Zwei oder drei der ärmlichen Hütten brannten noch immer, als Skudder und Raoul die Siedlung erreichten. Der Wüstenwind trieb die Qualmwolken bereits auseinander, die ihnen im Verlaufe der letzten Stunde den Weg gewiesen hatten. Skudder sah ein halbes Dutzend Maschinen, die auf dem ehemaligen Dorfplatz abgestellt waren, und ein paar andere, die den jenseitigen Ausgang der Schlucht blockierten.
Seine Leute hatten die Siedlung ausgelöscht. Raoul und er hatten fast ein Dutzend Leichen gesehen, zwei von ihnen trugen das schwarze Leder der Sharks. Die Wastelander hatten sich verzweifelt zur Wehr gesetzt, aber natürlich hatten sie keine Chance gehabt. Das Dorf war regelrecht ausradiert worden. Skudder glaubte nicht, daß auch nur einer seiner Bewohner überlebt hatte.
Der Anblick erfüllte ihn mit hilflosem Zorn. Er hatte ein Dutzend Wastelander getötet, seit er die Führung der Sharks übernommen hatte, und fast ebenso viele seiner eigenen Leute, aber der Anblick des geschleiften Dorfes machte ihm zu schaffen. Diese ganze Aktion war eigentlich sinnlos und überflüssig gewesen.
Mit einem wütenden Tritt auf die Bremse brachte er die Maschine in der Dorfmitte zum Stehen, kippte sie auf den Ständer und sprang aus dem Sattel. Ein paar der Männer - die, die nicht damit beschäftigt waren, die Toten auszuplündern - kamen zögernd näher, und Skudder erkannte erst jetzt, daß es Kinks Gruppe war, die dieses Gemetzel angerichtet hatte.
Wortlos stieß er einen der Männer aus dem Weg, ging mit mächtigen Schritten auf Kink zu und riß ihn grob an der Schulter herum. Kink knurrte wütend; sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse, und er ballte die Faust. Dann erkannte er Skudder und ließ die Hand wieder sinken. Skudder bedauerte fast, daß Kink nicht zugeschlagen hatte. Dann hätte er ihm die Lektion erteilen können, die er schon lange verdiente.
»Was ist hier passiert?« fragte er in herrischem Ton. »Hast du diesen Wahnsinn befohlen?«
Kink starrte ihn verwirrt an. Offensichtlich begriff er gar nicht, was Skudder meinte.
»Verdammt noch mal, ich will wissen, was hier passiert ist!« brüllte Skudder ihn an. »Haben sie euch angegriffen, oder was soll das?«
»Angegriffen?« Kink schluckte nervös. »Ich ... ich verstehe nicht. Du hast doch selbst gesagt ...«
»Ich habe gesagt, ihr sollt das Mädchen suchen«, unterbrach ihn Skudder, nun wieder mühsam beherrscht. »Ich habe gesagt, ihr sollt die Wastelander ein bißchen ausquetschen, ja, aber ich habe nicht gesagt, daß ihr sie alle umbringen sollt!«
Raoul berührte ihn am Arm. »Laß ihn«, sagte er beruhigend. »Es ist nun mal passiert.« Er lächelte, gab Kink ein Zeichen zu verschwinden und zog Skudder ein Stück mit sich. »Ich verstehe dich ja«, sagte er sehr leise, damit keiner der anderen ihn verstand, »aber du mußt sie auch verstehen. Es war eine Wastelanderin, die dem Mädchen zur Flucht verhelfen hat. Und sie hat Den umgebracht. Die Jungs wollen ihre Rache.«
»Das hier ist keine Rache«, sagte Skudder aufgebracht. »Verdammt, ich habe nichts dagegen, die Wastelander ein bißchen aufzumischen, aber das ist ... ist eine Kriegserklärung.«
Raoul antwortete nicht, Skudder begriff plötzlich, daß Raoul im Grunde sogar recht hatte; zumindest von seinem Standpunkt aus.
Wütend riß er sich los, drehte sich herum und lief ein paar Schritte, ehe er wieder stehenblieb.
Er fühlte sich hilflos. Hilflos und aufgebracht und sehr allein.
Und er brodelte innerlich vor Zorn, nicht nur auf Kink, der ein Idiot war und es wahrscheinlich einfach nicht besser wußte, sondern auf sich, diese Laird und vor allem auf Daniel, der ihm mit seinem Anruf vor vier Tagen diesen ganzen Mist eingebrockt hatte.
Es dauerte lange, bis er sich wieder so weit in der Gewalt hatte, daß er zu Raoul zurückgehen konnte. Sein Stellvertreter blickte ihm aufmerksam und mit einem unübersehbaren Ausdruck von Sorge an.
»Alles wieder in Ordnung?« fragte er.
Skudder nickte, obwohl er es besser wußte. Nichts war in Ordnung, aber das mußte er Raoul nicht breit erklären.
Sie waren noch am vergangenen Abend aufgebrochen, Raoul und er an der Spitze einer gewaltigen Kolonne von fast hundert Maschinen. Er hatte beinahe die Hälfte seiner Leute mitgenommen - völlig absurd, wenn er bedachte, daß sie eine einzelne Frau suchten!
Aber es hing sehr viel davon ab, daß sie sie auch fanden.
