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»Stelle mir dein erstes Schwert entgegen«, sagte ich, »auf daß ich ihn töte.«

Cernus aus Ar, aus dem Hause des Cernus, musterte mich. Sein großes Gesicht war ausdruckslos, seine Augen verrieten nichts, waren wie graue Steine. Seine großen Hände ruhten auf den Seitenlehnen des verzierten Stuhls, auf dem er saß – auf einer Steinplattform, die etwa dreißig Zentimeter hoch war und drei Meter im Quadrat maß.

Cernus aus Ar trug eine schlichte graue Robe, die wohl aus der Wolle der zweibeinigen Sprung-Hurt gewoben war. Wie mir zu Ohren gekommen war, unterhielt das Haus des Cernus Beteiligungen an einigen Hurt-Höfen in der Umgegend von Ar.

Nach meinen Worten gerieten die anwesenden Bewaffneten Cernus' in Bewegung. Einige Männer griffen sogar zu ihren Waffen.

»Ich bin das erste Schwert im Hause des Cernus«, sagte Cernus.

Ich stand in der großen Halle des Anwesens von Cernus. Es handelte sich um einen großen Raum, etwa zwanzig Meter im Quadrat und mit einer Decke, die rund fünfzehn Meter hoch war. An einer Wand waren ebenso wie in der Basis der Thronplattform Sklavenringe eingelassen.

Es gab keine Energiela mpen aus der Kaste der Baumeister. In den Wänden befanden sich statt dessen Fackelhalter, allerdings ohne Fackeln; Sonnenlicht strömte durch mehrere schmale vergitterte Fenster herein. Unwillkürlich mußte ich an ein Gefängnis denken, und das Haus des Cernus war in gewisser Weise tatsächlich ein Gefängnis, denn Cernus war der größte Sklavenhändler in Ar.

Um den Hals trug er ein Medaillon mit dem Wappen seines Hauses, einem Tarn, der einen Sklaven in den Klauen trägt.

»Ich bin gekommen«, sagte ich, »um mein Schwert dem Haus des Cernus anzudienen.«

»Wir haben dich erwartet«, sagte Cernus.

Ich ließ mir keine Überraschung anmerken.

»Wie ich höre«, fuhr Cernus fort, »hat Portus aus dem Hause des Portus vergeblich versucht, dich anzuwerben.«

»Das stimmt.«

»Sonst wärst du bestimmt nicht hier – denn in diesem Hause sind wir alle unschuldig.«

Er bezog sich auf das Zeichen, das ich auf der Stirn trug.

Es war erst die siebente goreanische Stunde, als ich in den Saal geführt wurde, doch Cernus hatte sich bereits um seine Geschäfte gekümmert.

Zu seiner Rechten saß ein Schriftgelehrter, ein knochiger, düsterer Mann mit tiefliegenden Augen, der Tafeln und Griffel vor sich liegen hatte.

Dieser Mann war Caprus aus Ar, der Oberste Buchhalter im Hause des Cernus. Er lebte im Hause und ließ sich selten in den Straßen der Stadt blicken. Bei diesem Mann war Vella untergebracht worden, nachdem ihre Registration und ihre Rapiere geordnet worden waren. Es hieß, daß Caprus ein Freund der Priesterkönige war, und es hatte keine Schwierigkeiten bereitet, Vella im Haus der Cernus zu plazieren.

Trotzdem fürchtete ich um ihre Sicherheit. Es war ein gefährliches Spiel.

»Darf ich fragen, für wen du das Zeichen des schwarzen Dolches trägst?«

Ich gedachte Cernus bis zu einem gewissen Grad einzuweihen, denn es war wichtig, wenn auch gefährlich, daß er die Gründe für meine Mission verstand. Nun war der Augenblick gekommen, gewisse Geheimnisse zu enthüllen, damit sie in Ar verbreitet würden.

»Ich bin gekommen, um Tarl Cabot aus Ko-ro-ba zu rächen.«

Verblüffte Ausrufe waren zu hören. Die Bewaffneten bewegten sich unruhig, tauschten nervöse Blicke. Ich hatte keinen Zweifel, daß sich die Neuigkeit innerhalb einer Ahn in ganz Ar herumsprechen würde, bis in die letzte Pagataverne und den fernsten Zylinder.

»In dieser Stadt«, sagte Cernus, »ist Tarl Cabot aus Ko-ro-ba als Tarl aus Bristol bekannt.«

»Ja«, sagte ich.

»Ich habe von ihm singen hören«, sagte Cernus. Ich beobachtete den Sklavenhändler eingehend. Er schien beunruhigt, wenn nicht sogar schockiert zu sein.

Zwei seiner Leute eilten aus dem Saal. Ich hörte sie in den Korridoren des Hauses rufen.

»Diese Neuigkeit ist bedauerlich«, sagte Cernus schließlich. Dann blickte er mich an. »Es dürfte in Ar nur wenige geben, die dir bei deiner Arbeit nicht alles Gute wünschen.«

»Wer hätte Tarl aus Bristol töten können?« rief ein Bewaffneter, ohne daß Cernus ihm Sprecherlaubnis gegeben hatte.

