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Ich beobachtete die beiden Sklaven, die in der Scheide steckende Hakenschlingen trugen. Die Ecken der Scheiden war mit blauem Farbstoff versehen.

»Die beiden sind Meister im Hakenklingenkampf«, sagte Cernus. Er blickte kaum auf, denn er spielte gerade mit Caprus, dem obersten Buchhalter seines Unternehmens.

Ich hörte eine Peitsche knallen, gefolgt von dem Kommando: »Kämpft!«

Ich warf einen Blick auf das Spielbrett. Ich hatte die Eröffnung nicht gesehen. Aus der Position der Figuren schloß ich jedoch, daß die Partie schon ziemlich weit fortgeschritten war. Cernus hatte ziemlich die Oberhand. Wahrscheinlich war er ein geschickter Spieler.

Eine blaue Linie erschien auf der Brust eines Kämpfers. Diese Zeichen galt als Punkt für den anderen. Die beiden Männer kehrten in entgegengesetzte Ecken des Rings zurück und duckten sich um auf das nächste Kampfkommando zu warten.

Ohne gebeten worden zu sein, hatte ich mich am Tisch Cernus' niedergelassen. Niemand hatte Einwände erhoben, doch schienen einige Höflinge angenommen zu haben, ich werde mich mit einem Platz an einem der Nebentische zufriedengeben. Ho-Tu setzte sich links neben mich.

Ein Schrei tönte aus der kleinen Arena herüber, und ein zweiter blauer Strich war erschienen, wieder bei dem Sklaven, der schon einmal ›verletzt‹ worden war, diesmal auf der Innenseite des rechten Arms.

Der Sklave mußte den Kampf nun mit dem linken Arm; fortsetzen. Ich hörte, wie sich die Wetten an den Tischen änderten.

Ich hörte Cernus sagen: »Ich nehme Heimstein«, und sah, wie sich Caprus niedergeschlagen zurücklehnte und auf das Brett starrte.

»Du hättest einen guten Berufsspieler abgegeben«, sagte er.

Cernus lachte vergnügt und sah mich an. »Spielst du auch?« fragte er.

»Nein«, entgegnete ich.

Cernus wandte sich wieder dem Brett zu, um ein neues Spiel zu beginnen.

Wieder tönte ein Schrei auf. Diesmal hatte jeder der beiden Sklaven einen Punkt erzielt.

Das Essen am Tisch des Cernus war gut, wenn auch einfach und ziemlich schwer. Es glich dem Hausherrn. Ich bekam Tarskfleisch und gelbes Brot mit Honig, dazu goreanische Erbsen und einen Krug mit Kala-na-Wein, mit warmem Wasser vermengt. Ho-Tu trank nur Wasser und einen dicken Weizenkeimbrei mit Boskmilch.

»Todesstoß!« hörte ich einen der Bewaffneten rufen. Ich sah, daß sich der offensichtlich bessere Kämpfer hinter den anderen geschwungen hatte und ihm sein Hakenmesser über die Kehle zog.

Der erste Mann, obwohl nur von einer blauen Linie verunstaltet, sank in die Knie. Zwei Bewaffnete eilten herbei und legten ihn in Fesseln. Aus einem mir unverständlichen Grund nahm der Ringaufseher die Hakenklinge des Unterlegenen, löste sie aus der Scheide und zog damit einen blutigen Striemen über die Brust des Verlierers. Es war keine schlimme Wunde, doch eine sinnlose Geste, wie mir scheinen wollte.

Der Sklave wurde fortgeführt, während der Sieger an einem entfernten Tisch Platz nahm und sich auf einen Teller stürzte, der mit köstlichem Fleisch gefüllt war.

Nachdem der Sport nun vorüber war, kamen Musiker in den Saal. Ich sah einen Czeharspieler, zwei Kalikaspieler, vier Flötisten und zwei Kaskatrommler.

