11


Hartmann und Net hatten das Glück, bereits im dritten Anlauf einen unverschlossenen Gleiter zu finden. Die Moroni waren dabei gewesen, das große Diskusschiff zu entladen, als sich die Jared-Infektion unter ihnen verbreitet hatte. Eine Ameise lag reglos auf der Zugangsrampe, nur ein paar Meter entfernt, die Zangen noch immer um einen Transportbehälter geschlungen. Der Gleiter selbst war leer, eine Tatsache, die sie mit Erleichterung zur Kenntnis nahmen. Obwohl gelähmt, waren die Krieger noch immer gefährlich, und es wäre ihnen schwergefallen, einen von ihnen aus dem Gleiter zu entfernen.

Hartmann benötigte einige Zeit, ehe er sich mit den Kontrollen zurechtfand, während Net seine Verbände erneuerte. Die Wirkung der schmerzstillenden Medikamente begann nachzulassen, und vermutlich war der dumpfe Schmerz das einzige, was Hartmann noch auf den Beinen hielt. Der Weg zurück in die Halle hatte ihn erschöpft, ganz zu schweigen von der Begegnung mit seinen Gespenstern. Im Computerraum waren alle Bildschirme mit einem Wort beschrieben gewesen, als er hinter Net hergegangen war.

BEEILUNG

Er empfand nichts Tröstliches bei dem Gedanken, daß irgend etwas sie sorgfältig im Auge behielt. Bei Licht betrachtet, konnte er an seiner gegenwärtigen Lage überhaupt nichts Erfreuliches entdecken.

»Worüber denkst du nach?« fragte Net.

»Darüber, daß ich vor kurzem noch in so einen Gleiter hineingeklettert bin, um mich selbst, den Transmitter und alles andere in die Luft zu sprengen.« Er holte tief Luft. »Ist das wirklich erst zwei Tage her?«

»Was ist eigentlich passiert?«

»Ich habe Gespenster gesehen«, antwortete er.

Net warf ihm einen Blick zu, die Finger in einen Verbandstreifen verschlungen. »Diese Gespenster?«

»Sie haben irgendwie meine Waffe zerstört und mich zu Tode erschreckt.« Er fragte sich, ob sich Charity Laird darüber klar war, daß diese Gespenster mehr sein konnten als hilflose Illusionen in den Köpfen anderer Leute.

»Diese Gespenster machen dir zu schaffen«, sagte Net, als sie den letzten Druckverband angelegt hatte.

Hartmann zwang sich zu einen Lächeln. »Nun, sie haben mir das Leben gerettet.« Er faßte ihr Handgelenk. »Und dir auch. Es wäre ein sinnloser Tod gewesen.«

Das Mädchen sah ihn mißtrauisch an. »Ich denke, sie haben dich nur aufgehalten, weil es der falsche Zeitpunkt gewesen wäre«, sagte sie trocken.

Hartmann nickte nach einer Weile schweigend.

»Ich starte jetzt den Gleiter«, sagte er und griff nach den Kontrollen. Er ließ beide Türen der Zugangsschleuse geöffnet. Der Antrieb begann zu summen, und Scheinwerfer leuchteten den Hangar vor dem Diskus aus. Die Moroni lagen wie reglose Skulpturen auf dem Boden verstreut.

»Wenn ich daran denke, daß sie noch am Leben sind ...« sagte Net schaudernd.

»Denk nicht weiter darüber nach«, sagte Hartmann. Er nahm ihre Hand und drückte sie.

Sie lächelte. »He«, sagte sie, »du brauchst sie nicht ...«

»... gleich zu brechen.« Sie mußten lachen, und ein Teil der Anspannung fiel von ihnen ab.

Er zog den Gleiter langsam in die Höhe und ließ ihn über die nächste Reihe hinweg auf das Tor zu treiben. Das Schiebetor wirkte wie eine massive Wand aus Stahl, aber er wußte, daß die Laserkanonen des Gleiters die viele hundert Tonnen schwere Platte einfach auseinanderreißen würden. Er stoppte die langsame Drift, als sie noch etwa fünfundzwanzig Meter vom Tor entfernt waren, entsicherte die Waffensysteme und lehnte sich zurück, um zu warten.

»Wie lange wird es dauern?« fragte Net, und ihre Stimme bebte.

»Nicht allzu lange«, sagte er, um überhaupt irgend etwas zu sagen. Er hätte es selbst gerne gewußt. »Wenn nichts schiefgeht«, fügte er hinzu.

Im Zweifelsfalle würde die Explosion ohne Ankündigung erfolgen. Ihre Gehirne würden nicht einmal Zeit haben, den Lichtblitz wahrzunehmen, bevor sie in einer riesigen Hitzewolke vergingen.

Charity krallte sich instinktiv im Schutt fest, um zu verhindern, daß ihr eigener Schwung sie einfach weitertrug.

Skudder unterdrückte einen überraschten Ausruf. Hastig entsicherte Charity das Gewehr und sah sich um. Ihre Muskeln spannten sich, als sie den vernichtenden Feuerstoß von irgendwoher aus der Dunkelheit erwartete.

