8


Das Insektenheer hatte den Fluß erreicht und wie eine schwarze Woge aus lebendig gewordener Lava einfach verschlungen. Hartmann konnte nicht mehr sehen, was auf der anderen Seite geschah, denn der Rhein war die Grenze gewesen, hinter der die Jared seine Überwachungskameras ebenso schnell zerstört hatten, wie er sie hatte aufstellen lassen. Aber zwischen den brennenden Ruinen blitzte es immer wieder grell auf, und seit die Legionen Morons den Fluß überschritten hatten, hatte sich die Phalanx der Gleiter aufgelöst. Die Schiffe drangen nicht mehr in einer Linie vor, die eine Wand aus Feuer und schmelzendem Gestein wie einen tödlichen Schatten vor sich herschob, sondern rasten einzeln und im Tiefflug über die Ruinen hinweg und gaben dabei kurze, jetzt offensichtlich gezielte Feuerstöße ab.

»Das ist Wahnsinn«, sagte Hartmann. »Ihre Leute haben nicht die geringste Chance, Kyle. Ich ... könnte Ihnen helfen. Wir haben nicht mehr viel, aber es reicht, um diese Gleiter vom Himmel zu holen.«

Kyle drehte sich halb zu ihm herum und lächelte. »Ich weiß, wozu diese Anlage imstande ist«, sagte er. »Aber das ist nicht die Hilfe, die ich von Ihnen brauche.«

Plötzlich spürte Hartmann Zorn. Beinahe anklagend deutete er auf die Bildschirme. »Es sieht so aus, als würden Sie jedes bißchen hier gebrauchen, das Sie kriegen können, Kyle«, sagte er. »Wenn nämlich kein Wunder geschieht, dann werden Sie in spätestens einer halben Stunde niemanden mehr haben, um die Station am Nordpol anzugreifen.«

Kyle antwortete nicht einmal. Er lächelte nur, wandte sich um und konzentrierte sich wieder auf das Geschehen auf den Bildschirmen.

Hartmann hatte plötzlich Lust aufzuspringen und ihn zu packen, ihn zu schütteln und anzuschreien, irgend etwas zu tun, nur nicht länger dazusitzen und hilflos zuzusehen, wie das Millionenheer der Insektenkrieger die Stadt überrollte und sich unaufhaltsam dem Hort der Jared näherten.

Und erst als er diesen Gedanken gedacht hatte, begriff er, was es wirklich bedeutete. Er betrachtete diese zehntausend Männer dort drüben noch immer als Menschen. Er hatte geglaubt, sie zu hassen, aber das stimmte nur zum Teil. Etwas in ihnen war noch immer menschlich, und diese ungezählten Insektenkrieger dort drüben machten jetzt Jagd auf sie.

Auf seinem Schreibtisch begann eine Lampe zu flackern, und Hartmann streckte instinktiv die Hand aus und betätigte einen Schalter. Auf einem der Monitore erlosch das Abbild der brennenden Stadt und machte den dünnen, grünen Linien eines Radarbildes Platz. Die Bunkerstation selbst war als kleiner, heller Punkt in ihrem Zentrum abgebildet. Und von ihrem oberen Rand her näherten sich eine große Anzahl noch kleinerer, aufblinkender Punkte diesem Zentrum.

Hartmann stöhnte leise. »Es sieht so aus, als bekämen sie noch Verstärkung.«

Kyle sah ihn fragend an, blickte kurz auf den Schirm und lächelte wieder, und dieses Lächeln entfachte Hartmanns Wut erneut. Zornig beugte er sich vor. »Seien Sie vernünftig, Kyle!« sagte er beinahe beschwörend. »Das sind mindestens noch einmal hundert Schiffe! Und sie sind in einer Minute hier. Ich kann sie aufhalten.«

»Ich weiß«, sagte Kyle ruhig. »Aber es ist nicht nötig.«

Hartmann starrte ihn an und versuchte, seiner Gefühle Herr zu werden. Kyle mußte wahnsinnig sein. Für einen Moment war Hartmann ernsthaft versucht, seinen Befehl einfach zu ignorieren und zu tun, worum er ihn seit einer halben Stunde beinahe anflehte ...

Aber selbst, wenn er es wirklich gewollt hätte, wäre ihm wahrscheinlich gar keine Zeit mehr dazu geblieben. Die Radarechos auf dem Schirm rasten schneller, viel schneller heran, als er geglaubt hatte. Es verging noch nicht einmal eine Minute, bis sie mit dem grünen Leuchtpunkt im Zentrum des Bildschirmes verschmolzen.

Fast in der gleichen Sekunde tauchten sie am Himmel über der Stadt auf. Und dann geschah etwas, das Hartmann vollkommen aus der Fassung brachte.

Die Flotte bestand aus gut hundert Flugschiffen. Kaum fünfzig Meter über der Erde jagten sie heran - und eröffneten sofort das Feuer auf die Gleiter, die über der Stadt kreisten.

