11


Ich spürte fast nichts von der Veränderung, die Ragma zufolge vonstatten ging. Ich behielt Charv im Auge, der hin und her ging und dabei an der Rhenniusmaschine herumfummelte, wobei er gelegentlich einmal in eine Broschüre blickte, die er in seinem Beutel trug. Nicht daß ich kein Vertrauen zu ihm gehabt hätte. Nun, vielleicht doch …

Der Schnitt in meiner linken Hand tat etwas weh, aber besonders schmerzend war er nicht. Ragma hatte Betäubungsmittel vermeiden wollen, um dem betroffenen Gebiet keine zusätzlichen Chemikalien mit unabschätzbarem Einfluß zu injizieren, was auch vernünftig war. Daher lag mein linker Arm auf einem ehemals weißen Hotelhandtuch, das sich langsam rötete, wo er Alkohol über meinen Arm geschüttet hatte, den Schritt vorgenommen und weiteren Alkohol darübergegossen hatte. Ich saß in einem Stuhl, den wir uns bei einer der Wachen ausgeborgt hatten, ohne ihnen etwas von den Geschehnissen hier zu berichten, schon gar nicht vom Herausoperieren des Sternsteins, der bereits zu sehen war, wie ich dem Gesichtsausdruck von Paul entnehmen konnte.

Direkt neben der Rhenniusmaschine stand M’mrm’mlrr, der darauf achtete, daß das, was durchgeführt wurde, auch richtig durchgeführt wurde. Ein Stück des Mondes war durch das Dachfenster zu sehen. Kein Widerhall war in der Halle zu hören, zudem war es kalt wie in einem Grab.

Ich war von der Richtigkeit unseres Tuns noch nicht vollständig überzeugt. Andererseits konnte ich aber auch nicht das Gegenteil beweisen. Es kam zwar keinem Vertrauensbruch oder dem Neppen eines guten Freundes nahe, zumal mein Freund zu den ungeladenen Gästen gehörte und ich ihm nur als Mittel dazu gedient hatte zu bekommen, was er wollte – ich hatte ihn eingeschaltet.

Trotzdem schallte aus einem Hinterzimmer meiner Erinnerung das Wissen heraus, daß er mir eine wichtige Information zu dem Zeitpunkt gegeben hatte, als ich sie dringend benötigte. Damals, als sie mich hatten abtransportieren wollen. Zudem hatte er meine Brust wieder geheilt. Und er hatte versprochen, alles zu erklären.

Aber mein Metabolismus bedeutete mir eine ganze Menge, die Erinnerung an die Busfahrt war noch frisch, auch der Aufruhr bei meiner Untersuchung im Krankenhaus war mir sehr auf die Nerven gegangen. Ich hatte meine Entscheidung getroffen. Zweifelnde Gedanken waren nun reine Zeitverschwendung. Ich wartete.

Unser Schnark ist ein Kater!

Da war es wieder, dieses Mal mit einem verzweifelten Unterton, begleitet vom Bild gewaltiger Reißzähne zwischen aufwärts geschwungenen Lippen an der gegenüberliegenden Wand. Es verblaßte … verblaßte … war verschwunden.

„Wir haben ihn!“ rief Ragma, der mir gleichzeitig einen Mullbausch auf den Arm preßte. „Halten Sie das eine Weile fest.“

„Gut.“

Erst da gestattete ich mir den ersten Blick.

Der Sternstein lag dort auf dem Handtuch. Er sah nicht ganz so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte, die äußere Form war etwas anders, auch die Farben wirkten intensiver, fast pulsierend.

Unser Schnark ist ein Kater[1]. Das konnte alles mögliche bedeuten, von einer verstörten Warnung vor unserem Tun bis hin zu einer Bitte um Gnade; wegen der Kommunikationsbarriere ließ es sich nicht eindeutig feststellen.

„Was wird jetzt mit ihm geschehen?“ fragte ich.

„Wir werden ihn an einen sicheren Ort bringen“, antwortete Ragma, „nachdem Sie Ihre kleine Umwandlung hinter sich haben. Danach wird er Ihren Vereinten Nationen übergeben werden, da sie der gegenwärtige Besitzer sind. Aber natürlich wird ein Bericht über unsere Erkenntnisse an alle Welten des Verbandes ergehen müssen, und ich nehme an, die notwenigen Untersuchungen werden unter Aufsicht unseres Wissenschaftsrates von Ihnen durchgeführt werden können.“

„Schon möglich“, stimmte ich zu und wollte den Stein aufheben.

„Da haben wir den kleinen Burschen ja“, sagte eine nur zu vertraute Stimme von jenseits der Halle. „Sauber, sauber. Bitte packen Sie ihn doch in das Handtuch ein, ich möchte nicht, daß er beschädigt wird.“

Zeemeister und Buckler hatten die Halle betreten; sie waren bewaffnet. Der grinsende Jamie blieb am Eingang stehen und bewachte ihn. Morton, der ebenfalls recht zufrieden aussah, kam auf uns zu.

„So haben Sie ihn also verborgen, Fred“, meinte er. „Hübscher, kleiner Trick.“

Ich antwortete nicht, erhob mich aber langsam, da ich nur daran dachte, daß ich stehend meinen Standort schneller wechseln konnte.

