Manchmal musste man nur eine Tür durchschreiten, und schon war man ein Verräter.
Zumindest galt das überall dort, wo die Syndikatwelten herrschten und die fragliche Tür mit großen roten Lettern Kein Zutritt für Unbefugte sowie dem Zusatz ZWMLMB beschriftet war. CEO Artur Drakon, Befehlshaber der Bodenstreitkräfte der Syndikatwelten im Midway-Sternensystem, hatte sich sein Leben lang an Regeln und Vorschriften wie diese gehalten, und das nicht nur aus dem Grund, dass ZWMLMB für Zuwiderhandlungen werden mit lebensbeendenden Maßnahmen bestraft stand. »Tod« war einer von diesen allzu direkten Begriffen, um die die Bürokratie der Syndikatwelten lieber einen Bogen machte, auch wenn gerade dieses Strafmaß äußerst großzügig zur Anwendung kam.
Nein, der Hauptgrund für sein Verhalten bestand darin, dass einem Soldaten während des nicht enden wollenden Kriegs gegen die Allianz kaum eine andere Wahl geblieben war, da Ungehorsam den Weg für den Feind ebnen konnte, Städte oder sogar ganze Welten zu zerstören. Und wenn der Feind dann trotz des eigenen aufsässigen Verhaltens nicht die Heimat zerstört hatte, und es einem dann auch noch irgendwie gelungen war, dem langen Arm der eigenen Inneren Sicherheit zu entgehen, dann waren es spätestens die mobilen Streitkräfte der Syndikatwelten, die im Namen von Gesetz, Disziplin und Stabilität den Tod aus dem Orbit herabregnen ließen.
Aber nun war der Krieg vorüber, man war geschlagen worden, die Ressourcen waren erschöpft. Niemand wollte der Allianz trauen, aber zumindest hatte sie die Angriffe eingestellt. Und die mobilen Streitkräfte der Syndikatwelten, früher einmal die unbezwingbare Faust der Zentralregierung, waren von einem Allianz-Führer so gut wie ausgelöscht worden, obwohl dieser Mann bereits seit hundert Jahren hätte tot sein sollen.
Damit gab es nur noch den ISD, den Inneren Sicherheitsdienst, der Grund zur Sorge darstellte. Die »Schlangen« des ISD gaben sogar Anlass zu großer Sorge, aber das war nichts, was er derzeit nicht hätte bewältigen können.
Drakon durchschritt die Tür. Möglich war ihm das nur, weil zahlreiche Schließmechanismen und Codes geknackt, diverse Alarmsysteme abgeschaltet oder umgangen und einige automatische Todesfallen deaktiviert worden waren. Und die vier menschlichen Wachposten, die an entscheidenden Punkten positioniert gewesen waren, hatten sich von ihm dazu bewegen lassen, ab sofort seinem Kommando zu unterstehen, nicht mehr dem von CEO Hardrad, dem Chef der Inneren Sicherheit. Das alles war bisher zwar schon auf Drakons Befehl hin geschehen, aber solange er nicht den Raum hinter dieser Tür betreten hatte, konnte er immer noch argumentieren, er habe nur die internen Verteidigungsmaßnahmen auf ihre Tauglichkeit überprüfen wollen. Jetzt dagegen hatte er unwiderruflich Verrat an den Syndikatwelten begangen.
Er war davon ausgegangen, in diesem Moment besonders angespannt zu sein, tatsächlich überkamen ihn aber Ruhe und Gelassenheit. Ein Rückzug sowie das Beschreiten alternativer Wege waren jetzt nicht mehr möglich, und da gab es auch keinerlei Spielraum für Zweifel an seiner Entscheidung. Die nächsten Stunden würden über seinen Sieg oder Tod entscheiden.
Zwei seiner vertrauenswürdigsten Assistenten arbeiteten bereits an verschiedenen Konsolen: Bran Malins Finger sausten über die Tastatur, während er damit beschäftigt war, die Überwachungsdaten aus allen Ecken des Planeten umzuleiten, die normalerweise ins Hauptquartier des ISD strömten, und auf der gegenüberliegenden Seite des Raums strich Roh Morgan mit der freien Hand eine Haarsträhne aus dem Gesicht, während sie das System in rascher Folge mit falschen Überwachungsdaten fütterte, damit die automatisierten ISD-Systeme den Eindruck bekamen, dass alles seinen gewohnten Gang ging.
Drakon trug die dunkelblaue Kombination, wie man es von jedem CEO erwartete, auch wenn er persönlich diese Kleidung verabscheute. Aber es ging nicht anders, da Malin und Morgan beide jene hautengen mattschwarzen Anzüge trugen, zu denen eigentlich noch eine mechanisierte Gefechtsrüstung gehörte. Diese Anzüge erfüllten aber auch so hervorragend ihren Zweck, da sie für sich genommen bei Einbruchsversuchen ebenfalls sehr nützlich waren.
Malin lehnte sich zurück, rieb sich mit der rechten Hand den Nacken und lächelte Drakon an. »Der ISD ist ab sofort blind, Sir, und er merkt es nicht mal.«
Nachdem Drakon einen Blick auf das Display geworfen hatte, nickte er. »Malin, Sie können wirklich zaubern.«
In diesem Moment streckte sich Morgan wie eine Katze gleich nach dem Aufwachen. Sie stand von ihrem Platz auf und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Wand. »Ich bin diejenige, die uns hier reingebracht hat und die die Endlosschleifen eingespeist hat, um den ISD zu täuschen. Wenn er ein Zauberer ist, was bin ich dann?«
»Wie wär’s mit Hexe«, konterte Malin todernst.