General Hartmann war nicht der einzige, der offensichtlich vollkommen überrascht wurde. Schon der erste Feuerschlag fegte ein Drittel der Moroniflotte vom Himmel. Die Schiffe explodierten, verwandelten sich in grell lodernde Feuerwolken oder torkelten hilflos und brennend zu Boden, wo sie in gewaltigen Explosionen vergingen. Überall in der zerstörten Stadt stiegen Flammenpilze in die Hohe, und die Druck- und Hitzewellen zerstörten alles, was den Lasersalven der Schiffe bisher noch entgangen war.

»Was ...?« stammelte Hartmann. Kyle machte eine rasche Handbewegung zu schweigen, und Hartmann blickte weiter verblüfft und fassungslos auf das unglaubliche Bild. Die neu aufgetauchte Gleiterflotte raste in einer perfekten Formation heran, überquerte den Fluß, wobei die Druckwelle, die sie hinter sich herzerrte, das Wasser wie unter einem gewaltigen Hammerschlag aufspritzen ließ. Immer mehr Gleiter explodierten oder stürzten brennend zur Erde, und an immer mehr Stellen in der Ruinenstadt brachen weißglühende Vulkane aus.

Der Kampf nahm für einen Moment noch an Heftigkeit zu, als die Angreifer ihre geschlossene Formation auflösten und sich jeweils zu zweit oder dritt auf einen der Gleiter warfen, die den ersten Angriff überstanden hatten. Aber er endete auch beinahe ebenso schnell, wie er begonnen hatte. Die Moroni setzten sich mit der Verbissenheit ihrer Spezies zur Wehr, aber sie hatten von Anfang an keine Chance. Die Überraschung und Entschlossenheit, mit der die Angreifer vorgingen, war so groß, daß von den weit über hundert Kampfmaschinen, welche die Stadt in Brand geschossen hatten, nur eine Handvoll entkam. Nicht einmal eine Minute, nachdem der plötzliche Überfall stattgefunden hatte, existierte keiner von ihnen mehr. Der Himmel über der Stadt hing noch immer voller riesiger, silberner Flugscheiben, aber der tödliche Feuerregen hatte aufgehört.

Trotzdem zog sich etwas in Hartmann schmerzhaft zusammen, als er das Bild auf den Monitoren betrachtete. Die Stadt brannte wie ein einziger, gewaltiger Scheiterhaufen. Die explodierenden Gleiter und brennenden Trümmerstücke hatten ganze Straßenzüge pulverisiert und gigantische Krater in den Boden gerissen, in dem rotglühendes Magma brodelte. Der Fluß kochte.

Erschüttert löste Hartmann seinen Blick von der Monitorwand und sah Kyle an. »Großer Gott«, flüsterte er. »Wer ist das? Das sind Moronischiffe! Es sind ihre eigenen Maschinen!«

Statt zu antworten, streckte Kyle plötzlich die Hand aus und berührte eine Taste unter einem der Monitore. Das Bild zoomte heran, und auch Hartmann beugte sich neugierig vor. Die Kamera zeigte einen Ausschnitt des östlichen Rheinufers. Das Wasser brodelte. Schmelzendes Gestein ergoß sich zischend in die Fluten und ließ Dampf aufsteigen, der das gegenüberliegende Ufer binnen Sekunden ihren Blicken entzog. Tausende von reglosen Insektenkörpern trieben im Wasser, und ebenso viele strebten in heller Panik vom Ufer fort. Die gewaltige Moroni-Armee, die noch vor weniger als fünf Minuten zum Sturm auf die wehrlose Stadt angetreten war, befand sich jetzt in kopfloser Flucht.

Hartmanns Blick wanderte zu einem anderen Bildschirm und suchte die Gleiterflotte. Die Schiffe schwebten reglos über der brennenden Stadt. Sie bildeten jetzt einen gewaltigen, weit auseinandergezogenen Kreis, in dessen Zentrum sich einer der wenigen Bereiche der Stadt befand, der noch nicht in hellen Flammen stand. Sie machten keine Anstalten, die fliehende Ameisenarmee zu verfolgen.

Aber das war auch nicht nötig. Hartmann sah wieder auf den Schirm, dem Kyles Aufmerksamkeit galt, und beobachtete etwas, das ihn im ersten Moment einfach nur verwirrte. Die Moroni-Legionen befanden sich immer noch in panischer Flucht, aber irgend etwas schien ihren Rückzug zu bremsen. Trotz der starken Vergrößerung konnte er keine Einzelheiten erkennen, aber er bemerkte zumindest, daß sich die Bewegung der riesigen Heeresmasse stetig verlangsamte.

Er stand auf, trat neben Kyle und versuchte, das Bild noch weiter zu vergrößern, erreichte damit aber nur, daß es unscharf wurde.

»Was geht dort vor?« fragte er.