Er schüttelte den Kopf.

„Keine Sorge“, beruhigte er mich. „Dieses Mal sind Sie sicher, Fred. Jeder ist sicher, wenn ich den Stein bekomme.“

Ich fragte mich hoffnungsvoll, ob M’mrm’mlrr nicht telepathisch nach ihm fassen und sein Gehirn ausbrennen konnte.

Der Vorschlag wurde aufgegriffen, kaum daß er an meiner Seite stand, denn plötzlich begann er zu kreischen und wand sich in Krämpfen.

Mit beiden Händen griff er nach der Waffe. Jamie war weit genug entfernt, ich konnte es riskieren. Ich nahm nicht an, daß er das Risiko eingehen wollte, seinen Boß zu verletzen.

Er feuerte zweimal mit der Pistole, bevor ich sie ihm entreißen konnte. Aber ich sollte sie nicht lange behalten, denn er trat mir in den Magen und versetzte mir anschließend einen Kinnhaken, der mich zu Fall brachte. Die Waffe schlitterte über den Boden davon und blieb irgendwo unter der Plattform der Rhenniusmaschine liegen.

Zeemeister kickte Ragma, der sich diesen Augenblick zum Angriff ausgesucht hatte, weg von sich. Noch immer den Stein umklammernd, brachte er von irgendwoher ein Messer zum Vorschein. Dann rief er Jamie etwas zu, brach jedoch mitten im Wort ab.

Ich wandte mich um, um nachzusehen, was geschehen war, und kam zu dem Ergebnis, daß es sich wieder um eine Halluzination handeln mußte.

Jamies Waffe lag ein paar Schritte hinter ihm, und er rieb sich die Faust, während er den Mann mit dem kurzen Bärtchen und dem amüsierten Grinsen ansah, den Mann, der eine Hand in der Tasche hatte und mit der anderen einen Knüppel schwang.

„Ich bring dich um“, hörte ich Jamie sagen.

„Nein, Jamie!“ schrie Zeemeister. „Geh nicht näher ran. Lauf, du Narr!“

Zeemeister wich zurück; er blieb nur kurz stehen, um einen von M’mrm’mlrrs Tentakeln abzuschlagen, als wüßte er, wem er seine Niederlage zu verdanken hatte.

„Wegen dieser halben Portion!“ schnaubte Buckler verächtlich.

„Das ist Kapitän Al!“ brüllte Zeemeister. „Nun lauf schon, du Idiot.“

Aber Jamie entschied sich anders.

Kaum hatte es angefangen, da war es auch schon fast wieder vorbei. Ich sage „fast“, denn der Knüppel bewegte sich viel zu rasch für mein Auge. Daher kann ich nicht sagen, wo und wie oft er den Mann traf. Seit Jamies Sprung schien nur ein Augenblick vergangen zu sein, da fiel er auch schon hin.

Dann wandte die Gestalt, die noch immer den Knüppel schwang, sich von Buckler ab und folgte dem zurückweichenden Zeemeister.

Zeemeister wich immer weiter nach hinten, das Messer mit aufwärts gerichteter Klinge in der Hand, ohne einen Blick von der Halluzination zu lassen.

„Ich dachte, du seist tot“, keuchte er.

„Offensichtlich hast du dich getäuscht“, lautete die Antwort.

„Was für Interessen hast du in dieser Angelegenheit?“

„Du hast versucht, Fred Cassidy zu ermorden“, sagte er. „Und ich habe eine Menge in die Ausbildung des Jungen investiert.“

„Ich brachte seinen Namen nicht mit deinem in Verbindung“, gestand Zeemeister. „Zudem wollte ich ihm nie auch nur ein Härchen krümmen.“

„Da habe ich aber etwas ganz anderes gehört.“

Zeemeister wich unaufhörlich zurück. Er passierte die Lücke im Absperrseil, und danach bewegte er sich langsam auf die rotierende Plattform der Rhenniusmaschine zu. Dort angekommen, schlug er kurz zur Seite, in Richtung Charvs, der mit erhobenen Fäusten auf ihn zugetrippelt kam. Charv kreischte und sprang von der Plattform herunter. Nahe bei M’mrm’mlrr und Nadler blieb er stehen.

„Was hast du vor, Al?“ fragte Zeemeister, der sich wieder dem anderen zuwandte.

Aber er bekam keine Antwort; sein Gegenüber schritt nur langsam weiter, lächelte, schwang die Keule.

Im letzten Augenblick, bevor er in Reichweite des Knüppels kam, sprang Zeemeister. Er schnellte auf die Plattform hoch und rannte los, so schnell er konnte. Aber durch die Rotation kollidierte er mit der zentralen Einheit, von der die Hand ausging, die aussah, als würde sie ihn kratzen.

Durch seine Geschwindigkeit und den Aufprallwinkel wurde er auf den Gürtel geschleudert. Das Messer und der schillernde Sternstein fielen ihm aus der Hand, als er versuchte, seinen Sturz abzufangen. Sie kullerten in dem Augenblick auf den Boden, als er in den Tunnel getragen wurde. Sein Schrei wurde merkwürdig abrupt abgebrochen. Ich sah weg, aber nicht schnell genug.

