11

»Ich verstehe nicht, wie das hat geschehen können«, sagte Nela. Sie beugte sich über mich. Ich lag schläfrig auf einem dicken Handtuch, und ihre kräftigen Hände massierten das Badeöl in meine Haut.

»Die Tochter des Minus Tentius Hinrabius müßte doch sicher sein, sie am allermeisten.«

Wie die meisten anderen Mädchen hier in den Bädern kannte Nela heute kein anderes Gesprächsthema als das überraschende Verschwinden von Claudia Tentia Hinrabia, der stolzen und verdorbenen Tochter des Administrators. Es hatte den Anschein, als sei sie aus dem Zentralzylinder, aus den Privatquartieren des Administrators und seiner Familie entführt worden. Wie es hieß, war Saphronicus, der Anführer der taurentianischen Garde, außer sich vor Wut. Er organisierte Razzien überall in der Stadt und in der Umgebung und sammelte alle Berichte, die irgendwie mit dem Fall zu tun haben könnten. Der Administrator, seine engsten Berater und seine Familie hatten sich eingeschlossen. Die ganze Stadt brodelte vor Aufregung, und eine Flut von Gerüchten war in Umlauf. Auf dem Dach des Zylinders der Wissenden brachte der Höchste Wissende ein Opfer dar.

»Nicht so fest«, murmelte ich.

»Ja, Herr«, erwiderte sie.

Ich hielt es durchaus für möglich, daß Claudia Hinrabia entführt worden war. Obwohl das nicht die einzig mögliche Erklärung für ihr Verschwinden sein mochte. Wenn es auch auf Gor durchaus üblich ist, Frauen zu stehlen, um Sklavinnen aus ihnen zu machen, konnte ich mir doch nicht vorstellen, daß die Tochter des Administrators einen solchen Coup lohnen würde, wenn es nur um eine Sklavin ging. Immerhin galten die Taurentianer als geschickte und vorsichtige Krieger, so daß offenbar ein höherer Einsatz im Spiel war.

»Wahrscheinlich wird morgen eine Lösegeldforderung gestellt«, sagte Nela.

»Möglich«, knurrte ich.

Obwohl mich das Schwimmen und die Massage müde gemacht hatten, ging mir noch immer das Problem Marlenus im Kopf herum, den ich in der Arkade vor dem Rennplatz gesehen hatte. Gewiß wußte er von den Gefahren, die ihm drohten, wenn er in Ar entdeckt wurde. Er war des Todes. Ich fragte mich, was ihn wieder einmal in das Herrliche Ar gezogen haben mochte.

Wahrscheinlich hatte sein Auftauchen nichts mit dem Verschwinden des hinrabischen Mädchens zu tun, denn sie mußte etwa zu der Zeit entführt worden sein, als ich ihn im Stadion sah. Außerdem hätte ihm diese Tat die Rückkehr auf den Thron der Stadt sicher nicht erleichtert.

»Wieviel Lösegeld kann eine solche Frau bringen?« fragte Nela.

»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Vielleicht die hinrabischen Ziegelwerke.«

Nela lachte.

Sie war ein stämmiges Mädchen, etwas zu klein geraten. Ihr einziges Kleidungsstück bestand im Augenblick aus einem Handtuch. Ihre Augen waren hellblau wie Wasser. Sie war eine großartige Schwimmerin und trug ihr blondes Haar sehr kurz. Um ihren Hals trug sie anstelle eines Sklavenkragens ein Kettchen mit einem Schild. Darauf stand: ›Ich bin Nela aus den Capacischen Bädern. Becken der Blauen Blumen. Ich koste einen Tarsk‹.

Nela war ein teures Mädchen, obwohl es Becken gibt, an denen die Mädchen bis zu einer silbernen Tarnscheibe verlangen. Der Tarsk ist eine Silbermünze, die vierzig kupferne Tarnscheiben wert ist.