Nichts geschah. Sie winkte warnend zu Dubois und Harris hinüber und duckte sich wieder zwischen den Schutt. Sie waren noch etwa vierzig Meter vom Ende des Transportbandes entfernt. Vorsichtig spähte sie über die Felsbrocken hinweg. Eine Moroni-Ameise an einem Bedienungspult gestikulierte mit ihren vier Armen, während ein Dutzend weiterer Moroni damit beschäftigt waren, die an einem Träger befestigten letzten fünf Meter des Transportbandes an eine andere Stelle zu versetzen, vor die letzte große Lücke im Fundament des Transmitterpodestes.

»Was ist los?« zischte Skudder.

»Sie bauen um«, antwortete sie unterdrückt. Über ihnen begann das Transmitterfeld Wellen zu schlagen.

»Es geht los«, sagte sie und versuchte vergeblich, ihre Furcht zu unterdrücken. »Die nächste Schockwelle.«

»Und was jetzt?« fragte Skudder.

»Zieh den Kopf ein«, sagte sie und preßte sich an das Förderband. Über ihnen öffnete sich das Tor zur Hölle. Ein tödlicher Luftsog zerrte Trümmer und hilflos um sich schlagende Ameisen von der Podestfläche vor dem Transmitter, und ein Ausläufer berührte die Bodenfläche und schnitt eine weitere Lücke hinein, die sich von selbst zu schließen schien, als das Podest gleich darauf in sich zurückbrach. Risse zogen sich durch den Block, der nun unter gewaltiger innerer Spannung stehen mußte. Kopfgroße Stücke platzten aus dem Podest heraus und schnellten durch die Luft.

Der Ring schien zu wachsen. Eine Erschütterung lief von seinem Mittelpunkt aus durch die Luft, den Fels und Charitys Körper hindurch, erfaßte alles um sie herum, dehnte und streckte es, bis ihre Gelenke schmerzten. Auf der Akademie hatte sie sich während der Vorlesungen immer gefragt, wie ein unbeteiligter Beobachter ein Gravitationsbeben erleben würde. Nun hatte sie die Antwort, deren Kurzfassung lautete, daß es bei einem solchen Beben keine Unbeteiligten gab.

Der Schutt auf dem Band begann, in Richtung auf den Transmitter zu rutschen. Hilflos versuchte Charity, sich am Rand des Transportbandes festzuhalten. Einer der Scheinwerfer zerplatzte, und die Scherben stiegen auf wie ein glitzernder Insektenschwarm. Ihre Hand rutschte ab, und sie fühlte, wie sie in die Höhe gehoben wurde.

Im nächsten Moment war es vorbei. Mit einem ohrenbetäubenden Knall fiel das Übertragungsfeld in sich zusammen, und der unheimliche Sog endete abrupt. Sanft wie eine Feder senkte Charity sich wieder auf das Förderband.

»Glück gehabt«, keuchte sie. Skudder hatte eine für einen Indianer ungewöhnlich helle Gesichtsfarbe angenommen. Ihr selbst war so übel, daß sie sich beinahe in ihren Helm übergeben hätte.

»Wie lange noch«, brachte sie mühsam heraus. »Bis zum nächsten Mal, meine ich?«

Skudder sah sie entsetzt an.

»Ich nehme an, diese Frage galt mir«, teilte der Würfel mit.

Charity verdrehte die Augen. »Wie lange?« zischte sie.

»Fünf Minuten«, kam die Antwort.

Charity sah sich vorsichtig um. »Wir können hier nicht liegenbleiben«, sagte sie.

»Warten Sie«, sagte der Computer, als sie sich aufrichten wollte. »Ich glaube, ich kann einen Zyklus erkennen.«

»Und?«

»Geben Sie mir noch ein paar Sekunden Meßzeit.«

»Wir liegen hier wie ein Spanferkel auf der Servierplatte«, beschwerte sich Skudder. »Sollen wir etwa warten, bis uns jemand einen Apfel ins Maul stopft?«

»Das wäre in Ihrem Fall eindeutig eine Verbesserung«, antwortete der Würfel patzig.

Skudder öffnete den Mund und schloß ihn wieder. Charity biß sich auf die Lippen, um einen Lachanfall zu unterdrücken.

»Wollen Sie nun eine genaue Prognose, oder kann ich mir die Mühe sparen?«

»Du kriegst deine Messungen«, sagte Charity diplomatisch und blickte sich vorsichtig um. »Ich hoffe, daß wir so den Zündzeitpunkt bestimmen können.«

»Erinnern Sie mich nicht daran«, murmelte der Würfel.

Skudder hob den Kopf und spähte nach vorn. »Warum geht es nicht weiter?« fragte er gepreßt.

»Maschinenschaden«, antwortete sie ungehalten. »Woher zum Kuckuck soll ich das wissen? Ich liege genauso im Dreck wie du.«

»Dann schau mal nach rechts«, sagte Skudder.

Charity drehte sich langsam auf die Seite und spähte in die angegebene Richtung. In der hinteren Hälfte der Halle, die im Dunkeln lag, bewegte sich eine unförmige Gestalt, umgeben von mehreren Dutzend Kriegern. Zwischen den ausgebrannten Trümmern der Raffinerieanlage kam der Trupp langsam näher.