Die Maschine kehrte sein Innerstes nach außen.

Natürlich klatschte der Inhalt seines Kreislauf- und Verdauungssystems auf den Boden.

Zudem hatte sie alle inneren Organe nach außen geschafft, man konnte sie deutlich sehen.

Der Inhalt meines eigenen Magens kam ebenfalls hoch, ich würgte noch immer, als die anderen bereits wieder alle durcheinander sprachen. Wie gesagt, ich hatte nicht schnell genug weggeblickt.

Charv war schließlich der erste, dessen Magen gefestigt genug war, daß er zu den Überresten gehen und sie mit einem Mantel unseren Blicken entziehen konnte. Sie alle waren am Ausgang der Rhenniusmaschine auf den Boden gefallen. Dann, erst dann, kam Ragma wieder näher, er rief immer wieder hysterisch: „Der Stein! Der Stein! Wo ist der Stein?“

Aus wäßrigen Augen suchte ich danach, da sah ich die blutverschmierte Gestalt Paul Bylers, der mit dem Handtuch unter dem Arm zum Ausgang rannte.

„Einmal Monarchist“, rief er dabei, „immer Monarchist!“ Und schon war er draußen.

Soweit zu den Ehrlichen und den fast Ehrlichen. Aus und vorbei.

Die Halluzination ließ ihre Keule ein letztes Mal kreisen, wandte sich um, nickte mir zu und näherte sich dann unserer Gruppe. Ich erhob mich, nickte zurück, nahm allen Mumm zusammen und schaffte auf diese Weise sogar ein Lächeln.

„Fred, mein Junge, wie groß du geworden bist“, sagte er. „Wie ich hörte, hast du einen hohen Titel und eine gutdotierte Stelle. Gratuliere.“

„Vielen Dank“, entgegnete ich.

„Wie geht es dir?“

„Durchwachsen“, versicherte ich ihm. „Ich habe nie gewußt, wie dein Export-Import-Geschäft tatsächlich aussieht.“

Er kicherte. Dann schloß er mich in die Arme.

„Gemach, Junge, gemach“, sagte er, wobei er mich wieder auf Armeslänge von sich stieß. „Laß mich dich anschaun. So. Das also ist aus dir geworden. Könnte schlechter sein, könnte wirklich schlechter sein.“

„Byler hat den Stein!“ kreischte Charv.

„Der Mann, der gerade getürmt ist …“ begann ich.

„… wird nicht weit kommen, Junge. Frenchy ist draußen und sieht zu, daß keiner von hier entkommen kann. Wenn du genau hinhörst, kannst du vielleicht sogar das Klappern von Hufen auf Marmor hören.“

Ich hörte und ich konnte. Ich hörte auch Flüche und die Geräusche eines Kampfes.

„Wer, Sir, sind Sie?“ fragte Ragma, der sich auf die Hinterbeine stellte und näher kam.

„Das ist mein Onkel Albert“, sagte ich. „Der Mann, der mir den Schulbesuch ermöglichte: Albert Cassidy.“

Onkel Albert sah Ragma aus zusammengekniffenen Augen an, bis ich ihm erklärte: „Das ist Ragma. Er ist ein verkleideter Polizist. Sein Partner heißt Charv, das Känguruh.“

Onkel Al nickte.

„Die Verkleidung scheint mir recht perfekt“, kommentierte er. „Wie gelingt euch dieser Effekt?“

„Wir sind Extraterrestrier“, erklärte Ragma.

„Oh, das erklärt natürlich alles. Sie werden meine diesbezügliche Ignoranz entschuldigen müssen. Ich mußte leider einige Jahre lang tiefgefroren im Kühlschrank verbringen. Sind Sie Freunde von Fred?“

„Wir versuchen es“, antwortete Ragma.

„Schön, das zu wissen“, sagte er lächelnd. „Denn wenn Sie ihm etwas zuleide tun wollten, dann würde ich mich auf sie stürzen wie eine Katze auf die Maus. Was ist mit den anderen, Fred?“

Aber ich antwortete ihm nicht, denn ich hatte in diesem Augenblick nach oben gesehen, und nun explodierte mir ein ganzes Feuerwerk gleichzeitig im Kopf. Alle Zusammenhänge wurden mir klar.

„Das Lächeln!“ schrie ich und stapfte auf das hintere Ende der Halle zu.

Ich war noch nie hinter der Tür an dieser Seite gewesen, aber ich war vertraut mit der inversen Oberfläche des Daches, und mehr brauchte ich augenblicklich nicht zu wissen.

Ich öffnete die Tür und folgte dem dahinter liegenden Korridor. Bei der ersten Gabelung wandte ich mich nach links. Zehn rasche Schritte, eine weitere Biegung, dann stand ich vor der Treppe, die nach oben führte. Ich umklammerte das Geländer und rannte hoch, zwei Stufen auf einmal nehmend, mit keuchendem Atem.

Wie das alles zusammenpaßte, wußte ich nicht, aber daß es zusammenpaßte, daran zweifelte ich nicht.