Doch bisher gab es nicht einmal eine Spur von ihr. Sie hatten sich aufgeteilt, kaum daß sie die Ebene erreicht hatten, und Skudder selbst hatte zusammen mit Raoul vier oder fünf Wastelander-Familien aufgestöbert. Niemand aber hatte die fremde Frau gesehen, nach der sie suchten, und Skudder war ziemlich sicher, daß sie die Wahrheit gesagt hatten. Raoul und er waren bei ihren Nachforschungen nicht gerade zimperlich vorgegangen.
»Haben sie wenigstens irgend etwas erfahren?« fragte er, noch immer zornig, aber äußerlich wieder beherrscht.
Raoul schüttelte den Kopf. »Nein. Niemand hat eine Fremde gesehen oder von ihr gehört. Wir müssen weitersuchen.«
»Verdammt, wir können nicht jeden Wastelander in der Gegend umbringen«, sagte Skudder. »Sie muß hier irgendwo sein.«
»Es sei denn, sie ist wieder zurück in die Berge gelaufen«, sagte Raoul.
Skudder überlegte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf.
»Nein«, sagte er überzeugt. »So dumm ist sie nicht. Sie würde wissen, daß sie dort keine Chance hat. Sie muß hier irgendwo sein.«
Einen Moment lang sah er Raoul nachdenklich an, dann machte er eine entschlossene Kopfbewegung nach Osten, zu den Bergen hin.
»Such ein paar zuverlässige Jungs aus«, sagte er. »Wir fahren zurück. Vielleicht finden wir eine Spur.«
»Sie kann schon hundert Meilen weit weg sein«, gab Raoul zu bedenken. »Dens Maschine war fast vollgetankt.«
»Ich weiß«, knurrte Skudder. »Aber ich finde sie. Ganz egal, wo sie sich versteckt.« Er hatte nicht mehr viel Zeit. Von den zweiundsiebzig Stunden, die Daniel ihm gegeben hatte, waren bereits vierundzwanzig verstrichen. Und Daniel war niemand, der mit sich handeln ließ.
Die Wastelander pflegten im Morgengrauen aufzustehen. Charity hatte das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein, als Net sie weckte und ins Haus brachte, wo ein Frühstück auf sie wartete, das ihr ärmlich vorkam, für diese Leute hier wahrscheinlich aber eher fürstlich war. Sie vermißte Gurk am Tisch, aber auf ihre Frage antwortete Dad nur, daß er schon sehr früh weggegangen wäre. Nach dem Frühstück verabschiedete Charity sich. Sie hatte das sichere Gefühl, daß Dad und die anderen sie nicht ungern gehen ließen.
Trotzdem hatte sie das heftige Bedürfnis, sich bei den Wastelandern erkenntlich zu zeigen. Und obwohl sie wußte, daß sie es bald schon bereuen würde, zog sie zum Abschied ihr Feuerzeug aus der Tasche und schenkte es Mom.
Die Wastelanderin starrte sie ungläubig an, während sie das kleine weiße Plastikding in ihre Hand fallen ließ. »Sei sparsam damit«, sagte Charity. »Es hält nicht ewig.« Dann drehte sie sich herum und lief aus dem Haus.
Bob hatte die Harley bereits aus dem Schuppen geholt und ihr Gepäck auf dem Rücksitz verstaut; inklusive des Lasergewehrs, das er mit Stricken so fest an den Gepäckträger gebunden hatte, daß sie eine Stunde brauchen würde, um es wieder loszubekommen. Sie lächelte ihm dankbar zu, ehe sie sich in den Sattel schwang und davonfuhr.
Sie entfernte sich in südlicher Richtung von der Farm, aber sie fuhr nur so weit, daß sie sicher sein konnte, von dort aus nicht mehr gesehen zu werden, dann bog sie vom Weg ab und hielt wieder auf die Berge zu.
Sie war sich der Tatsache völlig bewußt, wie verrückt ihr Vorhaben war. Sie war keineswegs davon überzeugt, die Tiefen wirklich zu finden. Vielleicht waren sie wirklich nur eine Legende.
Gurk hatte vollkommen recht: Menschen in Not, Menschen, die unterdrückt oder gejagt wurden, erfanden sich immer einen Retter, der die Erlösung versprach und es etwas leichter machte, ihr Leiden durchzustehen. Aber wenn es sie gab, dann ließ Nets Beschreibung nur den Schluß zu, daß es sich um Überlebende handelte, Menschen wie sie, die es irgendwie geschafft hatten, sich einen Teil der alten Zivilisation zu bewahren. Auch die Vermutung, daß sie aus irgendwelchen sagenumwobenen Tiefen stammten, paßte.
Schließlich befand sich unter den Bergen das ehemals größte und sicherste Bunkersystem der Welt.
In das die Fremden eingedrungen waren und das sie systematisch in Trümmer gelegt hatten, kurz bevor du in den Tank gestiegen bist, wisperte eine Stimme hinter ihrer Stirn.
Sie verscheuchte den Gedanken. Verdammt, sie wußte selbst, wie klein die Chance war, irgendwo auf Hilfe zu stoßen; sie brauchte ihr boshaftes Unterbewußtsein nicht, um sich daran zu erinnern.