Einen Moment lang spannte sich Morgan an, dann erst verzog sie einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. »Hatte ich Ihnen schon gesagt, Malin«, fragte sie den Mann, »dass ich mal ausgerechnet habe, wie viel es mindestens kostet, wenn man einen einzelnen Schuss aus einer Handfeuerwaffe abfeuert?«
»Nein. Warum sollte mich das auch kümmern?«
»Weil es dreizehn Centas sind. Nur deshalb leben Sie noch. Ich bin nämlich zu der Ansicht gelangt, dass Sie diese Ausgabe nicht wert sind.«
Malin reagierte mit einem gehässigen Grinsen, zog sein Kampfmesser und balancierte es in seiner Handfläche. »Das kostet nicht mal einen Centa. Kommen Sie, versuchen Sie’s doch mal.«
»Besten Dank.« Morgan winkte abweisend und stieß sich von der Wand ab. »Wär mir immer noch nicht die Mühe wert. Bei Ihnen ist jeglicher Energieaufwand zu viel, der nötig wäre, um Sie zu töten. CEO Drakon, wir sollten diese vier Wachleute eliminieren, sie könnten uns immer noch in den Rücken fallen.«
Drakon schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Ihnen wurde zugesichert, dass weder ihnen noch ihren Familien etwas zustößt, wenn sie mitspielen.«
»Na und? Wenn sie so dumm waren, den Versprechungen eines CEOs zu glauben, dann …«
»Ich habe es ihnen versprochen«, unterbrach Drakon ihn. »Ich bin damit eine Verpflichtung eingegangen, und wenn ich mich über diese Verpflichtung hinwegsetze, dann brauche ich nicht darauf zu zählen, dass mir noch irgendein Mensch etwas glaubt. Egal, was ich auch sage.«
Morgan schüttelte den Kopf und musterte ihn mitleidig. »Das ist genau die Einstellung, mit der Sie sich selbst hierher an den Rand des Nichts manövriert haben. Solange die Leute Angst vor Ihnen haben, ist es unwichtig, ob sie Ihnen ein Wort glauben oder nicht.«
»Sieh an«, gab Malin zurück und tat so, als applaudiere er ihr, wobei sich seine Hände nicht berührten. »Sie kennen tatsächlich die oberste Verhaltensregel für CEOs der Syndikatwelten. Wirklich beachtlich. Übrigens, nur für den Fall, dass Sie es noch nicht mitbekommen haben: Wir haben den Krieg verloren.«
»Ich arbeite so, wie es für mich am besten ist«, sagte Drakon an Morgan gewandt, wobei er so tat, als hätte er Malins Bemerkung gar nicht gehört.
Sie zuckte mit den Schultern. »Es ist Ihre Rebellion, Sie müssen tun, was Sie für richtig halten. Ich werde die Angriffsvorbereitungen überprüfen und die Truppen dazu anhalten, dass sie sich wie geplant in Bewegung setzen.«
»Geben Sie Bescheid, wenn sich irgendwelche Probleme abzeichnen«, erwiderte Drakon. »Ich weiß Ihre Unterstützung in dieser Sache zu schätzen.«
»Diese Unterstützung war immer zugesichert«, warf Morgan ein und machte sich daran, den Raum zu verlassen, wobei sie von Malin nun gar keine Notiz mehr nahm.
»Und, Morgan …«
Sie blieb an der Tür stehen.
»Niemand wird die Wachposten töten«, stellte er mit Nachdruck ihr gegenüber klar.
»Das hatte ich schon beim ersten Mal so verstanden«, gab sie zurück und ging nach draußen.
Als die Tür hinter ihr zugefallen war, drehte sich Malin zu Drakon um. »Sir, wenn Morgan die Schlangen davon in Kenntnis setzt, was wir hier planen, dann bekommt sie das Kommando, und Sie werden tot sein.«
Drakon schüttelte energisch den Kopf. »Nein, das würde sie nicht tun.«
»Sie können ihr nicht trauen, das muss Ihnen doch klar sein.«
»Ich weiß, dass sie mir gegenüber loyal ist«, erklärte Drakon mit ruhiger Stimme.
»Morgan weiß nicht mal, was Loyalität bedeutet. Sie benutzt Sie nur für ihre eigenen Zwecke, über die sie sich natürlich ausschweigt. Sobald Sie für Morgan keinen Nutzen mehr haben, wird sie Sie vermutlich von hinten erschießen oder Ihnen ein Messer in den Rücken jagen.« Demonstrativ hielt Malin sein eigenes Messer hoch, ehe er es in einer fließenden Bewegung wegsteckte.
Morgan hat mir das Gleiche über dich erzählt, ging es Drakon durch den Kopf, während er sich eine Antwort überlegte. »Morgan ist klar, dass sie von den Schlangen keine Belohnung erwarten kann, wenn sie uns ans Messer liefert. Sehr wahrscheinlich würde man sie sogar ebenfalls erschießen, ganz gleich, welche Vereinbarung getroffen wurde. Sie weiß das so gut wie ich. Trotzdem werde ich sie im Auge behalten. So wie ich jeden im Auge behalte.«
»Und deshalb leben Sie auch noch«, meinte Malin und schüttelte den Kopf. »Ich will nicht dazu raten, dass Sie sie aus dem Weg räumen sollen. Aber solange sie lebt, müssen Sie dafür sorgen, dass sie immer irgendwo ist, wo Sie sie im Auge behalten können.«
Schweigend betrachtete er Malin, dann fragte er: »Wollen Sie damit andeuten, dass ich daran, dass sie lebt, etwas ändern sollte?«
»Nein, Sir.«
»Dann sollten Sie auch nicht mit dem Gedanken spielen, das an meiner Stelle zu erledigen. Ich weiß, das gehört zum üblichen Verhalten mancher CEOs gegenüber ihren Untergebenen, aber solche Spiele toleriere ich nicht bei den Angehörigen meines Stabs. Das schadet der Disziplin, und es verwandelt das Arbeitsumfeld in einen Hexenkessel.«
Malin grinste ihn an. »Ich werde Morgan nicht umbringen.« Dann wurde er ernst und sah besorgt auf. »Wir können den ISD auf Planeten ausschalten, und das werden wir auch machen. Aber solange die mobilen Streitkräfte im System nicht auch unschädlich gemacht werden, sitzen wir hier auf dem Präsentierteller. CEO Kolani wird sich auf die Seite der Syndikat-Regierung und der Schlangen stellen.«
»Wenn es uns gelingt, die ISD-Schlangen auf dem Planeten unschädlich zu machen, wird sich CEO Iceni um CEO Kolani und die mobilen Streitkräfte kümmern.« Das will ich jedenfalls hoffen.