»Etwas, das Sie hätten wissen müssen«, antwortete Kyle. Er deutete ein Kopfschütteln an. »Sie müssen sehr verzweifelt sein, wenn Sie es trotzdem versucht haben.«

Hartmann verstand kein Wort. Er beugte sich so weit vor, daß sein Gesicht fast den Bildschirm berührte und seine Augen zu tränen begannen. Die einzelnen Moroni waren auf dem Bild tatsächlich nur ameisengroß zu erkennen. Irgend etwas an ihren Bewegungen war ... nicht richtig. Sie rannten, wie nur Lebewesen rennen können, die um ihr Leben liefen, aber immer mehr und mehr von ihnen wurden plötzlich langsamer und blieben stehen. Dann sah Hartmann, daß an immer mehr und mehr Stellen plötzlich wütende Handgemenge unter den Moroni ausbrachen. Hier und da blitzte ein Laserschuß auf, aber die meisten Ameisen fielen einfach mit Armen und Beißzangen übereinander her und versuchten, ihre Gegner niederzuringen. Wie ein sich rasend schnell ausbreitendes Steppenfeuer griffen die Kämpfe immer schneller um sich, aber sie dauerten niemals sehr lange. Die Ameisen rangen sekundenlang miteinander, dann schienen sie plötzlich jegliches Interesse an ihrem Gegner zu verlieren und lösten sich wieder von ihm. Was um alles in der Welt ging dort vor!

»Ich glaube«, sagte Hartmann mit mühsam beherrschter Stimmen. »Sie sollten mir vielleicht das eine oder andere erklären, Kyle.«

»Das werde ich«, antwortete Kyle. »Aber nicht jetzt, Hartmann. Uns bleibt nicht mehr sehr viel Zeit. Kommen Sie.« Plötzlich lächelte er. »Wir müssen ein Sternenreich erobern.«


*


»Also ist alles wahr, was unsere Eltern erzählt haben«, sagte Stark.

Es war sehr still geworden in der langgestreckten, halbrunden Kuppel aus Stahl, in der er und seine Leute lebten, während Charity mit ruhiger Stimme und überlegten Worten erzählt hatte. Die Blicke des guten Dutzends Männer, Frauen und Kinder hatten gebannt an ihren Lippen gehangen und jede einzelne Wort aufgesogen. Jetzt breitete sich ein fast lähmendes Schweigen im Inneren des Space Shuttles aus. Charity unterbrach dieses Schweigen nicht. Sie hatte sehr lange geredet und dann geduldig jedes einzelne von Starks manchmal sinnlos scheinenden Fragen beantwortet. Der Führer war mit jeder Antwort, die er bekam, schweigsamer geworden; im gleichen Maße hatte sich der Ausdruck auf seinem Gesicht von Mißtrauen zu Bestürzung, dann zu vorsichtiger Erleichterung und schließlich zu Ehrfurcht und Staunen verwandelt. Obwohl Gurk und nach einer Weile auch Skudder sie immer ungeduldiger angesehen hatten, hatte Charity Frenchs Brüdern und Schwestern ihre ganze Geschichte erzählt. Daß sie zu jener Handvoll Astronauten gehört hatte, die damals, am Ende des 20. Jahrhunderts, das Sternenschiff von Moron entdeckt und ein Stückweit auf seinem Flug zur Erde begleitet hatte, daß sie zu jenen wenigen Überlebenden gehörte, die noch aus jener alten, von Morons Legionen hinweggefegten Welt stammte und daß sie mit Skudder und einem kleinen Haufen ebenso verzweifelter wie entschlossener Menschen schließlich den Widerstand gegen die Invasoren aus dem All aufgenommen hatte. Einiges hatte sie weggelassen. Sie hatte zwar erzählt, daß sie ein halbes Jahrhundert im künstlichen Winterschlaf verbracht hatte, aber sie hatte wohlweislich nicht gesagt, daß sie von Stone dazu gezwungen worden war. Und sie war auch sehr froh, daß keiner der Männer und Frauen eine Frage nach Gurks ungewöhnlichem Aussehen gestellt hatte. Gleichgültig, was sie sagten oder taten - für diese Leute waren sie Götter, und sie wollte nicht, daß sie im Moment schon begriffen, daß auch die Götter ebenso uneins und zerstritten waren wie vielleicht auch sie manchmal.

»Es ist also alles wahr«, sagte Stark noch einmal. Er sah Charity an, aber sein Blick schien geradewegs durch sie hindurchzugehen, und in seiner Stimme war ein bitterer Klang, den sie im allerersten Moment nicht verstand. »Die Geschichten, die mir mein Vater erzählt hat. Es gibt eine Welt, die ... größer ist als unsere hier. Ohne Spinnen und ohne die Raubzüge.«

»Ja«, antwortete Charity leise. »Es gibt die Erde. Meine Freunde und ich kommen von dort. Und wir sind weder Götter noch Geister und irgendwelche Überwesen. Wir sind Menschen wie Sie.«

Stark sah erst sie, dann French an, und Charity fügte hastig hinzu: »Was French erzählt hat, ist die Wahrheit. Trotzdem sind wir nicht unsterblich. Nicht einmal unverwundbar. Es war ...« Sie suchte einen Moment nach Worten.

