5

Nicht nur wegen Abu Duns Befürchtung, Domenicus und sein unheimlicher Verbündeter könnten das Ufer nach Überlebenden absuchen, brachen sie kurze Zeit später auf. Sie bewegten sich flussaufwärts, entgegen der Strömung, die sie ans Ufer getragen hatte. Wäre es nach Frederic gegangen, dann wären sie unverzüglich wieder ins Wasser gestiegen, um zur ›Möwe‹ und anschließend zum Drachensegler zu schwimmen und furchtbare Rache für den Tod der Delänys zu nehmen. Auch ein Teil von Andrej schrie nach Blut, so laut, das es ihm immer schwerer fiel, die Stimme zu überhören. Auch er wollte die beiden goldenen Ritter und vor allem Vater Domenicus tot sehen. Aber es wäre töricht gewesen, diesem Wunsch auf der Stelle nachzugeben. Schon, weil sie diesen Kampf verloren hätten.

»Was hast du jetzt vor?«, fragte Frederic, nachdem sie eine Weile unterwegs waren. Da sich der Nebel vollends gehoben hatte, waren nicht nur die beiden ungleichen Schiffe deutlich zu erkennen gewesen - auf der ›Möwe‹ und dem Drachensegler mußte nur jemand mit nicht einmal allzu scharfen Augen in ihre Richtung blicken, um sie sofort zu sehen, sodass sie gezwungen waren, sich im Schutz des Waldes fortzubewegen. Ihr Tempo war dadurch noch weiter gesunken.

»Ich meine, nur wenn die Frage gestattet ist und ich nicht zu unwürdig und dumm bin, um Kenntnis von deinen genialen Plänen zu haben«, fuhr Frederic in bösem Tonfall fort, als Andrej nicht sofort antwortete. Diese Worte waren die ersten, die er gesprochen hatte, seit sie aufgebrochen waren. Aber er hatte auf eine ganz bestimmte Art geschwiegen, die Andrej nicht gefiel.

»Du bist vor allem ein Kind, das sich am Rande einer Tracht Prügel bewegt«, sagte Abu Dun, als klar wurde, das Andrej auch jetzt nicht antworten würde.

»Lehrt man Kinder bei euch, so mit Erwachsenen zu reden?« Frederic würdigte ihn nicht einmal einer Antwort, sondern schenkte ihm nur einen verächtlichen Blick. Dann wandte er sich noch einmal und in noch herausfordernder Art an Andrej:

»Also? Was haben wir vor?«

»Etwas sehr Wichtiges«, sagte Andrej mit fast ausdrucksloser Stimme.

»Am Leben zu bleiben.«

»Oh«, machte Frederic in höhnisch gespielter Überraschung.

»Warum hast du das nicht gleich gesagt? Das ist also dein großartiger Plan?«

»Ja«, sagte Andrej.

»Das ist er.« Er war nicht einmal sonderlich wütend über den unverschämten Ton des jungen, aber er mußte sich trotzdem beherrschen, um ihm nicht die Tracht Prügel zu verabreichen, die Abu Dun ihm gerade angedroht hatte..

»Aber wenn du vor Tatendrang gar nicht mehr weißt, was du tun sollst, dann lauf in den Wald und such ein bisschen trockenes Feuerholz. Wir sind weit genug entfernt. Ich möchte rasten und meine Kleider trocknen.«

»Ein Feuer!«, höhnte Frederic.

»Was für eine wunderbare Idee. Damit man den Rauch von den Schiffen aus sieht und sie uns nicht erst umständlich zu suchen brauchen!« Andrej konnte ein Feuer entzünden, das ohne Rauch brannte, und Frederic wußte das sehr genau. Trotzdem antwortete er:

»Dann hättest du doch, was du dir wünschst.« Er schüttelte müde den Kopf und schnitt Frederic mit einer entsprechenden Geste das Wort ab, als dieser etwas erwidern wollte.

»Geh!« Natürlich gehorchte Frederic nicht sofort, sondern starrte ihn noch einen Moment aus trotzig funkelnden Augen an, aber dann wandte er sich um und verschwand mit stampfenden Schritten im Wald. Abu Dun sah ihm kopfschüttelnd nach.

»Warum legst du den Bengel nicht übers Knie und ziehst ihm den Hosenboden stramm?«, fragte er.

»Lass ihn«, sagte Andrej leise.

»Er ist verzweifelt, das ist alles. Es war seine Familie, die auf dem Schiff verbrannt ist.«

»Verzweiflung ist noch lange kein Grund, seinen Verstand abzuschalten«, knurrte Abu Dun.

»Man kann keine Rache üben, wenn man tot ist.« Statt zu antworten, deutete Andrej mit einer Kopfbewegung auf eine Gruppe halb mannshoher Findlinge in vielleicht hundert Schritten Entfernung, die fast bis ans Wasser heranreichten und durch eine Laune des Zufalls so angeordnet waren, das sie ihnen einen perfekten Sichtschutz zu den beiden Schiffen hin boten. Abu Dun runzelte die Stirn, widersetzte sich aber nicht, sondern folgte ihm zu der bezeichneten Stelle. Erst, als Andrej sich nach einem letzten sichernden Blick zu den Schiffen hin zwischen den Felsen niedergelassen hatte, knüpfte er an das unterbrochene Gespräch an.

