Manchmal ist es gut, periodische Ruhepausen einzulegen und über die Vorzüge, die das moderne Ausbildungssystem mit sich bringt, nachzudenken.
Ich glaube man kann alles auf meinen Schutzpatron, President Eliot von Harvard, zurückführen, der im Jahre 1870 den Einfall hatte, daß es von Vorteil sein könnte, die akademische Zwangsjacke ein wenig lockerer zu schnallen. Das hatte er getan, zudem hatte er vergessen, die Tür wieder hinter sich zu schließen, als er den Raum verlassen hatte. Nahezu dreizehn Jahre lang hatte ich ihm regelmäßig mit Dankbarkeitsbezeigungen gehuldigt, wenn ich den Briefkasten geöffnet hatte, der meinen monatlichen Scheck enthielt. Er war derjenige gewesen, der das Auswahlverfahren eingeführt hatte, das zu damaligen Zeit den Weg zur freien Studienwahl geebnet hatte. Und wie immer blieb die Entwicklung natürlich nicht dabei stehen. Sie führte schließlich dazu, daß es mir heute ermöglicht wurde, dem Stern des Wissens in immer wieder neue Regionen der Wissenschaft zu folgen und immer wieder neue, andere Fächer zu studieren. Mit anderen Worten, wäre er nicht gewesen, dann hätte ich wohl nie Zeit und Gelegenheit gehabt, solche Dinge zu erforschen wie die Lebensgewohnheiten von ophrys speculum und cryptostylis leptochila, auf die ich während einer Botanikvorlesung gestoßen war, die ich unter anderen Umständen vielleicht nie besucht hätte. Wenn man es so betrachtete, dann verdanke ich dem Mann meine ganze Lebensweise und viele angenehme Dinge, die sich damit verbanden. Ich bin nicht undankbar. Aber da ich ihm ja leider nichts mehr zurückzahlen kann, akzeptiere ich die Vorzüge, die er mir beschert hat, frei und rückhaltlos.
Aber wer ist Ophrys? Was ist sie? Wieso schwärmen alle Verehrer von ihr? Und Cryptostylis? Es ist schön, daß Sie diese Fragen gestellt haben. In Algerien lebt ein wespenähnliches Insekt, das als scolia ciliata bekannt ist. Es schläft lange Zeit in seinem Bau, meistens einer Sandbank, bis es, ungefähr im März, an das Licht des Tages kommt. Die Weibchen der Spezies aber bleiben, was sich nicht nur auf die Hymenopteren beschränkt, noch einen weiteren Monat in ihrem Versteck. Verständlicherweise werden die Männchen in dieser Zeit unruhig, sie fangen an, überall im Land umherzuschwärmen. Und ha! Was sollten sie in dieser Zeit der erzwungenen Enthaltsamkeit schon anderes sehen als die zauberhafte Orchidee ophrys speculum, deren Blüten auf verblüffende Weise den Körpern der weiblichen Insekten ähneln. Den Rest kann sich nun wohl jeder selbst denken. Auf diese Weise sichert die Orchidee ihre Befruchtung. Oakes Arnes bezeichnete diesen Vorgang als Pseudokopulation, die symbiotische Assoziation zweier verschiedener reproduktiver Systeme. Die Orchidee cryptostylis leptochila zieht die Männchen der Schlupfwespe lissopimpla semipunctata mit demselben Trick an und auch aus denselben Gründen, indem die Blüte einen Duftstoff absondert, der an den der Weibchen der Schlupfwespe erinnert. Unvergleichlich! Wunderbar! Vollkommenheit, im reinsten, philosophischen Sinne. Darin liegt der Sinn der ganzen Ausbildung. Wären nicht President Eliot und mein armer, steif gefrorener Onkel Albert, ich hätte all dies niemals kennenlernen können. Diese beiden haben mein gesamtes Dasein erleuchtet.
So gingen mir zum Beispiel, während ich dort lag und noch immer nicht wußte, wo dort eigentlich war, Erinnerungen an frühere Vorlesungen über Orchideen durch den Kopf, während ich gleichzeitig jede Menge ungewohnte Geräusche hörte und die merkwürdigsten Farben und Formen wahrnahm. Rasch gelangte ich zu Schlußfolgerungen wie: Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen, aber manchmal spielt das keine Rolle. Oder: Man kann schon in die dümmsten Situationen kommen, wenn man nicht seinem gesunden Menschenverstand folgt.
Zu diesem Zeitpunkt testete ich bereits mit aller gebotenen Behutsamkeit meine Umgebung.
„Auaaua! Auaau!“ und „Auuuu!“ sagte ich dann anschließend, ich weiß nicht wie lange, bis meine Umgebung antwortete, indem sie mir ein Thermometer in den Mund steckte und meinen Puls fühlte.
„Sind Sie wach, Mister Cassidy?“ fragte eine feminine bis neutrale Stimme.
„Schluck!“ antwortete ich, brachte das Gesicht der Krankenschwester in einen ordentlichen Fokus, gab diesen Vorsatz aber wieder auf, als ich es deutlich gesehen hatte.