»Ein Phänomen. Etwas, das wir selbst nicht richtig verstehen.«

Der Ausdruck auf Starks Gesicht wurde eher noch hilfloser, und Charity begriff, wie wenig er mit diesen Worten anfangen konnte. Aber wie sollte sie ihm etwas erklären, das sie selbst nicht genau verstand?

Niedergeschlagen und von einem Gefühl der Hilflosigkeit ergriffen, löste sie ihren Blick vom Gesicht des alten, grauhaarigen Mannes und sah sich um. Sie begriff erst jetzt, was Frenchs Hort wirklich war. Was sie für einen Teil der Orbit-Stadt gehalten hatte, auf den sich der Machtbereich der Moroni aus irgendeinem Grund nicht erstreckte, das war kein Teil der Orbit-Stadt, sondern die vierzig Meter lange Ladebucht des Space Shuttles. Eine große Tunnelröhre, in der mehr als ein Dutzend Menschen seit zwei Generationen lebten, Kinder zeugten und starben und in der jeder Tag ein neuer Kampf ums nackte Überleben war. Sie versuchte sich vorzustellen, wie das Leben dieser Handvoll Männer und Frauen ausgesehen hatte, aber ihre Phantasie kapitulierte vor dieser Aufgabe. Es mußte die reinste Hölle sein. Ein ganzes Leben eingesperrt in einem vierzig Meter langen Sarg aus graugewordenem Eisen, eine Welt ohne Morgen und Abend, ohne Jahreszeiten, ein Leben, in dem sich ein Tag an den anderen reihte, ohne irgendeine Möglichkeit, das Verstreichen der Zeit zu registrieren; lediglich die Raubzüge in die Orbit-Stadt boten eine Unterbrechung der täglichen Monotonie. Raubzüge, von denen nur zu viele nicht mehr zurückkehrten.

Es erschien ihr für einen Augenblick geradezu unvorstellbar, daß Menschen unter diesen Bedingungen überhaupt überleben konnten. Charity war plötzlich sicher, hätte sie mehr Zeit gehabt, sich mit der Lebensweise von Frenchs Brüdern und Schwestern zu beschäftigen, hätte sie rasch festgestellt, daß die hier entstandene Kultur kaum weniger fremdartig war als die der Moroni oder irgendeines anderen Volkes, das auf einem x-beliebigen Planeten der Galaxis leben mochte. Und es waren solche Momente, die immer wieder begreifen ließen, was die Invasoren von den Sternen den Menschen wirklich angetan hatten. Was zählte, das waren nicht die Millionen und Abermillionen, die gestorben oder vielleicht nie geboren worden waren. Ungleich schlimmer war das, was sie den Überlebenden angetan hatten. Ein Leben, das sich kaum mehr von dem wilder Tiere unterschied, die vom Tag ihrer Geburt an auf der Flucht waren und es blieben, bis sie starben. Sie dachte an Net und die Wasteländer, an Skudders ehemalige Bande, die Sharks, sie dachte an die sich frei wähnenden und doch gefangenen Bewohner von Paris und an die Jared. Und sie begriff, selbst wenn ihr Kampf Erfolg haben sollte, würde es nie wieder so werden, wie es gewesen war. Selbst wenn es ihnen gelang, die Bombe zu entschärfen, deren Zeitzünder kaum hundert Meter von ihnen entfernt tickte, selbst wenn es ihnen gelang, die Invasoren von Moron dorthin zurückzujagen, wo sie hergekommen waren - die Welt, wie sie sie kannte, war auf immer verloren.

Stark sah Charity plötzlich an, und zum ersten Mal stahl sich so etwas wie ein Lächeln in seine sonderbaren Züge. Bevor er etwas sagen konnte, hob Charity die Hand und machte eine befehlende, knappe Geste. »Ich kann mir vorstellen, wie ihr euch fühlt«, sagte sie. »Wahrscheinlich habt ihr tausend Fragen. Ich werde sie euch alle beantworten, aber nicht jetzt. Es ... bleibt nicht mehr viel Zeit.«

Sie sah aus den Augenwinkeln, wie Skudder überrascht die Stirn runzelte, während Stone mit hängenden Schultern dahockte und einfach ins Leere starrte. Sie war nicht einmal sicher, ob er ihre Worte überhaupt gehört hatte.

»Sie bringen uns zur Erde?« fragte Stark.

Vielleicht, dachte Charity. Sie spürte, daß sie schon wieder zu lange gezögert und den richtigen Moment verpaßt hatte, um ihre Antwort, gleichgültig, wie sie ausfiel, wirklich glaubhaft klingen zu lassen. Doch bevor sie endlich antworten konnte, berührte sie etwas am Arm. Sie senkte den Blick und sah in das Gesicht eines kleinen Kindes; sein genaues Alter oder sein Geschlecht vermochte sie aus der bleichen Totenkopfmaske seines Antlitzes nicht herauszulesen.

