Als aus den Wochen schließlich Monate geworden wären, wurde ich langsam nervös und ungeduldig. Mehr als einmal hatte ich selbst – obwohl das vielleicht nicht klug war – bei Caprus vorgesprochen, um ihn zur Eile anzutreiben oder ihn dazu zu bringen, mir einen Teil der kopierten Dokumente anzuvertrauen. Doch er lehnte immer ab. Diese Verzögerungen waren bitter für mich, aber ich schien wenig machen zu können. Er wollte mir nicht verraten, wo sich die Unterlagen und Karten befanden, und ich hatte auch nicht das Gefühl, daß ein offener Diebstahl Erfolg haben könnte.
Wurden die Papiere einfach gestohlen, konnten die Anderen mühelos ihre Pläne ändern. Ich mußte mir immer wieder vor Augen führen, daß Caprus ein alter Agent der Priesterkönige war, daß sogar Misk in den höchsten Tönen von ihm gesprochen hatte. Ich mußte Caprus vertrauen.
Ich wollte ihm vertrauen. Doch gegen meine Wut konnte ich nichts machen. Wir saßen im großen Saal des Hauses Cernus. Phyllis vollführte gerade den Gürteltanz mit einem Krieger. Musik schrillte durch die Halle. Neben mir schaufelte sich Ho-Tu Brei in den Mund, während Cernus wie üblich in ein Spiel mit Caprus vertieft war.
Ho-Tu deutete mit dem Löffel auf das Mädchen. »Sie ist nicht schlecht.«
Ich nickte und blickte auf die Tanzfläche. Phyllis Robertson, in eine kurze Sklaventunika gekleidet, wälzte sich vor ihrem Tanzpartner auf dem Boden.
»Sura leistet wirklich gute Arbeit mit ihr«, sagte Ho-Tu. Ich verfolgte den Tanz, in dem es um die Unterwerfung des Mädchens unter den Willen des Kriegers geht. Doch schon wurde meine Aufmerksamkeit wieder abgelenkt.
»Ich schlage Heimstein«, sagte Cernus zu Caprus, der hilflos die Hände ausbreitete und seine Niederlage anerkannte.
Mit mächtigem Trommelwirbel und Rasseln der Zimbeln ging der Tanz zu Ende.
Ich bemerkte Sura, die sich im Hintergrund hielt. Sie aß natürlich nicht in diesem Raum, denn sie war eine Sklavin.
Ich weiß nicht, wie lange sie schon dortgestanden hatte.
Cernus hatte das Ende des Tanzes verfolgt. Er blickte zu Ho-Tu, der ihm zunickte.
»Gebt ihr einen Kuchen«, sagte Cernus.
Einer der Männer warf Phyllis ein Stück Kuchen zu, das sie geschickt auffing. Dann eilte sie aus dem Raum. Ho-Tu wandte sich an Sura. »Sie macht sich gut«, sagte er. Sura warf den Kopf zurück. »Morgen arbeiten wir noch daran!« Ich nahm einen tiefen Schluck verdünnten Ka-la-na-Wein. In den vergangenen Monaten war ich den verschiedensten Tätigkeiten nachgegangen. Während der Rennsaison war ich öfter in das Stadion gegangen und hatte bei mehreren Gelegenheiten auch den kleinen Tarnzüchter Mip wieder getroffen, mit dem ich öfter essen gegangen war. Mehrfach hatten wir auch wieder Renntarns seines Stalls ausgeflogen. Er hatte mir sogar im leeren Rennstadion verschiedene Tricks gezeigt, die bei einem Rennen wichtig sind. Er schien viel davon zu verstehen, zweifellos wegen seiner Verbindung zu den Grünen. Ich lernte die idealen Bögen zum Durchfliegen der Kurven, die Techniken des Ausweichens und Blockierens, wobei man andere zwingen kann, einen Ring zu verfehlen oder an seinen Rand zu stoßen.
Das Rennen konnte so gefährlich und grausam sein wie die Spiele im Stadion der Klingen, wo Menschen gegen Menschen oder Ungeheuer antraten und oft bis zum Tode kämpften. Bei den Rennen, wenn die Reiter durch die Ringe drängten und um die Vormachtstellung kämpften, setzten sie manchmal die Tarnstäbe gegeneinander ein oder versuchten die Sicherheitsgurte der Konkurrenten durchzuschneiden. Mehr als Einmal war ein Mann erstochen worden, als die Vögel massiert vor den Eckringen um Durchgang und Position kämpften.