»Sir, wenn Sie gestatten«, sagte Malin übertrieben bedächtig. »Soweit ich weiß, haben Sie und CEO Iceni sich darauf geeinigt, gemeinsam die Führung zu übernehmen. Ihre Ansicht ist gerechtfertigt, dass es in CEO Icenis eigenem Interesse ist, sich an diese Vereinbarung zu halten. Aber wie wollen Sie diese Welt führen, Sir? Ich meine, ich weiß, dass Sie genug haben von der Syndikat-Regierung …«
»Die Syndikat-Regierung steht mir bis hier!«, fiel Drakon ihm ins Wort und hielt eine Hand über Kopfhöhe. »Ich habe genug davon, auf Schritt und Tritt beobachtet zu werden.« Es war ein seltsames Gefühl, so etwas auf einmal laut aussprechen zu können, nachdem sie die Spionageausrüstung der Schlangen abgeschaltet hatten. »Ich habe genug von Bürokraten, die hundert Lichtjahre entfernt sind und Anweisungen erteilen, die hier bei uns über Leben und Tod entscheiden.«
Malin nickte zustimmend. »Viele denken genauso, aber das haben die meisten für sich behalten, selbst im engsten Familienkreis. Doch mir ist nicht klar, durch welches System das des Syndikats ersetzt werden soll.«
»Ach, wirklich?«, gab Drakon ironisch zurück. »Mir ist es auch nicht klar. Iceni und ich konnten bislang nicht darüber reden, solange wir belauscht wurden. Das Risiko, vom ISD erwischt zu werden, war einfach zu groß. Wir sind der gleichen Meinung, dass wir uns nicht länger vom Syndikat unterdrücken lassen wollen, weil die Syndikat-Regierung ihre Unfähigkeit zweifelsfrei unter Beweis gestellt hat. Wir können auch nicht länger davon ausgehen, dass diese Regierung unser Sternensystem beschützen wird und wir damit sicher aufgehoben sind. Das war ja immer das Argument: Wir müssen diese rigorose Kontrolle in Kauf nehmen, damit wir im Gegenzug ein Leben in Sicherheit führen können. Sie und ich, wir beide wissen, was für ein Irrglaube das war. Und inzwischen ist uns auch bekannt, dass die Syndikat-Regierung versucht, die Kontrolle zu behalten, indem sie alle CEOs austauscht und jeden hinrichten lässt, dessen Loyalität in irgendeiner Weise angezweifelt wird. Entweder man probt den Aufstand oder man stirbt. Bei allem anderen … nun, Iceni und ich werden uns ausgiebig unterhalten, wenn die Schlangen tot sind.«
»Das System des Syndikats ist gescheitert, Sir«, pflichtete Malin ihm bei. »Die Kontrolle hat immer existiert, aber den versprochenen Schutz hatten wir nie bekommen. Ich möchte Ihnen dringend raten, einen anderen Regierungsansatz in Erwägung zu ziehen.«
Drakon musterte den Mann und wusste, warum der dieses Thema nicht in Morgans Gegenwart zur Sprache gebracht hatte. Sie hätte zweifellos voller Verachtung auf jede Überlegung reagiert, bei der nicht mindestens von einer Diktatur der stählernen Faust die Rede war. »Ihr Ratschlag ist zur Kenntnis genommen. Für den Augenblick allerdings steht das Überleben an erster Stelle. Wenn uns das gelingt, werden wir uns überlegen, wie man regieren kann, ohne die Fehler des Syndikats zu wiederholen. Ich möchte nicht, dass jemand wie die Schlangen für mich arbeitet, um die Bürger im Zaum zu halten. Aber ich weiß auch, dass wir Ordnung brauchen, und das setzt wiederum ein Mindestmaß an Kontrolle voraus. Ich werde jetzt erst mal mit Iceni reden. Sie muss wissen, dass der Geheimdienst nichts mehr sieht und hört, damit wir uns beide auf den nächsten Schritt vorbereiten können.«
»Erledigen Sie das persönlich, Sir. Auch wenn wir davon ausgehen dürften, dass ISD nichts mehr mitbekommt, kann es immer noch irgendwelche Überwachungsanlagen geben, die uns bislang nicht aufgefallen sind.«
»Ich will so etwas nicht hoffen«, sagte Drakon und nickte Malin zu, bevor er den auf zahlreichen, längst nicht mehr aktiven Ebenen gesicherten Raum verließ. Die Sensoren beobachteten ihn, aber sie sahen nichts, also schickten sie routinemäßige Bilder von leeren Gängen und versiegelten Türen zu ihren Herren und Meistern des ISD; zu den Männern und Frauen, die verantwortlich waren für die äußerst große Bandbreite an Maßnahmen, die man auf den Planeten der Syndikatwelten als der Inneren Sicherheit dienend eingestuft hatte. Er ging an dem gepanzerten Raum vorbei, wo zwei der übergelaufenen Wachen standen und so taten, als wäre ihnen nichts aufgefallen. Ein Stück weiter erreichte er den neuen, geheimen Zugang zum Gebäude, den man vom benachbarten Bauwerk aus in mühevoller Kleinarbeit gegraben hatte. Diese Operation war eine äußerst komplizierte Angelegenheit gewesen, da nicht nur Alarmanlagen und Sensoren umgangen und überlistet werden mussten, sondern auch das Stillschweigen der übergelaufenen Wachleute zu gewährleisten war. Durch den grobschlächtig ins Fundament gehauenen Gang gelangte Drakon in das Untergeschoss eines Einkaufszentrums. Die dortigen Überwachungskameras konnte er getrost ignorieren, da auch sie inzwischen abgeschaltet waren. Dann ging es eine Treppe hinauf und durch eine Tür mit der Aufschrift Nur für Personal, deren Kombinationsschloss schon vor langer Zeit unbrauchbar gemacht worden war.
Noch ein paar Stunden, und dann erwartet die ISD-Schlangen der Schock ihres Lebens, dachte Drakon. Zweihundert Jahre lang haben sie willkürliche Verhaftungen und Durchsuchungen vorgenommen. Jetzt bin ich gespannt, wie es ihnen gefällt, der Willkür anderer ausgesetzt zu sein.
Es wäre schön gewesen, jetzt sofort losschlagen zu können, doch Drakon wusste, dass dieser Prozess wie eine endlos lange Reihe aus Dominosteinen war, bei der ein Stein nach dem anderen umfallen musste und nicht einfach ein Teil der Reihe übersprungen werden konnten. Sensoren, Spionage- und Überwachungsanlagen mussten überall auf dem Planeten getäuscht oder umgangen werden. Die loyal zu Drakon stehenden Truppen mussten in Stellung gehen, während sich der Aufstand formierte, ohne dass diejenigen etwas davon bemerkten, die nach wie vor in der Lage waren, Verheerungen auf dieser Welt anzurichten, sollten sie nicht von den Ereignissen überrascht und überrollt werden. Also hielt er sich genau an den Plan, der vor Monaten in Gang gesetzt worden war und der schon bald deutlich an Fahrt zunehmen würde.