»Diese drei Ritter, die Domenicus begleiten - sie sind wie du, habe ich Recht?«

»Zwei«, sagte Andrej ruhig.

»Es sind nur zwei.« Abu Dun setzte sich mit untergeschlagenen Beinen neben ihn und schüttelte heftig den Kopf.

»Du bist schlecht informiert, Hexenmeister«, sagte er.

»Du solltest deine Feinde kennen. Es sind drei. Ich habe sie selbst gesehen.«

»Sie waren zu dritt«, erwiderte Andrej.

»Ich habe einen von ihnen getötet.«

»Dann sind sie nicht unsterblich.«

»Doch«, sagte Andrej. Er wollte nicht reden, aber Abu Dun war offensichtlich nicht gewillt, einfach nachzugeben. Der Pirat machte ein verwirrtes Gesicht.

»Das verstehe ich nicht«, sagte er.

»Erst sagst du, sie sind wie du, und dann wieder ...« Er schwieg einen Moment und ein sonderbares Funkeln erschien in seinen Augen.

»Ich verstehe«, murmelte er.

»Das glaube ich nicht.«

»Ihr seid gar nicht unsterblich«, fuhr Abu Dun unbeeindruckt fort. »Man kann euch töten.«

»Vielleicht«, sagte Andrej.

»Aber bevor du jetzt etwas tust, was dich womöglich deinen Hals kostet, lass dir gesagt sein, das es nicht leicht ist, einen von uns umzubringen. Selbst ich kenne nur eine sichere Methode.«

»Würdest du sie mir verraten?«, fragte Abu Dun mit ernstem Gesicht. Andrej sah ihn kurz skeptisch an und mußte dann gegen seinen Willen lachen.

»Ich werde nicht schlau aus dir, Pirat«, sagte er.

»Was bist du? Dumm oder nur dreist?«.

»So ähnlich geht es mir auch«, antwortete Abu Dun grinsend.

»Ich verstehe allmählich die Welt nicht mehr. Bis jetzt habe ich geglaubt, das jeder Mann mit einem guten Messer zu töten ist. Dann habe ich dich kennen gelernt, und als wäre das nicht genug ...«, er suchte nach Worten, »... wimmelt es plötzlich rings um mich herum von Hexenmeistern, die nicht zu töten sind. Das ist verrückt!«

»Was willst du?«, fragte Andrej, noch immer mit einem leisen Lächeln in der Stimme, aber mit ernstem Blick.

»Wieso bist du noch bei uns?«

»Die Frage ist, was willst du?«, entgegnete Abu Dun.

»Ich bin jetzt ein mittelloser Mann. Das Schiff und seine Ladung waren alles, was ich besaß. Ich kann nicht einfach in meine Heimat zurückkehren.«

»Weil du ohne dein Vermögen und eine Bande von Halsabschneidern in deiner Begleitung nicht sicher wärst«, vermutete Andrej.

»Mir bricht das Herz, Abu Dun.« Der Pirat grinste noch breiter, aber die nässenden Brandblasen auf seinem Gesicht ließen das Grinsen eher zu einer erschreckenden Grimasse werden.

»Es tut gut zu wissen, das man noch Freunde hat.«

»Wir sind keine Freunde«, antwortete Andrej.

»Und du solltest dir das auch nicht wünschen, Pirat. Meine Freundschaft bringt nur zu oft den Tod. Wir werden uns trennen. Du kannst dich an unserem Feuer aufwärmen und deine Kleider trocknen, aber danach geht jeder von uns seiner Wege.« Abu Dun seufzte.

»Und wohin führen dich deine Wege?«

»Warum willst du das wissen?«, fragte Andrej.

»Es lohnt nicht mehr, uns auszurauben. Wir haben nichts mehr, was man uns noch nehmen könnte.«

»Jetzt bist du es, der mir das Herz bricht«, sagte Abu Dun seufzend. »Aber wer weiß ... vielleicht habe ich ja etwas, das du haben willst?«

»Und was sollte das sein?« Abu Dun schüttelte den Kopf.

»Nicht so vorschnell, Deläny. Wenn wir einen Handel abschließen, muss ich erst sicher sein, auch auf meine Kosten zu kommen. Ich kann es mir nicht mehr leisten, großherzig zu sein.« Andrej hatte bisher gar nicht gewusst, das Abu Dun dieses Wort überhaupt kannte. Und er war auch ziemlich sicher, das Abu Dun nichts hatte, was ihm oder Frederic von Nutzen sein konnte. Wahrscheinlich wollte der Pirat einfach nur im Gespräch bleiben. Aber was hatte er schon zu verlieren, wenn er ihm zuhörte?