Ich hatte Nela vor einigen Tagen kennengelernt und mich schnell mit ihr angefreundet. Ihre Massage war stets entspannend, und sie wußte nett zu plaudern.

Es gibt zahlreiche Becken in den Capacischen Bädern, die nach Form und Größe sehr unterschiedlich sind, auch nach Ausstattung und Temperatur und Düften. Hier am Becken der Blauen Blumen war es angenehm kühl. Die Luft war mit dem Duft der Veminium-Blume angereichert, einer bläulichen Blüte, die vorwiegend in den Thentisbergen zu finden ist. Auch der Wandschmuck und die Darstellungen im Becken zeigten Veminiumblüten; darüber hinaus Waren zahlreiche Kästen rings um das Becken mit diesen Blumen gefüllt. Es gab viele kleine Nebenräume und Haine und Bänke zum Ausruhen.

Nela war seit ihrem vierzehnten Lebensjahr Sklavin. Zu meiner Überraschung war sie in Ar geboren. Sie hatte allein mit ihrem Vater gelebt, der bei den Rennen hoch verlor. Als er starb, wurde die Tochter zur Deckung seiner Schulden als Sklavin verkauft. Sie kam zuerst zu dem Pächter einer der öffentlichen Küchen in einem Zylinder. Ein Jahr lang hatte sie als Topfmädchen gearbeitet, doch schließlich hatte sie ihr Herr an die Capacischen Bäder veräußert und dabei noch einen Gewinn gemacht. Hier hatte sie sich zu ihrer Stellung hochgearbeitet.

Nun lag ich nachdenklich auf meinem Handtuch und überlegte.

»Ich hoffe«, sagte Nela, »Claudia Tentia Hinrabia wird zur Sklavin gemacht.«

Ich hob den Kopf und sah sie an. »Ist das dein Ernst?«

»Ja, sie ist frei und reich und von hoher Geburt – sie soll auch einmal spüren, wie es ist, keinen eigenen Willen zu haben.«

»Sie sollte dir aber leid tun«, sagte ich.

»Sie hat einmal einem Sklavenmädchen, das einen Spiegel fallenließ, Nase und Ohren abschneiden lassen«, sagte Nela.

»Woher weißt du das?«

Das Mädchen lachte. »Ich weiß alles, was in Ar vorgeht. Hier in den Bädern erfährt man manches.«

»Ist die Familie Hinrabia in Ar nicht beliebt?« fragte ich.

»Nein«, sagte sie leise, aber entschieden; ich spürte, wie sie prüfend umsah. »Sie ist nicht beliebt.«

»Und was ist mit Kazrak?«

»Er war ein guter Administrator«, sagte sie. »Aber er ist fort. Als ich noch ein kleines Mädchen war, als ich noch frei lebte, habe ich einmal Marlenus von Ar gesehen!«

»Oh?«

»Er war der Ubar aller Ubars«, sagte sie, und Ehrfurcht schwang in ihrer Stimme mit.

»Vielleicht kehrt Marlenus eines Tages zurück.«

»So darfst du nicht reden«, flüsterte sie. »In Ar kann so etwas zum Tode führen.«

»Wie man hört, hält er sich in den Voltai-Bergen auf.«

»Minus Tentius Hinrabius«, sagte sie, »hat ein dutzendmal Kriegertrupps in die Berge geschickt, um ihn ermorden zu lassen. Doch sie haben ihn nicht gefunden.«

»Warum will er Marlenus töten?« fragte ich.

»Er ist gefürchtet«, antwortete sie. »Man fürchtet, daß er nach Ar zurückkehrt.«

»Würdest du ihn gern wieder in Ar sehen?« »Er war der Ubar aller Ubars. Und ich bin in Ar geboren.« Ich ließ mich auf den Rücken rollen, nahm Nelas Handgelenke, zog sie herab und küßte sie. Ich sah keinen Grund, ihr zu sagen, daß ich an diesem Nachmittag, erst vor wenigen Stunden, Marlenus in Ar gesehen hatte.