»Wir bekommen Besuch«, sagte sie tonlos.

Skudder nickte grimmig. »Die Beschreibung stimmt.«

Das Band setzte sich quietschend wieder in Bewegung. »Sobald wir am Ende ankommen, beginnt der Feuerzauber«, sagte Charity noch. »Ich übernehme den Moroni am Steuerpult.«

In dem Moment, in dem sie über die Bandkante hinweggetragen wurden, versetzte sie der Bombe einen kräftigen Stoß, der sie selbst ein wenig bremste. Die eigene Trägheit trug sie trotzdem in einem weiten Bogen über den Moroni-Bautrupp hinweg. Charity schaltete ihre Zieloptik ein, kam mit einer eleganten Rolle auf die Füße und stieß sich von der Podestwand sofort wieder ab. Der Moroni am Steuerpult der Transportbänder starrte ihr fassungslos entgegen. Sie rammte ihm den Gewehrlauf gegen den Schädel, und er kippte wie in Zeitlupe über die Pulte nach hinten.

Charity vergewisserte sich mit einem hastigen Blick, daß Harris und Dubois das Transportband verlassen hatten. Die Bombe lag zusammen mit dem Würfel auf der Podestfläche vor dem Transmitter. Rasch beugte sie sich vor und ergriff wahllos ein paar Hebel. Die Bänder stoppten nacheinander. Sie sah, wie Dubois, die sich einfach seitlich vom Band gerollt hatte, sich vom Boden abstieß und auf das Podest zutrieb. Wolken im nahen Infrarot markierten den Einschlag von Explosivgeschossen, und Hochrasanzgeschosse wurden zu Glühwürmchen, die auf Schnellbahnstraßen reisten. Einer der Hebel glitt über die Nullstellung hinaus, und mit kreischenden Motoren kehrte das vordere Transportband seine Bewegungsrichtung um.

Eine Lasersalve traf das andere Pult und verwandelte es in glühende Schlacke. Sie drehte sich herum, feuerte während der Drehung ein halbes Magazin in Richtung auf die Montagegerüste. Drei Moroni-Krieger wurden von dem Geschoßhagel erfaßt. Charity flankte über die Pulte hinweg und ließ sich in die Baugrube fallen. Skudder hatte vier der Ameisen erschossen, er kämpfte mit der fünften, während sich ihm zwei weitere von hinten näherten. Ihre Schüsse trafen die Moroni, ohne ihre Bewegung zu stoppen, und der Zweikampf wurde sekundenlang zu einem unübersichtlichen Standbild, bevor Skudder sich seines Widersachers entledigen konnte.

»Danke«, sagte er schwer atmend und rappelte sich wieder auf. Der Druckanzug hatte ein paar Schrammen abbekommen.

»Hier herauf«, sagte Charity und streckte die Hand aus. Skudder kam aus der Grube heraus und sah sich um.

Der Shait war innerhalb weniger Sekunden bis auf hundert Meter an sie herangekommen und befand sich nun im Lichtkreis der Scheinwerfer. Auf diese Entfernung wirkte er wie ein degeneriertes Höhlen-Flugwesen, eine Libelle mit undurchsichtigen Flügeln, die seinen großen Körper mit Sauerstoff versorgen sollten und ihm in dieser niedrigen Schwerkraft vielleicht sogar die Möglichkeit gaben, sich in der Luft zu halten. Der mächtige Körper, der mindestens sechs Meter in die Höhe ragte, war mit Panzerplatten bedeckt, die eine Art natürlichen Harnisch bildeten, und die vier großen Arme endeten in Krallen, die ineinander verschränkt waren. Der glatte, insektoide Kopf endete in zwei mächtigen Facettenaugen und zwei Bündeln verschieden langer, haariger Fühler. Hinter dem großen vorderen Thorax begann ein vielfach untergliederter Hinterleib, wie der segmentierte Körper eines angeschwollenen Hundertfüßlers, und Paare von kleineren Armen, noch immer so groß wie die eines ausgewachsenen Moroni-Kriegers, hingen wimmelnd herab. Sechs kräftige Beine trugen die riesige Masse vorwärts, wobei der Hinterleib über den Boden glitt auf eine Art, die an eine Schnecke erinnerte. Krallen durchsetzten den Wald armlanger Tentakel, hinter dem sich das Maul verbergen mußte.

Dieses Unwesen kann eine Königin überwältigen, dachte Charity. Sie war wie gelähmt.

Und auf der anderen Seite der Halle, zwischen verbogenen Stahlträgern und rußgeschwärzten Blechen, fing ein anderes Wesen einen vertrauten Geruch auf und erwachte schlagartig aus seinem Schlaf.

Jetzt, dachte es.

Der Shait blieb stehen und richtete sich auf. Betonplatten zerbrachen unter dem Griff der Beinklauen. Das Monstrum breitete seine Schwingen aus wie eine gewaltige Fledermaus. Die Haut glänzte wie nasses Leder und zuckte gleichmäßig. Der Kopf hing schwer zwischen dem dreifachen Paar pumpender, zuckender Flügel, und der Hinterleib krümmte und wand sich, als hätte er einen eigenen Willen.