Eine Felsgruppe tauchte vor ihr aus der Ebene auf; ein idealer Aussichtspunkt. Charity hatte ihre unheimliche Beinahe-Begegnung vom vergangenen Morgen nicht vergessen. Vorsichtig umkreiste sie den Felsen einmal und hielt schließlich auf der Schattenseite an. Den Felsen zu erklimmen war schwerer, als sie geglaubt hatte, denn seine Oberfläche war spiegelglatt und fühlte sich unter ihren Händen wie poliertes Glas an. Sie war völlig außer Atem, als sie es endlich geschafft hatte, und brauchte zwei oder drei Minuten, um wieder zu Kräften zu kommen. Obwohl sie seit nicht einmal einer halben Stunde unterwegs war, war ihre Kehle schon wie ausgetrocknet; die Hitze war schon jetzt drückend. Für die heißesten Stunden des Tages würde sie sich sein Versteck suchen müssen.
Sie setzte den Feldstecher an. Das monotone Braun der verbrannten Ebene glitt hundertfach vergrößert an ihr vorbei, nur dann und wann unterbrochen durch eine Spalte, einen Felsen oder - sie hielt den Atem an. Der Spur, die ihr Motorrad im Sand hinterlassen hatte, folgte eine sonderbare, abscheuliche Kreatur. Der Anblick jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken. So ein Ungeheuer hatte sie noch nie zuvor zu Gesicht bekommen. Es kroch ihr nach, und es war ziemlich groß. Ganz entfernt erinnerte es Charity an ein Gila-Monster, es war aber keine Echse, sondern eher ein Insekt, denn seine Haut war glänzend und hart und in mehrere ungleich große Segmente unterteilt. Seine Beine - sechs insgesamt - schritten träge und abrupt voran. Der Kopf des Wesens war eine glotzäugige Scheußlichkeit, über der sich zwei dürre Antennenfühler unablässig hin und her bewegten. Kein Zweifel war möglich, das Wesen verfolgte sie. Aber mit ihrer schnellen Harley würde sie es vermutlich abschütteln können.
Langsam schwenkte sie das Glas weiter, betrachtete einen Moment lang einen anderen, bizarren Umriß - der sich allerdings bei genauerem Hinsehen nur als Felsbrocken herausstellte - und ließ den Blick weiter über die Ebene wandern.
Dann entdeckte sie Rauch.
Schwere, schwarze Qualmwolken stiegen am Horizont auf; ohne den Feldstecher hätte sie sie wahrscheinlich nicht einmal bemerkt.
Irgendwo in der Ferne glaubte sie auch Flammen zu sehen - genau dort, wo Dads Farm lag.
Charity sprang mit einem Fluch auf, kletterte hastig vom Felsen herunter und schwang sich wieder auf die Maschine. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, startete sie die Harley, fuhr los und brachte sie gleich darauf mit einer abrupten Bewegung wieder zum Stehen.
Sie vergeudete fast eine Minute damit, an den Knoten herumzuzerren, mit denen Bob ihr Lasergewehr festgebunden hatte, ehe sie endlich ihr Messer zog, um die Stricke kurzerhand durchzuschneiden. Hastig hängte sie sich die Waffe über die Schulter, stieg wieder auf das Motorrad und raste weiter. Die schwarzen Qualmwolken, die sie bald schon mit bloßem Auge sah, wiesen ihr den Weg. Ihre schlimmsten Befürchtungen wurden noch übertroffen. Es war nicht nur das Haupthaus, das Feuer gefangen hatte - die gesamte Farm brannte wie ein übergroßer Scheiterhaufen.
Charitys Beklemmung wurde zu einer Mischung aus Entsetzen und Wut, als sie die vier schweren Motorräder entdeckte, die vor dem brennenden Wohnhaus abgestellt waren. Sharks. Sie waren zurückgekommen. Irgendwie hatten sie es geschafft, in dieser Einöde ihre Spur zu verfolgen. Wahrscheinlich hatten sie alle umgebracht.
Und es war ihre Schuld!
Rücksichtslos gab sie Gas und raste auf die Farm zu. Sie erkannte zwei, drei Gestalten in schwarzem Leder, die sich wie schreckliche Dämonenfiguren vor dem lodernden Feuer abhoben, und sie sah auch, wie sich zwei von ihnen überrascht umwandten, als sie ihre Harley hörten.
Einer hob die Hand, zum Zeichen, daß sie langsamer fahren sollte. Er schien sie für einen Shark zu halten.
Aber Charity bremste nicht ab, sie gab Gas, schaltete im letzten Moment brutal herunter und ließ die Kupplung los; die Harley-Davidson machte einen gewaltigen Satz, der Hinterreifen drehte durch, und das Vorderrad krachte gegen den völlig überrumpelten Shark.
Der Aufprall schleuderte Charity aus dem Sattel, aber damit hatte sie gerechnet, und ganz plötzlich waren ihre Reaktionen wieder da, so schnell und präzise, wie sie es gewohnt war. Sie fiel, rollte sich ab und rammte dem zweiten Shark beide Füße in den Leib. Der Mann brach zusammen und blieb reglos liegen.
Als sich Charity benommen in die Höhe stemmte, stürmte der dritte Shark heran.