Als ich die Badehäuser verließ, traf ich zufällig den Tarnzüchter, dem ich schon einmal begegnet war, als wir vor der Taverne des Spindius nebeneinander standen und dem Spiel des blinden Mannes gegen den Weinhändler zusahen. Der Mann war klein und hatte kurzgeschnittenes braunes Haar. Sein Gesicht war ziemlich massig und gedrungen, zu groß für seine Körpergröße. Ich sah, daß er ein grünes Stoffstück auf der Schulter trug.

»Wie ich sehe, trägst du jetzt das Rot der Krieger«, sagte er, »und nicht mehr die

schwarze Tunika der Attentäter.«

Ich schwieg.

»Ich weiß, daß Verkleidungen manchmal nützlich sind – wenn man auf der Jagd ist.« Er grinste mich an. »Es hat mir gefallen, was du damals bei dem Spiel getan hast. Du hast dem Spieler eine doppelte Tarnmünze gegeben.«

»Aber er hat sie nicht genommen«,, erwiderte ich. »Sie war schwarzes Gold, meinte er.«

»Und das stimmt ja auch«, sagte der Tarnzüchter. »Es stimmt ja auch.«

»Man kann damit genausoviel kaufen wie mit gelbem Gold.«

»Wenn du in der Nähe essen möchtest, kann ich dich vielleicht begleiten?« fragte der Mann. »Ich kenne da eine gute Taverne. Von den Grünen gehen viele dorthin.«

»Gern«, sagte ich. »Ich bin hungrig und durstig. Führe mich hin.«

Die Taverne lag ganz in der Nähe des Stadions und hieß passenderweise »Taverne der Grünen‹. Der Wirt war ein rotgesichtiger freundlicher Mann namens Kliimus. Die Vorhänge in den Alkoven waren aus grüner Seide – wie die Vergnügungsseide der Sklavinnen.

Es herrschte eine etwas gedämpfte Stimmung im Lokal, da der Tag für die Grünen nicht allzu positiv verlaufen war. Auch wurde neben den Rennen viel über das Verschwinden der Tochter des hinrabischen Administrators gesprochen. Offensichtlich waren zur Zeit der mutmaßlichen Entführung keine Tarns in der Nähe des Zentralzylinders gesehen worden, und den Berichten zufolge Waren auch keine Fremden in das Gebäude eingedrungen. Das Rätsel beschäftigte ganz Ar.

Der Tarnzüchter, der von den anderen Mip genannt wurde, brachte Bosksteaks und gelbes Brot, Erbsen, torianische Oliven und zwei goldbraune steife Suls, die aufgebrochen und mit geschmolzenem Boskkäse gefüllt waren. Mip war ein lebhafter Bursche, ein wenig zu sehr überzeugt von seiner Mannschaft, denn überall an seiner Kleidung zeigten sich grüne Spuren.

Mip schien aus irgendeinem Grund Gefallen an mir zu finden, und während wir den Abend hindurch beim Paga saßen, redete er viel – von den Mannschaften, über die Organisation der Rennen, über das Training der Tarns und ihrer Reiter, über die Hoffnungen der Grünen und der anderen Mannschaften, über bestimmte Reiter und Vögel. Ich ahnte bald, daß wohl kaum jemand in der Stadt mehr über die Rennen wußte als Mip.

Nachdem wir gegessen und getrunken hatten, schlug mir Mip auf die Schulter und lud mich ein, den Tarnstall zu besuchen, in dem er arbeitete, einen der großen Ställe der Grünen.

Ich freute mich über die Einladung, denn ich hatte noch nie einen Mannschaftsstall gesehen.