Skudder rappelte sich auf die Knie und legte das Gewehr an, feuerte aus allen drei Läufen gleichzeitig. Wolken aus Fleisch und Hautfetzen spritzten auseinander, wallten auf, als Explosivgeschosse in der klaffenden Wunde explodierten, und darauf folgte die dumpfe Explosion der Gewehrgranate und legte Knochen und Panzerplatten frei. Hautlappen hingen auf den Boden herunter. Der Shait schrie, ein gellendes, in den Ohren schmerzendes Geräusch. Ungläubig beobachteten sie, wie das verletzte Fleisch zu schäumen begann und sich innerhalb von Sekunden regenerierte.

Daher stammt also die Unverwundbarkeit eines Megakriegers, dachte Charity erschüttert. Skudder begann wieder zu schießen, riß den oberen Thorax des Shait auf ganzer Länge auf, ohne die Bewegung des Wesens damit auch nur eine Spur zu verlangsamen. Mit drei raschen Schritten seiner sechs gedrungenen Beine glitt der Shait näher heran, zermalmte einen fahrbaren Scheinwerfer einfach unter sich und streckte sich weit nach vorn, um nach ihnen zu greifen. Skudder stieß Charity zur Seite und ließ sich nach hinten fallen, verfeuerte während des zeitlupenhaften Sturzes seine gesamte Munition in die wimmelnde Masse aus Tentakeln, die das Maul bildeten. Körperflüssigkeit und Fleischfetzen klebten auf Charitys Helmvisier, als sie wieder auf die Knie kam. Eine rasiermesserscharfe Kralle traf sie an der Hüfte und riß sie einfach von den Beinen. Die metallisch glänzenden Sichelkrallen schnellten hervor, erfaßten statt ihres Körpers das Gewehr, das sie instinktiv zwischen sich und ihren Gegner gebracht hatte, rissen es fort und zermalmten es in einer einzigen Bewegung. Charity hatte nicht einmal genug Zeit, die Augen zu schließen. Die gesamte Munition in den beiden Magazinen und im Werferrohr explodierte in einer Kettenreaktion, die nicht einmal eine Sekunde dauerte und den ausgestreckten Arm des Shait einfach in Fetzen riß.

Laserschüsse zerschmolzen den Beton um sie herum. Sie blickte sich hastig um und erkannte ein Dutzend Moroni, die auf sie zugerannt kamen. Die ganze Halle war in Bewegung. Irgendwo hinter den Moroni-Kriegern schien der Berg aus Trümmern in Bewegung zu geraten und barst auseinander. Charity spürte, wie der Boden vibrierte, und rollte sich instinktiv nach vorne ab. Irgend jemand feuerte ein paar Granaten in ein Baugerüst, und metergroße Stahlplatten kippten herunter und zermalmten einen Flügel des Shait. Das Monstrum reagierte, indem es mit einem Klauenschlag die Plattform zertrümmerte und den nackten Fels freilegte. Die gesamte Bodenplatte rutschte aus ihrer Halterung, neigte sich und stürzte mit einer Kante in die Lava. Charity verlor den Halt und glitt hilflos weiter, bis an die Lava heran. Die Hitze ließ ihr das Blut in die Wangen steigen. Der Boden schwankte, als der Shait sich zu ihr herabbeugte, während Charity noch immer auf die Lava zurollte.

Ein verbogener Doppelträger stoppte ihre Bewegung und brach ihr zwei Rippen. Ihr Helmvisier zersplitterte, und neben dem Schwefelgestank der Lava drang ihr ein seltsamer Geruch in die Nase und trieb ihr die Tränen in die Augen. Als sie aufsah, war das zuckende Maul des Shait keine zwei Meter mehr von ihr entfernt. Die verstümmelten Tentakel wanden sich aufgeregt.

Nein, dachte sie hilflos. Die beiden oberen der drei noch intakten Arme breiteten sich aus und streckten sich ihr mit alptraumhafter Langsamkeit entgegen. Sie hatte das Gefühl, daß die großen Facettenaugen sie geduldig beobachteten und jede ihrer Reaktionen in sich aufnahmen.

»Genieß es«, stieß sie hervor und riß ihre Waffe aus dem Gürtel. Die Geschosse trafen eines der riesigen Augen und ließen es zerplatzen. Das Maul öffnete sich weit und kam immer näher, und ihre Waffe blockierte, als das Ende des Ladestreifens erreicht war. Sie schloß die Augen.

Öffnete sie wieder. Der Shait verharrte regungslos, die tödlichen Klauen kaum eine Armlänge von ihr entfernt. Die einzige Bewegung war das unablässig pumpende Atmen seiner Flügel. Der Kampfeslärm verebbte. Es schien, als wäre die Welt plötzlich in durchsichtiges Harz gegossen worden, um diesen Moment für die Ewigkeit zu konservieren. Ein seltsam süßlicher, übelkeiterregender Geruch breitete sich aus.