Sie ließ ihm keine Chance. Blitzschnell nahm sie den Laser von der Schulter, legte auf ihn an und drückte ab. Ein kaum nadeldünner, rubinroter Lichtblitz, im grellen Licht des Feuers beinahe unsichtbar, durchbohrte das Bein des Sharks und brachte ihn zu Fall. Die Waffe war nicht auf eine tödliche Wirkung eingestellt gewesen, aber der Schock würde den Mann für Stunden betäuben. Trotzdem lief sie mit zwei, drei schnellen Schritten auf ihn zu und stieß ihn grob mit dem Gewehrlauf an, ehe sie es wagte, sich herumzudrehen und nach dem letzten verbliebenen Shark Ausschau zu halten.
»Bravo«, sagte eine Stimme hinter ihr. »Saubere Arbeit.«
Charity fuhr erschrocken herum und hob die Waffe. Aber sie drückte nicht ab. Hinter ihr, gut zwanzig Meter entfernt, vor der brennenden Scheune, stand der vierte Shark, und obwohl sie ihn vor dem Hintergrund der lodernden Flammen kaum erkennen konnte, ließ sein Anblick sie erschauern.
Er war sehr groß und muskulös. Sein Gesicht war unter einem schwarzen Helm verborgen, aber Charity glaubte, seinen Blick selbst durch das abgedunkelte Visier hindurch zu spüren. Sie wußte plötzlich, daß sie dem Anführer der Sharks gegenüberstand.
»Erschießt du mich mit dem Ding da, wenn ich mich bewege?« fragte der Shark. Seine Stimme klang fast spöttisch. »Es ist heiß hier. Ich würde gerne ein paar Schritte zur Seite treten.«
Charity antwortete nicht, aber sie machte eine entsprechende Bewegung mit dem Laser, und der Shark trat vier, fünf Schritte vom Feuer weg. Sie erkannte jetzt, daß er ein kurzstieliges Beil in der rechten Hand trug. Eine ekelhafte Waffe, aber keine, die ihr Kopfzerbrechen bereiten mußte.
»Du mußt Laird sein«, sagte der Shark, nachdem er wieder stehengeblieben war.
Charity war verblüfft. »Du kennst meinen Namen?«
»Wie du siehst.« Ein leises, spöttisches Lachen drang unter dem Helm hervor. »Du hättest dir eine Menge Ärger ersparen können, wenn du gleich zu mir gekommen wärst«, fuhr er fort.
»Was ... willst du von mir?« fragte Charity verstört. »Woher weißt du meinen Namen, und wer ...« Sie stockte, sah sich unsicher nach beiden Seiten um und machte eine befehlende Geste mit dem Gewehr. »Nimm den Helm ab«, sagte sie. Es machte sie nervös, das Gesicht ihres Gegenübers nicht sehen zu können, während sie mit ihm sprach.
Der Shark gehorchte schweigend, wobei er allerdings nur eine Hand benutzte. Die rechte hielt noch immer die Axt, während er den Helm achtlos vor sich in den Sand warf.
»Zufrieden?« fragte der Shark spöttisch.
Charity wußte nicht, ob sie zufrieden mit dem war, was sie sah - auf jeden Fall war sie überrascht. Der Shark war ziemlich jung, vielleicht Anfang Dreißig. Sein Gesicht wirkte nicht einmal unsymphatisch, wenn auch sehr hart, und es kam ihr zugleich fremdartig und sonderbar vertraut vor. Sein Haar glänzte im tiefsten Schwarz, das Charity jemals gesehen hatte.
»Ich bin Skudder«, sagte der Shark plötzlich, in einer Art, als erwarte er, daß dieser Name Charity irgend etwas sagte. »Und du mußt Laird sein. Warum hast du meine Leute umgebracht?«
Statt zu antworten, deutete Charity auf den brennenden Hof.
»Warum habt ihr diese Leute hier umgebracht?«
»Umgebracht?« Skudder lächelte gefühllos. »Wir haben niemanden umgebracht«, sagte er. »Sie waren ... nicht besonders kooperativ, so daß wir ihnen ein bißchen einheizen mußten. Aber sie leben noch. Und wenn du vernünftig bist, dann bleibt das auch so.«
Charitys Gedanken überschlugen sich fast. Sie glaubte ihm kein Wort, aber es war immerhin möglich, daß er die Wahrheit sagte - was nichts anderes bedeuten würde, als daß sie Dad und seine Familie zum Tode verurteilte, wenn sie auch nur den winzigsten Fehler beging. Aber wenn auch nur die Hälfte von dem stimmte, was Net und die anderen ihr über die Sharks erzählt hatten, dann würden sie sowieso sterben.
»Was willst du von mir?« fragte sie.
»Ich?« Skudder schüttelte lächelnd den Kopf. »Nichts. Jemand möchte dich sprechen. Ich habe nur den Auftrag, dich zu ihm zu bringen. Lebend.«
»Jemand? Wer?«
Skudder schwieg und lächelte, und es war dieses Lächeln, das Charity irritierte. Dieser Skudder war entweder völlig verrückt - oder er fühlte sich absolut sicher. Weder die eine noch die andere Möglichkeit gefiel ihr besonders.
»Und wenn ich nun keine Lust habe, mitzukommen?« fragte sie. »Du kannst mich nicht zwingen.«
»Bringt das Mädchen«, sagte Skudder ruhig. Die Worte galten nicht ihr, sondern irgend jemandem hinter Charity, und sie widerstand im letzten Moment der Versuchung, sich herumzudrehen.