Der Stall gehörte zu einer Gruppe von sechs Ställen in einem großen und hohen Zylinder, in dem sich zahlreiche Büros und Schlafräume der Grünen Rennmannschaft befanden. Unterlagen und Vorräte und Wertgegenstände wurden in diesem Zylinder aufbewahrt, obwohl man in der Stadt noch drei weitere Zylinder unterhielt. Der Tarnstall, in dem Mip arbeitete, war der größte, und wie ich zu meiner Freude feststellte, war er der älteste Tarnzüchter und führte das Kommando. Der Stall selbst war ein riesiger Raum unter dem Zylinderdach, etwa vier gewöhnliche Stockwerke hoch. Die Tarnstangen bildeten ein riesiges geschwungenes Gitterwerk aus Temholz hoch über dem Fußboden und folgten der kreisförmigen Zylinderwand.

Viele Stangen waren leer, doch alles in allem befanden sich über hundert Vögel in dem Stall. Jedes Tier war an einem Stück Stange festgekettet, wurde jedoch mindestens einmal alle zwei Tage zu einem Übungsflug herangezogen. Trinkwasser wird durch Röhren in dreieckige Kanister in Reichweite der Stangen geleitet, Fleisch mit Stangen oder Ketten zugereicht. Selten kommt es vor, daß die Vögel im Stall freigelassen werden.

Kaum hatte Mip den Raum betreten, als er auch schon zwei Tarnstäbe von einem Haken nahm. Er reichte mir einen davon. Sich in einem Tarnstall ohne Stab zu bewegen, ist waghalsig. Mip, den seine Männer freundlich grüßten, machte seine Runde. Mit einer Beweglichkeit, die nur das Ergebnis jahrelanger Übung sein konnte, kletterte er auf den Temholzbalken herum, zuweilen zehn Meter über dem Boden, und überprüfte diesen und jenen Vogel. Ich folgte ihm, vielleicht nur, weil ich etwas betrunken war. Schließlich hatten wir eines der drei großen runden Portale erreicht, die vom Tarnstall nach draußen führen. Ich sah große Tarnstangen, die sich senkrecht vom Portal aus ins Freie reckten. Die Lichter Ars waren herrlich anzusehen. Ich trat auf die Tarnstange hinaus und blickte nach oben. Das Dach des Zylinders lag kaum drei Meter über mir. Die nächtliche Pracht Ars hat mich immer wieder in ihren Bann geschlagen, die Brücken, die Laternen, die hohen Türme, die unzähligen Lampen in den Fenstern der Zylinder. Ich rückte weiter auf die Tarnstange hinaus und spürte Mip ein wenig hinter mir, noch im Schatten, doch schon auf der Tarnstange. Ich blickte hinab und schüttelte den Kopf. Die Straße tief unter mir schien winzig. Ich sah die Fackeln von zwei oder drei Männern, die unten vorbeigingen. Mip rückte etwas näher heran.

Ich drehte mich um und lächelte ihn an. Er trat zurück.

»Komm lieber rein «, sagte er lächelnd. »Das ist gefährlich. «

Ich hob den Kopf und sah am Himmel die drei Monde Gors, den großen und die beiden kleinen. Dann kehrte ich in das Gebäude zurück.

Mip tätschelte den Schnabel eines Vogels, der offenbar schon älter war.

Sein Gefieder schimmerte rötlichbraun, die Kopffedern lagen flach an, der Schnabel war hellgelb mit weißen Flecken.

»Das ist der Grüne Ubar «, erklärte er und kraulte den Hals des Tiers.

Ich hatte schon von dem Vogel gehört. Er war vor einem Dutzend Jahren in Ar berühmt gewesen und hatte zu seiner Zeit über tausend Rennen gewonnen. Sein Reiter war Melipolus aus Cos gewesen, einer der großen Namen der Grünen Mannschaft.

»Kennst du dich mit Tarns aus? « fragte Mip.

Ich überlegte einen Augenblick. »Ja «, sagte ich dann.

Ich fragte mich, warum das alte Tier nicht längst getötet worden war.