„Sie sind ein sehr glücklicher Mann, Mister Cassidy“, sagte sie, als sie das Thermometer wieder wegnahm. „Ich werde sofort den Doktor holen. Er möchte unbedingt mit Ihnen sprechen. Bleiben Sie schön liegen. Nicht anstrengen.“
Da ich nicht in der Stimmung war, Purzelbäume zu schlagen, fiel es mir nicht schwer, ihren letzten Ratschlag zu befolgen. Ich fokussierte meine Umgebung noch einmal, und dieses Mal behielt ich den klaren Blick. Meine Umgebung erwies sich als Krankenzimmer, ich lag auf einem Bett an der Wand, unter einem Fenster. Ich selbst lag flach auf dem Rücken und erkannte ziemlich rasch, in welchem Ausmaß meine Brust bandagiert war. Ich winselte, als ich an das Entfernen des Verbandes dachte. Die Unverstümmelten haben kein Monopol auf die Hoffnung.
Wenige Augenblicke später, so schien es mir, kam ein Mann im unumgänglichen weißen Kittel, ein Stethoskop in der Tasche, herein, entblößte die Zähne zu einem Grinsen und schob dieses zu mir herüber. Er beförderte sein Klemmbrett von einer Hand in die andere und streckte jene mir hin. Ich dachte zuerst, er wolle meinen Puls fühlen, aber statt dessen schüttelte er nur meine eigene Hand.
„Mister Cassidy, ich bin Doktor Drade“, sagte er. „Wir haben uns schon früher kennengelernt, aber daran werden Sie sich kaum erinnern. Ich habe Sie operiert. Ihr Händedruck ist schon wieder sehr kräftig, das freut mich. Sie können sich sehr glücklich schätzen.“
Ich hustete, das bereitete mir Schmerzen.
„Gut zu wissen“, sagte ich.
Er hob das Klemmbrett.
„Da Ihre Hand in einem so guten Zustand ist“, meinte er, „könnten Sie mir vielleicht einige Formulare unterschreiben?“
„Einen Moment“, sagte ich. „Ich habe noch keine Ahnung, was überhaupt geschehen ist. Das möchte ich zuallererst einmal erfahren.“
„Oh, die üblichen Formalitäten werden selbstverständlich erst abgewickelt, wenn Sie wieder völlig auf dem Damm sind. Dies gibt mir lediglich die Erlaubnis, Ihren Krankenbericht sowie einige Fotos, die ich glücklicherweise während des Eingriffs machen konnte, für einen Artikel zu verwenden, den ich schreiben möchte.“
„Was für ein Artikel?“ fragte ich.
„Ein Artikel, der den Grund erklärt, warum ich Sie einen Glückspilz nennen möchte. Wie Sie wissen, wurden Sie von einem Schuß in die Brust getroffen.“
„Daran kann ich mich noch erinnern.“
„Jeder andere wäre wahrscheinlich dabei ums Leben gekommen, aber nicht so der alte Fred Cassidy. Und wissen Sie auch, warum?“
„Erzählen Sie’s mir.“
„Ihr Herz ist auf der falschen Seite.“
„Oh.“
„Wie konnten Sie denn nur so lange leben, ohne je etwas von der Besonderheit Ihres Kreislaufsystems zu erfahren?“
„Weiß ich nicht“, sagte ich. „Bisher wurde mir aber auch noch nie in die Brust geschossen.“
„Nun, Ihr Herz ist das genaue Spiegelbild eines normalen, durchschnittlichen Herzens. Die vena cavae bekommen das Blut von links zugeführt, und die Lungenarterie empfängt das Blut von der linken Herzkammer. Ihre Lungenvenen transportieren das frische Blut zum rechten Aurikel, während die rechte Herzkammer es durch einen Aortabogen pumpt, der nach rechts verläuft. Ihre rechten Herzklappen weisen ausnahmslos die stabileren Wände auf, die andere Menschen links haben. Jeder, der einen vergleichbaren Schuß abbekommen hätte, wäre wahrscheinlich im linken Ventrikel getroffen worden, wahrscheinlich auch noch in die Aorta. In Ihrem Fall durchschlug die Kugel lediglich einige unbedeutende Venen.“
Ich hustete wieder.
„Relativ harmlos, möchte ich sagen“, sprach er weiter. „Aber natürlich ist noch ein ordentliches Loch vorhanden. Das haben wir hübsch zugenäht. Sie werden bald wieder auf den Beinen stehen.“
„Großartig.“
„Um wieder auf die Unterschriften zurückzukommen …“
„Ja. Meinetwegen. Für die Wissenschaft bin ich bereit, jedes Opfer zu bringen.“
Während ich die Papiere unterzeichnete und mich über den Winkel des Geschosses wunderte, fragte ich ihn: „Unter welchen Umständen wurde ich denn hierhergebracht?“
„Sie wurden von der Polizei in die Unfallstation gebracht“, antwortete er. „Man informierte uns aber nicht über die … äh … näheren Umstände, die zu der Schießerei geführt haben.“
„Schießerei? Wie viele Personen waren denn beteiligt?“
„Insgesamt sieben. Aber natürlich darf ich Ihnen keine Auskunft über die anderen Fälle geben.“
Ich hielt mitten in der Unterschrift inne.