»Was verlangst du? Vielleicht, das ich dich am Leben lasse?«

»Mein Leben? Das habe ich dir jetzt schon ein paar Mal abgeschachert. Eine Ware verliert rasch an Wert, wenn man zu leichtfertig damit wuchert.«

»Abu Dun!«

»Schon gut.« Der Pirat hob die Hände vors Gesicht, als hätte er Angst, das Andrej ihn schlug.

»Nun lass mir doch meinen Spaß. Handeln gehört nun mal zum Geschäft. Wo bleibt denn da der Spaß, wenn man vorher nicht ein bisschen feilscht?« Andrej war für einen Moment unschlüssig, ob er laut lachen oder Abu Dun die Faust auf die Nase schlagen sollte. Der Pirat amüsierte ihn, aber das durfte nicht sein. Abu Dun war ein Mörder und Sklavenhändler und vermutlich noch einiges mehr. Er durfte nicht zulassen, das ihm dieses Ungeheuer in Menschengestalt sympathisch wurde!

»Also gut«, sagte Abu Dun.

»Höre zuerst, was ich verlange. Ich will dich begleiten. Wenn schon nicht als dein Freund, dann als dein ... ach, such dir was aus.«

»Begleiten?«

»Begleiten?«, fragte Andrej noch einmal.

»Aber ich weiß ja selbst noch nicht einmal, wohin ich will.«.

»Siehst du? Das ist genau meine Richtung. Lass mich eine Weile mit dir ziehen. Ich verlange nichts.«

»Da du bisher auch nichts geboten hast, ist das ein fairer Preis«, sagte Andrej. Er begann allmählich den Spaß an dem Spiel und damit die Geduld zu verlieren.

»Vielleicht weiß ich ja, wohin du willst«, sagte Abu Dun.

»Du suchst Rache, nicht wahr? Ich kann dir dazu verhelfen.«

»Und wie?«

»Der Mann in der roten Rüstung.« Andrejs Interesse erwachte schlagartig.

»Der Drachenritter? Du weißt, wer er ist?«

»Nicht wer«, antwortete Abu Dun hastig.

»Aber was.«

»Verdammt, sprich endlich!«, herrschte Andrej ihn an.

»Wer ist dieser Mann? Woher kennst du ihn?«

»Was, nicht wer«, korrigierte ihn Abu Dun noch einmal.

»Die Ritter des Drachenordens. Sie kämpfen gegen Selics Truppen wie gegen alle Osmanen, aber man sagt, das sie auch ihre eigenen Landsleute abschlachten, wenn gerade keine Muselmanen zur Stelle sind.«

»Der Drachenorden?«, wiederholte Andrej. Er suchte konzentriert in seinem Gedächtnis, aber da war nichts.

»Von dem habe ich noch nie gehört.«

»Seine Männer sind berüchtigt für ihre Grausamkeit«, sagte Abu Dun.

»Man sagt, sie hätten noch nie eine Schlacht verloren. Aber es sind nicht viele.«

»Eine Schlacht?« Andrej verzog angewidert das Gesicht.

»Das war keine Schlacht, Abu Dun. Er hat meine Leute verbrannt wie ... wie Vieh!«

»So wie meine«, pflichtete ihm Abu Dun bei.

»Aber jetzt urteile nicht vorschnell, Deläny. Ich will ihn nicht verteidigen, aber wenn man zu sehr darauf versessen ist, den Falschen zu bestrafen, dann kommt der wirklich Schuldige vielleicht am Ende davon.« Für einen Mann wie Abu Dun war dies ein überraschend weitsichtiger Gedanke, fand Andrej. Er hatte nicht vergessen, was Domenicus gerufen hatte. Verbrennt die Hexen! Er würde es nie vergessen.

»Und wo finde ich diese ... Drachenritter?«, fragte er.

»Das ist es ja, was ich nicht verstehe«, sagte Abu Dun.

»Wir sind viel zu weit im Osten. Sie herrschen über einen kleinen Teil des Gebiets, das zwischen Ost-, Süd- und Westkarpaten eingebettet ist ... Die Sieben Burgen nennt ihr es, glaube ich.« Er meinte ganz offensichtlich Siebenbürgen, den östlichen Teil der Walachei, dachte Andrej, der von einigen Menschen auch Transsilvanien genannt wird: Das Land jenseits der Wälder.

»Was tut der Ritter dann hier?«

»Das ist eine interessante Frage«, sagte Abu Dun.

»Auch ich weiß nicht viel über die Drachenritter. Nur so viel eben, das sie ihre Ländereien selten verlassen sollen, außer im Krieg. Aber ich habe niemals gehört, das einer von ihnen so weit im Osten gesehen worden wäre.« Er lachte leise.

»Es wäre auch tollkühn.«

»Warum?«

»Sultan Selic hat einen hohen Preis auf den Kopf jedes Drachenritters ausgesetzt«, antwortete Abu Dun.

»Und bei ihren eigenen Landsleuten sind sie auch nicht sonderlich beliebt.«

»Ein Zustand, den du ja kennen dürftest.«

»Ich habe niemals Menschen getötet, nur weil es mir Freude bereitet«, antwortete Abu Dun.