Ob es nun ein Trick war oder nicht, solange sie den Laser auf Skudders Brust richtete, war sie relativ sicher.
Es war kein Trick. Hinter ihr wurden Schritte laut, dann tauchten zwei Sharks vor ihr auf, die ein zappelndes Bündel hinter sich herschleppten. Obwohl Net an Händen und Füßen gefesselt war, schienen die beiden Mühe zu haben, sie zu halten.
»Nun?« sagte Skudder ruhig. »Glaubst du immer noch, daß ich dich nicht zwingen könnte? Ein Wort von mir genügt, und die Jungs töten sie. Sie freuen sich schon darauf.«
»Dann erschieße ich dich«, sagte Charity entschlossen.
»Das würde auch nicht viel ändern«, erwiderte der Shark. »Das Mädchen wäre tot, und die Jungs würden dich fertigmachen. Gib auf. Es ist genug Blut geflossen.«
Sie wollte Net und ihre Familie nicht zum Tode verurteilen, aber verdammt, was sollte sie tun?
Skudder schien ihre Gedanken zu erraten, denn er lächelte wissend und kam einen Schritt näher, blieb aber sofort wieder stehen, als Charity drohend mit dem Gewehr fuchtelte. »Du traust mir nicht«, sagte er seufzend. »Das verstehe ich sogar. Aber du mußt keine Angst haben. Wir sollen dich lebend zu Daniel bringen.«
»Daniel? Wer ist das?« Charity fragte eigentlich nur, um Zeit zu gewinnen.
Skudder zuckte mit den Achseln. »Das weiß ich so wenig wie du. Also - wie lange willst du noch da stehen und auf mich zielen? Bis dir die Arme einschlafen?«
Charity sah sich fast verzweifelt um. Außer Skudder und den beiden, die Net hielten, waren noch zwei weitere Sharks auf der Bildfläche erschienen. Jede der Maschinen, die links von ihr standen, mußte mit zwei Mann besetzt gewesen sein.
»Ich komme nicht mit«, sagte sie. »Und ihr werdet auch das Mädchen loslassen, oder ...«
»Oder?« fragte Skudder lauernd.
Anstelle einer Antwort schwenkte Charity blitzschnell das Gewehr herum, jagte einem der Sharks, die Net hielten, einen Laserstrahl ins Bein und richtete die Waffe sofort wieder auf Skudder. Der Verletzte brüllte auf, kippte mit einer fast komisch anmutenden Bewegung zur Seite und blieb stöhnend liegen.
»Oder ich erschieße dich«, sagte sie ernst. »Es macht mir nichts aus, Skudder. Mit den drei Figuren da werde ich fertig.«
Skudder antwortete nicht, aber in seinen dunklen Augen glomm Wut auf. Und dann tat er das, was Charity am allerwenigsten erwartet hätte. Rasch hob er den Arm und winkte die beiden Männer zurück, die, als Charity schoß, zu ihren Waffen gegriffen hatten.
»Nicht«, sagte er. »Laßt sie. Sie hat recht. Sie würde euch Narren umbringen.«
»Du ... läßt uns gehen?« fragte Charity ungläubig.
Skudder nickte. »Ja. Aber wir sehen uns wieder. Laßt das Mädchen los.«
Die Worte galten dem Shark, der Net festhielt. Er zögerte, griff dann aber gehorsam nach seinem Messer und schnitt Nets Fesseln durch. Net fiel mit einem erschöpften Keuchen auf die Knie, rappelte sich unsicher wieder auf.
»Sieh zu, ob du die Maschine aufrichten kannst«, sagte Charity zu ihr. »Schnell.« Gleichzeitig machte sie sich ein paar Schritte rückwärts, richtete den Laser auf die Motorräder, mit denen die Sharks gekommen waren, und drückte auf den Auslöser, nachdem sie die Waffe auf volle Leistungsstärke eingestellt hatte. Ein fingerdicker, rubinroter Strahl traf den Tank der ersten Harley.
Das Motorrad explodierte. Die Wucht der Detonation ließ die drei anderen Maschinen umkippen wie hintereinander aufgestellte Dominosteine. Das Feuer griff rasch auf sie über.
»Nur, damit wir uns nicht zu schnell wiedersehen«, sagte Charity freundlich. Skudder starrte sie an und schwieg. Nur der Zorn in seinen Augen loderte heftiger.
»Ich schaffe es nicht allein!« rief Net. Ihre Stimme klang eindeutig verzweifelt. »Hilf mir!«
Charity nickte, bewegte noch einmal drohend die Waffe und ging rückwärts auf sie zu.
Sie kam nur ein paar Schritte weit. Ihr Fuß stieß gegen den Körper des bewußtlosen Shark, den sie niedergeschossen hatte, sie machte einen hastigen Schritt - und schrie erschrocken auf, als sich eine Hand um ihren Knöchel schloß und mit furchtbarer Kraft zupackte.
Trotzdem reagierte sie mit fast übermenschlicher Schnelligkeit.
Sie versuchte nicht, sich loszureißen, sondern drehte sich herum, und schlug dem Shark den Gewehrkolben in den Nacken. Der Mann verlor zum zweiten Mal das Bewußtsein, und Charity wirbelte abermals herum und richtete die Waffe wieder auf Skudder und die anderen.