Aus diesem Grund trug Drakon auch seinen CEO-Anzug, so wie man es von einem loyalen CEO erwarten durfte, auch wenn er das Ding am liebsten verbrannt hätte. Sein Erscheinungsbild ließ es einen normalen Bürger nicht erkennen, ob er im Bereich Herstellung, Verkauf, Verwaltung oder in irgendeiner anderen Sparte des integrierten Systems aus Wirtschaft, Militär und Politik eine Führungsposition innehatte. Nachdem er fast sein ganzes Leben bei den Bodenstreitkräften zugebracht und bei der Führung der Truppen sein Leben riskiert hatte, gefiel es Drakon nicht, dass man ihn nicht von einem Mann unterscheiden konnte, der genauso lange lediglich in der Werbebranche tätig gewesen war. Einmal hatte er sogar die Demütigung hinnehmen müssen, mit einem Anwalt verwechselt zu werden.
Aber er wusste auch, dass er jetzt nicht von der Routine abweichen durfte, wenn er nicht riskieren wollte, dass der ISD hellhörig wurde. Zügig, aber äußerlich scheinbar unbekümmert ging er an den Ladenlokalen vorbei nach draußen. Dort führte ihn der Weg an einem unscheinbaren Gebäude entlang, in dem sich eine geheime Relaisstation des ISD befand. Es erforderte eine gewisse Übung, völlig gelassen zu wirken, wenn man an denjenigen vorbeiging, die über die Einhaltung der Gesetze wachten, und man sich in Wahrheit etwas Gravierendes hatte zuschulden kommen lassen. Allerdings hatte es noch niemand bis zum CEO gebracht, wenn er auf diesem Gebiet nicht über ein hohes Maß an einschlägiger Erfahrung verfügte.
Die ihm auf der Straße begegnenden Bürger machten ihm automatisch Platz, sobald sie sahen, dass sie einen CEO vor sich hatten. Manche von ihnen waren sehr eifrig um einen Blickkontakt bemüht, weil sie darauf hofften, dass ein CEO von ihnen Notiz nahm, aber mindestens genauso viele waren darauf bedacht, gar nicht erst auf sich aufmerksam zu machen. Die Bürger der Syndikatwelten machten ihre eigenen Erfahrungen mit der Obrigkeit, und dazu gehörte auch die Erkenntnis, dass es eine zweischneidige Angelegenheit sein konnte, die Aufmerksamkeit eines CEO auf sich zu lenken; vielleicht war es von Vorteil, womöglich zog das Interesse eines CEOs aber auch katastrophale Folgen nach sich.
Als Drakon diese Bürger beobachtete, die sich tatsächlich vor ihm fürchteten oder ihn – mit vermutlich vorgetäuschter – Unterwürfigkeit anhimmelten, musste er über Malins letzte Bemerkungen nachdenken. Was würde als Nächstes kommen? Er war vollauf damit ausgelastet gewesen, sich einen Weg zu überlegen, wie er die Schlangen töten konnte, ohne dabei den halben Planeten in die Luft zu jagen. Auch seine Aussage, er habe noch keine Gelegenheit gehabt, mit Iceni über die Situation zu reden, traf zu. Selbst ihre wenigen, kurzen Treffen hatten ein fast schon zu großes Risiko dargestellt. Umständlich hatten sie mit verschlüsselten Sätzen und ablenkenden Worten die Vereinbarung umreißen müssen, gemeinsam die Schlangen unschädlich zu machen und so dem Sternensystem eine Chance zu geben, den allgemein um sich greifenden Zusammenbruch der Syndikat-Regierung zu überleben. Midway würde entweder in den Todeskampf der Syndikatwelten hineingezogen werden oder aber sich von dieser Tyrannei befreien.
Aber was kam danach? Er war nur mit der Art der Syndikat-Regierung vertraut. Und die war gescheitert, wie Malin zutreffend gesagt hatte. Aber wie hielt man die Dinge sonst am Laufen, ohne dass alles auseinanderbrach? Etwa so, wie man es in der Allianz machte? Darüber hatte er nur wenig in Erfahrung bringen können, aber das Wenige genügte, um sein Misstrauen zu wecken.
Drakon schüttelte den Kopf und setzte eine finstere Miene auf, was die Bürger in seiner unmittelbaren Nähe dazu veranlasste, mitten in der Bewegung zu verharren, als habe ein Kaninchen eine Schlange gesehen und hoffe darauf, durch völlige Reglosigkeit unbemerkt bleiben zu können. Er konnte es sich momentan nicht leisten, über die Leute oder darüber nachzudenken, was der Syndikat-Herrschaft nachfolgen sollte. Vielmehr musste er einen klaren Kopf bewahren, damit er sich ganz darauf konzentrieren konnte, auch noch den Rest des Tages lebend zu überstehen.
Etliche Bürger warfen ihm verwunderte Blicke zu, was wohl daran lag, dass er als CEO nicht mit ein paar Leibwächtern unterwegs war, die für freie Bahn sorgten. Allerdings war es auch nicht so ungewöhnlich, einen CEO ohne Begleitung auf der Straße zu sehen. Schon vor Monaten hatte Drakon damit begonnen, das zu seiner neuen Gewohnheit zu machen. In diesem Zug hatte er bei den richtigen Leuten beiläufige Bemerkungen fallen lassen, er könne sehr gut auf sich aufpassen und benötige keine Leibwächter – bei den Leuten, von denen er wusste, dass sie diese Äußerungen an die Innere Sicherheit weitergeben würden. Die Schlangen würden sich nicht über das arrogante und selbstsichere Auftreten eines CEO wundern. Drakon selbst fühlte sich im Übrigen aufgrund seiner militärischen Ausbildung und wegen der in seinem Anzug versteckten Ausrüstung wirklich in der Lage, den meisten Bedrohungen die Stirn bieten zu können, solange er nicht in irgendeine Routine verfiel, die Anschläge auf ihn planbar machte.
Fünfzehn Minuten dauerte es, bis er endlich das Büro von CEO Gwen Iceni erreicht hatte, der Seniorvertreterin der Syndikatwelten im Midway-Sternensystem. Aber Malin hatte völlig recht gehabt: Jede Nachricht konnte abgefangen werden, jeder Code ließ sich knacken. Wenn der ISD jetzt von ihren Plänen erfuhr, also an einem Punkt, da Drakon viel zu tief in die Sache verstrickt war, als dass er noch einen Rückzieher hätte machen können, würde die Entdeckung eine Katastrophe auslösen.