»Ich bin kein Heiliger. Ich bin nicht einmal ein ehrlicher Mann. Aber glaube mir, im Vergleich zu den Drachenrittern bin ich ein Ausbund an Frömmigkeit und Sanftmut.« Er machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Dein Freund Domenicus war nicht gut beraten, sich mit ihnen ein zulassen. Wie immer der Handel war, den er mit ihnen geschlossen hat: Er wird dabei schlechter stehen.« Andrej glaubte ziemlich genau zu wissen, warum Domenicus den Piratensegler in diese teuflische Falle gelockt hatte. Er hatte niemals vorgehabt, die Delänys leben zu lassen. Aber selbst in seiner Position als Vertreter der Heiligen Römischen Inquisition konnte er es sich kaum leisten, einhundert Menschen in aller Öffentlichkeit abzuschlachten. Wenn sie hingegen von einem Sklavenhändler verschleppt wurden und bei einem Befreiungsversuch starben ... Und wenn besagter Sklavenhändler und seine gesamte Besatzung dabei gleich mit ums Leben kamen - umso besser. Er verstand nur noch nicht ganz, welche Rolle der geheimnisvolle Drachenritter dabei spielte. Noch nicht. Frederic kam spät von seiner Holzsuche zurück gerade in dem Moment, in dem Andrejs Sorgen um seinen Verbleib in den Impuls umschlugen, nach ihm zu suchen. Der junge trug eine Ladung trockener Äste auf den Armen, die ausgereicht hätte, einen halben Ochsen darüber zu braten, und er sah Andrej auf eine herausfordernde Art an. Er wußte genau, das er viel zu lange weggeblieben war, und wartete nur auf einen Verweis. Andrej hätte ihm auch gerne einen solchen erteilt, aber er schluckte die Worte hinunter, die ihm auf der Zunge lagen, als er in Frederics Gesicht sah. Es glänzte rosig und so frisch, als hätte Frederic es sich nicht nur gerade gewaschen, sondern auch ausgiebig geschrubbt. Wahrscheinlich hatte er geweint und wollte nicht, das man es ihm ansah. Andrej respektierte das, empfand aber eine vage Trauer. Vielleicht war Frederic einfach noch zu jung, um zu begreifen, das ein geteilter Schmerz manchmal leichter zu ertragen war. Frederic ließ das gesammelte Feuerholz beinahe auf Abu Duns Füße fallen, was dem Piraten ein erneutes, ärgerliches Stirnrunzeln entlockte.

»Was macht der noch hier?« Frederic deutete mit einer zornigen Kopfbewegung auf Abu Dun.

»Ich dachte, wir gehen allein weiter?«

»Ich habe meine Pläne geändert«, sagte Andrej ruhig.

»Abu Dun wird uns begleiten. Wenigstens für eine Weile.«

»Ach, ich verstehe«, sagte Frederic böse.

»Verbünden wir uns jetzt mit Piraten?« Abu Duns Gesicht verfinsterte sich und Andrej begriff, das der Sklavenhändler am Rande seiner Beherrschung stand. Frederic machte es ihm wirklich nicht leicht.

»Er weiß, wo wir den Drachenritter finden«, sagte er rasch.

»Ich auch«, sagte Frederic. Er machte eine entsprechende Kopfbewegung.

»Gleich dort hinten.« Seine Augen sprühten Funken.

»Wir brauchen keinen Sklavenhändler, der uns hilft. Warum gehen wir nicht zurück und töten diese Hunde?«

»Weil wir es nicht können«, antwortete Andrej.

»Womöglich könnten wir sie überrumpeln, aber wenn es zum Kampf gegen sie käme, würden wir verlieren. Ich würde getötet. Und du auch.«

»Du hast Angst«, behauptete Frederic.

»Ja«, gestand Andrej unumwunden.

»Und das solltest du auch.«

»Oder ist es etwas anderes?« Frederics Augen wurden schmal.

»Ich verstehe. Es ist dieses Weibsstück, nicht? Maria. Du glaubst, sie wäre an Bord des Schiffes.« Abu Dun blickte fragend, und Andrej mußte sich abermals beherrschen, um nicht in gänzlich anderem Ton mit Frederic zu sprechen. Der junge war verletzt und zornig, aber das gab ihm nicht das Recht, auch anderen wehzutun. Es war ihm bis jetzt gelungen, die Erinnerung an Domenicus’ Schwester zu verdrängen, aber Frederics Worte riefen die qualvollen Bilder wieder wach. Er versuchte, sie zurückzudrängen, aber natürlich gelang es ihm nicht. Für einen Moment sah er Marias engelsgleiches Gesicht so deutlich vor sich, das er sich beherrschen mußte, nicht die Hand zu heben, um sie zu spüren.

»Meine Entscheidung steht fest«, sagte er.