»Ist das wahr?« fragte das Kind. »Ihr bringt uns nach Hause?«

Etwas in Charity zog sich zusammen wie unter der Berührung eines glühenden Drahtes. Sie spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, und versuchte zu lächeln. »Ja«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Das müssen wir wohl.«

Sowohl Skudder als auch Gurk blickten sie erstaunt an, und zumindest Stark schien die Wahl ihrer Worte sehr wohl aufgefallen zu sein, denn in den Sturm von Gefühlen, der sich auf seinem Gesicht und in seinen Augen spiegelte, mischte sich wieder Erschrecken. Er sagte jedoch nichts.

Charity stand mit einem Ruck auf, fuhr sich mit einer fast zornig aussehenden Bewegung über die Augen und sah sich auffordernd um. »Gibt es einen Ort, an dem wir allein miteinander reden können?« fragte sie.

Allein die Tatsache, daß sie diese Frage laut und vor aller Ohren stellte, machte ein Gespräch unter vier Augen schon fast wieder überflüssig. Trotzdem nickte Stark, erhob sich ebenfalls und deutete nach vorn, wo sich der Durchgang zur Steuerkanzel und den eigentlichen Passagierbereichen des Shuttles befand. French wollte ihnen folgen. Stark gab ihm mit einer befehlenden Geste zu verstehen, zurückzubleiben, aber Charity bat ihn, mitzukommen, und nach kurzem Zögern stimmte Stark zu.

Die Luftschleuse, die die ehemalige Ladebucht mit den vorderen Teilen des Space Shuttles verband, war entfernt worden, und Charity bemerkte im Vorübergehen, daß einer von Starks Vorfahren umsichtig genug gewesen war, den Öffnungsmechanismus des Frachtraumes nicht nur völlig unbrauchbar zu machen, sondern die beiden gewaltigen Torflügel auch an einem Dutzend Stellen miteinander zu verschweißen. Sie gingen durch einen kurzen Verbindungsgang, der einmal zwei Türen gehabt hatte, die jedoch entfernt und durch Vorhänge aus undurchsichtiger schwarzer Plastikfolie ersetzt worden waren. Dicht hinter Stark betrat sie das Cockpit der Maschine und verschwendete fünf oder sechs weitere kostbare Sekunden darauf, sich umzusehen.

Sie hatte schon geahnt, was sie vorfinden würde. Sämtliche Fenster waren mit Platten aus Eisen verschweißt. Der allergrößte Teil der Instrumente war verschwunden, und Charity fiel auf, daß bei dem übriggebliebenen Rest sorgfältig alles Glas entfernt worden war; wahrscheinlich hatten Starks Leute es benötigt, um irgendwelche Werkzeuge daraus herzustellen. Sie mußte sich immer wieder vor Augen führen, daß diese Menschen hier zwar im Inneren eines der modernsten Fahrzeuge lebten, das irdische Technologie jemals erschaffen hatte, sich ihre Kultur trotzdem aber auf einem steinzeitlichen Niveau befand; Jäger und Sammler im Weltall.

Stark ließ sich in einer ganz selbstverständlichen Bewegung auf den Pilotensessel sinken und stand dann erschrocken wieder auf, aber Charity winkte ab. Sie wollte etwas sagen, kam aber nicht dazu, denn Skudder, der hinter ihr gebückt durch die niedrige Cockpit-Tür getreten war, ergriff sie plötzlich am Arm und zerrte sie fast mit Gewalt herum. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, daß Stark überrascht die Stirn runzelte.

»Bist du völlig verrückt?« schnappte Skudder. »Was ist in dich gefahren, hier den Messias zu spielen? Wir haben im Moment wirklich wichtigeres zu tun, als diesen ... diesen ...«

Er suchte einen Moment nach Worten, und Charity half ihm mit einem Lächeln aus, das ungefähr so warm wie ein Würfel aus gefrorener Luft war: »Menschen?« schlug sie vor.

Skudders Zorn schien eher noch zu wachsen. »Nenn sie, wie du willst«, sagte er. »Glaubst du wirklich, das wäre der richtige Moment, um sie ins Gelobte Land heimzuführen.«

»Sie können nicht hierbleiben«, sagte Charity.

»Verdammt noch mal, das weiß ich selbst«, antwortete Skudder. »Glaubst du, sie wären mir gleichgültig? Aber muß das unbedingt jetzt sein?«

»Ja«, antwortete Charity, aber Skudder schien ihre Antwort gar nicht zu hören.

»Sie haben fünfzig Jahre gewartet«, sagte er. »Glaubst du wirklich, es macht noch einen Unterschied, ob sie einen oder zwei Tage länger warten?«

»Nein«, antwortete Charity. »Das glaube ich nicht. Ich weiß es.«

»Wieso?«

In der allerersten Sekunde war Charity ehrlich verblüfft, erst dann erinnerte sie sich wieder, daß außer ihr vermutlich niemand Gurks Worte gehört hatte. Die riesige Hantel aus Neutronium, die sich praktisch nur einen Steinwurf von ihnen entfernt noch immer in irrsinnigem Tempo drehte, mochte Skudder verwirrt und erschreckt haben, aber er wußte nicht, was sie wirklich war. Plötzlich nahm sie ihm seinen Zornesausbruch nicht mehr übel. Mit einer sanften Geste wandte sie sich von ihm ab und blickte Abn El Gurk an. »Wieviel Zeit bleibt uns noch?«

»Woher zum Teufel soll ich denn das wissen?« fauchte der Zwerg.

