sprechen wird. Sein Reservoir ist unerreicht, ich weiß nicht, wie er es schafft. Obwohl Balyndar seinen Onyxstab beschädigt hat.« Sie unterdrückte ein Gähnen. »Wir werden angreifen und das Heer der Dunkelheit niedermachen. Wenn uns die Geschosse für die neuen Katapulte ausgegangen sind, kommt Ihr ins Spiel. Zusammen mit den Ubariu, den Untergründigen und den Menschen sollte es leichter sein als...«, sie schnippte ebenfalls ein Figürchen davon, »das hier.« Mit diesen Worten verabschiedete sie sich und verließ die Halle; der Zhadär verschwand ohne einen Gruß.

Slin sah Balyndar an, dann richtete er den Blick auf die Feuerklinge. »Mach damit keinen Unfug«, warnte er ihn und erhob sich. Dabei hielt er seine Armbrust kurz so, dass man es als Drohung verstehen konnte. »Ich werde dich auf dem Schlachtfeld nicht aus den Augen lassen, und sollte ich sehen, dass du Verrat an dem rechtskräftig gewählten Großkönig begehen möchtest...« Er ließ den Satz unvollendet und schritt hinaus, die Armbrust geschultert.

Balyndar saß als Einziger noch da, die Augen auf den Nachbau der Schlucht geheftet und die Rechte auf Feuerklinges Griff gelegt. »Ich werde tun, was ich für richtig halte«, sprach er und beugte sich nach vorn. Er hatte ein Figürchen entdeckt, das man durchaus für Tungdil halten konnte.

Er griff danach, warf es in die Luft und zerteilte es im Sturz mit der Feuerklinge genau in der Mitte.

Ingrimmsch vergewisserte sich, dass er nicht gesehen wurde, dann pochte er gegen die Tür.

Ilahin öffnete ihm und blickte verwundert. »Nanu, Boindil Zweiklinge? Was kann ich...« »Reinlassen«, meinte er und schob sich an dem Elb vorbei ins Gemach. »Verzeiht meinen Überfall, aber es ist eine sehr... unangenehme Angelegenheit, in der ich Euch um Rat fragen muss.« Er setzte sich und ließ die Schultern hängen. »Helft mir, Ilahin.« Der Elb schloss die Tür, zog einen Stuhl zu sich heran und positionierte ihn genau dem Zwerg gegenüber. »Ihr wisst, Freund Zwerg, dass ich Euch gerne helfe. Was tragt Ihr auf dem Herzen?«

Ingrimmsch nahm den Beutel hervor, den ihm Balodil gegeben hatte. »Riecht daran, und Ihr werdet es vielleicht selbst verstehen. Er gehörte einst einem Zhadär, und ich trank versehentlich davon.«

Ilahin nahm das Gefäß entgegen, öffnete es und fächerte sich den Geruch zu. Alle Freundlichkeit verschwand von seinen Zügen. »Das ist... Elbenblut!«

»Und der Grund, warum Euch die Albae gejagt haben. Sie benötigten es, um daraus den Trank zu brauen, der aus den ausgesuchten Kriegern der Dritten die Zhadär machte«, erklärte er und betrachtete den Elb. »Es war ein Versehen!«, beteuerte er wieder. »Einer der Zhadär meinte, dass nur Elben mich von dem Fluch befreien können, den ich auf mich geladen habe.« Er rieb sich die Nase.

Ilahin erwiderte nichts. Stattdessen rief er Fiea herbei, hielt ihr den Beutel hin und zeigte auf Ingrimmsch. Es entspann sich eine lange Unterredung, die an Hitzigkeit gewann. Der Zwerg hatte den Eindruck, dass das Paar verschiedene Meinungen besaß. Nur zu was?

»Verzeiht, dass ich Euch unterbreche«, rief er nach langem Warten, das an seinen Nerven zehrte. »Gibt es nun ein Mittel gegen diesen Durst oder nicht?« Die Elben starrten ihn an.