»Abu Dun begleitet uns. Wir brauchen ihn. Und jetzt hilf mir, Feuer zu machen. Es ist kalt.« Frederic setzte zu einer scharfen Entgegnung an, doch dann schien ihn irgendetwas - vielleicht etwas, das er in Andrejs Augen las - zu warnen, und er tat, was Andrej von ihm verlangte. Nachdem er einen kleinen Teil des gesammelten Feuerholzes zu einer leicht schiefen Pyramide aufgeschichtet hatte, entzündete Andrej das Feuer mittels zweier trockener Äste, die er so lange aneinander rieb, bis ein dünner Rauchfaden aufstieg und die ersten Funken glommen. Er brauchte nun nur noch wenige Minuten, bis er ein Feuer entfacht hatte, das tatsächlich nahezu rauchlos brannte. Abu Dun sah ihm mit wachsendem Erstaunen zu.

»Es zahlt sich tatsächlich aus, in deiner Nähe zu sein, Hexenmeister«, sagte er.

»Feuer ohne Feuerstein, wie praktisch.«.

»Und vor allem eine Idee, die aus deiner Heimat stammt«, sagte Andrej in leicht spöttischem Ton.

»Aber gut, wie ich sehe, hast du schon den ersten Teil deiner Bezahlung erhalten. Jetzt bist du an der Reihe. In welche Richtung müssen wir gehen?« Abu Dun hielt die Hände über die prasselnden Flammen.

»Du bist ein zu guter Schüler, Hexenmeister«, grollte er.

»Oder ich ein zu guter Lehrer. Wir müssen nach Westen, mehr weiß ich im Moment auch noch nicht. Der Weg ist weit. Ein Schiff wäre ideal, aber wir werden keines bekommen. Vielleicht sollten wir versuchen, uns Pferde zu besorgen.«

»Du meinst stehlen«, sagte Andrej.

»Hast du Geld dabei, um sie zu kaufen?«, fragte Abu Dun ungerührt. Er lachte.

»Keine Sorge, Christ. Ich will nicht, das dein Seelenheil Schaden nimmt, weil du gegen eines eurer Gebote verstößt. Ich werde uns eine Transportmöglichkeit besorgen. Und auch alles andere, was wir brauchen.«

»Du wirst niemanden töten«, sagte Andrej eindringlich.

»Natürlich nicht«, versprach Abu Dun.

»Ich schwöre es bei meinem Seelenheil.«

»Dann kann ich ja ganz beruhigt sein«, sagte Andrej spöttisch.

»Sei nicht zu unbesorgt«, warnte Abu Dun.

»Wie ich dir bereits sagte: Wir werden bald auf Sultan Selics Truppen stoßen. Ich bin einigermaßen sicher, das sie mir nichts tun werden, aber wir müssen trotzdem vorsichtig sein.« Er wiegte den mächtigen Schädel.

»Ihr seid Christen. Es wird nicht leicht zu erklären sein, wieso ihr in meiner Begleitung reist.«

»Nicht anders wird es uns in deiner Begleitung gehen«, sagte Andrej. Worauf wollte Abu Dun hinaus?

»Genau wie umgekehrt«, bestätigte der Pirat.

»Das Beste wird sein, ich gebe euch als meine Sklaven aus, sollten wir auf Männer des Sultans treffen.« Frederic riss die Augen auf und Andrej ergänzte rasch:

»Und natürlich sagen wir das über dich, wenn es christliche Truppen sind.«

»Natürlich«, sagte Abu Dun.

»Du scherzt«, mischte sich Frederic ein.

»Du willst nicht im Ernst ...«

»... am Leben bleiben?«, unterbrach ihn Andrej.

»Doch.«

»Bis dahin vergeht noch Zeit«, sagte Abu Dun rasch.

»Tage. Die Gegend hier ist ziemlich ruhig. Es gibt nichts von Interesse. Das ist ja der Grund, aus dem ich mich hier zum ... Geschäftemachen treffen wollte.« Frederic entging das Stocken in Abu Duns Stimme nicht. Seine Augen wurden schmal.

»Es ist genug jetzt«, sagte Andrej.

»Lasst uns eine Weile ausruhen, bis unsere Kleider getrocknet sind. Danach brechen wir auf.«

»Etwas zu essen wäre nicht schlecht«, sagte Abu Dun. »Ich sterbe vor Hunger.«

»Die Wälder sind voller Wild«, sagte Andrej. »Warum schwatzt du dem Wald nicht einen fetten Braten ab?«

»Warum schneiden wir dir nicht eine Hand ab und braten sie?«, fragte Abu Dun. »Sie wächst doch sicher nach.« Er warf einen Ast ins Feuer und sah zu, wie er knackend zerbarst und einen kleinen Funkenschauer aufsteigen ließ.

»Kannst du schwimmen, Hexenmeister?«, fragte er.

»Ich kann nicht auf dem Wasser gehen, wenn du das meinst«, sagte Andrej spöttisch. »Ich meine: Musst du atmen, wenn du unter Wasser bist?«

»Genau wie du«, bestätigte Andrej. »Aber ich kann die Luft ziemlich lange anhalten. Warum?«.