Vielleicht hatte man es im Andenken an seine große Vergangenheit leben lassen. Andererseits waren die Geschäftsleute in einer Mannschaft kaum gewillt, einen unnützen Tarn durchzufüttern.

»Die Nacht ist schön «, sagte ich.

Mip lächelte mich an. Er balancierte auf den Temstangen entlang, bis er zwei Rennsattel mit Zügeln erreichte. Er warf mir einen herüber und deutete auf einen wachsam blickenden braunen Renntarn, der zwei Stangen entfernt saß. Die Rennzügel ähneln den gewöhnlichen Zügeln – ein Halsring und ein Sattelring, die durch sechs Riemen verbunden sind.

Der Unterschied liegt in der Straffheit der Schnüre zwischen den beiden Ringen. Der Sattel selbst ist winzig im Gegensatz zum gewöhnlichen Tarnsattel, der mit seinen Taschen, Waffenscheiden und Halteschlaufen ziemlich unförmig erscheint.

Mip ritt den Grünen Ubar; er sah gut aus in dem abgetragenen Sattel mit den kurzen Steigbügeln.

Wir befestigten unsere Sicherheitsgurte, die bei den Rennsätteln doppelt sind.

»Versuch den Tarn nicht zu lenken, ehe wir aus dem Stall sind «, sagte Mip. »Er muß sich auch erst an die Zügel gewöhnen. « Er lächelte. »Es handelt sich nicht um einen Kriegstarn. «

Mip, der kaum seinen ersten Zügel zu berühren schien, lenkte den alten Vogel auf die Stange hinaus. Das Tier bewegte königlich den alten Kopf; seine riesigen Flügel entfalteten sich, die alten Augen schimmerten. Mit ungeduldigen Flügelschlägen hüpfte mein Tier seinem Artgenossen nach.

Ich war aufgeregt, wie immer, wenn ich auf dem Rücken eines Tarn saß.

Auch Mip schien erfrischt, von neuem Leben erfüllt.

Wir starrten auf die Zylinder, Lichter und Brücken. Es war ein frischer, kühler Sommerabend. Die Sterne über der Stadt waren klar und hell.

Mip ließ seinen Tarn starten und steuerte ihn zwischen die Zylinder; ich folgte ihm.

Als ich zum erstenmal die Zügel betätigen wollte, erlebte ich eine Überraschung. Ich zog zu fest an, und der Tarn bog so plötzlich ab, daß ich in meine Gurte gepreßt wurde; die breiten schnellschlagenden Flügel des Renntarns gestatten Drehungen und Wendungen, die bei den schweren Kriegstarns undenkbar sind. Mit einem kleinen Ruck am zweiten Zügel führte ich den Vogel wieder nach oben und schloß mit Mip auf.

Die Lichter Ars, die Laternen auf den Brücken huschten vorüber, die Zylinderdächer wirbelten aus der Dunkelheit heran und fielen zurück.

Schließlich wendete Mip sein Tier, zog es zur Landung hinab und setzte es auf einer Stange über den höchsten Tribünen des Tarnstadions auf, in dem ich an diesem Nachmittag die Rennen beobachtet hatte.

Das Stadion war leer. Die Menschenmenge hatte sich verlaufen. Die langen, gewundenen Tribünenterrassen schimmerten weiß im Licht der drei Monde. Unrat lag herum, der vor den Rennen des nächsten Tages entfernt werden würde. Das lange Netz unter den Ringen war eingerollt.

Die angemalten hölzernen Tarnköpfe, die die Rennrunden anzeigten, ruhten düster und einsam auf ihren Masten. Der Sand des Stadions schimmerte hell im Mondlicht, ebenso die breite Trennwand. Ich blickte zu Mip hinüber.

»Warte hier«, sagte er.