Ilahin holte tief Luft. »Es verhält sich so, Boindil Zweiklinge, dass wir es nicht genau wissen«, gestand er. »Die Schuld, die Ihr auf Euch geladen habt, wiegt sehr schwer.« »Ho, verdammt! Ich wusste es doch nicht!«

»Das ist unerheblich«, sagte Fiea gereizt. »Wenn Ihr einen Menschen tötet und vorher nicht gewusst habt, dass es verboten ist, sein Leben auszulöschen, werden Euch die anderen Menschen dennoch jagen und vor Gericht stellen. Ist es nicht so?« Ingrimmsch musste nicken.

»Ihr habt einen Frevel begangen, und die Unwissenheit hat Euch nicht geschützt. Das ist leider eine Gegebenheit«, sagte Ilahin versöhnlicher. »Bei Euch handelt es sich jedoch um einen Wohltäter an unserem Volk, sodass die Schwere der Schuld in den Augen der Göttin vielleicht abgemildert wird und Ihr durch sie Erlösung erfahrt.«

»Ich verstehe nicht: Wie soll das denn vonstattengehen? Was habe ich zu tun?« Fiea nahm den Beutel und zerschnitt ihn. Die schwarze, zähe Flüssigkeit rann auf den Boden und bildete einen münzgroßen Fleck. »Ihr werdet zu Sitalia beten müssen, Boindil Zweiklinge, und sie anflehen, Euch zu erlösen und den Fluch aufzuheben.« »Aber...« Er betrachtete, wie der Fleck sich immer weiter ausdehnte, bis die Elbin ein Tuch darauf warf, das die Flüssigkeit aufsaugte. Danach flog der Stoff in den Ofen; es zischte, schwarze Flammen entstanden, dann war der Spuk vorbei. »Ich brauche...« »Nein, Boindil Zweiklinge. Jeder neuerliche Schluck davon führt Euch weiter in die Verdammnis«, unterbrach Ilahin ihn.

Ingrimmsch raufte sich die schwarz-silbernen Haare. »Ich kann den Durst nicht anders löschen! Ihr habt keine Vorstellung, wie es in mir brennt!«

Sie sahen sich wieder an, dann löste Fiea ein Säckchen von ihrem Gürtel. »Darin sind Kräuter, Boindil Zweiklinge, die Euch helfen werden, dagegen anzukommen. Doch verschwinden wird der Durst erst, wenn Sitalia Euch verziehen hat. Betet zu ihr, das ist unser Rat. Voller Inbrunst und Demut.«

»Aber ich habe doch nichts getan!« Ingrimmsch kam sich närrisch vor, weil er es unentwegt betonte, doch er wusste sich nicht anders zu helfen.

»Sagt es Sitalia«, riet Fiea. »Wir glauben Euch, denn Eure Taten sprechen für Euch.« Ilahin berührte den verzweifelten Zwerg an der Stirn. »Überzeugt die Göttin. Sie wird sich Euch zeigen, wenn Ihr es richtig angeht.«

»Andernfalls?«, fragte er unsicher.

»Andernfalls werden die Kräuter auch nicht ewig helfen, und Ihr...« Fiea verzog das Gesicht. »Ihr wisst, was mit Euch geschehen wird, Freund Zwerg.« Sie sahen ihn auffordernd an, und er hatte verstanden. So stand er auf, schlich zur Tür und ging hinaus. »Danke«, sagte er auf der Schwelle und trat auf den Gang. »Zu Sitalia beten«, murrte er vor sich hin. »Die Göttin der Spitzohren anflehen, so weit kommt es noch! Ich bin unschuldig!« Aus der Niedergeschlagenheit und dem Hadern wurde der bewährte Trotz. »Dann sterbe ich morgen lieber als Held! So. Das haben die Spitzohren jetzt davon!«

Entschlossen stapfte er den Korridor entlang zu seinen Gemächern. Vraccas wird mir helfen.

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