»Ich habe dieses dämliche Ding hier weder gebaut noch aufgestellt, und ...«

Charity signalisierte ihm mit Blicken, sich zusammenzureißen, und zum Glück gehorchte der Gnom. Er brach ab, blickte nervös zuerst Skudder und dann Stark an und begann in verändertem Tonfall von neuem. »Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe so etwas niemals mit eigenen Augen gesehen. Ich habe davon gehört, und ich weiß in groben Zügen, wie sie funktioniert.«

»Du weißt eine Menge in groben Zügen, nicht wahr?« fragte Charity.

Ein spöttisches Glitzern erschien in Gurks Augen. »Das stimmt«, sagte er. »Ich hatte Zeit genug zu lernen.«

»Worüber redet ihr beiden eigentlich?« mischte sich Skudder ein.

Charity ignorierte ihn. »Eine ungefähre Schätzung würde mir reichen«, bat sie.

Sie war sicher, daß er es nicht tat, aber Gurk versuchte für einen Moment den Eindruck zu erwecken, als müsse er angestrengt nachdenken. Dann zuckte er heftig mit den Schultern. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Das Zeug hat eine unvorstellbare Massenträgheit. Das kann sich noch wochenlang drehen, ehe es knallt. Es können genausogut nur noch zwei Stunden sein.«

Charity erschrak. »Zwei Stunden?«

»Wahrscheinlich länger«, sagte Gurk hastig. »Aber egal, ob zwei Stunden oder zwei Tage, wir müssen hier weg. Und er«, er deutete auf Stark, dessen Gesichtsausdruck verriet, daß er kein Wort von dem verstand, was der Zwerg gesagt hatte, »und seine Leute auch.«

»Was zum Teufel ...?« begann Skudder erneut.

Charity unterbrach ihn sofort. »Jetzt nicht.« Sie warf Skudder einen fast beschwörenden Blick zu und drehte sich dann wieder vollends zu Stark um. Einen Moment lang suchte sie nach passenden Worten, dann begriff sie, daß es für eine solche Situation wohl keine passenden Worte gab. »Wir können nicht hierbleiben, Mister Stark. Und Sie und Ihre Leute ebensowenig. Das alles hier wird in wenigen Stunden vernichtet werden.«

Stark erschrak nicht sichtlich. Vielleicht begriff er gar nicht, was Charity wirklich gesagt hatte. »Zerstört?« fragte er nur.

»Ich fürchte ja«, antwortete Charity. »Ich kann es Ihnen im Moment nicht erklären, Stark. Ich kann Ihnen nicht einmal sagen, warum es passiert. Ich kann Sie nur bitten, mir zu glauben und mir zu vertrauen. Wir müssen Ihre Leute hier wegbringen. Schnell.«

»Wegbringen?« wiederholte Stark verstört. »Aber - aber wohin denn?«

»Fort«, antwortete Charity hilflos. »Vielleicht auf einen anderen Planeten. Vielleicht in ein anderes Schiff. Ich weiß es selbst noch nicht genau. Sie müssen alles für eine Evakuierung vorbereiten, Stark. Und das muß sehr schnell gehen.«

Sie sah und spürte, daß ihre Worte Stark nur in noch größere Verwirrung stürzten. »Gehen Sie«, sagte sie in eindeutig befehlendem Ton. »Gehen Sie zurück zu Ihren Leuten und sorgen Sie dafür, daß alles zum Aufbruch bereit ist, wenn wir hier fertig sind. Es dauert nicht lange.«

Einige Sekunden lang sah es so aus, als wollte Stark sich ihren Worten widersetzen, aber ihr beinahe schon überheblicher Ton tat seine Wirkung. Verwirrt stand er auf, ging zur Tür, blieb noch einmal stehen, um Charity anzusehen, und verließ schließlich das Cockpit, als sie nicht auf seinen Blick reagierte. French wollte ihm folgen, aber Charity hielt ihn mit einer Geste zurück.

»Also?« fragte Skudder. »Dürfte ich vielleicht jetzt erfahren, was hier gespielt wird?«

»Sicher«, murmelte Charity. Plötzlich hatte sie Mühe, überhaupt noch zu sprechen. Sie fühlte sich müde, so unendlich müde, daß ihr selbst das Reden zu anstrengend erschien. Es war alles so sinnlos. Sie versuchten, eine Springflut mit bloßen Händen aufzuhalten. Für die Dauer eines einzelnen, schweren Atemzuges stand sie mit geschlossenen Augen da, dann zwang sie sich, Skudder ins Gesicht zu sehen und zu antworten. »Es ist Stones Bombe, Skudder. Wir haben sie gefunden.«

Skudder erschrak. »Wo?«

»Du hast sie gesehen«, antwortete Charity. »Dieses riesige Ding, das in der Mitte der Station kreist.«