Aber so schnell sie auch war, Skudder war schneller. Er versuchte nicht, sich auf sie zuzustürzen wie die drei anderen Männer, sondern ließ sich einfach zur Seite fallen, einen Sekundenbruchteil, bevor Charitys Waffe einen zweiten, tödlichen Laserblitz in seine Richtung spie, und gleichzeitig sauste sein rechter Arm vor. Das Beil glitt aus seiner Hand und jagte mit tödlicher Präzision auf Charity zu.
Sie versuchte noch, der Axt auszuweichen, aber schon während sie es tat, wußte sie, daß sie es nicht schaffen würde.
Die Axt traf ihre linke Schulter, in ihrem Körper entflammten furchtbare Schmerzen, und dann verlor sie das Bewußtsein.
»Das war verdammt knapp«, sagte Raoul leise, während er sich vollkommen aufrichtete. »Alles in Ordnung?«
In Ordnung? Skudders Blick glitt über das Schlachtfeld, in das Laird den Farmhof verwandelt hatte. Ein Toter, drei Verletzte, vier Maschinen Totalschaden, zwei tote Wastelander - nein, dachte er grimmig; nichts war in Ordnung. Eine einzelne Frau gegen Skudder und sieben seiner Männer, und sie hatten pures Glück gehabt, daß sie sie nicht alle erledigt hatte!
»Ich werde ein paar ernste Worte mit Daniel reden«, knurrte er. »Er hätte mich vor dieser Frau warnen müssen!« Er schüttelte zornig den Kopf, hob seinen Tomahawk auf und schob ihn mit einer ärgerlichen Bewegung unter den Gürtel; erst dann beugte er sich zu der Bewußtlosen herab und untersuchte sie flüchtig. Ihr Puls ging ruhig und gleichmäßig, ihre linke Schulter begann bereits anzuschwellen, aber es schien nichts gebrochen zu sein. Skudder war erleichtert. Er hätte Daniel ungern einen halben Leichnam ausgeliefert.
Der Statthalter Morons verstand manchmal erstaunlich wenig Spaß.
»Fesselt sie«, sagte er. »Und sorgt dafür, daß sie nicht so schnell aufwacht. Aber seid vorsichtig. Ich will nicht, daß sie verletzt wird.«
Er richtete sich auf, sah wie Kink und einer der Männer herbeieilten, um seinem Befehl nachzukommen, und wandte sich wieder an Raoul. Erst jetzt fiel ihm wieder ein, daß auch sein Stellvertreter nicht ganz ungeschoren davongekommen war.
»Was ist mit dir?« fragte er. »Alles wieder okay?«
Raoul verzog das Gesicht zu einem schmerzhaften Lächeln.
»Halb so wild«, log er. »Solange ich nicht laufen muß, wird mir die Wunde keine Schwierigkeiten machen.«
»Laß mich dein Bein sehen«, verlangte Skudder. Raoul wollte abwinken, aber Skudder packte ihn einfach am Arm, zwang ihn, sich zu setzen und riß sein Hosenbein bis über das Knie auf. Raoul stöhnte leise.
Die Wunde war nicht sehr viel größer als ein Nadelstich, aber das Fleisch ringsum war ziemlich angeschwollen, und sein Bein fühlte sich hart wie Eisen an. Skudder drehte Raouls Bein behutsam und sah, daß der nadeldünne Lichtstrahl seine Wade glatt durchschlagen hatte. Er sah auf, blickte einen Moment lang zu den brennenden Maschinen hinüber, und schauderte. Plötzlich war er sehr froh, daß er Lairds Schuß um Haaresbreite entgangen war.
»Das ist ein bißchen mehr als ein Kratzer«, sagte er ernst. »Sieht nicht gut aus.«
Raoul zuckte mit den Schultern und zog das Bein vorsichtig zurück. »Fühlt sich auch nicht besonders gut an«, gestand er. »Ich möchte wissen, was das für ein Teufelsding war.«
Gegen seinen Willen mußte Skudder lachen. Kopfschüttelnd beugte er sich zur Seite, angelte nach Charitys Laser und hob ihn mit einer fast ehrfürchtigen Bewegung auf. Vorsichtig drehte er ihn in den Händen. Die Waffe ähnelte auf den ersten Blick einem Kleinkalibergewehr, aber sie war überraschend leicht und bestand nicht aus Metall und Holz, sondern aus einem Kunststoffmaterial, wie Skudder es noch niemals gesehen hatte. Statt in einer Mündung endete der Lauf in einem fingerlangen Rohr aus Glas, in dem ein dunkelrotes, ganz sanft pulsierendes Licht glomm, und wo der Abzug sein sollte, befand sich ein roter Knopf; dicht daneben eine Art Rad, das wohl dazu diente, die Leistungsstärke der Waffe zu regulieren. Skudder war verwirrt. Er hatte schon Strahlenwaffen gesehen - aber diese Waffe unterschied sich völlig von denen, die die Moroni benutzten.
Dann begriff er. Diese Waffe war auf der Erde gebaut worden.
Von Menschen und für Menschen. Verwirrt legte er die Waffe neben sich in den Sand und half Raoul dabei, wieder aufzustehen. Mit der freien Hand deutete er auf die Harley, mit der Laird gekommen war.