Ich erreichte einen Treppenabsatz, wandte mich um, erreichte einen zweiten, wandte mich ein zweites Mal um. Das Ende war nahe.

Schließlich befand ich mich auf dem letzten Absatz am Ende der Treppe. Dort war eine Tür, die zu einem geschlossenen Pavillon mit milchigen Fenstern führte. Ich hoffte, daß die Tür sich auch ohne Schlüssel öffnen ließ, denn es würde sicher eine Weile dauern, ein Fenster mit dem davor befindlichen Gitter einzuschlagen, wenn es mir überhaupt gelang. Trotzdem suchte ich im Weitereilen nach geeigneten Werkzeugen für diesen Zweck.

Ich erspähte einigen Plunder, der mir hilfreich sein konnte, da anscheinend niemand mit Ein- oder Ausbrechern hier oben gerechnet hatte. Aber alles erwies sich als unnötig, denn die Tür öffnete sich knarrend, als ich die Klinke niederdrückte und mich dagegenwarf.

Die Tür gehörte der schweren, sich nur langsam öffnenden Sorte an, aber als ich sie schließlich ganz offen hatte und hinaustrat, wußte ich, ich stand etwas sehr Wichtigem gegenüber. Ich blinzelte in die Dunkelheit, um Konturen ausmachen zu können, die mir meine Erinnerung an die Beschaffenheit des Daches einflüsterte. Irgendwo dort draußen, zwischen den Sternen, dem Mond, dem nächtlichen Himmelszelt und dem Panorama Manhattens war eine ganz spezielle Lücke, die ich aufspüren mußte. Die Umstände mochten gegen mich sprechen, aber trotzdem mußte ich es schnellstmöglich versuchen. Wenn meine Ahnungen sich bewahrheiteten, dann hatte ich eine Chance …

Nach Atem ringend, studierte ich das Panorama. Mit dem Rücken zum Pavillon umrundete ich diesen langsam und starrte in die Dunkelheit, wobei ich jeden Schatten und jede Unebenheit des Daches genau untersuchte. Es war eine fast klassische, buchstäblich unheimliche Situation, nur befand ich mich eben nicht in einem Kohlenkeller, und die Mitternachtsstunde war auch schon lange vorüber.

Das Objekt meiner Suche konnte einen beachtlichen Vorsprung haben. Aber in mir wuchs das Gefühl, daß ich recht hatte, und das gab mir Sicherheit und Beharrlichkeit. Ich würde nicht wieder gehen. Wenn er wartete, würde ich auch warten. Sollte ich ihn fliehen sehen, würde ich mich an seine Fährte heften.

„Du bist hier irgendwo, ich weiß es genau“, sagte ich. „Und ich weiß, du kannst mich verstehen. Die Zeit der Abrechnung ist gekommen, du bist zu weit gegangen. Deswegen bin ich hier. Willst du dich ergeben und mir einige Fragen beantworten? Oder möchtest du die Situation noch verschlimmern?“

Keine Antwort. Ich mußte unbedingt finden, was ich zu finden gehofft hatte.

„Nun?“ sagte ich. „Ich warte. Und ich kann sehr lange warten. Du mußt das Gesetz brechen dein Gesetz. Ganz bestimmt, ich weiß Bescheid. Die Natur des ganzen Gefüges verlangt Strafen für derartige Taten. Ich habe keine Vorstellung von deinen Motiven, aber darum geht es augenblicklich auch nicht. Eigentlich hätte ich dein Spiel schon viel früher durchschauen müssen, aber ich konnte mir kein ausreichendes Bild von der Verschiedenheit und Vielfalt außerirdischer Lebensformen machen. Nur deswegen konntest du beim letzten Mal entkommen. Damals, in der Hütte? Ja, da hätten mir eigentlich die Zusammenhänge aufgehen müssen. Natürlich hatte es auch früher schon einige Zusammentreffen gegeben, aber ich maß ihnen nicht die Bedeutung zu, die ihnen gebührte. Sogar damals, in der Nacht, als ich die Maschine testete … Bist du nun bereit, dich zu stellen? Nein? Also gut. Nach meiner Schätzung bist du ein Telepath, daher sind diese Worte überflüssig, da du auch mit Zeemeister kein Wort gewechselt hast. Trotzdem, ich verlasse mich nicht gerne auf Vermutungen, daher werde ich auch weiterhin zu dir sprechen. Ich nehme an, du besitzt leuchtende Augen wie dein Modell auch. Ich habe das Licht von unten gesehen. Schließe also die Augen oder wende den Kopf ab, sonst kann ich dich im Dunkeln erkennen. Aber dann kannst du natürlich mich nicht sehen. Mußt du dich doch auf deine telepathischen Fähigkeiten verlassen? Seltsam. Gerade eben fällt mir ein, daß du dich damit ja M’mrm’mlrr zu erkennen geben würdest. Und der ist nicht besonders weit entfernt. Vielleicht stehst du im Moment mit dem Rücken zur Wand, alter Freund? Was sagst du denn selbst dazu? Möchtest du nicht aufgeben? Oder willst du es wirklich auf eine lange Belagerung ankommen lassen?“

Noch immer nichts. Aber ich ließ keinerlei Zweifel in mir aufkommen.