Charity kam auf die Beine, tastete nach einem Ladestreifen für ihre Waffe und schaute sich um. Harris und Dubois knieten vor den Transportbändern, zielten auf den Shait, feuerten aber nicht, weil Charity mitten in ihrem Schußfeld stand. Charity sah, wie Skudder über die Kante der Baugrube kam und erschrocken innehielt. Er starrte nicht auf den Shait, sondern an ihm und ihr vorbei. Sie drehte sich um. Im Licht der Scheinwerfer stand ein Wesen, das auf den ersten Blick an einen übergroßen Moroni-Krieger erinnerte. Der dreigeteilte Körper lastete auf vier stelzenartigen Extremitäten, die vorderen Gliedmaßen endeten in zwei herabhängenden Zangenhänden. Der Körper schimmerte wie aus glattem, schwarzem Hörn, und der flache Kopf lief in einen gewaltigen Zangenkiefer aus, der einen Moroni-Krieger einfach in der Mitte durchtrennt hätte. Die Zangen endeten in scharfkantigen Stacheln, groß genug, um eine menschliche Hand aufzunehmen. Die Facettenaugen waren relativ klein und dunkelblau, und die Fühler hingen zu beiden Seiten des Kopfes und von den Endgliedern der Arme und Beine herab. Der hintere Thorax trug einen schildkrötenähnlichen Panzer, einen Rückenschild, der einen Teil des Oberkörpers überragte. Insgesamt wirkte die Kreatur wie ein drei Meter langer Käfer aus poliertem Obsidian.

Der süßliche Geruch verstärkte sich. Charity spürte, wie der Shait hinter ihr im Griff einer seltsamen Lähmung zitterte, und sie erkannte, daß das gewaltige Monstrum Angst hatte, Angst vor einem Gegner, dem es an Masse mindestens zehnfach überlegen war. Dieses Ding betäubt ihn, erkannte sie plötzlich, mit irgendeinem Duftstoff.

Charity begann, sich ganz langsam aus der Reichweite des Shait zu bewegen. Die aufgerissenen Klauen waren nur eine Handbreit von ihr entfernt, als sie zwischen ihnen hindurchging. Der linke Flügel lag größtenteils unter den Trümmern des brennenden Baugerüstes. Sie ging am Rand des Lavabeckens entlang. Blasen zerplatzten an der Oberfläche des glutflüssigen Gesteins. Charity wagte es nicht, sich umzudrehen und dorthin zu sehen, wohin sie die Füße setzte.

Die Raumpilotin blieb stehen und löste den Blick vom Shait, um die Käferkreatur anzusehen. Blaue Facettenaugen musterten sie mit insektenhafter Geduld. Die Farbe erinnerte sie an Hartmanns Bericht.

»Kyle?« sagte sie zögernd.

Das Wesen zeigte keine erkennbare Reaktion. Vorsichtig ging sie näher heran, entfernte sich dabei vom abrutschenden Rand des Beckens.

»Kyle?« fragte sie noch einmal. Ihre Hand schloß sich schwitzend um die Waffe.

Das Käferwesen legte den Kopf auf die Seite und öffnete die Zangen ein wenig. Erschrocken hielt sie den Atem an. Der Käfer neigte den Kopf in einer Geste ironischer Höflichkeit. Eine der beiden tödlichen Hände hob sich leicht, deutete eine Begrüßung an.

»Um Himmels willen«, flüsterte Charity.

Skudders Stimme riß sie aus ihrer Erstarrung. »Mach, daß du da wegkommst«, brüllte der Indianer.

Das Wesen richtete sich auf und blickte an ihr vorbei, in Skudders Richtung und auf den Shait, schenkte ihr keine weitere Beachtung. Charity fragte sich, wieviel von dem Megakrieger noch in diesem veränderten Körper vorhanden sein mochte. Der Käfer setzte sich in Bewegung, näherte sich langsam dem versteinerten Shait, der ihm hilflos entgegensah. Ein lauter, klagender Ruf hallte durch die Halle.

»Nicht schießen«, sagte Charity.

Skudder wich auf der anderen Seite an den Rand der Plattform zurück. »Verschwinde endlich«, sagte er. »Diese Fläche kann jeden Moment abrutschen und in die Lava fallen.«

Charity rannte los, an drei Moroni vorbei, die ebenso gelähmt wirkten wie ihr unheimlicher Gebieter, und nahm einem toten Krieger das Lasergewehr ab. Die Moroni hatten den Felsboden unter Plattformen auf stützenden Gerüsten verborgen, und zwischen der eingebrochenen und der nächsten Bodenplatte klaffte ein zwei Meter langer und drei Meter tiefer Spalt. Sie stieß sich von der Kante ab und rollte sich auf der anderen Seite ab, kam auf die Beine und schlug einen weiten Bogen in Richtung auf das Transmitterpodest.

Das Käferwesen hatte inzwischen den Shait erreicht. Es schob die kraftlosen Klauenarme beiseite und näherte sich dem unförmigen Kopf. Die Zangen öffneten sich. Durch die Gewichtsverlagerung hatte sich die Plattform noch weiter geneigt, und das untere Ende schmolz unter der Hitzeeinwirkung und tropfte zäh in die Lava. Die Plastikbeschichtung schwelte bereits, setzte einen ätzenden schwarzen Rauch frei, der die beiden unförmigen Gestalten einzuhüllen begann.