»Du nimmst die Maschine und fährst zum Lager zurück«, sagte er. »Laß dein Bein verarzten. Bart kann dich fahren.«
»Dann habt ihr kein Fahrzeug«, gab Raoul zu bedenken.
»Unsinn«, widersprach Skudder. »Wir können sowieso nicht zu fünft auf einer einzigen Kiste fahren, oder?« Er klopfte mit der Hand auf das kleine Funkgerät, das in seinem Gürtel steckte. »Wir warten auf die anderen. Und du schickst Matt mit dem Wagen her, sobald du im Lager angekommen bist. Und jetzt verschwinde.«
Raoul wollte abermals widersprechen, aber Skudder brachte ihn mit einer fast herrischen Geste zum Verstummen. »Du tust, was ich sage.«
Raoul nickte. »Vielleicht hast du recht«, murmelte er. Vorsichtig machte er einen Schritt, sog hörbar die Luft zwischen den Zähnen ein und schüttelte mit einem gequälten Lächeln den Kopf.
»Nein«, verbesserte er sich. »Du hast recht. O verdammt, tut das weh.« Er stöhnte und bewegte vorsichtig sein Bein. Skudder ging dicht neben ihm her, um ihn nötigenfalls auffangen zu können, falls er stürzte. Raoul blieb abermals stehen, als sie an der bewußtlosen Laird vorbeikamen.
»Ich möchte nur wissen, warum sie das getan hat«, murmelte Raoul plötzlich.
»Was?«
Raoul deutete auf die Berge im Osten. »Wir hätten sie nie eingeholt«, sagte er überzeugt. »Aber sie ist freiwillig zurückgekommen. Das ist doch verrückt.«
»Vielleicht hat sie das Feuer gesehen«, vermutete Skudder.
»Und ist zurückgekommen, um den Wastelandern zu helfen?« Raoul schüttelte den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn. Sie kann doch unmöglich geglaubt haben, allein mit uns allen fertig zu werden.«
»Beinahe hätte sie uns erledigt«, antwortete Skudder ruhig.
»Wenn du sie nicht abgelenkt hättest ...«
»Weißt du, was die Kleine erzählt hat?« fragte Raoul mit einer Geste auf Net. Skudder schüttelte den Kopf, und Raoul fuhr fort: »Sie behauptet, Laird wäre auf dem Weg zurück in die Berge gewesen. Um die Tiefen zu suchen.«
»Blödsinn«, knurrte Skudder. »Aber ich werde sie danach fragen, wenn sie aufwacht. Und jetzt verschwinde. Fahr los und sieh zu, daß der Laster hierherkommt. Ich habe keine Lust, hier zu übernachten.«
Reglos sah er zu, wie Raoul auf die Maschine zuhumpelte und sich mühsam in den Sattel zog, nachdem Bart vor ihm Platz genommen und den Motor gestartet hatte. Erst nachdem die beiden außer Sicht waren, drehte er sich herum und winkte Kink zu sich. Raoul war ein wenig überrascht gewesen, als Skudder darauf bestanden hatte, ausgerechnet diesen Psychopathen mitzunehmen - aber Skudder war einfach wohler dabei, ihn im Auge zu haben.
»Was machen wir mit der Wastelanderin?« erkundigte sich Kink.
Skudder sah einen Moment lang nachdenklich zu Net hinüber, die - jetzt wieder an Händen und Füßen gefesselt - ein Stück abseits saß und ihn und Kink abwechselnd aus Augen anstarrte, in denen sich panische Angst und nackte Mordlust mischten.
»Wir nehmen sie mit«, bestimmte er nach kurzem Überlegen. »Vielleicht gibt es noch das eine oder andere, was sie uns erzählen kann.«
Kink schien widersprechen zu wollen, beließ es aber dann bei einem kaum angedeuteten Nicken und starrte zu Boden.
»Wolltest du etwas sagen?« fragte Skudder scharf.
»Sie hat Den erledigt«, antwortete Kink zögernd.
»Ach?« machte Skudder lauernd. »Sagt sie das?«
»Nein«, gestand Kink. »Aber ich weiß es. Und du auch. Es war Garth' Maschine, oder? Und ...«
»Wenn es so ist«, unterbrach ihn Skudder scharf, »dann finden wir es noch früh genug heraus. Wir nehmen sie mit. Und du rührst sie nicht an, verstanden? Übrigens - was ist mit dem Jungen?« fügte er hinzu, ehe Kink abermals widersprechen konnte. »Habt ihr ihn erwischt?«
Kink senkte den Blick noch weiter und schüttelte den Kopf. »Er war zu schnell«, gestand er. »Aber ich kriege ihn, wenn du es willst. Zu Fuß hat er keine Chance.«
»Idiot«, sagte Skudder ruhig. Er zog das Funkgerät aus dem Gürtel und drückte es Kink in die Hand. »Versuch mal, einen der anderen zu erreichen. Ich fühle mich nicht besonders wohl hier draußen, solange ich nicht weiß, ob im nächsten Moment nicht eine ganze Armee rachedurstiger Wastelander hier auftaucht.«
Kink nahm das Funkgerät und ging. Skudders Befürchtungen waren keineswegs aus der Luft gegriffen. Einer der Wastelander war entkommen, und vielleicht schaffte er es tatsächlich, irgendwo Verstärkung zu holen.