„Kleiner Dickkopf, was?“ fuhr ich fort. „Aber natürlich, du hast viel zu verlieren, ich weiß. Ragma und Charv scheinen etwas nachlässig mit ihrer Arbeit zu sein, sonst wären sie kaum so weit vom Geschehen entfernt. Vielleicht kennen sie ein Hintertürchen, um alles etwas einfacher für dich zu machen. Ich weiß es nicht. Trotzdem, es lohnt sich, mal darüber nachzudenken. Niemand ist mir hierher gefolgt, daher nehme ich an, M’mrm’mlrr liest meine Gedanken und schildert denen unten die Situation. Sie dürften bereits alles wissen, was ich mir zurechtgelegt habe. Sie müssen wissen, daß dein Handeln nicht nur deine eigene Schuld war. Niemand hat wahrscheinlich je daran gedacht, daß der Sternstein eine Intelligenz darstellen könnte und er beginnen würde, Daten zu sammeln, zu tabulieren und zu prozessieren. Er hatte einen schweren Stand, da die Inversionsbarriere noch immer existierte, denn was ihn einschaltete, schaltete mich ab – was die gegenseitige Kommunikation betraf. Daher konnte er mir auch nicht einfach seine Schlußfolgerungen hinsichtlich deiner Person mitteilen. Aber er gab mir den Hinweis auf Lewis Carroll.* Immerhin. Vielleicht fiel ihm dieser Vergleich im Buchladen ein. Ich weiß es nicht. Aber er hatte ja genügend verdrehte Informationen aus meinem Verstand zur Verfügung. Egal, bei mir klickte es jedenfalls nicht. Dabei war es schon der zweite Versuch, mir einen Hinweis zu liefern. Das Lächeln kam zuerst. Aber auch das verstand ich nicht. Erst als Onkel Albert unten seine Ansprache hielt und von der Katze und der Maus sprach, da blickte ich hoch und sah den Umriß einer Katze vor dem Mond. Du hast die Fischnetze auf Paul Byler geworfen. Zeemeister stand in deinen Diensten. Du brauchtest menschliche Agenten, und er war die perfekte Wahl: korrupt, kriminell, kompetent. Zudem kannte er die Situation von Anfang an. Du hast ihn gekauft und hinter dem Stein herjagen lassen. Nur, der Stein hatte andere Vorstellungen, die ich allerdings erst in letzter Minute verstanden habe. Du hast die Gestalt einer schwarzen Katze, die einmal zu oft meinen Weg gekreuzt hat. Im Augenblick denke ich an die Scheinwerfer, die es hier oben sicher gibt, und daß sie jemand ganz schnell einschalten sollte. Vielleicht sind sie bereits unterwegs. Sollen wir hinuntergehen oder abwarten? Denn wenn alle Lichter an sind, dann habe ich dich.“

Obwohl ich mich für alle Situationen gewappnet geglaubt hatte, wurde ich doch überrascht von dem, was kam. Ich schrie, als er gegen mich prallte, und versuchte meine Augen so gut es ging zu schützen. Was für ein Narr war ich doch gewesen!

Ich hatte überall nachgesehen, nur nicht auf dem Dach des Pavillons.

Klauen schlugen in meine Kopfhaut, zerkratzten mir das Gesicht. Ich umklammerte die Kreatur, konnte sie aber nicht losreißen. Verzweifelt schlug ich den Kopf gegen die Wand des Pavillons.

Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, sprang das Miststück im letzten Moment ab, und ich knallte mit dem Kopf gegen die Wand.

Fluchend, taumelnd und meinen schmerzenden Kopf reibend, war ich einen Augenblick nicht imstande, etwas Vernünftiges zu tun. Ich konnte das Ding nicht verfolgen. Wertvolle Sekunden verstrichen …

Endlich streckte ich mich wieder, wischte mir das Blut von Stirn und Wangen und hielt wieder Ausschau. Dieses Mal sah ich ihn genau; er strebte dem Rand des Daches zu, dann sprang er auf die Brüstung …

Dort blieb er stehen und sah herüber zu mir. Verspottete er mich? Ich erhaschte einen Blick seiner Augen.

„Wie du willst!“ keuchte ich und rannte los.

Das tat er auch, mit großer Geschwindigkeit. Er wird nicht stoppen können, wenn er den Dachrand erreicht, dachte ich.

Er stoppte tatsächlich nicht.

Ich hielt es für unmöglich, daß er es schaffen könnte, aber ich hatte seine Kräfte unterschätzt.

Gerade in dem Augenblick, als er in die Luft sprang, gingen die Lichter an, und ich konnte die Gestalt der Katze deutlich sehen, wie sie mit weit vorgestreckten Vorderbeinen zwischen den Dächern segelte. Dann verschwand sie aus meinem Sichtfeld – keine neun Leben, mit denen man spielen konnte, da war ich sicher –, gefolgt von kratzenden Geräuschen und einem sanften Aufprall.