Trotz der Waffen, die er verborgen bei sich trug, wurde er von allen menschlichen Bewachern und sämtlichen automatischen Sicherheitssystemen durchgewinkt, die auf mehrere Ebenen verteilt den Schutz von Iceni gewährleisten sollten. Falls Iceni doch vorhatte, ihn zu hintergehen, würde sie das vermutlich erst machen, nachdem seine Streitkräfte sich der Schlangen angenommen hatten, die von der Bildfläche verschwunden sein mussten, ehe die nächsten Schritte in Angriff genommen werden konnten. Es war anzunehmen, dass sie umgekehrt zu dem gleichen Schluss gekommen war, er werde bis auf Weiteres nichts gegen sie unternehmen, da sie erst einmal die mobilen Streitkräfte im System loswerden musste.
Dennoch kosteten die Sicherheitsvorkehrungen Zeit, die er eigentlich nicht erübrigen konnte, weshalb er Mühe hatte, Iceni nichts von seiner Verärgerung spüren zu lassen, als er ihr Büro betrat.
Das Büro wies genau jenes Maß an Luxus auf, wie man es von einem CEO für das Sternensystem erwarten durfte, wenngleich auch alles auf den eher bescheidenen Wohlstand von Midway zugeschnitten war. Das richtige Maß zu finden, war innerhalb der Hierarchie der Syndikatwelten eine Kunst für sich: Zu viel Prunk hätte die Aufmerksamkeit der Vorgesetzten zu sehr auf Iceni gelenkt und die Frage aufgeworfen, wie viel sie von den Steuereinnahmen für sich abzweigte und welche Absichten sie verfolgte, zu wenig Luxus bei der Größe und Ausstattung des Büros konnte dagegen von Vorgesetzten und Untergebenen gleichermaßen als ein Zeichen von Schwäche ausgelegt werden.
Iceni, die die Ruhe selbst zu sein schien, winkte Drakon zu sich und deutete auf einen Stuhl, während sie einen Blick auf ihr Schreibtischdisplay warf. »Die Sicherheitsvorkehrungen sind hier sehr umfassend«, sagte sie. »Wir können ungestört reden. Sie haben keine Leibwächter mitgebracht, wie ich sehe. Vertrauen Sie mir so sehr?«
»Eigentlich nicht«, antwortete er und beschrieb eine vage Geste, die dem Hauptquartier des ISD galt. »Es besteht ein winziges, aber durchaus reales Risiko, dass einer meiner Leibwächter nicht nur für meine Seite arbeitet, sondern die Schlangen mit Informationen darüber versorgt, wann ich wohin gehe. Momentan bewachen diese Leibwächter den Eingang zu meinem Kommandozentrum, weil sie glauben, ich würde mich nach wie vor dort aufhalten. Vertrauen Sie Ihren Leibwächtern bedingungslos?«
»Das muss ich gar nicht«, erwiderte Iceni, ohne eigentlich auf seine Frage zu antworten. »Wenn der Moment kommt, in dem ich etwas tue, das die Schlangen beunruhigen könnte, werden Sie schon Ihren Zug unternommen haben. Sind Ihre Leute bereit?«
»Um 1500 Uhr werden wir wie geplant gegen die vier primären ISD-Einrichtungen vorrücken. Den Sturm auf den Hauptkomplex hier in der Stadt führe ich persönlich an. Drei untergebene Befehlshaber, denen ich vertrauen kann, werden die Angriffe auf die sekundären Komplexe in anderen Städten koordinieren. Gleichzeitig werden Streitkräfte in Truppstärke die Unterabteilungen des ISD überall auf dem Planeten stürmen.«
Iceni nickte, dann sah sie zur Zimmerdecke. »Was ist mit den Orbitalstationen und den anderen Einrichtungen, die nicht auf dem Planeten hier angesiedelt sind?«
»Meine Leute stehen überall bereit, wo sich die Schlangen aufhalten, ausgenommen natürlich die Einheiten der mobilen Streitkräfte.«
»Die sind mein Problem. Sie haben aber sehr viele Truppen hin und her geschickt. Sind Sie sich sicher, dass die Schlangen nicht vorgewarnt sind?«
Obwohl Iceni ihm einen Platz angeboten hatte, stand er immer noch.
Er war einfach zu angespannt. Vor einem anderen CEO durfte er aber nicht eingestehen, dass seine Nerven am liebsten mit ihm durchgegangen wären. Iceni würde sich sonst so sehr darauf konzentrieren wie ein Wolf, der soeben ein Reh hatte stolpern und fallen sehen. Um sich nichts anmerken zu lassen, zuckte er nur beiläufig mit den Schultern. »Gewissheit kann ich nicht haben, weil es insgesamt eine viel zu große Operation ist. Es ist also möglich, dass die Schlangen darauf aufmerksam werden. Allerdings dürfte es nicht auffällig genug sein, um sie zu beunruhigen. In den letzten Tagen waren wir wegen des Befehls von Prime gezwungen, das Tempo zu erhöhen, aber die Planung stand ja bereits für alles.«
Iceni verzog ein wenig den Mund. »Glück für uns. Ich wurde vorgewarnt, dass die Zentralregierung Befehle ausgibt, der ISD solle die CEOs der Sternensysteme für eine Loyalitätsüberprüfung zu sich bestellen. Nicht wenige dieser CEOs, die bereits zur Befragung abgeholt wurden, sind seitdem spurlos verschwunden. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass die Regierung diesen Befehl so bald senden würde. Selbst bevor wir überhaupt einen Gedanken an unseren Plan verschwendet haben, hätten wir ein solches Verhör nicht lebend überstanden.«
»Meinen Sie etwa, in meinem Keller liegen die falschen Leichen?«, fragte Drakon.