„Hal Sidmore ist mein bester Freund“, sagte ich, hob den Kugelschreiber und sah die Formulare vielsagend an. „Der Name seiner Frau lautet Mary.“
„Sie wurden nicht ernsthaft verletzt“, beeilte er sich zu versichern. „Mister Sidmore hat einen gebrochenen Arm, seine Frau lediglich ein paar Kratzer. Das ist alles. Er wartet schon darauf, Sie zu sehen.“
„Ich möchte ihn gleich sehen“, verlangte ich. „Ich fühle mich kräftig genug.“
„Ich werde ihn gleich hereinschicken.“
„Ausgezeichnet.“
Ich beendete meine Unterschrift, wonach ich ihm Kugelschreiber und Papiere zurückgab.
„Könnte ich ein bißchen höher gelegt werden?“ bat ich.
„Es spricht nichts dagegen.“
Er stellte das Bett höher.
„Und wenn Sie mir vielleicht noch ein Glas Wasser geben könnten …“
Er schenkte mir ein Glas ein und wartete, während ich das meiste davon trank.
„Gut“, sagte er dann. „Ich werde Sie später wieder besuchen.
Würde es Sie stören, wenn ich einige Geräte mitbringe, um Ihren Herzschlag abzuhören?“
„Nicht, wenn Sie mir versprechen, mir eine Kopie des Artikels mitzubringen.“
„Seien Sie unbesorgt“, antwortete er. „Das werde ich tun. Meiden Sie unnötige Aufregung.“
„Ich werde daran denken.“
Er klappte sein Grinsen wieder zusammen und ging. Ich schnitt dem-Schild eine böse Grimasse.
Wenig später, nach eigener Schätzung, kam Hal herein. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon eine weitere Schicht Unklarheiten abgetragen. Er trug seine normalen Straßenkleider, sein rechter Arm – nein, einen Moment, Verzeihung –, sein linker Arm steckte in einer Schlinge. Zudem hatte er einen blauen Fleck an der Schläfe.
Ich grinste, um ihm zu zeigen, wie schön das Leben doch war, dann fragte ich ihn nach Marys Befinden, da ich die Antwort ja bereits wußte.
„Großartig“, sagte er. „Wirklich gut. Sie hat einen leichten Schock und ein paar Kratzer, aber nichts Ernstes. Was ist mit dir?“
„Mir ist, als hätte mir ein Pferd gegen die Brust getreten“, sagte ich. „Aber der Arzt sagte, es hätte schlimmer kommen können.“
„Ja, er sagte du seist ein Glückspilz. Er hat sich übrigens geradezu verliebt in dein Herz. Wenn es meines wäre, dann würde ich mich ein wenig unkomfortabel fühlen – so ganz hilflos, während er eine detaillierte Beschreibung deiner Abnormität …“
„Danke. Es freut mich wirklich sehr, daß du vorbeigekommen bist, um mich aufzumuntern. Möchtest du mir nun erzählen, was geschehen ist, oder muß ich mir eine Zeitung kaufen?“
„Ich wußte nicht, daß du es so eilig hast“, sagte er. „Also werde ich mich eben kurz fassen. Wir wurden alle angeschossen.“
„Ich verstehe. Und nun weniger kurz.“
„Also gut. Du hast den Mann mit der Waffe angesprungen …“
„Jamie. Ja. Weiter.“
„Er hat auf dich geschossen. Du fielst. Du kannst einen Haken hinter deinen Namen machen. Danach schoß er auf Paul.“
„Abgehakt.“
„Aber während Jamie mit dir beschäftigt war, hatte Paul sich teilweise von dem Plunder befreit, der auf ihn gefallen war. Er feuerte fast gleichzeitig auf Jamie. Er traf ihn.“
„Sie haben sich also gegenseitig angeschossen. Abgehakt.“
„Ich rannte auf den anderen Kerl zu, kurz nachdem du gesprungen warst.“
„Zeemeister. Ja.“
„Er hatte seine Waffe bereits in der Hand und feuerte. Der erste Schuß verfehlte mich, danach rangen wir eine Weile. Er ist verdammt stark.“
„Ich weiß. Wer war der nächste?“
„Ich bin nicht sicher. Mary zischte ein Querschläger um die Ohren, der sie am Kopf streifte. Mit seinem zweiten oder dritten Schuß – ich weiß es wirklich nicht mehr – erwischte er mich am Arm.“
„Zwei weitere Haken. Wer schoß auf Zeemeister?“
„Ein Polizist. Sie kamen zu diesem Zeitpunkt hereingestürzt.“
„Wie kamen die denn dorthin? Woher wußten sie, was los war?“
„Ich habe hinterher ihr Gespräch belauscht. Sie waren Paul gefolgt …“
„… der uns gefolgt war, ja?“
„Scheint so.“
„Ich hielt ihn für tot. Das stand in den Zeitungen.“
„Ich auch. Ich kenne die Geschichte immer noch nicht. Sein Zimmer wird bewacht, keiner sagt ein Wort.“
„Also ist er noch immer am Leben?“
„Nach allem, was ich gehört habe. Aber mehr konnte ich nicht herausfinden. Wir scheinen es alle geschafft zu haben.“
Ich dachte nach.