Skudder runzelte zweifelnd die Stirn. »Das soll eine ... eine Bombe sein?«

Charity zuckte mit den Achseln und deutete auf Gurk. »Jedenfalls behauptet er das. Übrigens glaubt er auch, sie wäre bereits gezündet.«

»Das ist sie auch«, verteidigte sich Gurk mit schriller, keifender Stimme. »Sie müßte so schnell rotieren, daß man nur einen Schemen sieht. Und selbst dann wäre es gefährlich.«

Charity lächelte humorlos. »Du hörst den Mann, der nur in groben Zügen weiß, wie die Waffe funktioniert.«

»Das stimmt auch!« rief Gurk. Er begegnete Skudders finsterem Blick und begann unruhig auf der Stelle zu treten. »Also gut, ich werde es versuchen«, sagte er schließlich. »Erinnert ihr euch an das komische Gefühl, als wir unter den Kugeln hindurchgekrochen sind?«

»Komisches Gefühl?« keuchte Skudder. »Ich hatte eher das Gefühl, in Stücke gerissen zu werden.«

»Und wenn du nicht aufgepaßt hättest«, antwortete Gurk giftig, »dann wärst du das auch. Die beiden Kugeln bestehen aus Neutronium. Sie sind schwer genug, daß dir ihre Gravitation den Kopf von den Schultern gerissen hätte, wenn du dumm genug gewesen wärst, ihn zu heben.«

»Gurk, bitte!« sagte Charity. »Jetzt ist wirklich nicht der Moment für deine dummen Sprüche.«

»Ach, was soll das?!« schnappte Gurk übellaunig. »Jetzt ist der Moment für gar nichts mehr. Das Ding wird hochgehen, und nichts und niemand kann das jetzt noch verhindern. Nicht einmal die Moroni selbst. Es nutzt weder uns noch irgendeinem anderen, wenn ich dir jetzt einen Vortrag halte, den du sowieso nicht verstehst.«

»Vielleicht doch«, sagte Charity. »Wir müssen sie entschärfen. Jede Kleinigkeit kann dabei helfen.«

»O sicher«, antwortete Gurk spöttisch. »Sie haben ganze Sternenreiche mit diesen Bomben aus dem All gepustet, aber Captain Charity Laird, die Retterin des Universums, wird zehn Minuten lang ihr Köpfchen anstrengen und eine Lösung finden, nicht wahr?«

Charity schluckte die zornige Antwort, die ihr auf den Lippen lag, herunter. Sie spürte, daß Gurks Aggressivität nichts anderes als Ausdruck seiner Angst war. Sie sagte nichts, und nach einigen Sekunden beruhigte sich der Zwerg wieder.

»Also gut. Das Prinzip ist im Grunde so primitiv, wie es nur sein kann. In den beiden Kugeln befinden sich zwei winzige, schwarze Löcher. Da sie nur ein paar hundert Meter voneinander entfernt sind, würden sie sich normalerweise gegenseitig anziehen, aber die Hantel rotiert schnell genug, um das zu verhindern.«

»Schwarze Löcher?« wiederholte Skudder irritiert. »Was soll das sein?«

»Ein Ausdruck aus der Astrophysik«, sagte Charity rasch. »Wir wußten damals auch noch nicht sehr viel darüber. Im Grunde nicht viel mehr, als daß es sie gab. Aber daß man sie als Waffe einsetzen kann, ist mir neu.«

»Paß mal auf, Rothaut«, sagte Gurk. »Ich will versuchen, es dir zu erklären. Im Grunde ist das ganz einfach. Du weißt, was eine Sonne ist?«

Skudder würdigte ihn nicht einmal einer Antwort.

»Ein Black Hole«, fuhr Gurk fort, »ist nichts anderes als eine Sonne, die schon vor ein paar Millionen Jahren den Löffel abgegeben hat. Sie bricht unter ihrem eigenen Gewicht zusammen. Sie beginnt zu schrumpfen, verstehst du?«

Skudder warf Charity einen hilflosen Blick zu. Sie mußte gegen ihren Willen lächeln, nickte aber. »Ich hätte es vielleicht etwas anders ausgedrückt, aber im Prinzip hat er recht. Es passiert nicht mit allen Sonnen. Manche explodieren, andere schrumpfen zu weißen Zwergen und schließlich Neutronensternen, aber einige brechen immer weiter zusammen.« Sie hob die Hand und schloß die Finger ganz langsam zur Faust. »Irgendwann wird die Anziehungskraft so stark, daß nicht einmal mehr das Licht ihr entkommen kann. Und der Prozeß geht immer weiter.«

»Ich ... glaube nicht, daß ich das verstehe«, murmelte Skudder.

»Niemand versteht es wirklich«, sagte Charity. »Worauf es ankommt, ist das Ergebnis. Versuch dir eine Kugel vorzustellen, die bequem in eine Hand paßt - und so schwer ist wie ein Planet.«

Skudder wurde noch eine Spur blasser. Abrupt schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er, »das versuche ich lieber nicht.«

»Aber genau das ist es, was sie dort draußen haben«, sagte Gurk düster. »Zwei winzige schwarze Löcher. Vielleicht nicht so schwer wie eine Sonne, aber mit der Masse eines kleinen Mondes. Das einzige, was sie davon abhält, sich immer schneller aufeinander zuzubewegen, ist die Fliehkraft in den Enden der Hantel. Und die wird jetzt immer schwächer.«

»Und ... was passiert, wenn sie ... nicht mehr ausreicht?« fragte Skudder.