Seufzend drehte er sich um, nahm Charitys Gewehr, um es sich über die Schulter zu hängen, und ging dann noch einmal zu seiner bewußtlosen Gefangenen hinüber. Trotz des blutigen Kratzers auf ihrer Stirn sah sie sonderbar friedlich aus, wie sie so dalag; fast, als schliefe sie. Und ihr Gesicht wirkte ...
Es fiel Skudder schwer, sich darüber klarzuwerden, welche Gefühle ihr Anblick wirklich in ihm auslöste. Er war verwirrt. Sie war eine hübsche Frau - keine Schönheit, aber sehr hübsch, fast noch ein bißchen mädchenhaft, obwohl sie älter sein mußte als er. Und doch haftete ihrem Gesicht eine eigentümliche Strenge an. Wer war sie?
Und warum war sie so wichtig, daß Daniel all seine Macht ausspielte, um sie in seine Gewalt zu bringen?
Er bedauerte fast, Kink den Befehl gegeben zu haben, sie zu betäuben. Es gab eine Menge, was er sie fragen wollte.
Kink erreichte niemanden mit seinem Funkgerät, was Skudder nicht besonders überraschte; die kleinen Walkie-talkies, die Daniel ihnen zur Verfügung gestellt hatten, besaßen weder eine sehr große Reichweite, noch waren sie besonders zuverlässig. Aber eine halbe Stunde später stieß eine der anderen Gruppen von sich aus zu ihnen, und Skudder begann sich wieder ein wenig sicherer zu fühlen.
Etwa eine Stunde vor Mittag brachen sie auf, obwohl es vielleicht klüger gewesen wäre, auf Raoul und den Lastwagen zu warten; die Maschinen waren völlig überladen, und die drei reglosen Gestalten, die sie auf den Satteln festbinden mußten, machten die Sache auch nicht gerade leichter. Sie fuhren etwa eine Stunde, ehe der Truppführer plötzlich langsamer wurde und schließlich anhielt. Die Kolonne kam schwerfällig zum Stehen, nur Skudder lenkte seine Maschine neben den ersten Shark und sah ihn fragend an. »Was ist los?«
Der Mann hob den Arm und deutete nach Norden. Skudder folgte der Bewegung - und fuhr erschrocken zusammen.
Ein bizarrer Schatten bewegte sich in einiger Entfernung auf sie zu, aber Skudder wußte gleich, um was es sich handelte.
»Ein Reiter!« murmelte er verwirrt und alarmiert zugleich. »Verdammt, was bedeutet das?«
Die gewaltige Käferkreatur kam rasend schnell näher, sie hielt genau auf den Motorradkonvoi zu.
Skudder gab den anderen ein Zeichen, die Motoren abzustellen, er selbst stieg von seiner Maschine ab und ging dem Reiter ein Stück entgegen.
Es vergingen kaum fünf Minuten, bis aus dem schwarzen Umriß ein elefantengroßes, glänzendes Insekt geworden war.
Skudder mußte sich mit aller Macht beherrschen, um nicht ganz instinktiv zurückzuweichen, als der Reiter auf ihn zupreschte.
Obwohl er ihre Nähe gewohnt war, erschreckte ihn der Anblick der riesigen Reitinsekten so sehr wie am ersten Tag.
Mit einem unbeschreibbaren Unbehagen sah Skudder zu dem Reiter hinauf, der im Nacken des Käfers hockte. Er bemerkte erst jetzt, daß er nicht allein war. Hinter der schmalen, vierarmigen Gestalt erhob sich eine zweite, sehr viel kräftigere, die allerdings auch sehr viel mehr Mühe hatte, sich auf dem glatten Chitinpanzer festzuklammern.
Skudder fuhr überrascht zusammen, als er erkannte, wer es war.
»Raoul!?«
Der Reiter preschte weiter heran, kam zwei Meter vor Skudder mit einer abrupten Bewegung zum Stehen und musterte ihn einen Augenblick lang aus seinen riesigen, dunkelroten Facettenaugen; ein Blick, der Skudder erschaudern ließ.
Zwei, drei endlose Sekunden lang schwebte der gigantische Kopf mit den mörderischen Mandibeln fast direkt vor seinem Gesicht, dann bewegte sich die Riesenkreatur ein Stück zur Seite und knickte gleichzeitig in den beiden vorderen Beinpaaren ein, um ihrem Reiter ein bequemeres Absteigen zu ermöglichen.
Der Moroni blieb reglos in ihrem Nacken sitzen, aber Raoul ließ sich mit einem erleichterten Seufzer vom Rücken des Riesenkäfers sinken und humpelte auf ihn zu.
Irgend etwas an diesem Humpeln erweckte Skudders Mißtrauen.
Er wirkte nicht echt, fast, als wäre Raouls Verletzung längst geheilt.
Aber das war natürlich unmöglich. Skudder verscheuchte den Gedanken.
»Was ... was bedeutet das ...?« fragte er verwirrt.
»Wir sind ihm auf halber Strecke begegnet«, unterbrach ihn Raoul, in einem Tonfall, der Skudder fast mehr alarmierte als der Anblick des Reiters selbst.
»Ich soll dir etwas ausrichten.«
»Ausrichten?«
Skudder sah erst ihn, dann den Moroni verstört an. Er verstand überhaupt nichts mehr.
»Von wem?«
»Von Daniel.«