»Ich weiß, dass das so ist. Ich hatte meine Hausaufgaben bereits gemacht, lange bevor ich mich überhaupt mit meinem Angebot an Sie gewandt habe. Zweifellos werden Sie genau das Gleiche getan haben. Aber wir haben mit der Planung unserer Rebellion keinen Moment zu früh begonnen. Besagter Befehl an den ISD wird zwar immer noch im Komm-System festgehalten, aber er kann von jetzt auf gleich beim Empfänger auftauchen, und dann dürfen wir beide mit einer Einladung von CEO Hardrad rechnen, die wir nicht ignorieren können.«
»Und dann würde er auch wissen wollen, wieso dieser Befehl so lange im Nachrichtensystem festgehalten wurde«, merkte Drakon grinsend an. »Aber dadurch, dass Sie die Mitteilung über Tage hinweg zurückgehalten haben, blieb uns genug Zeit, um die nächsten Schritte zu unternehmen. Wenn Hardrad auch in den nächsten Stunden nichts zu sehen bekommt, wird alles nach Plan verlaufen. Die Überwachungssysteme des ISD sind abgeschaltet, erwecken aber den Eindruck, als würde alles nach wie vor reibungslos arbeiten. Also können wir jetzt endlich reden, ohne Mithörer befürchten zu müssen. Die Schlangen müssten davon ausgehen, dass alles in geordneten Bahnen verläuft, bis wir die Angriffswelle starten. Können Sie weiterhin garantieren, dass die mobilen Streitkräfte im System keine Gefahr darstellen werden?«
»Ich werde mich um die Kriegsschiffe kümmern.«
»Kriegsschiffe? Benutzen wir auf einmal die Terminologie der Allianz?«
»Immerhin hat die Allianz den Krieg gewonnen«, konterte Iceni mit einem Hauch von Sarkasmus. »Aber das ist nicht nur ein in der Allianz üblicher Begriff. Wir haben sie früher auch als Kriegsschiffe bezeichnet, bis die Bürokratie auf die Idee kam, die Schiffe ›neu zu definieren‹ und ›umzubenennen‹. Wir kehren einfach nur zu unserer eigenen Terminologie von früher zurück. Indem wir die Benennung für die Dinge ändern, setzen wir ein deutliches Zeichen für die Bürger und für unsere Streitkräfte, damit sie sehen können, dass wir nicht länger den Syndikatwelten unterstehen.«
»Nachdem wir das hier gewonnen haben, wollen Sie sagen, richtig?«
»Ja, natürlich. In zehn Minuten bringt mich ein Shuttle zu C-448. Mit diesem Schweren Kreuzer werde ich die anderen Kriegsschiffe zu mir holen.«
»Wie ist der Status von CEO Kolani?«, wollte Drakon wissen. »Irgendeine Veränderung?«
»Noch nicht. Sie befehligt nach wie vor die Flotte und ist der Regierung auf Prime treu ergeben.«
Drakon sah mürrisch zur Decke, als könnte er durch das Gebäude hindurch bis hinauf ins All sehen, wo die kleine Flotte im Orbit kreiste. »Werden Sie sie außer Gefecht setzen?«
»Das ist bereits gescheitert«, erwiderte sie so beiläufig, als würde sie über eine unbedeutende Geschäftsvereinbarung reden. »Meine beiden Agenten, die sich in Reichweite befanden, wurden von Kolanis Sicherheitsleuten ausgeschaltet. Ein Attentat steht damit für uns nicht mehr zur Auswahl.«
Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken, als er sich ausmalte, was diese Flotte dem Planeten antun konnte. »Sie haben mir zugesagt, dass Sie sich um die mobilen Streitkräfte kümmern.« Unwillkürlich musste er an Morgans Bemerkung denken. Wenn sie so dumm waren, den Versprechungen eines CEO zu glauben …
»Das werde ich auch tun«, beharrte sie in einem etwas schrofferen Tonfall. »Wir können nicht darauf warten, dass sich vielleicht eine bessere Gelegenheit ergibt. Selbst wenn uns der Befehl von Prime nicht zu schnellerem Handeln angetrieben hätte … heute Morgen ist eine weitere Nachricht von höchster Priorität eingetroffen, als dieses Kurierschiff durch das Hypernet-Portal hier ankam. CEO Kolani hat den Befehl erhalten, mit fast allen mobilen Streitkräften sofort nach Prime zurückzukehren. Wir brauchen diese Streitkräfte aber, um unser Sternensystem zu verteidigen, sobald wir die Kontrolle übernommen haben. Ich habe diesen Befehl ebenfalls im Komm-System festgesetzt, aber eine Mitteilung von derart hoher Priorität lässt sich nicht ewig zurückhalten.«
»Wie zuversichtlich sind Sie, dass es gelingt, diese Flotte einzunehmen?«, fragte Drakon.
»Zuversichtlich genug. Einige Schiffe sind bereits auf meiner Seite, darunter auch C-448. Ich habe genügend Commander hinter mir, um Kolani besiegen zu können. Wenn sie sich gegen uns stellt, dann geht sie unter – zusammen mit allen Kriegsschiffen, die ihr treu ergeben bleiben wollen. Es ist natürlich keine wünschenswerte Situation, dass wahrscheinlich einige dieser Schiffe zerstört werden müssen, obwohl wir jedes Einzelne gut gebrauchen könnten. Sie erledigen Ihren Teil der Abmachung und radieren die Schlangen aus, und dann lassen Sie erst mal nichts über die Situation hier am Boden verlauten, während ich da oben beschäftigt bin. Der Mob könnte die Zerschlagung der Schlangen als einen Freibrief für die Anarchie auslegen. Sobald wir unsere Unabhängigkeit erklärt haben, werden wir beide die Kontrolle über dieses System fest in der Hand halten. Unsere Revolte soll die letzte sein, die Midway mitzuerleben hat.«
Offenbar hatte Iceni über die gleichen Dinge nachgedacht, auf die Malin zu sprechen gekommen war, als sie sich gefragt hatte, was passieren sollte, wenn die Schlangen erst einmal tot waren. Drakon konnte nur hoffen, dass er sich mit Icenis Vorstellungen würde anfreunden können. Und er hoffte, dass es nicht zu ihren Plänen gehörte, ihn aus dem Weg zu räumen; war er doch nach Hardrads Eliminierung der Einzige, der ihre Autorität würde anfechten können.