»Bist du okay?« erkundigte sich Skudder, als sie ihn erreichte. »Was ist mit deinem Gesicht passiert?«

Sie öffnete das zerbrochene Visier und berührte mit dem Finger ihre Wange. Die Feuchtigkeit darauf war Blut, kein Schweiß.

»Müssen Splitter gewesen sein«, sagte sie. »Wir müssen hier weg, solange die Moroni noch unter der Kontrolle dieses Käfers stehen.«

Skudder sah zu dem Shait und seinem Gegner hinüber. Die Zangen des Käfers hatten sich in den Kopf des Shait gebohrt, der sich noch immer nicht bewegen konnte. Es war totenstill in der Halle, und Charity glaubte, ein saugendes, schmatzendes Geräusch zu hören. Übelkeit breitete sich in ihrer Magengrube aus.

»Ein Räuber«, sagte sie. Die Beschichtung der Plattform stand plötzlich in Flammen, und der Brand breitete sich rasch aus. »Ich vermute, es ist ein natürlicher Feind der Spezies, nach der die Shait-Körper geschaffen wurden.« Sie packte ihn bei der Schulter und zog ihn mit sich. »Sobald er tot ist, werden die Moroni aus ihrer Lähmung erwachen.«

»Dann sollten wir uns beeilen«, sagte er.

Charity winkte den beiden Soldaten zu, die noch immer mit angelegten Gewehren die stille Konfrontation auf der Plattform beobachteten. Die Ausläufer der Flammen hatten inzwischen die beiden riesenhaften Kreaturen erreicht, und die Rauchschwaden verbargen die Einzelheiten.

Im nächsten Moment schrie der Shait gellend seinen Zorn heraus und bäumte sich auf, riß sich einfach aus dem tödlichen Zangengriff heraus, und seine Arme schlangen sich um das Käferwesen. Anscheinend hatten die Schmerzen der Verbrennungen den seltsamen Bann gebrochen. Die Plattform erbebte unter dem Zweikampf der archaischen Giganten und riß sich aus den letzten Verankerungen. Unaufhaltsam rutschte die Platte in die Lava hinab, keine fünfzehn Meter von ihnen entfernt. Wieder schrie der Shait, aber diesmal in Panik, bevor er halb in der Lava versank. Die tödliche Hitze überwog sogar die erschreckende Regenerationsfähigkeit des tyrannischen Parasiten.

Der unförmige Kopf hob sich über die Lava, und die verstümmelten Arme krallten sich in den spröden Fels des Beckenrandes. Charity starrte gebannt auf die trüben Facettenaugen und hatte das deutliche Gefühl, daß der Shait sie allein anstarrte. Der Käfer hing wie ein Stück Holzkohle am Torso des Shait, hatte sich in die Unterseite des Kiefers verklammert. Die Klauenarme brachen große Stücke Basalt aus dem Rand des Bassins, und der mächtige Körper rutschte noch etwas tiefer in die Lava. Der Panzer begann zu schmoren und verkochte, als das flüssige Gestein ihn berührte.

Charity riß sich gewaltsam los und deutete auf die Moroni, die verwirrt die Köpfe bewegten. »Es geht los«, sagte sie, gerade als der gewaltige Umriß des Shait sich noch einmal aufbäumte, bevor die Lava über ihm zusammenschlug. Sie schaltete ihr Funkgerät um. »Hartmann«, rief sie hinein, »holen Sie uns hier heraus.«

Das zwanzig Meter hohe Schiebetor zerplatzte unter dem Einschlag einer Laserbreitseite, und Trümmer wirbelten weit in die Halle hinein. Die Erschütterung ließ den Boden beben. Der hintere Teil der Halle brach plötzlich ein und versank in aufsteigender Lava. Das stählerne Gerippe der Raffinerie schmolz dahin, als wäre es aus Wachs gemacht.

Der Gleiter schob sich durch die glühenden Trümmerstücke des Tores halb in die Halle hinein. Die Moroni eröffneten sofort das Feuer, schossen mit erschreckender Heftigkeit auf den Gleiter und schnitten tiefe Kerben in die Panzerung. Es wimmelte plötzlich von Kriegern, die in ihrer anhaltenden Verwirrung auf alles zielten, was sich bewegte.

»Sie werden uns den Weg abschneiden«, rief Skudder aus.

Der Gleiter schwankte, als er von einer Laserkanone getroffen wurde. Charity blickte sich gehetzt nach einem Ausweg um. Ihr Blick fiel auf die Transportbänder.

»Los«, sagte sie und zerrte Skudder mit sich. »Hartmann, verschwinden Sie aus dem Kreuzfeuer«, rief sie, während sie geduckt auf das Steuerpult neben dem Band zurannten.

Die Laserwaffen des Gleiters brannten eine Feuerschneise, in die Trümmerlandschaft und zerfetzten die Laserkanone.

»Ich schieße Ihnen den Weg frei«, sagte Hartmann über Funk. Seine Stimme klang angespannt.