„Zu dumm – in doppelter Hinsicht. Halt. Moment. Doktor Drade sagte etwas von sieben Verletzten.“
„Ja. Eine ziemlich peinliche Angelegenheit. Einer der Polizisten schoß sich selbst in den Fuß.“
„Oh. Gut, damit haben wir alle Haken. Was noch?“
„Wie … was noch?“
„Konntest du noch etwas herausfinden? Zum Beispiel über den Stein?“
„Nee. Nichts. Du weißt genauso viel wie ich.“
„Zu dumm.“
Ich gähnte unbeherrscht. Nun schaute auch die Schwester herein.
„Ich muß Sie bitten zu gehen“, sagte sie. „Wir dürfen ihn nicht überfordern.“
„Ja, schon gut“, beruhigte er sie. „Ich gehe jetzt, Fred. Aber sobald sie mich lassen, komme ich dich wieder besuchen. Soll ich dir etwas mitbringen?“
„Ist irgendwelcher Sauerstoffkram hier im Zimmer?“
„Nein, das ist alles draußen.“
„Dann Zigaretten. Und sag ihnen, sie sollen das verdammte Schild abmachen. Ach, vergiß es. Ich werde es selbst tun. Entschuldige bitte. Kann einfach nicht aufhören. Sag Mary Grüße von mir. Ich hoffe, sie hat keine Kopfschmerzen mehr. Habe ich dir eigentlich schon von den Blumen erzählt, die sich als Wespen ausgeben?“
„Nein.“
„Es tut mir leid, Sie müssen jetzt gehen“, sagte die Krankenschwester.
„Schon gut.“
„Sag dieser Lady, daß sie keine Orchidee ist“, murmelte ich. „Auch wenn ich mir in ihrer Gegenwart wie eine Wespe vorkomme.“ Mit diesen Worten glitt ich wieder tiefer hinab in das sanfte, dunkle Schlafzentrum, wo alles viel einfacher ist. Das Bett wurde wieder heruntergeklappt.
Schlummer. Schlummer. Schlummer.
Helligkeit?
Helligkeit. Zudem Glitzern und Leuchten.
Ich hörte Geräusche in meinem Zimmer und öffnete die Augen gerade so weit, um erkennen zu können, daß es noch immer Tag war.
Noch immer?
Ich befragte mein Zeitgefühl. Ein Tag, eine Nacht und ein Teil des neuen Tages waren verstrichen. Ich hatte mehrere Mahlzeiten zu mir genommen, hatte mit Dr. Drake gesprochen und mich von den Internisten untersuchen lassen. Hal war auch wieder hiergewesen und hatte mir die gewünschten Zigaretten gebracht. Drade sagte mir, ich dürfe rauchen, aber gegen seinen Willen, also tat ich es. Danach hatte ich wieder geschlafen. Oh, ja, da hatten wir es …
Zwei Gestalten traten langsam in mein Gesichtsfeld. Das Räuspern, das ich hörte, gehörte Drade.
Dann, nach längerer Zeit: „Mister Cassidy, sind Sie wach?“ Er schien laut zu denken.
Ich gähnte und streckte mich, um den Eindruck zu erwecken, als sei ich eben erst wach geworden, während ich die Situation einschätzte. Neben Drade stand ein großes, ordentlich aussehendes Individuum. Der dunkle Anzug und die getönte Brille trugen nicht unerheblich zu diesem Eindruck bei. Ich unterdrückte einen Scherz über Totengräber, als ich den finster aussehenden Hund sah, den er an einer Leine mit sich führte. In der rechten Hand trug er einen schwer aussehenden Koffer.
„Ja“, antwortete ich, während ich nach den Kontrollen griff, die mich in eine sitzende Position brachten. „Was liegt an?“
„Wie fühlen Sie sich?“
„Ganz gut. Ja. Ausgeruht.“
„Gut. Die Polizei hat diesen Gentleman hergeschickt, der sich mit Ihnen über alles, was ihn interessiert, unterhalten wird. Er bat um eine ungestörte Unterredung, daher werden wir ein Schild an der Tür anbringen. Sein Name ist Nadler. Theodore Nadler. Ich werde Sie jetzt allein lassen.“
Er führte Nadler zu einem Besucherstuhl, sah zu, wie er sich setzte, verschwand dann und schloß die Tür hinter sich.
Ich trank einen Schluck Wasser, dann sah ich Nadler an.
„Was wollen Sie?“ fragte ich.
„Sie wissen sehr gut, was wir wollen.“
„Geben Sie doch eine Suchanzeige auf“, riet ich.
Er nahm seine Brille ab und grinste mich an.
„Lesen Sie doch welche. Etwa solche: ,Hilfe benötigt’.“
„Man sollte Sie ins diplomatische Korps versetzen“, sagte ich mit zuckersüßem Lächeln. Sein Grinsen gefror, während sein Gesicht rot anlief.