Öfters war ich auch in den Capacischen Bädern gewesen, manchmal nach den Rennen, um zu sehen, ob Nela frei war. Die kräftige kleine Schwimmerin gefiel mir immer mehr, und das Gefühl schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Auch schien das Mädchen alles zu erfahren, was sich in Ar tat. Die Spiele im Stadion der Klingen gingen mit dem Monat Se'Kara zu Ende, einen Monat nach der Rennsaison. Ich besuchte diese Spiele nur einmal und stellte dabei fest, daß mir das blutrünstige Spektakel nicht gefiel. Um den Einwohnern Ars nicht unrecht zu tun, möchte ich darauf Hinweisen, daß auch bei ihnen die Beteiligung und das Interesse an den Rennen weitaus größer war.
Die Spiele möchte ich nur andeutungsweise beschreiben. Sie geben mir wenig; es fließt mir zuviel Blut. Kämpfe werden arrangiert zwischen einzelnen bewaffneten Kämpfern oder zwischen Gruppen. Im allgemeinen nehmen Krieger an solchen Kämpfen nicht teil, sondern nur Angehörige niederer Kasten, Sklaven, verurteilte Kriminelle und dergleichen. Einige sind natürlich recht geschickt im Umgang mit der Waffe ihrer Wahl und können sich daher durchaus mit manchem Krieger messen. Die Menge sieht gern die verschiedenen Waffen gegeneinander antreten und ergötzt sich an den unterschiedlichen Kampfstilen. Keule und Kurzschwert sind vielleicht am beliebtesten, doch wenn man die Spiele drei oder vier Tage lang verfolgt, bekommt man auch fast jede andere denkbare Waffe zu sehen. Eine andere gern benutzte Kombination ist wie bei den überlieferten Spielen in Rom das Netz und der Dreizack. Gewöhnlich stammen die Anhänger dieser Waffen von der Küste oder von den Inseln des fernen Thassa, der See. Manchmal müssen Männer mit Helmen zum Kampf antreten, durch die sie ihre Gegner nicht sehen können. Oft müssen Sklaven bis zum Tode ringen oder sich mit nagelbesetzten Handschuhen verprügeln. Zuweilen müssen sich Sklavenmädchen gegen Sklavenmädchen zur Wehr setzen, womöglich mit Stahlklauen, die ihnen an den Fingern befestigt werden.
Zuweilen werden auch mehrere bewaffnete Mädchen gegen einen einzelnen Mann oder eine kleine Gruppe von Männern geschickt. Auch werden gern Tiere in das Stadion der Klingen gescheucht, und Kämpfe zwischen halbverhungerten und wütend gemachten Tieren sind an der Tagesordnung; manchmal bekämpfen diese Bestien andere Bestien ihrer Art, manchmal aber auch mehrere bewaffnete Männer oder Sklavenmädchen; manchmal werden zum Ergötzen des Publikums den Tieren Sklaven oder Verbrecher zum Fraß vorgeworfen. Die Ausbildung von Sklaven und Verbrechern für diese Kämpfe und der Erwerb und das Training der entsprechenden Tiere ist in Ar ein einträgliches Geschäft; es gibt Trainingsschulen für Menschen und Gehege, in denen die Tiere, auf Expeditionen gefangen und nach Ar gebracht, auf die unnatürliche Situation des Stadions vorbereitet werden, damit sie auch wirklich im entscheidenden Moment ihren Tötungsinstinkt entwickeln. Von Zeit zu Zeit – in diesem Jahr war das im Monat Se'Kara geschehen – wird die Arena überflutet, und ein Seekampf findet statt. Das Wasser wird dann mit allerlei unangenehmen Seetieren gefüllt, mit Wassertharlarions, Voskschildkröten und neunkiemigen goreanischen Haien, die in Tanks auf Flußbarken den Vosk heraufgebracht und später mit Wagen weitertransportiert werden.