»Mein Schiff«, antwortete Abu Dun. »Der Fluss ist nicht sehr tief, dort, wo es gesunken ist. Jemand könnte hinuntertauchen und etwas von dem Gold in meiner Schatztruhe holen. Wir könnten es sehr gut gebrauchen.«

»Warum tust du es nicht selbst?«, fragte Andrej. »Du kennst dich besser auf deinem Schiff aus als ich.«

»Im Prinzip schon«, sagte Abu Dun ausweichend. »Es gibt da nur ... eine kleine Schwierigkeit.«

»Und welche?«, Abu Dun druckste einen Moment herum.

»Ich kann nicht schwimmen«, gestand er endlich. Andrej blinzelte verwirrt.

»Wie?«

»Ich kann nicht schwimmen«, wiederholte Abu Dun finster. »Ich habe es nie gelernt. Wozu auch? Ich hatte ein Schiff.«

»Ein Pirat, der nicht schwimmen kann?«, fragte Andrej ungläubig.

»So wie ein Hexenmeister, der nicht hexen kann.«

»Ich bin kein Hexenmeister.«

»Und ich kein Pirat.« Abu Dun zog eine Grimasse. »Was ist? Wirst du es tun?«

Andrej überlegte einen Moment. Er war ein ausgezeichneter Schwimmer und er konnte lange die Luft anhalten; möglicherweise wirklich lange genug, um zum Wrack des Sklavenseglers hinabzutauchen und etwas aus Abu Duns Gemach zu holen. Der Pirat hatte Recht: Sie würden jede einzelne Münze, die er vielleicht aus dem versunkenen Piratenschiff bergen konnte, brauchen. Aber es war riskant. Das Wasser war eiskalt und er hatte die enorme Kraft der Strömung am eigenen Leib gespürt. Er kannte sich auf dem Schiff nicht aus und dazu kam, das er nicht wußte, in welchem Zustand sich das Wrack befand. Griechisches Feuer entwickelte eine unvorstellbare Hitze. Möglicherweise war von Abu Duns Schatz nichts mehr da.

»Also gut«, sagte er.

»Wir warten eine Weile. Wenn sie verschwunden sind, versuche ich es. Wenn nicht, machen wir uns zu Fuß auf den Weg.« Es verging eine erhebliche Zeit, bis sie es wagten, ihr Versteck zwischen den Felsen zu verlassen. Kurz vor Ablauf der Frist, die Andrej willkürlich gesetzt hatte, setzte die ›Möwe‹ ein einzelnes, für den plumpen Rumpf entschieden zu kleines Segel, drehte sich in die Strömung und nahm Fahrt auf, und auch der Drachensegler löste sich mit einer behäbigen Bewegung aus seiner Position und begann sich auf der Stelle zu drehen.

Andrej hatte es am Morgen nicht bemerkt, aber nun sah er, das das Schiff nicht allein auf das riesige Segel mit dem blutroten Drachensymbol angewiesen war, sondern über mehr als ein Dutzend mächtiger Ruder verfügte, die mit gleichmäßigen Bewegungen ins Wasser tauchten und das Schiff langsam von der Stelle bewegten. Andrej hatte hastig das Feuer gelöscht und sie hatten sich eng zwischen die Felsen geduckt und gewartet, bis der unheimliche schwarze Segler vorübergeglitten war. Er bewegte sich genau in der Flussmitte, weil das Wasser dort am tiefsten war, aber der Nebel war endgültig fort und auch die Wolken hatten sich fast vollkommen aufgelöst, sodass er das Schiff viel deutlicher als in der Nacht erkennen konnte. Es wirkte auch im hellen Tageslicht unheimlich und Furcht einflößend, aber nicht mehr annähernd so majestätisch wie in der Nacht. Von der morbiden Schönheit, die es trotz allem gehabt hatte, war nichts geblieben; es wirkte einfach nur schäbig. Von dem Ritter in der blutfarbenen Rüstung war nichts zu sehen. Trotzdem beobachtete Andrej das Schiff so konzentriert, wie er konnte. Es fuhr nur langsam vorüber, denn selbst die gewaltigen Ruder hatten es nicht leicht, gegen die Strömung anzukämpfen. Das Schiff war von älterer Bauart und sehr groß, wenn auch nicht so gewaltig, wie es ihm in der Nacht vorgekommen war. Die Kombination aus Segeln und Rudern machte es vermutlich sehr beweglich, aber auch langsam.