Als er seufzte, grinste ich.
„Wir wissen, daß Sie ihn nicht haben, Cassidy“, sagte er. „Ich will Sie auch nicht danach fragen.“
„Warum stoßen Sie mich dann so herum? Einfach so, aus Lust und Laune? Indem Sie mir den Doktortitel aufgezwungen haben, haben Sie mich wirklich fertiggemacht. Wenn ich irgend etwas hätte, was für Sie von Nutzen sein könnte, dann hätte es nun einen sehr hohen Preis.“
„Wie hoch?“ fragte er eine Spur zu rasch.
„Wofür?“
„Für Dienstleistungen.“
„Welcher Art?“
„Wir spielen mit dem Gedanken, Ihnen einen Job anzubieten, der Sie vielleicht interessiert. Wie würde es Ihnen denn gefallen, ein Spezialist für außerirdische Kulturen bei den Vereinten Nationen zu werden? Die Einstellungsbedingungen sehen einen Doktortitel in Anthropologie vor.“
„Wann wurden denn die Einstellungsbedingungen erstellt?“
Wieder lächelte er.
„Erst vor kurzem.“
„Ich verstehe. Und was für Aufgaben hätte ich?“
„Sie müßten sich mit einem speziellen Problem befassen und diesbezüglich Nachforschungen anstellen. Sie könnten sehr selbständig arbeiten.“
„Was für Nachforschungen?“
„Über das Verschwinden des Sternsteins.“
„Hm-hmmm. Nun, ich muß gestehen, Ihr Angebot hat meine Neugier geweckt“, antwortete ich. „Aber noch nicht so sehr, daß ich bereit wäre, für Sie zu arbeiten.“
„Sie würden nicht für mich arbeiten.“
Ich griff nach meinen Zigaretten und zündete mir eine an, bevor ich fragte: „Für wen dann?“
„Geben Sie mir auch eine“, sagte eine vertraute Stimme. Der finstere Hund erhob sich und kam zu mir herüber.
„Ein Lon Chaney interstellarer Prägung“, sagte ich. „Sie geben einen schlechten Hund ab, Ragma.“
Ich konnte nicht erkennen, wie es im Inneren aussah. Er löste mehrere Knöpfe seines Kostüms. Dann zündete er die Zigarette an.
„Sie sind gegangen und wurden wieder angeschossen“, sagte Ragma. „Sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt.“
„Das ist richtig“, entgegnete ich, „ich habe es aus freiem Willen getan.“
„Zudem sind Sie invers“, meinte er und schlug die Decke zurück. „Ihre Wunden von Australien sind auf der falschen Seite.“
Er ließ die Decke fallen und kauerte sich neben meinem Tisch zusammen.
„Es war unnötig nachzusehen“, fuhr er fort. „Ich habe die Geschichte Ihres wunderbaren, umgekehrten Herzens bereits vernommen. Es war mir klar, daß nur Sie der Idiot gewesen sein konnten, der mit der Inversionseinheit herumgespielt hat. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu sagen, warum?“
„Ja“, antwortete ich. „Das würde mir etwas ausmachen.“
Er zuckte die Achseln.
„Schon gut. Es ist wohl noch etwas zu früh. Ich kann warten.“
Er sah wieder zu Nadler. Ich auch.
„Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet“, sagte ich. „Für wen würde ich arbeiten?“
Dieses Mal grinste Nadler.
„Für ihn“, sagte er.
„Soll das ein Witz sein? Seit wann beschäftigt das Innenministerium denn Wombats und Spürhunde? Und dazu noch außerirdische?“
„Ragma ist kein Angestellter des Innenministeriums. Er steht im Dienste der Vereinten Nationen. Sollten Sie zustimmen, dann würden Sie unverzüglich zu der Spezialtruppe versetzt werden, der er vorsteht.“
„Klingt wie in einem Kriminalroman“, sagte ich, zu Ragma blickend. „Können sie mir etwas mehr darüber erzählen?“
„Darum bin ich hier“, antwortete er. „Wie Sie ja ganz offensichtlich wissen, ist das als ‚Sternstein’ bezeichnete Artefakt verschwunden. Es war zeitweilig in Ihrem Besitz, infolgedessen konzentrieren sich die Interessen mehrerer Parteien, die an der Wiederfindung interessiert sind – aus vielerlei Gründen –, auf Sie.“
„Also hatte Paul Byler ihn?“
„Ja. Er war beauftragt, ein originalgetreues Modell davon anzufertigen.“
„Dann ist er aber ganz schön sorglos damit umgegangen.“