Als ich an der Brüstung ankam, sah ich, daß er es geschafft hatte. Er balancierte auf dem Skelett des gegenüberliegenden Gebäudes, von wo er bereits nach weiteren Fluchtmöglichkeiten Ausschau hielt.

Ich zögerte keine Sekunde.

Als ich das letzte Mal dieses Dach besucht hatte, hatte ich einen einfacheren Weg gewählt, aber jetzt hatte ich keine Zeit für einen derartigen Luxus. Aber dieses Mal wollte ich meinen Verstand gebrauchen, um nicht wieder impulsiv in eine unmögliche Situation hineinzuschlittern.

Im Laufen schätzte ich den Sprung automatisch ab, stieß mich exakt an dem Punkt ab, den mir mein Gefühl als den richtigen angab, heftete meine Augen fest auf mein Ziel und hob die Arme vorsichtshalber.

In solchen Augenblicken mache ich mir immer Sorgen um meine Schienbeine. Ein ungeschickter Stoß oder Sturz, und der Schmerz konnte ausreichen, um die Kette der notwendigen Aktionen zu durchbrechen. Aber ein wenig Koordination war schon nötig – und das ist immer ein Nachteil. Gutes Klettern erfordert eine Aktion zu einem bestimmten Zeitpunkt. Zwei gleichzeitig sind noch tragbar. Aber zuviel zu koordinieren führt einen in ein risikoreiches Areal. Und sich selbst in Gefahr zu bringen, ist Dummheit. Zu jeder anderen Gelegenheit wäre ich dieses Risiko nicht eingegangen. Ich springe selten aufs Geratewohl, wenn es sich vermeiden läßt. Ich gehöre ganz bestimmt nicht zu diesen Alles-oder-nichts-Typen. Wie auch immer …

Meine Füße landeten mit einer Wucht auf dem Träger, die ich bis in meine Weisheitszähne spürte. Meine Hand umklammerte den senkrechten T-Träger, neben dem ich gelandet war, meine Schulter tat so höllisch weh, daß Torquemada bestimmt seine Freude daran gehabt hätte. Ich kippte nach vorne, wurde aber gleichzeitig nach links gezogen, meine Füße glitten von ihrer Stütze, ich schlang auch noch die rechte Hand um den Träger. Ich zog mich hoch auf den Querbalken, bis ich das Gleichgewicht wieder erlangt hatte. Als ich meinen Kontrahenten erspäht hatte, ließ ich die Strebe wieder los.

Er näherte sich der überdachten Sektion, wo die Bauarbeiter ihre Werkzeuge in Fässern und abgedeckten Schubkarren aufbewahrten. Natürlich wandte ich mich sofort in dieselbe Richtung, ich tänzelte auf Trägern und Gerüstdielen entlang, duckte mich, wo es nötig wurde, oder wich auch einmal kurz zur Seite aus.

Er sah mich kommen. Er kletterte auf eine Erhöhung und sprang von dort zum nächsthöheren Stockwerk empor. Ich angelte nach einem Gerüst auf halber Höhe, umklammerte einen Balken, stemmte den linken Fuß dagegen und zog mich hoch, griff nach dem darüberliegenden Träger, zog mich weiter hoch. Als ich mich umsah, konnte ich gerade noch erkennen, wie er wieder ein Stockwerk höher kletterte, also wiederholte auch ich meine Prozedur.

Er war nirgends mehr zu sehen. Daß er noch weiter hochgestiegen war, konnte ich nur vermuten. Ich kletterte auf Verdacht.

Drei Stockwerke höher sah ich ihn erneut. Er saß auf einem behelfsmäßigen Bretterboden, der den Arbeitern, die zum Aufzug wollten, als Sammelstelle diente, und spähte auf mich herab. Wieder wurden seine Augen von dem seltsamen Leuchten erhellt.

Dann eine Bewegung!

Ich klammerte mich fest und hob eine Hand, um meinen Kopf zu schützen, aber das war unnötig.

Das Klappern, Scheppern, Klingeln und Rasseln der Kiste mit Nägeln, Schrauben und was auch immer, die er auf mich herabgeschüttet hatte, erreichte mich, verlor sich weiter unten, bis es endete / endete / endlich endete.

Ich sparte den Atem, den ich normalerweise für Flüche gebraucht hätte, zum Klettern. Kaum war die Luft rein, stieg ich wieder höher. Je höher ich kam, desto stärker zerrte der kalte Wind an mir. Als ich einmal kurz nach unten blickte, sah ich Gestalten auf dem noch immer erleuchteten Dach gegenüber, doch daß sie viel erkennen konnten, vermochte ich mir nicht vorzustellen.

Als ich die Plattform erreichte, von der aus ich bombardiert worden war, befand mein Gegner sich bereits zwei Stockwerke über mir; er schöpfte offensichtlich Atem. Das Aufspüren fiel mir mittlerweile leichter, denn die behelfsmäßig eingezogenen Stockwerke wurden immer seltener; ich befand mich inmitten gerader, klarer Linien, exakter Winkel und ansonsten offenen Raumes, ein Bauabschnitt, so spärlich und klassisch wie ein Theorem Euklids.