Die Spiele und die Rennen sind in Ar beliebt, doch wie ich bereits andeutete, interessiert sich der Durchschnittsbürger mehr für die Rennen. Die Anhänger dieser beiden Spektakel, obwohl sie sich In ihrem Fanatismus nicht nachstehen, unterscheiden sich doch erheblich in ihrer Zusammensetzung.
Ich besuchte die Spiele nur einmal; dabei hatte ich das Glück, Murmilius kämpfen zu sehen. Er war ein außergewöhnlich großer Mann und ein überlegener Schwertkämpfer. Murmilius focht stets allein, niemals in einer Gruppe, und bei über hundertfünfzehn Kämpfen, manchmal drei oder vier Wettbewerbe am Nachmittag, war er noch nie unterlegen gewesen. Mir ist nicht bekannt, ob er ursprünglich Sklave gewesen ist, doch wenn das der Fall gewesen wäre, hätte er sicherlich seine Freiheit inzwischen zehnmal verdient; aber immer wieder kehrte er in den Sand der Arena zurück, das Schwert in der Hand. Wahrscheinlich war es das Gold des Sieges oder die Freudenschreie der Menge, die Murmilius immer wieder ins Sonnenlicht der Arena lockten.
Und doch war er ein Rätsel in Ar, und es schien wenig über ihn bekannt zu sein. Auf die Zuschauer bei den Spielen übte er eine merkwürdige Faszination aus. Vor allem tötete er niemals einen Gegner, obwohl seine Kontrahenten oft so zugerichtet waren, daß sie nie wieder kämpfen konnten. An dem Nachmittag, als ich ihn sah, verlangte die Menge brüllend den Tod seines Opfers, das blutüberströmt im Sand lag und zwischen seinen Beinen um Gnade flehte. Murmilius hatte nur sein Schwert gehoben, als wollte er den Mann töten, die Menge schrie auf, und Murmilius warf den Kopf in den Nacken und lachte, steckte das Schwert in die Scheide und verließ die Arena. Das Publikum hatte enttäuscht gemurmelt, doch als sich Murmilius vor dem Tor nach draußen noch einmal umdrehte, sprangen alle auf und feierten ihn begeistert, denn er hatte sich ihnen widersetzt, der Wille dieses hunderttausendköpfigen Wesens auf den Tribünen hatte ihm nichts bedeutet, und die Menge brüllte ihr Lob, bewunderte ihn, und er verschwand in der Dunkelheit der Räume unter dem Stadion. Sogar das Gesicht Murmilius' war nicht bekannt, denn er setzte nie den großen Helm ab, der seine Züge verbarg; Murmilius war unbestrittener Champion jener, die sich für die Spiele in Ar interessierten.
Claudia Tentia Hinrabia war fast zwei Monate in ihrer Zelle festgehalten worden, eine Zeit, die besonders Cernus genossen hatte. Jetzt war es schon einige Monate her, daß sie nach Tor gebracht worden war, wo sie den Gerüchten zufolge in der neunten Passage-Hand öffentlich verkauft wurde. Man nahm an, daß sie innerhalb von zwei Monaten wieder in Ar auftauchen würde. Ihr Verkauf war ganz offen vor sich gegangen, und es war anzunehmen, daß sie ihre neuen Herren von ihrer hohen Abkunft überzeugen konnte und von der Möglichkeit, in Ar ein hohes Lösegeld zu erzielen. Wenn es nicht dazu kam, wollte ein Agent Cernus' ein gutes Angebot machen, unter dem Vorwand, er sei von ihrer Identität überzeugt, und sie hastig nach Ar zurückbringen.
Die Zeit schien mir mit unglaublicher Langsamkeit zu vergehen. Ar liegt in Gors nördlicher Hemisphäre; die langen kalten Regenfälle des Winters, die Düsterkeit der Tage, der gelegentliche Schnee – das alles bedrückte mich. Jeden Tag ärgerte ich mich über die Zeit, die sinnlos verrann. Ich sprach wieder mit Caprus, der sich nun schon gereizt gab, seinen Standpunkt wiederholte und sich auf kein Gespräch mehr mit mir einlassen wollte.
Aus Langeweile verfolgte ich zuweilen das Training der Mädchen.
Suras Trainingsraum lag direkt neben ihrem Privatquartier. Er war mit Holz ausgeschlagen, hatte in einer Ecke eine Sandarena, ein Musikerpodest und mehrere Wandgeländer wie in einem Ballettraum.