„Ja und nein. Ein außergewöhnlicher Mann, dieser Professor Byler. Zudem komplizierte das Element der Koinzidenz die Lage wesentlich mehr, als dies vorhersehbar gewesen war. Er wurde für diese Aufgabe ausgewählt, weil er als eine der größten Kapazitäten seines Fachs gilt. Er hatte sich ja früher schon sehr ausgiebig mit der Synthese von Kristallen beschäftigt. Er schuf eine wunderbare Nachbildung, das Prüfungskomitee war zu Anfang außerstande, sie vom Original zu unterscheiden. Ein Tribut an die Fähigkeiten des Mannes? Zuerst schien es so. Ich habe keine Ahnung, wie der Unterschied von Leuten wie Ihnen bemerkt werden konnte.“
„Er behielt also das Original und gab ihnen die Kopie zurück, zusammen mit einer weiteren Kopie?“
„Ganz so einfach verhielt es sich nicht“, sagte Ragma. „Wie sich herausstellte, war das Objekt, das sie ihm zum Duplizieren gaben, nicht der richtige Sternstein. Schon wesentlich früher hatte ein Austausch stattgefunden – innerhalb von Minuten, während der formellen Übergabe an den Generalsekretär der Vereinten Nationen. Vielleicht haben Sie die Fernsehübertragung gesehen?“
„Das hat wahrscheinlich jeder. Was geschah?“
„Einer der Wachsoldaten tauschte ihn gegen eine Kopie aus, als er in den Tresor gebracht wurde. Der Austausch blieb unbemerkt, er entkam mit dem echten Stück, während Professor Byler nur eine Nachbildung zum Kopieren bekam.“
„Aber wie, um alles in der Welt, konnte Paul dann …?“
„Die Koinzidenz“, antwortete er. „Die Koinzidenz, die in jeder Geschichte vorkommen kann. Es überrascht mich, daß Sie gar nicht gefragt haben, woher der Wachsoldat seine Kopie hatte.“
Ich ließ die Schultern hängen. Ich fragte mich dabei, ob das meiner Brust weniger weh tun würde als ein Lachen.
„Doch nicht etwa … Paul?“ fragte ich. „Sagen Sie mir nicht, er hat die erste Fälschung gemacht!“
„Doch, das hat er“, sagte Ragma. „Nur mit Hilfe von ein paar Fotos und einer schriftlichen Beschreibung. Das ist der wahre Tribut an seine Fähigkeiten. Als es um die Nachbildung ging, da war er wirklich die beste Wahl.“
Ich drückte meine Zigarette aus.
„Also bekam er sein eigenes Duplikat zum Duplizieren wieder?“
„Präzise. Das brachte ihn in eine sehr peinliche Situation. Da hatte er nun das Original und arbeitete bereits an einer besseren Nachbildung, und nun bat die UN ihn, seine eigene Arbeit zu kopieren.“
„Moment! Hatte er den echten Stein? Ich dachte, der Wachsoldat hätte ihn gehabt.“
„Darauf komme ich gleich zu sprechen. Der Soldat nahm ihn und brachte ihn zu Professor Byler. Byler hatte Angst, die erste Nachbildung könne einer näheren Untersuchung nicht standhalten, besonders nicht der eines außerirdischen Besuchers, der das Ding schon einmal anderswo gesehen hatte und etwas über die physische Erscheinung wußte – etwas, das vielleicht nur ein Außerirdischer bemerken konnte. Er hatte vorgehabt, dem Original eine zweite Kopie nachzubilden, die derselbe Wachsoldat dann gegen die erste hätte austauschen sollen. Diese zweite Version sollte einer wesentlich eingehenderen Untersuchung standhalten können. Also befand er sich bereits zu diesem Zeitpunkt in einem großen Dilemma: Sollte er ihnen den ersten Stein und eine Kopie zurückgeben oder zwei Steine der zweiten Generation, auf die er sehr stolz war. Er beschloß, den ersten und eine neue Kopie zurückzugeben, da er fürchtete, die Verantwortlichen hätten zu dem Zeitpunkt bereits eine eingehende Untersuchung des Objektes vorgenommen und alle Besonderheiten aufgezeichnet.“
Ich schüttelte den Kopf.
„Aber warum? Warum hat er dieses ganze Affentheater denn überhaupt aufgeführt?“
Ragma drückte seufzend seine Zigarette aus.
„Der Mann hatte eine überaus starke emotionelle Bindung zur britischen Monarchie …“
„Die Kronjuwelen!“ rief ich.