Der Wind wurde noch ein wenig kälter und stärker, als ich höher kletterte; die gelegentlichen Windstöße wurden zu einem konstanten Strom. Mit meinen Fingerspitzen konnte ich mittlerweile das konstante, rhythmische Schwingen der gesamten Struktur des Hochhausskelettes spüren. Die einzelnen, isolierten Geräusche der schlafenden Stadt sanken zu einem unterschwelligen Murmeln herab, zu einem Summen und Brummen, das sich schließlich ganz im Heulen des Windes verlor. Die Sterne und der Mond erhellten als einzige Lichtquellen die Struktur, auf der wir uns bewegten. Sämtliche Oberflächen waren trocken; mehr kann ein nächtlicher Kletterer wirklich nicht verlangen.

Ich kletterte verbissen weiter. Höher. Höher. Die beiden Stockwerke hoch, die uns voneinander trennten. Dann noch eines.

Auf der Etage über mir blieb er stehen und starrte herunter. Es gab kein höheres Stockwerk mehr. Wir hatten das Ende erreicht. Daher wartete er.

Ich blieb ebenfalls stehen und erwiderte den Blick.

„Einigen wir uns auf unentschieden?“ rief ich hoch. „Oder muß es unbedingt zum Letzten kommen?“

Keine Antwort. Auch keine Bewegung. Er stand einfach nur oben und beobachtete mich.

Ich umklammerte mit einer Hand die nächsthöhere Strebe.

Mein Kontrahent wurde kleiner. Er hatte sich zusammengekauert und die Muskeln gespannt. Als wollte er springen …

Verdammt! Wenn ich den obersten Stock erreichte, war ich mehrere Augenblicke lang wehrlos. Mein Kopf blieb ungeschützt, zudem hatte ich beim Klettern keine Hand zum Schutz frei.

Ja, diese Chance würde er mit Sicherheit nützen, herabzuspringen und mich anzugreifen.

„Ich glaube, du bluffst“, sagte ich. „Ich komme.“

Ich umklammerte den Träger fester …

Dann gingen mir plötzlich Gedanken durch den Kopf, die ich normalerweise überhaupt nicht kenne: Was ist, wenn du fällst?

Ich zögerte – es war aber auch eine zu dumme Angelegenheit. Wer dachte schon an so etwas? Natürlich wußte ich genau, daß ich fallen konnte. Das war mir schon mehrmals passiert, mit den unterschiedlichsten Resultaten. Aber natürlich macht man sich darüber nicht bewußt Gedanken bei solchen Aktivitäten.

Es ist sehr, sehr tief. Hast du dich je gefragt, was für Gedanken dir durch den Kopf gehen könnten, kurz bevor die Lichter ausgehen?

Ich glaube, das hat sich jeder einmal gefragt, bei der einen oder anderen Gelegenheit. Solche Probleme sind aber in Wirklichkeit kaum der Rede wert, Gedanken daran sind etwas, was man ruhigen Gewissens auf dem Altar geistiger Gesundheit opfern sollte.

Schau hinab. Wie tief? Wie viele Meter bis dort unten? Was fühlt man bei einem solchen Fall? Spürt man ein Kribbeln in den Fingerspitzen, in den Zehen, in den Fäusten, den Knöcheln?

Natürlich. Aber wieder …

Schwindelanfälle! Sie überfluteten mich, Woge um Woge. Ein Gefühl, das ich noch niemals zuvor mit solcher Intensität gespürt hatte.

Fast gleichzeitig erkannte ich die Quelle meines Unbehagens. Es hätte schon einer großen Naivität bedurft, nicht dahinterzukommen.

Mein kleiner bepelzter Freund sandte die Panikgedanken aus, um das Gefühl der Akrophobie in mir zu erwecken.

Aber manche Dinge müssen einfach tiefer gehen als das Physische oder das Somatopsychische. Zumindest jene kleinen Mystizismen, die meine einzige Religion ausmachen. Ich beharre darauf, daß es nicht so einfach ist, Liebe in Haß zu verwandeln oder Sicherheit in Furcht, daß es nicht so einfach ist, die Früchte eines Lebens in einem einzigen, irrationalen Augenblick über Bord zu werfen.

Ich hämmerte mit den Fäusten gegen den Pfahl. Ich biß meine Lippe blutig. Ich hatte Angst. Ich, Fred Cassidy, hatte Angst vor dem Fallen. Angst vor dem Klettern.

Fallen, fallen … Nicht das sanfte Schweben eines Blattes oder eines Stücks Papier, sondern das Hinabdonnern eines schweren Körpers … Die einzigen Interferenzen sind wahrscheinlich die Pfeiler unseres Gerüsts Hier ein blutiger Abdruck, dort ein weiterer Wahrscheinlich lassen sich nur anhand solcher Spuren Stürze rekonstruieren Wie bei den Bäumen, an die sich deine nicht allzu fernen Vorfahren furchtsam klammerten

Das genügte. Er hatte mir gegeben, was ich gewollt hatte, worauf ich die ganze Zeit schon hoffte. Ein Objekt außerhalb meines Selbst, auf das ich mich voll konzentrieren konnte. In seinen Angriff auf mich hatte sich eine Schmähung gegenüber der ganzen menschlichen Rasse eingeschlichen. Damit hatte Sibla mich damals schon ungeheuer aufgebracht, als ich in Merimees Wohnung gewesen war. Mehr brauchte ich nicht.