Das Segel mit dem aufgestickten roten Drachen war zerrissen und an zahllosen Stellen geflickt und die schwarze Farbe, mit der jeder Zentimeter des Rumpfes bedeckt war, erwies sich als Teer auch wenn Andrej sich nicht vorstellen konnte, welchem Zweck er diente. Ein knappes Dutzend Männer hielt sich an Deck auf, auch sie waren ausnahmslos in Schwarz gekleidet und ziemlich heruntergekommen. Sie waren zu weit entfernt, als das er wirklich Einzelheiten erkennen konnte, aber er hatte eher den Eindruck, es mit Sklaven zu tun zu haben statt mit Kriegern; oder zumindest mit Männern, die zum Dienst gezwungen worden waren. Er prägte sich jedes noch so winzige Detail ein, während das Schiff langsam vorüberglitt. Andrej war ein wenig enttäuscht, seinen unheimlichen Kapitän nicht noch einmal aus der Nähe sehen zu können, zugleich aber auch fast erleichtert. Er war nicht mehr sicher, ob der Drachenritter vorhin nur durch einen Zufall in seine Richtung geblickt hatte. Selbst als der schwarze Segler schon außer Sicht gekommen war, blieb Andrej noch im Schutze der Felsen liegen, ehe er aufstand und sich mit seinen Begleitern auf den Weg zurück zu der Stelle machte, von der aus sie vor nicht allzu langer Zeit aufgebrochen waren. Frederic versuchte, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, aber Andrej ließ sich nicht beirren. Er zog seine Kleider aus, wies Frederic und Abu Dun an, ein neues Feuer zu entzünden, stieg ins Wasser und schwamm zu der Stelle, an der Abu Duns Schiff untergegangen war. Der Pirat hatte ihm erklärt, wo er zu suchen hatte, und er machte sich unverzüglich an die Arbeit.

Der Fluss war an dieser Stelle tatsächlich nicht besonders tief, aber das Schiff lag auf der Seite und es war fast bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Das Wasser war so trüb, das er praktisch blind war. Er brauchte allein drei Versuche, um Abu Duns Quartier zu finden. Es dauerte lange, bis er mit seiner Beute zum Ufer zurückkam. Sie war mager genug. Er hatte zwei Beutel mit Goldmünzen gefunden, die einen enormen Wert darstellen mochten, Abu Dun aber ganz und gar nicht zufrieden stellten. Statt Lob schüttete er einen Schwall von Verwünschungen und Vorwürfen über Andrej aus. Andrej ließ die Vorhaltungen des Piraten schweigend über sich ergehen. Er konnte ihn sogar verstehen. In der Kabine des Piraten hatte er ganze Kisten voller Geschmeide und Edelsteine entdeckt, aber nichts davon mitgenommen. Es hatte ihn sogar einige Mühe gekostet, die beiden schmalen Beutel mit Münzen zu finden. Sie brauchten keinen Schmuck, sie brauchten Geld. Zumindest für die Reise, die vor ihnen lag, würde ihre Barschaft reichen. Er tröstete Abu Dun mit dem Hinweis, das er ja später wiederkommen und sein Schiff und seine kostbare Fracht bergen lassen konnte, zog seine Kleider wieder an und drängte zum Aufbruch. Frederic konnte sich eine bissige Bemerkung nicht verkneifen, aber Abu Dun hüllte sich für die nächste Zeit in beleidigtes Schweigen - zumal Andrej keine Anstalten machte, ihm seinen vermeintlichen Besitz zurückzugeben, sondern die beiden Geldbeutel sicher unter seinem Gürtel verstaute.

Es war fast Mittag, als sie die Felsgruppe hinter sich ließen, in der sie am Morgen das Feuer gemacht hatten. Auch Andrej hatte mittlerweile Hunger und war so müde, das er am liebsten gleich wieder eine Rast eingelegt hätte, um eine Weile zu schlafen. Das war der Preis, den er für seine Beinahe-Unverwundbarkeit zu zahlen hatte. Sein Körper vermochte Wunden mit fast unheimlicher Schnelligkeit zu heilen, aber er brauchte dafür Energie. Vielleicht mehr, als er ihm im Moment zur Verfügung stellen konnte. Sie marschierten noch ein paar Dutzend Schritte weiter, dann blieb Abu Dun plötzlich stehen und deutete die Uferböschung hinauf.

»Da oben scheint mir der Weg besser zu sein«, sagte er. Andrej folgte seinem Blick. Abu Dun hatte Recht. Der Wald lichtete sich dort oben. Das Unterholz war nicht mehr so undurchdringlich wie an den meisten Stellen und zwischen den Bäumen schimmerte es hell. Vielleicht war es nur ein schmaler Streifen, der die Uferböschung flankierte. Im Gegensatz dazu wurde das Gelände unmittelbar am Wasser stetig unwegsamer. Im Sand türmten sich immer mehr Felsen und scharfkantige Steine, die das Vorankommen zu einer mühsamen und kräftezehrenden Angelegenheit machen würden.

»Einverstanden«, sagte er.

»Außerdem haben wir von dort aus einen besseren Überblick.«

»Und werden auch besser gesehen«, sagte Frederic beunruhigt.

»Das Risiko müssen wir schon eingehen«, antwortete Andrej.

»Hier unten kommen wir zu langsam voran.«

»Aber ...«, begann Frederic.

»Du kannst ja hier bleiben«, fiel ihm Andrej scharf ins Wort.