Die goreanische Musik hat mir immer sehr gefallen, obwohl sie im ganzen etwas Wildes und Barbarisches hat. Elizabeth hätte an diesem kleinen Orchester ebenfalls ihre Freude gehabt. Ich lächelte vor mich hin. Sie würde heute abend nichts zu essen bekommen und mußte morgen früh zu den Trögen im Quartier der weiblichen Sklavinnen gehen, wo es wahrscheinlich nur Wasser und einfachen Kornbrei gab.

Als ich mein Quartier verließ – Ho-Tu ging bereits voraus – hatte ich mich noch einmal umgedreht und ihr einen Handkuß zugeworfen.

Wütend hatte sie vor der Couch gekniet, gefesselt und in Ketten gelegt, während ich loszog, um mit dem Herrn des Hauses zu speisen.

Wahrscheinlich war morgen früh mit ihr schlecht Kirschen essen, denn vorher kam ich wohl kaum in meine Räume zurück. Es ist nicht angenehm, die ganze Nacht gefesselt zu sein.

Doch ich mußte mir Elizabeth für den Augenblick aus dem Kopf schlagen, denn jetzt klang das Läuten von Sklavenglöckchen auf. Aus einem Seiteneingang eilten sieben Mädchen herein, die zwischen den Tischen niederknieten.

»Ich schlage Heimstein«, verkündete Cernus und setzte seinen Ersten Tarnkämpfer auf den Baumeister der Ubara Eins, wo Caprus den Versuch unternommen hatte, seinen Heimstein zu schützen. Der Heimstein ist übrigens kein offizieller Spielstein, da er selbst nicht schlagen kann, wenn er auch um ein Feld pro Zug verschoben werden kann; außerdem ist es vielleicht interessant zu wissen, daß er sich zu Beginn des Spiels noch nicht auf dem Brett befindet, sondern mit oder vor dem siebenten Zug auf irgendein Feld gesetzt werden muß, was als Zug gilt.

Cernus stand auf, reckte sich und überließ es Caprus, die Figuren einzusammeln.

»Paga und Ka-la-na sollen serviert werden«, befahl er. Jubelgeschrei wurde laut, und er machte kehrt und verließ durch eine Seitentür den Saal. Kurz darauf verschwand auch Caprus.

Jetzt begannen die Mädchen in den weißen Tuniken die anregenden Getränke zu servieren, und das Fest des Abends begann. Die Musiker spielten, und Sklaventänzerinnen in Vergnügungsseide traten auf und begannen zu tanzen.

»Die Mädchen sind nichts Besonderes«, sagte Ho-Tu. »Sie stehen erst im vierten Monat ihrer Ausbildung. Aber sie müssen ja mal üben, sie müssen ein Gefühl dafür bekommen, wie die Männer auf sie reagieren.

So lernen sie, woran Männer wirklich Freude haben. »Letztlich sind es also die Männer, die den Frauen das Tanzen beibringen.«

Es stimmte, daß die Mädchen noch keine große Erfahrung zu haben schienen, doch Ho-Tus Urteil erschien mir trotzdem zu kritisch.

Plötzlich verharrten die Mädchen, und die Musik stockte, auch das Gelächter und die Gespräche an den Tischen verstummten. Ein langer entsetzlicher Schrei gellte in der Ferne auf, der die Mauern des Hauses zu durchdringen schien.

»Spielt!« wandte sich Ho-Tu an die Musiker.

Gehorsam begannen die Musiker wieder zu spielen, und die Mädchen setzten sich in Bewegung, auch wenn man ihnen deutlich anmerkte, wie erschrocken sie waren.

»Was war denn das?« fragte ich Ho-Tu.

»Der Sklave, der beim Hakenklingenkampf verloren hat«, erwiderte der Aufseher und schob einen großen Löffel Brei in den Mund.

»Was ist mit ihm geschehen?«

»Er wurde an das Ungeheuer verfüttert.«

»Was für ein Ungeheuer?«

»Ich weiß nicht«, sagte Ho-Tu. »Ich habe es nie gesehen.«

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