Gurk grinste. »Dann werden die beiden hübschen kleinen Dinger dort draußen zwei ebenso hübsche kleine Löcher in ihre Hüllen bohren und aufeinander zuzufallen beginnen. Und wenn sie sich berühren ...« Wie Charity zuvor schloß auch er die Hand zur Faust und öffnete sie dann mit einem Ruck. »Bumm! Es wird einen hübschen Knall geben. Ich glaube nicht, daß von eurem Planeten noch sehr viel übrigbleiben wird.«

»Ist das ... wahr?« flüsterte Skudder entsetzt.

»Es ist wahr.«

Charity sah überrascht auf. Seit sie das Raumschiff betreten hatten, waren diese drei Worte beinahe das erste, was Stone sagte. Er starrte noch immer an ihr vorbei ins Leere, aber das Entsetzen in seinem Blick machte ihr klar, daß er jedes Wort gehört und verstanden hatte. »Und es gibt keine Möglichkeit, es noch aufzuhalten.«

»Unsinn!« widersprach Charity impulsiv. »Man kann alles aufhalten. Nicht einmal die Moroni sind so dumm, eine Bombe vor ihrer eigenen Haustür zu legen, die sie selbst nicht entschärfen könnten.«

»Was wissen Sie darüber?« fragte Skudder.

»Nichts«, murmelte Stone. »Weniger, als der Zwerg gerade erzählt hat. Ich wußte, daß es sie gibt, aber mehr auch nicht.«

»Aber Sie wissen, daß man sie nicht entschärfen kann?« fragte Charity zweifelnd.

»Sie sind so konstruiert«, sagte Stone. Mit einem Ruck hob er den Kopf und starrte sie an. Seine Augen wurden weit vor Entsetzen. »Begreifen Sie doch! Die Moroni fürchten nichts so sehr wie ihre eigenen Nachkommen. Sie kämpfen praktisch gegen sich selbst. Das Volk, das aus einem Sprung hervorgeht, weiß alles, was auch die Moroni wissen. Und es ist intelligenter. Rücksichtsloser. Zielstrebiger. Sie haben bewußt eine Waffe konstruiert, gegen die es keine Abwehr gibt.«

»Dann ... dann müssen wir weg hier«, sagte Skudder. »Charity hat recht. Wir müssen verschwinden, so schnell wie möglich.«

»Aber wohin denn?« fragte Stone müde. Seine Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. »Sie haben immer noch nicht verstanden, Skudder. Das da ist keine kleine Bombe, die diese Station hier zerstört. Oder eine Stadt oder auch ein Land. Die Explosion wird diesen Planeten pulverisieren und möglicherweise das ganze System zerstören.« Er deutete auf Gurk. »Hat er Ihnen die Geschichte seines Volkes nicht erzählt?«

Skudder nickte finster.

»Möglicherweise passiert das gleiche wieder. Vielleicht ist die Schockwelle groß genug, die Sonne zur Nova werden zu lassen. Auf jeden Fall wird sie ausreichen, sämtliches Leben in diesem System auszulöschen. Es gibt nichts, wohin wir fliehen könnten.«

»Aber ... aber da draußen sind Hunderte von Raumschiffen«, murmelte Skudder. »Und ... auf der Erde müssen Millionen von Moroni sein. Sie ... sie würden nicht ihre eigenen Leute ...«

»Du hast immer noch nicht begriffen, Rothaut«, sagte Gurk düster. »Sie würden die halbe Galaxis in die Luft jagen, um zu verhindern, daß die Jared auch nur einen einzigen Transmitter in die Hand bekommen. Das wäre nämlich mit großer Wahrscheinlichkeit ihr Ende.«

»Dann ... dann müssen wir das Ding zerstören.« Skudder kämpfte sichtlich um seine Selbstbeherrschung. Er wurde immer nervöser. Charity konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete.

»Vielleicht ... vielleicht reicht es, wenn wir eine der Kugeln sprengen. Du hast gesagt, daß sie nur explodieren, wenn sie zusammenkommen.«

Gurk lächelte matt. »Gut kombiniert. Ich sehe, du hast das Prinzip begriffen. Leider gibt es da einen kleinen Haken. Die beiden Kugeln bestehen aus Neutronium. Ich erspare mir die Mühe, dir zu erklären, was das ist. Aber glaube mir, du würdest sie nicht einmal mit einer Wasserstoffbombe ankratzen können. Selbst wenn es uns gelänge, ein Raumschiff zu kapern, könnten wir sie fünfhundert Jahre lang beschießen, ohne auch nur einen Brandfleck zu hinterlassen.« Er schüttelte heftig den Kopf.

»Was uns jetzt noch hilft, ist ein Wunder.«

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