»Negativ«, rief Charity. »Hauen Sie ab. Die Moroni werden Sie in Stücke schießen.« Laserschüsse ließen den Gleiter taumeln, und an der Unterseite gab es eine kleine Explosion. Das Feuer, das bisher nahezu wirkungslos von der Panzerung abgeprallt war, konzentrierte sich jetzt auf die offene Schleuse. »Fliegen Sie zur Rampe, dorthin, wo die Transportbänder in die Halle abzweigen, und sammeln Sie uns dort auf. Haben Sie verstanden?«

Die Laser des Kampfgleiters schlugen in den Hallenboden ein, der in der Hallenmitte in mehrere Felsschollen auseinanderbrach, die auf der aufsteigenden Lava schwammen. Rauch nahm ihr die Sicht, und hinter einer aufsteigenden Wolke aus Explosionen zog sich der Gleiter schwerfällig durch das aufgesprengte Tor zurück und glitt in die schützende Dunkelheit des Hangars zurück.

»Wir werden die Transportbänder benutzen, Hartmann.« Charity winkte Dubois und Harris zu, die auf die näher kommenden Moroni feuerten. Dubois setzte drei Granaten zwischen sich und die Ameisen und rannte los. Harris folgte ihr. »Warten Sie an der Abzweigung.«

»Verstanden«, kam die undeutliche Antwort, gedämpft durch die Felsmassen und Hallenwände, die inzwischen schon zwischen ihnen liegen mußten. Charity zog sich zu den Pulten hoch und schob die Hebel über die Nullstellung hinaus bis an den Anschlag. Eines der Transportbänder war in den Boden eingebrochen, aber die anderen drei funktionierten noch.

»Was hast du vor?« fragte Skudder.

Charity grinste ihn an. »Das wirst du gleich sehen«, sagte sie. »Klapp doch mal dein Visier nach oben.«

»Warum?« fragte er verwirrt.

Sie schob seine Hand beiseite. »Deswegen«, sagte sie und öffnete seinen Helm, um ihn zu küssen.

Er sah sie an, als habe sie den Verstand verloren. »Du bist verrückt«, sagte er.

Der Kinnhaken traf ihn völlig überraschend. Er fiel wie ein Stein nach hinten, auf das leere Förderband, und verhakte sich mit dem Tornister im Bandgeflecht. Das Transportband riß ihn mit, bevor er seine Benommenheit überwinden konnte.

»Hinterher«, rief sie Dubois und Harris zu, die ohne Zögern auf das Band sprangen und sich daran festhielten. Ein paar Laserblitze zuckten über die Transportbänder hinweg. Charity las Skudders Gewehr und das erbeutete Lasergewehr vom Boden auf und sprang aus den Knien heraus in die Höhe, entleerte dabei die gesamte Munition in Richtung der näher kommenden Moroni, mit dem Erfolg, daß sich der Laserhagel nun auf sie konzentrierte. Sie warf das Gewehr weg und rollte sich auf das Podest vor dem Transmitter, preßte sich flach an den Boden, während die Schüsse über sie hinwegzuckten. Das Transportband verschwand mit seiner Last im Durchgangsstollen.

Die Bombe lag auf dem völlig leeren Podest, nicht einmal zehn Schritte vom Ring entfernt. Das Übertragungsfeld wogte lautlos. Laserschüsse schlugen hinein und wurden einfach verschluckt, erzeugten neue Störungen an der glatten Oberfläche. Sie spürte förmlich, wie die Katastrophe näherrückte.

»Wie lange noch, TACCOM?«

»Es hat schon angefangen«, sagte der Würfel nüchtern. »Der Höhepunkt wird viel stärker als beim letzten Mal.«

»Sicher?« fragte sie und duckte sich, als weitere Schüsse in das Transmittertor einschlugen.

»Ich hatte in den letzten Minuten einen Platz in der ersten Reihe«, versetzte der Computer sarkastisch.

Ein Moroni kletterte über die Podestkante. Sie feuerte mit dem Lasergewehr auf ihn, und die Ameise kippte nach hinten.

»Ich habe nachgedacht«, sagte der Würfel unvermittelt.

»Hervorragende Zeit, um damit anzufangen«, versetzte Charity und feuerte auf zwei weitere Ameisen.

»Tatsächlich bin ich durchaus in der Lage, die Bombe selbst zu zünden«, führte der Computer aus, unbeeindruckt von den Laserschüssen, die eine Handbreit über ihm die Luft zerschnitten.

Charity hielt inne und starrte in die Kamera. »Kann ich mich darauf verlassen?« fragte sie langsam.

»Habe ich Sie jemals enttäuscht?« fragte der Würfel beleidigt.

Sie dachte nach.

»Hauen Sie schon ab«, sagte der Würfel.

Charity mußte sich erneut ducken. Sie rollte sich an der Bombe vorbei und schoß eine Salve flach über den Boden. Das Podest begann zu beben, und in dem Ring hinter ihr begann ein mächtiger Pulsschlag damit, den Raum in sich hineinzuzerren.

»Hör mal«, begann sie, »es ...«

»Fünfzig Sekunden«, sagte der Würfel ungerührt.