»Meinetwegen kannst du auch schwimmen!« Seine Geduld war zu Ende. Er hatte bis jetzt Nachsicht mit dem jungen geübt, soweit es ihm möglich war, aber nun war es genug. Er funkelte Frederic zornig an, dann fuhr er herum und ging mit weit ausladenden Schritten die Böschung hinauf. Oben blieb er stehen, nicht nur, damit Abu Dun und Frederic zu ihm stoßen konnten, sondern auch, um sich umzusehen. Der Wald war hier oben eigentlich kein Wald mehr, sondern nur noch ein schmaler Streifen, hinter dem das Gelände wieder sanft abfiel und zum größten Teil mit Gras, vereinzelten Büschen und wenigen, zumeist halbhohen Bäumen bewachsen war. Das Gehen würde ihnen auf diesem Untergrund weitaus leichter fallen. Weit entfernt glaubte er einen leichten Dunstschleier in der Luft wahrzunehmen. Vielleicht war es Rauch. Eine Stadt? Abu Dun kam mit gemächlichen Schritten auf ihn zu und grinste zufrieden. »Das wäre dann ein weiterer Punkt zu meinen Gunsten«, sagte er. »Ich muss allmählich anfangen, Buch zu führen, um den Überblick nicht zu verlieren.«

»Ein Punkt für dich?« Andrej schüttelte den Kopf.

»Nur wenn du uns trägst.«

»Du lernst schnell, Hexenmeister«, sagte Abu Dun. Er lachte.

»Komm. Der Tag ist noch jung.«

»Das ist Wahnsinn«, beschwerte sich Frederic.

»Wir sind über Meilen hinweg zu sehen.«

»Und warum auch nicht?«, fragte Andrej, während sie losgingen.

»Wir sind harmlose Reisende, die nichts zu verbergen haben. Wir suchen Menschen, Frederic.« Er wies im Gehen auf den Dunst am Horizont, von dem er mittlerweile sicher war, das es sich um den Rauch von Kaminfeuer handelte.

»Mit etwas Glück können wir dort ein Pferd kaufen oder einen Wagen. Hast du Lust, ein paar hundert Meilen zu Fuß zu gehen?« Er gab sich Mühe, in freundlichem Ton zu sprechen. Sein Zorn war schon wieder verflogen. Frederic schien auch nicht daran gelegen zu sein, den Streit fortzusetzen, denn er beließ es nur bei einem störrischen Blick. Er wirkte sehr unruhig.

»Vielleicht finden wir ja ein paar Beeren«, rief Abu Dun, der vorausging.

»Oder auch ...« Er stockte, blieb mitten in der Bewegung stehen und machte dann plötzlich einen Schritt nach rechts, um sich in die Hocke sinken zu lassen. Andrej trat zu ihm und tat es ihm gleich. Er fuhr überrascht zusammen, als er sah, was Abu Dun aus dem Gras aufhob. Auf den ersten Blick war es nicht mehr als ein ganz normaler Hase. Aber er war schrecklich zugerichtet. Eines seiner Ohren war abgerissen. Beide Augen waren herausgedrückt und als Abu Dun sein Maul öffnete, sah er, das auch seine Nagezähne herausgebrochen waren.

»Bei Allah«, murmelte Abu Dun.

»Welches Tier tut so etwas?« Andrej konnte diese Frage nicht beantworten. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, welches Raubtier seine Beute so zurichten würde. Ein Raubtier, egal ob Katze, Wiesel oder Fuchs, hätte sich kaum damit begnügt, ihn zu töten, ohne wenigstens einen Teil seiner Beute zu verschlingen.

»Fällt dir nichts auf?« Abu Dun schüttelte den Hasen leicht hin und her. Der winzige Körper bewegte sich auf sonderbar falsche Weise und Andrej begriff, das jeder Knochen im Leib des Hasen zerschmettert sein mußte. Er schüttete trotzdem den Kopf. Abu Dun griff nun auch mit der anderen Hand zu und riss zu Andrejs Entsetzen den Kopf des Hasen mit einem einzigen Ruck ab!

»Verdammt!«, rief Andrej erschrocken.

»Was soll das? Bist du ...« Dann sah er, warum Abu Dun das getan hatte.

»Kein Blut«, sagte Abu Dun düster.

»Jemand hat diesem Tier alles Blut ausgesaugt.« Er ließ den zerteilten Hasen fallen, stand auf und wischte sich angeekelt die Hände an den Kleidern ab. Sein Blick irrte in die Runde.

»Was ist das für eine Teufelei? So etwas tut doch kein Tier!«

»Was denn sonst?«, fragte Frederic bissig.

»Glaubst du etwa, hier treibt ein Dämon sein Unwesen?« Er deutete auf den zerteilten Hasen.

»Warum braten wir ihn nicht, jetzt, wo du ihn schon halb zerlegt hast?« Abu Dun starrte ihn fassungslos an und auch Andrej spürte ein eisiges Frösteln. Schon bei dem bloßen Gedanken, dieses Tier zu verzehren, drehte sich ihm schier der Magen um..

»Wir finden schon etwas anderes zu essen«, sagte er.

»Kommt, gehen wir weiter.«

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