„Genau. Der Sternstein kam, und sie gingen. Er war zornig über diesen Tausch, den er für ungerecht hielt.“
„Aber die Juwelen gehören noch immer den Briten, und sie sind noch immer zugänglich. Die Briten stimmten nur der zeitlich unbegrenzten Leihgabe zu.“
„So sehen wir beide das“, sagte Ragma. „Aber er nicht. Und auch einige andere nicht – wie etwa der Wachsoldat –, die ihm behilflich waren.“
„Welche Pläne verfolgten sie eigentlich im speziellen?“
„Sie wollten einige Zeit abwarten, bis unsere Beziehungen zu den Außerirdischen sich konsolidiert hatten und die Vorzüge des Kulturaustausches fest im Bewußtsein des Volkes verankert waren. Dann wollten sie öffentlich bekanntgeben, der Sternstein sei eine Fälschung – eine Tatsache, bei der sie sich ohne weiteres auf das Urteil außerirdischer Kapazitäten berufen konnten –, um dann den Besitz des Originals zuzugeben, das sie wieder gegen die Kronjuwelen eintauschen wollten.“
„Also steht eine ganze Interessengruppe dahinter. Das erklärt natürlich einiges von dem, was ich in meiner Wohnung gehört habe. Zweifellos wollten sie mich ausfragen, um zu erfahren, wo sie den echten Stein wieder stehlen konnten.“
„Ja. Man hat nach Ihnen Ausschau gehalten. Aber wir haben sie mittlerweile unter Kontrolle. Sie sind mehr ein Ärgernis als eine wirklich Bedrohung; vielleicht helfen sie uns sogar, den Stein wiederzufinden, wenn wir sie in Ruhe lassen.“
„Was wäre geschehen, wenn alles nach ihren Plänen verlaufen wäre?“
„Dann wäre die Erde wahrscheinlich vom Handel ausgeschlossen und zusätzlich auf eine schwarze Liste gesetzt worden, was Handel, Tourismus sowie kulturelle und wissenschaftliche Beziehungen angeht. Zudem wäre wahrscheinlich die Eingliederung in unsere Galaktische Föderation, einer Organisation vergleichbar mit Ihren eigenen Vereinten Nationen, ernsthaft in Frage gestellt worden.“
„Und das kann so ein intelligenter Mann wie Paul nicht verstehen? Das läßt mich fragen, ob wir überhaupt schon reif für eine solche Eingliederung sind …“
„Oh, mittlerweile versteht er es durchaus. Er war derjenige, der uns alle Informationen verschafft hat. Seien Sie nicht zu hart in Ihrer Beurteilung. Fragen des Gefühls kann man nur selten durch den Intellekt beantworten.“
„Was geschah eigentlich in seinem Fall genau? Wie ich hörte, soll er getötet worden sein.“
„Er wurde angegriffen und übel zugerichtet, das stimmt, aber gerade als die Angreifer sich zurückzogen, erschien die Polizei auf der Bildfläche. Sie hatte medizinische Ausrüstung dabei, mit der sie Erste Hilfe leisten konnten, und sie fuhren ihn unverzüglich in ein Krankenhaus, wo eine ganze Reihe von Organtransplantationen an ihm vorgenommen wurden, die alle erfolgreich waren. Danach nahm er Kontakt mit den Behörden auf und erzählte ihnen die ganze Geschichte. Sein Sinneswandel wurde hauptsächlich auch dadurch hervorgerufen, daß seine Peiniger ehemalige Verbündete von ihm waren.“
„Zeemeister und Buckler“, sagte ich. „Die kamen mir aber nicht so vor, als würden sie ihren Intellekt von Gefühlen ausschalten lassen.“
„Richtig. Sie sind im Grunde genommen nur Galgenvögel. Bis vor kurzem war ihre Hauptaktivität der Organschmuggel gewesen. Davor übten sie mehrere illegale Tätigkeiten aus, aber der Organschmuggel scheint das lohnendste gewesen zu sein. Sie wurden mehr aus kommerziellen als aus idealistischen Gründen in den Diebstahl des Sternsteins verwickelt. Keine anderen Beteiligten an der Verschwörung waren Kriminelle im eigentlichen Sinne des Wortes.
Nur deswegen haben sie Zeemeister angeheuert – damit er den Diebstahl für sie planen konnte. Sein eigentliches Ziel bei der Sache war aber …“
„Doppelt gemoppelt“, unterbrach ich ihn, während ich ihm eine neue Zigarette anzündete.
„Ganz genau. Er wollte den Stein für sich behalten und ihn später den Zuständigen gegen Geld und Zusicherung von freiem Geleit zurückgeben.“
„Wenn das geschehen wäre, wie hätte das unsere Chancen bezüglich der Mitgliedschaft in der Föderation beeinflußt?“
„Das wäre nicht so schlimm gewesen wie sein Einsatz zur Wiederbeschaffung der Kronjuwelen“, antwortete er. „Wenn man den geliehenen Gegenstand zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgeben kann, ist das in Ordnung. Wo er sich in der Zwischenzeit befand, ist dabei unerheblich.“
„Was für eine Rolle spielen Sie dann wirklich in dieser Angelegenheit?“
„Ich mag es nicht, wenn man irgendwelche Fragen so unglaublich direkt angeht“, sagte er. „Sie sind neu in dem Spiel, und ich möchte Ihnen jede erdenkliche Hilfe zukommen lassen. Ich möchte, daß wir den Stein zurückbekommen und die ganze Geschichte vergessen wird.“