Mip lenkte sein Tier in das gewaltige Oval hinab. Der Grüne Ubar bildete einen verschwommenen, dunklen Schatten vor dem hellen Sand und den Tribünen. Der Vogel ließ sich auf der ersten Startstange nieder.

Mit mächtigen Flügelschlägen startete der Tarn von seiner Stange – Mip hatte sich tief nach vorn gebeugt – und huschte auf den ersten Ring zu, den ersten der drei riesigen Metallvierecke vor den runden Ringen in der Kurve. Verblüfft sah ich das Tier die Hindernisse elegant nehmen und mit unglaublicher Geschwindigkeit auf der Gegenbahn zurückkommen, den Schnabel weit vorgereckt. Mip hing tief über dem Rücken. Er zog das Tier in einer weiten, ausschwingenden Schleife durch die drei runden Ringe, und es landete mit ausgestreckten Füßen auf der letzten Stange, im Ziel des Siegers.

Mip und der Vogel verhielten einen Augenblick, dann startete der Tarn erneut und hielt auf mich zu. Nach wenigen Sekunden landete Mip neben mir.

Wir schauten noch einige Ehn auf das Stadion hinunter und kehrten schließlich in den Tarnstall zurück.

Als wir die Vögel abgesattelt und angekettet hatten, trat ich noch einmal auf die Tarnstange, die aus der Außenmauer des Zylinders ragte.

»Dieser Abend hat mir Spaß gemacht, Mip«, sagte ich.

»Das freut mich«, sagte er.

Ich drehte mich nicht um. »Ich möchte dir noch eine Frage stellen«, sagte ich. »Aber du brauchst sie nicht zu beantworten, wenn du nicht möchtest.«

»Bitte sehr.«

»Du weißt, daß ich auf der Jagd bin.«

»Angehörige der Schwarzen Kaste jagen meistens. Es ist ihr Beruf.«

»Weiß du, ob in diesem En'Var ein Angehöriger der Grünen in Ko-ro-ba gewesen ist?«

»Ja.«

Ich wandte mich um.

»Ich weiß das nur von einem«, sagte Mip. »Ich war En'Var in Ko-ro-ba.«

In Mips Hand sah ich einen kleinen Dolch, ein Wurfmesser, wie es in Ar hergestellt wird; die Klinge war nur auf einer Seite geschliffen.

»Ein interessantes Messer«, sagte ich.

»Alle Tarnzüchter tragen Messer«, sagte Mip und spielte mit der Klinge.

»Heute nachmittag«, sagte ich, »sah ich bei den Rennen, wie ein Reiter mit einem Messer seine Sicherheitsgurte durchschnitt. Sein Vogel war abgestürzt.«

»Das hat er wahrscheinlich mit einer solchen Klinge getan.«

»Kannst du mit dem Messer umgehen?«

»Ja, ich glaube schon«, sagte Mip. »Ich könnte auf dreißig Schritte das Auge eines Tarn treffen.«

»Dann bist du sehr geschickt.«

»Kennst du dich mit solchen Messern aus?« wollte Mip wissen.

»Nicht besonders.» Ich gab mich gelassen, doch ich war auf das Äußerste angespannt. Ich wußte, er konnte das Messer werfen, ehe ich ihn erreichte, ehe ich das Schwert ziehen konnte. Die Höhe der Tarnstange über dem Boden war mir. bewußt.

»Möchtest du dir das Messer einmal ansehen?« fragte Mip.

»Ja.«

Mip warf mir die Klinge unter der Hand zu, und ich fing sie auf. Fast hätte mein Herzschlag ausgesetzt.

Ich untersuchte das Messer, prüfte seine Balance, den Griff, die schräge Klinge.

»Komm lieber herein«, sagte Mip. »Es ist gefährlich da draußen.«

Ich warf ihm das Messer zurück und balancierte auf der schmalen Stange ins Haus. Wenige Ehn später hatte ich den Zylinder verlassen und kehrte in das Haus des Cernus zurück.

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