Sie schloss ihre Displays, stand auf und ging zur Tür. »Noch Fragen?«
Drakon nickte und musterte sie aufmerksam. »Ja. Warum machen Sie das alles?«
Iceni blieb stehen und drehte sich zu ihm um. »Ist Eigeninteresse für Sie ein so unvorstellbarer Grund?«
»Ich denke, bloßes Eigeninteresse hätte eine andere Richtung einschlagen können. Sie hätten mich zur Rebellion anstiften können, um mich dann den Schlangen auszuliefern. Die wären davon überzeugt gewesen, dass Sie eine brave und loyale CEO sind, und dann hätten Sie im Schutz dieser Überzeugung Ihre eigenen Interessen verfolgen können.«
Ein kurzes und gänzlich humorloses Lächeln war ihre erste Reaktion. »Dann werde ich Ihnen sagen, dass meine Motivation darin besteht, mich selbst, dieses Sternensystem und die umliegenden Sternensysteme zu schützen. Ich brauche einen sicheren Ort, um meine Macht und meinen Einfluss auszuüben. Midway ist in dieser Region dafür am besten geeignet, weil wir das Hypernet-Portal haben und weil wir von Sprungpunkten umgeben sind, die uns zu vielen Sternensystemen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft bringen. Das politische System der Syndiks ist gescheitert. Dieses System hat den Krieg begonnen, ihn hundert Jahre lang nicht gewinnen können und ihn letztlich verloren. Dieses System hat die Reserveflotte aus Midway abgezogen, obwohl sie das Einzige war, was die Enigmas von einem Angriff abgehalten hat. Wir waren völlig wehrlos, als die Enigmas uns attackierten, und es war die Allianz-Flotte, die uns rettete. Jene Allianz, über die man uns immer erzählt hat, sie sei schwach, chaotisch und korrupt, weil man die Bürger bestimmen lässt, wer sie regieren soll. Wir beide wissen nur zu gut, wie chaotisch und korrupt das System der Syndikatwelten sein kann, und jetzt hat es sich auch noch als schwach entpuppt. Wir müssen etwas anderes versuchen, und wir können uns auf niemanden sonst verlassen. Vielleicht werden wir diesen Versuch mit dem Leben bezahlen, aber ich könnte auch bei dem Versuch sterben, allen Reichtum an mich zu reißen, ein Schiff damit vollzustopfen und von hier abzuhauen, während dieses Sternensystem von den Enigmas und zugleich von jenem Chaos bedroht wird, das nach dem Zusammenbruch der Syndikatwelten einige Systeme erfasst hat. Ich bin eine Pragmatikerin, Artur Drakon. Das sind meine Gründe. Glauben Sie mir jetzt?«
»Nein.« Er setzte das gleiche freudlose Lächeln auf, das Iceni ihm eben noch gezeigt hatte. »Wenn Sie eine Pragmatikerin sind, warum haben Sie dann nicht die Flucht ergriffen, als die Attacke der Enigmas drohte?«
Sie schwieg einen Moment lang, als müsse sie erst überlegen, wie sie darauf antworten sollte. »Weil ich für jeden in diesem Sternensystem verantwortlich war und ich mich nicht in Sicherheit bringen wollte, während alle anderen in der Falle saßen.«
»Dann sind Sie also auch noch Idealistin?«, fragte Drakon mit einem Anflug von Sarkasmus.
»So könnte man es ausdrücken, sofern Sie mich damit nicht beleidigen wollen.« Diesmal lächelte sie spöttisch. »Glauben Sie nicht, dass ich zum Teil auch Idealistin sein kann?«
»Nicht, wenn es ein sehr großer Teil ist. Niemand überlebt als CEO, wenn er einen Funken Idealismus im Leib hat.«
»Ach ja? Und wie sind Sie nach Midway gekommen?«
Zynisch lächelnd erwiderte er: »Ich bin davon überzeugt, dass Sie das längst wissen. Die Schlangen wollten eine meiner untergebenen CEOs festnehmen, aber jemand gab ihr einen Tipp, und sie tauchte rechtzeitig unter. Mir gab man daran zwar die Schuld, aber beweisen konnte es niemand. Also wurde ich nicht exekutiert, sondern hierher ins Asyl geschickt.«
Iceni sah ihm in die Augen. »Jemand, der ein solches Risiko eingeht, um eine Untergebene zu schützen, ist für Sie kein Idealist? Als was würden Sie denn einen Führungsoffizier bezeichnen, dessen Untergebene und Soldaten so loyal zu ihm stehen, dass das Syndikat sie alle gemeinsam herschickt, um sie zu isolieren?«
»Ich tue nur das, was ich für … angemessen halte«, sagte Drakon. »Ich habe keinen Einfluss darauf, wie andere mein Handeln wahrnehmen und wie sie darauf reagieren. Ob ich am Ende überlebe oder nicht, ist eine Frage, die bislang noch nicht beantwortet worden ist. Ich werde tun, was ich tun muss, und ich weiß, was Sie in der Vergangenheit getan haben, um Ihre Macht zu wahren. Aber wenn Sie lieber vorgeben wollen, dass das Ihre Gründe sind, dann bin ich bereit, das so zu akzeptieren.«
»Gut. Solange Sie kein falsches Spiel mit mir treiben. Falls doch …«
»Bin ich dann ein toter Mann?«, fragte er und bemühte sich, beiläufig zu klingen, auch wenn er darauf brannte, endlich zu seinen Soldaten zurückzukehren.
Iceni klang genauso entspannt und gelassen wie er, als sie erwiderte: »Falls doch, werden Sie sich wünschen, Sie wären vorher gestorben.« Sie öffnete die Tür und ging nach draußen, dann wartete sie, bis Drakon ihr gefolgt war, damit sie ihr Büro abschließen und die Alarmanlage einschalten konnte. »Viel Glück.« Mit diesen Worten entfernte sich Iceni zügig, wobei ihre Leibwächter um sie herum ihre Plätze einnahmen.
Eineinhalb Stunden später kniete Artur Drakon in einem anderen Gebäude, aus seiner Schulter ragte eine einzelne, haarfeine Spähsonde heraus, die bis zu einem Fenster und ein Stück weit über die Außenkante reichte, sodass er mithilfe der Sensoren an seiner Gefechtsrüstung die äußeren Bereiche des ISD-Hauptquartiers auskundschaften konnte. Die Zivilisten, die normalerweise in diesem Büro arbeiteten, waren so wie alle ihre in diesem Gebäude beschäftigten Kollegen im Keller in Gewahrsam genommen worden. Ihren Platz hatten nun Soldaten in Gefechtsrüstung eingenommen, die in den Fluren und den nach innen gelegenen Räumen kauerten und darauf warteten, dass der Angriff auf den ISD-Komplex begann. Hoch über ihm beobachtete eine Überwachungskamera den Raum, ohne tatsächlich etwas zu sehen, während irgendwo im Hauptquartier die Systeme eine Bildübertragung auswerteten, die angeblich von dieser Kamera stammte und ganz normale Aktivitäten jener Zivilisten zeigte, die hier üblicherweise arbeiteten.
»Bericht«, befahl Drakon.