Eine ganze Wand des Raums bestand aus einem einseitig lichtdurchlässigen Spiegel, durch den man das Training unbemerkt verfolgen konnte. Ich setzte mich jedoch meistens ganz offen in eine Ecke. Auch mehrere andere Männer ließen sich mehr oder weniger regelmäßig sehen. Meine Aufmerksamkeit galt besonders zwei jungen Kriegern, die noch nicht lange im Haus waren. Sie hießen Relius und Ho-Sorl. Sie machten einen sehr guten Eindruck und gehörten offenbar zu den Neueinstellungen der letzten Wochen. Das Personal war bewußt verstärkt worden, um für die Belebung des Geschäfts im Frühling gerüstet zu sein.
Höhepunkt des Geschäftsjahres für einen Sklavenhändler sind die fünf Tage der Fünften Passage-Hand, im Spätsommer, die allgemein das Liebesfest genannt werden. Dies ist die beste Zeit für Sklavenverkäufe.
Ich wußte, daß Cernus Elizabeth und die beiden anderen Mädchen bei dieser Gelegenheit verkaufen wollte. Es wird als glücksbringend angesehen, ein Mädchen zu dieser Zeit zu kaufen, die Preise sind also höher. Ich hoffte mich jedoch lange vor dem Ereignis mit Elizabeth und Caprus aus dem Haus Cernus absetzen zu können.
Das Ziel der anstrengenden Ausbildung war die Gewöhnung daran, sich als Sklavenmädchen zu sehen. Das Training erforderte Geduld, Zeitgefühl, Wendigkeit, Urteilsvermögen, Gehorsam, Schnelligkeit, Unterwürfigkeit. Und Sura war eine strenge Lehrerin. Mehr als einmal kam Elizabeth abends weinend in mein Quartier, überzeugt, ihre strenge Lehrerin niemals zufriedenstellen zu können.
In den Stunden, die Virginia und Phyllis nicht im Ausbildungssaal verbrachten – das tägliche Training umfaßte nur fünf Ahn – wurden sie besonders am Anfang intensiv mit der goreanischen Sprache vertraut gemacht. Elizabeth dagegen verbrachte ihre Freizeit bei Caprus im Büro.
Als die beiden Mädchen sprachliche Fortschritte machten, durften sie sich auch frei im Haus bewegen, was sie mit Begeisterung taten. Da Elizabeth die einzige war, die sozusagen ein Privatquartier hatte, kamen die beiden anderen so oft wie möglich in meinen Raum, wo Elizabeth sich mit ihnen auf Goreanisch unterhielt; sie ließ sich nicht anmerken, daß sie und ich Englisch sprachen. Bei diesen Zusammenkünften setzte ich mich oft ab, blieb aber auch einige Male dort. Elizabeth redete den Mädchen ein, daß sie mich nicht zu fürchten brauchten; sie brachte sie zu der Überzeugung, sie, Elizabeth, habe mir so gut gedient, daß sie im gewissen Grade meine Zuneigung gewonnen hatte. Sie wußte wahrscheinlich nicht, wie wahr das war.
Einmal, als die drei Mädchen in meinem Quartier zusammensaßen, hatte mich Virginia scheu angesehen und gefragt, ob ich den Namen des blonden Kriegers wisse, des Mannes mit den blauen Augen, der gelegentlich beim Training zusehe.
»Relius«, sagte ich.
»Oh«, erwiderte sie und senkte den Blick.
»Der Bursche, der ihn oft begleitet«, fügte ich hinzu, »heißt Ho-Sorl.«
»Der Häßliche?« fragte Phyllis. »Der mit dem schwarzen Haar und der Narbe im Gesicht?«
»Ich halte ihn nicht für häßlich«, wandte ich ein. »Aber du meinst sicher denselben. Er hat schwarzes Haar und eine Narbe auf der Wange.«
»Ich kenne ihn«, sagte Phyllis. »Er starrt mich immer so aufdringlich an.
Ich verachte ihn!«
»Ich hatte aber heute morgen den Eindruck«, sagte Elizabeth, »als wolltest du allein für ihn tanzen.«
»Das stimmt nicht!« versetzte Phyllis heftig.