»Ein Messer auf einer hohen Brücke«, sagte ich. »In der Nähe des Zylinders der Krieger, zur zwanzigsten Ahn, in der Dunkelheit im Schatten der Lampen.«

Die Bewaffneten sahen sich an. »Anders wäre das auch nicht denkbar gewesen.«

Ich selbst hegte bittere Erinnerungen an die Szene – denn über diese Brücke war ein junger Mann aus der Kaste der Krieger geschritten, kaum eine Viertel-Ahn vor mir. Sein Schicksal war die Tatsache gewesen, daß er mir im Körperbau glich und auch sein Haar einen rötlichen Schimmer hatte, den man im Halbdämmer der Laternen verwechseln konnte. Der Ältere Tarl, der korobanische Waffenmeister, und ich hatten die Leiche gefunden, und dicht daneben hing an den Verzierungen einer Straßenlaterne ein grünes Stoffstück, das mit ziemlicher Sicherheit von der Schulter des überstürzt davonstolpernden Mörders gerissen worden war. Der Ältere Tarl hatte das Messer aus dem Rücken des Toten gezogen und mich angesehen. »Dieses Messer«, sagte er, »war für dich bestimmt.«

»Kennst du ihn?« fragte ich.

»Nein – bis auf die Tatsache, daß er ein Krieger aus der Stadt Thentis ist.«

Wir stellten fest, daß der Geldbeutel des Mannes unangetastet war; der Mörder hatte es also nur auf das Leben seines Opfers abgesehen gehabt.

Die Tatwaffe war ein Wurfmesser gewesen, wie es in Ar benutzt wurde, viel kürzer als die Quiva des Südens und nur auf einer Seite geschliffen.

Es war ein Messer zum Töten. In den Griff des Dolchs war eingraviert: Ich habe gesucht, ich habe gefundene »Die Kaste der Attentäter?« fragte ich.

»Unwahrscheinlich«, sagte der Ältere Tarl, »denn die Attentäter sind sich meistens zu gut für Gift.« Er deutete auf eine weißliche Verfärbung an der Spitze der Klinge.

Später hatten der Ältere Tarl, mein Vater Matthew Cabot, der Administrator Ko-ro-bas, und ich das Problem durchgesprochen. Wir waren sicher, daß dieser Anschlag auf mein Leben mit dem Sardargebirge zu tun hatte und mit den Priesterkönigen und jenen geheimnisvollen Unbekannten, jenen Nicht- Priesterkönigen, die Gor übernehmen wollten und heftig darum kämpften, wenn sie auch noch nicht begriffen hatten, wie sehr die Macht der Priesterkönige unter dem Nestkrieg des letzten Jahres gelitten hatte. Um Zeit zu gewinnen, ließen wir in der Stadt verbreiten, Tarl Cabot sei ermordet worden. Nun war ich nach Ar gekommen, doch ich wußte nicht, nach wem ich suchte.

»Kennst du den Namen des Mörders?« fragte Cernus.

»Ich habe nur das«, erwiderte ich und hob das zerdrückte grüne Stoffstück. »Das ist ein Mannschaftszeichen«, sagte Cernus. »Davon gibt es Tausende in der Stadt.« »Mehr habe ich nicht.«

»Auch dieses Haus steht für die Mannschaft der Grünen ein, wie gewisse andere Häuser und Institutionen der Stadt mit anderen Mannschaften assoziiert sind.«

»Ich weiß«, sagte ich, »daß das Haus des Cernus mit den Grünen sympathisiert.«

»Ich begreife jetzt, daß mehr hinter deinem Wunsch steht, dein Schwert meinem Hause zu verpflichten.«

»Ja«, sagte ich. »Es kann durchaus sein, daß der Gesuchte diesem Haus angehört.«

»Das ist allerdings sehr unwahrscheinlich, denn es gibt Tausende von Menschen, die die Grünen unterstützen, und sie stammen aus den verschiedensten Kasten. Auch der Administrator der Stadt und der Höchste Wissende stehen hinter den Grünen.« Ich zuckte die Achseln.

»Dennoch bist du in diesem Hause willkommen. Wie du weißt, herrschen schwierige Zeiten, und ein gutes Schwert ist eine gute Investition. Ich werde Aufträge für dich haben.« Er nickte mir zu. »Im Augenblick ist es mir jedoch schon wertvoll, dein Schwert nur in meinem Hause zu wissen.« »Ich erwarte deine Befehle.«

»Wie ich höre, hast du in der Taverne des Spindius vier Krieger aus dem Hause des Portus getötet«, sagte Cernus, als ich mich zum Gehen wenden wollte. Ich schwieg.

»Vier Goldstücke werden dafür in dein Quartier gebracht. Auch war zu hören, daß du eins meiner Mädchen auf der Straße aufgelesen hast.

Welche Nummer trug sie?« wandte sich Cernus an seinen Helfer Caprus.

»74 673«, sagte der Schriftgelehrte.