Charity klappte den Mund zu und rollte sich über die Podestkante, stieß sich in Richtung auf die Transportbänder. Die Moroni ignorierten sie, stoben auseinander, als das Übertragungsfeld sich plötzlich wieder ausdehnte und nach der Hallendecke züngelte. Das Transportband kam näher, und Charity hielt sich mit beiden Händen fest, ignorierte den schmerzhaften Ruck in den Schultergelenken und begann, sich an den Bandmaschen weiter nach vorn zu ziehen, während sie lautlos zu zählen begann. Ihr Atem ging keuchend, und sie richtete sich auf und taumelte auf dem dahingleitenden Transportband weiter. Ihr eigener Herzschlag untersetzte ihren stummen Countdown mit seinem eigenen Takt. Die Plastikschürzen vor dem Durchgangsstollen rissen sie von den Beinen, und in nackter Panik griff sie nach dem Band und hielt sich fest. Dunkelheit schloß sie ein, und Charity spürte, wie das Felsgestein um sie herum zu beben begann.

Das Band trug sie weiter. Vor ihr war das Licht der großen Rampe zu sehen.

»Fünfzig«, sagte sie und schloß die Augen.

Wartete auf das Ende aus Licht und Hitze.

»Hihi«, bemerkte der Würfel über Funk.

Die Wut löschte alles andere aus. »Du Miststück«, tobte sie und richtete sich auf. Das Band beschrieb einen Bogen, und sie wurde von den Beinen gerissen und in den Tunnel hinauskatapultiert. Der Gleiter hing wie ein gewaltiger Rochen über den Transportbändern und setzte sich in Bewegung, die Rampe hinauf.

»Hartmann«, schrie sie mit sich überschlagender Stimme. »Wartet auf mich, verdammt.«

Jemand packte sie am Arm, und sie fuhr herum, um den vermeintlichen Gegner anzuspringen. Eine Faust traf sie unsanft unter dem Kinn und stoppte sie.

»Ich habe sie«, sagte Skudder liebevoll und zerrte sie in Richtung auf den Gleiter. Ein Erdbeben erschütterte den Tunnel. Lava floß aus dem abzweigenden Schacht und ließ die Transportbänder in Flammen aufgehen, die wie gespannte Seiten zerrissen. Die Beleuchtung fiel aus, und in der Dunkelheit erkannte Charity durch ihre Benommenheit hindurch den beleuchteten Innenraum der Gleiterschleuse. Skudder warf sie hinein und sprang hinterher.

»Wir sind drin«, rief er und schlug auf die Verriegelung.

Der Gleiter setzte sich in Bewegung. »Haltet euch fest«, rief Dubois.

»Fliegt sie diesen Gleiter?« fragte Charity undeutlich. Ihre Lippen waren geschwollen.

Der Gleiter schoß über die Lava hinweg, die Rampe hinauf, während sich die Schleuse langsam schloß. Die Laserkanonen ließen die mächtigen Torflügel am Ende des Tunnels aufglühen, aber die dicken Metallplatten hielten stand. Der Pilot schaltete auf Dauerfeuer, und der Rückschlag schüttelte den Gleiter wie ein Blatt im Wind. Charity schloß ergeben die Augen und entschied, daß die Frage damit beantwortet war. Die Laser hämmerten ununterbrochen auf die Torflügel ein, ohne daß die Geschwindigkeit des Gleiters zurückgenommen wurde, sprengten das gewaltige Tor im letzten Moment. In einer Eruption aus Metalltrümmern, Felsbrocken und entweichender Luft wurde der Gleiter in die riesige Blase hinauskatapultiert, verfehlte knapp den dunklen Umriß des Schaufelbaggers, wobei der Gleiterantrieb eines der großen Schaufelräder zerschmolz, und überschlug sich.

»Wir sind draußen«, sagte Skudder erleichtert, das Gesicht gegen den Boden gepreßt.

Der Boden erzitterte, und die riesige Masse des Schaufelbaggers brach plötzlich in den Boden ein. Im nächsten Moment öffnete sich unter ihnen die Hölle. Eine weißglühende Blase schimmerte durch den Boden, fraß sich in Sekundenbruchteilen an die Oberfläche und leuchtete durch die Wände des Gleiters. Die Tagebauanlagen, Abraumhalden und der massive Felsboden verdampften schneller als ein Atemzug, und zum ersten Mal war die gewaltige Höhle in ihrer ganzen Ausdehnung sonnenhell erleuchtet. Der Gleiter schoß an der Kapsel der KEEP COOL vorbei auf den Transmitter zu, dessen Kraftfeld sich öffnete wie eine blasse, wasserklare Blüte.

Im nächsten Moment waren sie an der Mondoberfläche, eine taumelnde Scheibe, die im harten Sonnenlicht schimmerte, während sie sich in einem langgezogenen Bogen emporschraubte und senkrecht in den Himmel zog. Die Hitzeblase der Megatonnen-Explosion griff durch das offene Transmittertor nach ihnen, verdampfte Mondgestein und Staub und erlosch.

Charity richtete sich auf und starrte Skudder an.

Er lächelte. »Das war ich dir schuldig«, sagte er.

Sie betastete vorsichtig ihr geprelltes Kinn. Sein Lächeln vertiefte sich.

Hinter ihnen dehnte sich der Mond wie eine überdimensionale Seifenblase und zerplatzte.

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