»Und gestern«, sagte Elizabeth lachend und klatschte in die Hände, »als Sura ihn bat, aufzustehen, damit eine von uns ihm den Sklavenkuß geben könnte, bist du zuerst aufgesprungen.«
»Ich habe noch niemanden so schnell laufen sehen«, nickte Virginia.
»Das stimmt nicht!« rief Phyllis ärgerlich.
»Vielleicht kauft er dich«, sagte Elizabeth.
»Nein!« sagte Phyllis entsetzt.
»Glaubst du, daß wir im Curuleum versteigert werden?« wandte sich Virginia an mich.
»Das hat Cernus offenbar vor.«
»Ich möchte wissen«, sagte Virginia versonnen, »ob jemand wie Relius mich kauft.«
»Vielleicht«, sagte Elizabeth.
Das Training der Sklavenmädchen nahm seinen Fortgang. Es hatte nach den ersten Übungen mit Kleinigkeiten begonnen wie die Unterweisung im richtigen Stehen, Gehen, Knien, Vorbeugen, Essen und Trinken. Anmut und Schönheit sind nach Sura – und ich beugte mich gern ihrem Urteil – hauptsächlich eine Sache des Ausdrucks, sowohl des Gesichts als auch des Körpers. Woche für Woche konnte ich verfolgen, wie sich die Mädchen, sogar Elizabeth, veränderten. Manche Dinge, die ihnen beigebracht wurden, kamen mir recht dumm vor, doch ich vermochte keine Einwände zu erheben.
»Paß mal auf«, sagte Elizabeth eines Abends in unserem Quartier. »Hier ist die zwölfte Methode, ein Zimmer zu betreten.«
Ich paßte auf. Es war nicht schlecht, aber ich hatte die zehnte Methode lieber, wobei das Mädchen mit dem Rücken an der Tür entlangstreicht.
»Wie viele Methoden gibt es denn überhaupt?«
»Das ist je nach der Stadt unterschiedlich«, sagte Elizabeth. »In Ar sind wir führend – wir haben einhundertvier Methoden.«
Ich pfiff durch die Zähne und fragte: »Und was ist, wenn man einfach hindurchgeht?«
Elizabeth starrte mich an. »Hm«, meinte sie, »also einhundertfünf.«
Ein Großteil der Ausbildung galt häuslichen Verrichtungen. Eine gut ausgebildete Sklavin muß auch die Pflichten eines gewöhnlichen Turmsklaven versehen können, also schneidern und waschen und verschiedene Materialien und Gegenstände säubern können, sie muß vor allem eine Vielzahl von Mahlzeiten zubereiten können – von der groben Kost des Kriegers bis zu exotischen und meinem Gaumen fast ungenießbaren Mahlzeiten. Elizabeth brachte ihre Arbeiten oft mit ins Quartier, und es gab manchen Abend, da ich sehnsüchtig an das einfache Essen am Tisch des Cernus dachte oder gern eine Schale Brei gegessen hätte, wie Ho-Tu sie zu sich nahm.
Zum Glück wurde Elizabeth aber auch in einer Anzahl von Dingen ausgebildet, die ich für angemessen hielt – so lernte sie zahlreiche Tänze, Dutzende von Liedern und – eine unglaubliche Anzahl von Liebkosungen.
Meine eigenen Pflichten im Hause des Cernus waren während dieser Monate kaum nennenswert; gelegentlich mußte ich den Hausherrn begleiten, wenn er – was selten geschah – das Haus verließ. In der Stadt reiste Cernus in einer Sänfte, die von acht Männern getragen wurde. Das Gehäuse dieser Sänfte war völlig geschlossen und unter der gelbseidenen Außenhülle metallverstärkt.