„Verständlich“, stimmte ich zu. „Daher möchte ich ebenfalls vernünftig sein. Ich nehme an, Paul behielt den echten Stein und nahm an, er sei irgendwie dann in unseren Besitz übergegangen, damals, während des Kartenabends.“
„Das ist korrekt.“
„Also hatten Hal und ich ihn möglicherweise, ja, sogar mit größter Wahrscheinlichkeit, eine ganze Zeit lang in unserer gemeinsamen Wohnung. Dann verschwand er.“
„Sieht so aus.“
„Und was soll ich nun genau tun, falls ich diesen Job annehme?“
„Zuallererst“, entgegnete er, „würde ich gerne eine qualifizierte Person zur Erde bringen lassen, da Sie ja Ihre Welt nicht verlassen wollen, um sich von einem telepathischen Analytiker untersuchen zu lassen, und Siblas Fähigkeiten nicht Ihren Vorstellungen entsprechen.“
„Sie sind noch immer der Meinung, irgendwo in meinem Gehirn könne ein Hinweis verborgen sein?“
„Damit müssen wir rechnen oder etwa nicht?“
„Doch, ich glaube schon. Was ist mit Hal? Vielleicht verfügt er ebenfalls über unterbewußte Informationen.“
„Diese Möglichkeit besteht natürlich auch, aber ich bin geneigt, ihm zu glauben, wenn er meint, er habe den Stein bei Ihnen zurückgelassen. Dessen ungeachtet – erst vor kurzem hat er Mister Nadler zugesichert, jede analytische Prozedur über sich ergehen zu lassen, die von Nutzen sein könnte.“
„Dann werde ich das ebenfalls tun. Bringen Sie Ihren Analytiker her. Wenn er nur sein Handwerk versteht und ich diese Welt nicht verlassen muß.“
„Also gut. Das hätten wir erledigt. Bedeutet das, Sie nehmen den Job an?“
„Warum nicht? Warum sollte ich kein Geld für meine Nachforschungen annehmen – besonders, da die Schecks von den Leuten kommen, die meinen bisherigen Lebensstil zerstört haben?“
„Dann verbleiben wir vorerst einmal so. Der Transport des Analytikers, den ich ausgesucht habe, wird einige Tage in Anspruch nehmen. Mister Nadler hat noch einige Formulare, die Sie bitte unterzeichnen wollen. Während Sie das tun, werde ich ein kleines Apparatchen aufbauen, das wir mitgebracht haben.“
„Was für ein Apparatchen?“
„Ihr Bein heilte damals doch famos, nicht wahr?“
„Ja.“
„Dasselbe werde ich jetzt mir Ihrer Brustverletzung tun. Sie werden voraussichtlich noch heute abend die Klinik wieder verlassen können.“
„Das wäre mir mehr als recht. Und was dann?“
„Dann müssen Sie nur noch ein paar Tage jeden Ärger meiden. Das könnte erreicht werden, indem wir Sie einsperren oder in dem wir Sie einfach unter Beobachtung halten, zusammen mit Ihrem Versprechen, sich aus allen Schwierigkeiten herauszuhalten. Ich vermute, Sie wählen das letztere.“
„Da vermuten Sie richtig.“
„Dann füllen Sie bitte die Formulare aus. Ich werde die Einheit warmlaufen lassen und Sie dann vorsichtshalber betäuben.“
Und so geschah es auch.
Später, als sie wieder gingen – ich hatte alle Formulare unterzeichnet, Nadler hatte seine Brille wieder aufgesetzt, und Ragma war in sein Kostüm geschlüpft –, wandte Ragma sich noch einmal um und sagte zu mir: „Ganz nebenbei, nun, da wir so etwas wie eine Einigung erzielen konnten – wollen Sie mir nicht sagen, warum Sie sich umkehren ließen?“
Ich wollte es ihm sagen. Es schien zwecklos, ihm etwas zu verheimlichen, nun, da wir im selben Boot saßen, um es einmal so auszudrücken. Ich konnte ihm durchaus behilflich sein.
Ich öffnete den Mund. Aber die Worte kamen mir nicht korrekt über die Lippen. Ich verspürte eine Trockenheit in der Kehle, meine Zunge wurde dick und pelzig, ich spürte, wie sich meine Gesichtsmuskeln zu einem Lächeln zusammenzogen, und ich sagte: „Darauf würde ich gerne etwas später zu sprechen kommen, ja? Sagen wir morgen oder übermorgen?“
„Einverstanden“, sagte er. „Ist auch nicht so wichtig. Wir können ja zu gegebenem Zeitpunkt die Umwandlung wieder rückgängig machen. Ruhen Sie sich jetzt aus, essen Sie tüchtig, und sehen Sie zu, daß Sie wieder gesund werden. Mister Nadler wird im Laufe dieser Woche noch einmal zu Ihnen kommen. Guten Tag.“
„Auf bald.“
„Ich lasse von mir hören“, sagte Nadler.
Sie schlossen die Tür hinter sich. Ich war mir sicher, daß ich noch nicht die ganze Geschichte kannte. Aber sie auch nicht. Ich war zwar bereit gewesen, mich ihnen rückhaltlos anzuvertrauen, aber mein Körper hatte mir einen Streich gespielt. Das erschreckte mich auch ein wenig, da es mich an mein Erlebnis im Bus erinnerte. Ich sah noch immer das sorgenvolle Gesicht des alten Mannes vor mir, der mich gefragte hatte, ob es mir gutgehe. War mir eben ein vergleichbares Ereignis widerfahren, eine bizarre Posse meines Nervensystems? Ein Effekt der Umkehr? Dieser Gedanke gefiel mir überhaupt nicht. Auch meine sämtlichen Erfahrungen und Studien über das Wesen der Menschen waren mir nun keine Hilfe mehr.
President Eliot, wir haben Probleme.