Ich hatte geahnt, daß die Sprache auf Vella kommen würde. So hatte ich sie angewiesen, bei ihrer Rückkehr in das Haus des Cernus lautstark darüber zu klagen, was ihr angeblich durch mich widerfahren sei. Ich war also nicht überrascht, daß der Buchhalter ihre Nummer bereits wußte.

Außerdem war sie ihm unmittelbar unterstellt, denn Caprus verließ selten das Haus und brauchte daher Sklaven, die Botengänge für ihn machten.

Da ich im Haus des Cernus eng mit Elizabeth zusammenarbeiten wollte, verließ ich mich etwas auf den unangenehmen Humor, den die meisten Sklavenhändler entwickelten.

»Hast du etwas einzuwenden?« fragte ich.

Cernus lächelte. »Unsere Ärzte haben festgestellt, daß sie nur ein Mädchen für die Rote Seide ist.«

»Ich hatte auch kaum angenommen, daß du ein Mädchen von Weißer Seide allein auf die Straße schicken würdest.«

Durch einen Seiteneingang wurde nun Elizabeth Cardwell, Vella, hereingeschoben.

»Heb den Kopf, Mädchen«, befahl Cernus.

Sie gehorchte, und ich hatte das Gefühl, daß sie wirklich zum erstenmal dem Herrn des Hauses Cernus gegenüberstand. Ihr Gesicht war bleich.

»Wie lange bist du schon bei uns?« fragte Cernus.

»Acht Tage, Herr.«

»Wie heißt du?«

»Vella, wenn es dem Herrn gefällt.«

»Wie ich sehe, trägst du das Brandzeichen der vier Bosk-Hörner.

Kassar, nicht wahr?«

»Nein, Herr, Tuchuk.«

»Aber wo ist der Ring?« Tuchukfrauen tragen in der Nase einen winzigen Goldring, der eine gewisse Ähnlichkeit mit den Eheringen der Erde hat.

»Mein letzter Herr hat ihn entfernen lassen«, erwiderte Elizabeth.

»Außerdem bin ich kein richtiges Tuchukmädchen. Ich stamme von den Inseln nördlich von Cos, wurde von Piraten nach Port Kar gebracht, an einen Tarnkämpfer verkauft und in Turia weiterveräußert an die Tuchuks.«

»Wie bist du dann nach Thentis gelangt?« fragte Cernus.

»Die Kassars haben die Wagen überfallen«, sagte sie. »Ich wurde entführt und später an Turianer verkauft. Ein Jahr später erreichte ich mit dem Sklavenwagen den Jahrmarkt Se'Var am Sardargebirge und wurde an das Haus Clark in Thentis verkauft, wo ich und viele andere das Glück hatten, vom Haus des Cernus aus dem Herrlichen Ar erstanden zu werden.«

Cernus lehnte sich zurück. »Ohne Ring glaubt dir niemand das Brandzeichen mit den vier Boskhörnern. Der Schmied soll dir wieder einen Ring anlegen!«

Elizabeth schwieg, und Cernus wandte sich an Caprus. »Ist sie ausgebildet?«

»Nein.«

Cernus musterte das Mädchen nachdenklich. »Dann soll sie voll trainiert werden.«

Elizabeth starrte ihn verblüfft an.

Damit hatte ich ebensowenig gerechnet wie sie. Wir schienen aber nichts dagegen machen zu können. Die Ausbildung, die für das Mädchen sehr anstrengend werden konnte, würde Monate dauern.

Andererseits fand sie wahrscheinlich im Haus des Cernus statt, so daß wir hoffentlich nebenbei die Zeit fanden, unserer eigentlichen Arbeit nachzugehen.

»Bist du nicht dankbar?« fragte Cernus erstaunt.

Elizabeth ließ sich auf die Knie nieder und sagte mit gesenktem Blick: »Ich bin dieser Ehre unwürdig, Herr.«

Nun deutete Cernus auf mich, zum Zeichen, daß sich das Mädchen umdrehen sollte.

Elizabeth gehorchte, hob die Hände vor den Mund und schrie auf, als hätte für sie plötzlich ein Alptraum Gestalt angenommen. »Er ist es!« rief sie erschaudernd.

»Wer denn?« fragte Cernus unschuldig.

»Das ist der Attentäter, mit dem ich in die Taverne des Spindius gehen mußte. Beschütze mich, Herr!«

»Du bist doch nur eine arme kleine Sklavin! War er grausam zu dir?«

»Ja!« rief sie. »Bitte strafe ihn, Herr!«

Ich mußte zugeben, daß Elizabeth eine vorzügliche Schauspielerin war.

»Gut«, sagte Cernus. »Ich werde ihn strafen, indem ich ihm eine untrainierte Sklavin ins Quartier schicke.« Er wandte sich an Caprus.

»Bis sie voll ausgebildet ist, wohnt 74 673 im Quartier des Attentäters.«

»Nein!« kreischte Elizabeth entsetzt. Gut gespielt.

Ich warf den Kopf in den Nacken und lachte, und Cernus tat es mir nach.

Auch die anwesenden Bewaffneten brachen in brüllendes Gelächter aus.

Ich machte kehrt und folgte dem Krieger, der mich in meine Unterkunft bringen sollte.

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