Der Abend, da Phyllis Robertson während des Essens ihren Gürteltanz vorführte, war der letzte Abend der Elften Passage-Hand, einen Monat vor dem goreanischen Jahreswechsel. Die Ausbildung der Mädchen war in den letzten Monaten abgerundet worden und würde mit dem Abschluß der Zwölften Passage-Hand zu Ende gehen. Viele Häuser hätten die Mädchen dann im En'Kara, im ersten Monat des neuen Jahres, verkauft, doch Cernus wollte, wie ich gehört hatte, bis zum Liebesfest warten, das erst im Spätsommer stattfand. Für diese Entscheidung gab es eine Reihe von Gründen – von denen als erster die Preise zu nennen waren, die beim Liebesfest erzielt werden konnten. Dann war da die Tatsache, daß Cernus die Attraktion von Barbarensklaven auf dem Markt steigern wollte; soweit ich wußte, verfügte sein Haus inzwischen über hundert bis hundertfünfzig solcher Sklavinnen. Ich hatte Cernus nicht immer zu den Rendezvous begleitet, doch meines Wissens war inzwischen das Schiff der Anderen noch sechs- oder siebenmal in den Voltai- Bergen gelandet und hatte neue Fracht gebracht. Die Verzögerung im Verkauf würde den ausgestreuten Gerüchten über die Qualitäten der Barbarenmädchen Nahrung geben und das Interesse der Käufer anstacheln.
Phyllis hatte ihren Tanz längst beendet, und es war spät geworden, doch Cernus blieb lange an seiner Tafel und spielte mit Caprus ein Spiel nach dem anderen.
Einmal hob er lauschend den Kopf. Von draußen hörten wir das Sausen von Tarnflügeln, das bald wieder verklang. Er lächelte und konzentrierte sich wieder auf sein Spiel. Später vernahmen wir das Trappen marschierender Füße und das Klirren von Waffen draußen auf der Straße.
Kurz darauf sprang die Tür zum Saal auf, und vier Wächter eilten herein.
Die beiden ersten Krieger schleppten zwischen sich einen beleibten Mann in einer losen Robe, die ihn als Angehörigen der Metallarbeiter auswies. Doch das war nur eine Verkleidung.
»Portus!« flüsterte Ho-Tu.
»Kastenhilfe!« schrie Portus, befreite sich von den Wächtern, stolperte vorwärts und fiel vor der Holzplattform des Cernus auf die Knie.
Cernus starrte ungerührt auf sein Spiel.
»Kastenschutz!« flehte Portus.
Die Sklavenhändler gehören übrigens der Kaste der Kaufleute an, wenn auch ihre Roben unterschiedlich sind. Viele Sklavenhändler halten sich für eine unabhängige Kaste, was nach dem goreanischen Gesetz jedoch nicht zutrifft.
Wieder flehte Portus um den Schutz der Kaste.
»Störe das Spiel nicht«, fuhr Caprus ihn an.
Es kam mir unglaublich vor, daß Portus im Hause des Cernus Zuflucht suchte, denn es hatte zwischen den beiden Kaufleuten viel böses Blut gegeben.
»Sie haben meinen Besitz beschlagnahmt!« rief Portus. »Du hast nichts zu befürchten! Ich habe kein Geld mehr! Ich habe keine Leute!
Tarnkämpfer! Soldaten! Mit Fackeln und Seilen sind sie gekommen! Ich bin knapp mit dem Leben entkommen. Mein Haus wird vom Staat beschlagnahmt!«
Cernus hob die Hand, als wollte er seinen Ubar ziehen.
»Nur du in Ar kannst mich schützen!« fuhr Portus fort. »Ich überlasse dir den ganzen Markt der Stadt! Ich will nur mein Leben! Kastenschutz!«
Cernus lächelte Caprus zu und machte unerwartet einen anderen Zug.
Der Schriftgelehrte betrachtete das Brett einen Augenblick, lachte kurz auf und legte seinen Ubar um, zum Zeichen der Aufgabe.
»Ich war dein Feind«, sagte Portus, »doch jetzt bin ich nichts. Nur ein Kastenbruder, ein Niemand. Ich erflehe von dir Kastenschutz.«
Caprus blickte auf und musterte den Bittsteller. »Was war dein Verbrechen?« fragte er.
Portus rang die Hände und schwenkte heftig den Kopf. »Ich weiß es nicht!« rief er. »Ich weiß es nicht!«
»Legt ihn in Ketten«, befahl Cernus, »und bringt ihn in den Zylinder des Minus Tentius Hinrabius.«
Portus flehte um Gnade, doch zwei Wächter zerrten ihn fort.
Cernus erhob sich hinter dem Tisch. Er sah mich an und lächelte. »Ende En'Var«, sagte er, »bin ich Ubar von Ar, das laß dir gesagt sein, Attentäter.«
Und er verließ den Tisch.
Ho-Tu und ich sahen uns ratlos an.