„Schon gut“, sagte ich. „Dieselben Vorfahren haben Dingen wie dir nur so zum grausamen Spaß die Gliedmaßen einzeln abgerissen, um nachzusehen, ob ihr wirklich immer auf den Füßen landet, wenn ihr fallt. Ein sehr altes Spiel. Aber es wurde seit Jahrhunderten nicht mehr gespielt. Ich werde es im Namen meiner Väter wieder einführen. Für die alten Anthropoiden mit ihren krummen Daumen!“

Ich steigerte mich bewußt in eine kalte Wut hinein, ließ meinem Zorn freien Lauf.

Ich umklammerte den Balken. Ich zog mich hoch.

Ich sah kurz nach oben, zog mich voran, sah wieder hoch, ging weiter. Ein seltsamer Triumph durchströmte mich angesichts seiner Unentschlossenheit. Ich hatte seinem geistigen Bombardement standgehalten. Als ich seine Etage erreicht hatte, zog ich den Kopf ein und umklammerte mit beiden Händen eine waagerechte Strebe, weit genug auseinander, daß ich mich bei einem Angriff immer noch mit einer festhalten konnte.

Er duckte sich, als wolle er angreifen, überlegte es sich jedoch wieder anders und wich zurück.

Ich zog mich hoch. Ich stand.

Ich sah ihm nach. Er blieb erst wieder stehen, als er das äußerste Ende des Rechtecks erreicht hatte, auf dem wir uns befanden. Dann ging ich zur nächsten Ecke, er wich in die entfernteste zurück. Ich ging eine Seite hoch, er die andere hinab. Ich blieb stehen. Er blieb stehen. Wir sahen einander an.

„Na schön“, sagte ich und zündete mir eine Zigarette an. „Über kurz oder lang wirst du verlieren. Die Burschen dort unten schlafen nämlich auch nicht, wie du dir denken kannst. Sie werden um Verstärkung bitten. Bald wird jeder Fluchtweg abgeriegelt sein. Ich wette sogar, bald wird jemand mit einem Helikopter hier ankommen, mit einem Infrarotsuchgerät und einem Gewehr. Ich hielt es in auswegslosen Situationen immer für besser einzulenken, anstatt vorsätzlich in mein Unglück zu rennen. Ich bin sowohl Repräsentant meines Landes als auch der Vereinten Nationen. Was auch immer dir lieber ist … entscheide dich.“

Ausgezeichnet, empfing ich einen Gedanken. Ich ergebe mich dir in deiner Eigenschaft als Angestellter des Innenministeriums.

Sofort ging er zur nächsten Ecke, blieb dort kurz stehen und kam dann mit gleichmäßiger Geschwindigkeit angetrottet. Ich ging ebenfalls in die Ecke, die ich erst kurz vorher verlassen hatte. Er erreichte sie vor mir, wartete aber nicht, sondern kam auf mich zu.

„Bleiben Sie dort stehen“, sagte ich in offiziellem Tonfall. „Betrachten Sie sich als festgenommen.“

Statt dessen kam er näher und sprang mich an. Gedanken tauchten in meinem Kopf auf, die im großen und ganzen etwa bedeuteten:


Stirb, Nestbeschmutzer!


Meine Hand war im Augenblick seines Sprunges hochgeschnellt, in Ermangelung einer anderen Waffe hatte ich ihm meine Zigarettenkippe ins Gesicht geschnippt.

Er konnte ihr gerade noch ausweichen, kurz bevor seine Füße vom Träger abhoben. Ich duckte mich, bemüht, mit meinen erhobenen Händen gleichzeitig Schutz zu suchen und das Gleichgewicht zu wahren.

Er prallte gegen mich, aber weder an der Kehle noch an der Schlagader. Er traf auf meine linke Schulter, wonach er sich wie wild in mein Schulterblatt und meinen Oberarm hineinkrallte. Dann fiel er.

Es folgte ein Augenblick unbewußter Reaktionen und Gedanken: das Gleichgewicht wiedererlangen, dieses kleine, bösartige Ding retten – aus welchen Gründen auch immer –, den rechten Arm ausstrecken, das Gewicht auf den linken Fuß verlagern, mit der linken Hand festhalten, nicht zu weit hinausbeugen, greifen – vorsieht, nicht straucheln, jetzt kommt der Ruck …

Ich hatte ihn! Ich hatte ihn am Schwanz zu fassen bekommen. Aber …

Ein kurzer Augenblick des Widerstandes, ein reißendes Geräusch, eine plötzliche Gewichtsverlagerung zur anderen Seite …

Ich hielt einen steifen, künstlichen Schwanz in der Hand, Reste eines geschickt angefertigten Kostüms klebten noch daran. Ich erhaschte einen flüchtigen Blick auf die schwarze Gestalt, als sie durch die hell erleuchteten Regionen stürzte. Ich glaube kaum, daß sie auf den Füßen landete.



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