Malin meldete sich von seiner Position, etwa ein Drittel entlang des Umfangs der Eingrenzung. »Alles sieht nach Routine aus. Keine Probleme.«
Von der anderen Seite der Eingrenzung antwortete Morgan in einem Tonfall, als ahme sie Malin nach: »Alles sieht nach Routine aus. Aber das ist ein Problem.«
»Was für ein Problem?«, wollte Drakon wissen. Sie sprachen über eine abgeschirmte Komm-Leitung, die über Land verlief und jedes nur denkbare Hindernis mitnahm. Es war zwar ein immenser Aufwand, aber nur so ließ sich die Gefahr verringern, dass jene Elemente der ISD-Ausrüstung, die noch nicht sabotiert worden waren, einen Teil dieser Übermittlungen auffingen. Zwei Dosen, die mit einem Faden verbunden sind. Jahrtausendelang wurde die Kommunikationstechnologie weiterentwickelt, und am Ende müssen wir uns damit begnügen, dass wir uns mit Hilfe zweier Dosen unterhalten, die mit einem Faden verbunden sind.
»Das Problem ist«, führte Morgan aus, »dass alles ganz normal aussieht. Auch wenn wir ihr Spionagesystem an der Nase herumgeführt haben, müssen die Schlangen auf den vielen anderen Wegen, die ihnen zur Verfügung stehen, einfach irgendetwas mitbekommen haben. Aber soweit wir das beurteilen können, haben sie keinerlei Reaktionen gezeigt. Keine Nachrichten an Sie oder sonst jemanden, um sich nach dem Grund für die Truppenbewegungen zu erkundigen. Rings um den Komplex sind allein die routinemäßigen Aktivitäten festzustellen, sonst nichts. Das gefällt mir gar nicht.«
»Es könnte sein, dass sie sich im Unklaren sind«, wandte Malin ein. »Vielleicht versuchen sie, die Bruchstücke zusammenzuführen, die sie überall beobachten. Wir können es uns nicht leisten, das Überraschungselement ungenutzt verpuffen zu lassen.«
»Es ist längst verpufft, Idiot.«
»Das reicht.« Drakon dachte über Morgans Argument nach, während er wieder den Gebäudekomplex betrachtete. »Ich habe heute noch gar keine Nachricht von den obersten Schlangen erhalten, die mir sagt, was meine Truppen denn so treiben; nur damit ich auch weiß, dass sie mich nicht aus den Augen lassen. Ich glaube, Morgan hat recht. Sind jemandem irgendwo Vipern aufgefallen?«
»Nein«, sagte Malin.
»Nein«, antwortete auch Morgan mit einem triumphierenden Unterton in der Stimme.
»Dann verläuft doch nicht alles routinemäßig. Ein paar Vipern sind eigentlich immer unterwegs, um einige Runden zu drehen oder anderweitig zu trainieren.« Drakon atmete wutschnaubend aus. Den Spezialstreitkräften des ISD, denen man den Spitznamen Vipern gegeben hatte, eilte der Ruf voraus, besonders kampferfahren und brutal zu sein. Sie bildeten eine eigenständige Streitkraft, die nur der Inneren Sicherheit gegenüber Rechenschaft ablegen musste, weshalb sie vom Militär der Syndikatwelten umso mehr gehasst wurden.
»Meinen Sie, man hat die Vipern aktiviert?«, fragte Malin, lieferte aber sofort die Antwort auf seine Frage: »Wir müssen davon ausgehen, dass sie das gemacht haben.«
»Richtig. Gepanzert und gefechtsbereit. Das bringt unseren Angriffsplan durcheinander.«
Morgan meldete sich wieder. »Wir müssen mit allem, was wir haben, gegen sie vorgehen. Wenn wir so Gruppe für Gruppe reingehen, wie geplant, dann werden diese Vipern uns in Stücke reißen.«
»Aber wenn wir da reinplatzen, dann ist unser Überraschungsmoment dahin«, hielt Malin dagegen. »Je eher die Schlangen merken, dass wir tatsächlich ihr Hauptquartier stürmen, umso mehr Zeit bleibt ihnen, ihre Vergeltungsmaschinerie zu aktivieren, über die sie garantiert immer noch verfügen. Sie werden sich überschätzen und sicher sein, dass sie allem, womit wir auf sie losgehen, etwas entgegensetzen können. Wir müssen sie ausschalten, bevor ihnen klar wird, dass wir tatsächlich mit genügend Schlagkraft gegen sie vorrücken, um den Komplex einnehmen zu können.«
Beide hatten recht, musste Drakon einsehen. »Wir müssen den Angriffsplan anpassen. Eine Infiltration, die uns den Weg freimacht, wird jetzt nicht mehr funktionieren, auch nicht mit unseren Spähern in kompletter Tarnausrüstung. Aber wir können auch keinen Großangriff starten, weil wir uns dann als eine riesige Zielscheibe präsentieren und die Gefahr besteht, dass CEO Hardrad in Panik gerät und einen verheerenden Vergeltungsschlag auslöst. Anstatt in Truppstärke ins Gebäude zu schleichen, werden wir in Zugstärke von allen Seiten gleichzeitig eindringen und uns den Weg freischießen. Zum ersten Sperrfeuer gehört auch die gesamte Bandbreite an Verschleierungsmaßnahmen. Die Züge müssen so aufeinander abgestimmt werden, dass nirgendwo zu viel Personal gleichzeitig landet und sich irgendwo staut. Das muss schon aus dem Grund verhindert werden, damit die Schlangen nicht auf ihren Außenkameras zu sehen bekommen, mit wie vielen Leuten sie es insgesamt zu tun haben. Sobald wir drinnen sind, rückt jeder Zug so schnell wie möglich zum Operationszentrum der Schlangen vor. Die Vipern werden in der Lage sein, einige Wege zu blockieren, aber sie haben nicht genug Leute, um jeden Zugangsweg zu versperren, den unsere Züge nehmen werden. Wie lange brauchen Sie, bis der geänderte Plan hochgeladen worden ist und alle Leute ihre neuen Befehle kennen?«
»Zwanzig Minuten«, erwiderte Morgan.
»Ich gebe Ihnen eine halbe Stunde«, sagte Drakon, ehe Malin einen noch längeren Zeitraum vorschlagen konnte. Er wusste, dass Morgan dazu neigte, ihre zeitlichen Limits zu knapp zu setzen. »Damit verschiebt sich der Angriffszeitpunkt um fünfzehn Minuten nach hinten. Ich werde die anderen Befehlshaber davon in Kenntnis setzen, dass sie ebenfalls eine Viertelstunde länger warten sollen und dass die Schlangen mit unserem Angriff rechnen. Lassen Sie mich wissen, wenn alles bereit ist.«
Drakon klinkte sich in eine andere Überlandleitung ein, die zurück zu seinem eigenen Hauptquartier führte. »Sub-CEO Kai, ich bin bei einer Besprechung unerwartet aufgehalten worden. Man wartete zwar auf jemanden, aber auf mich war man nicht so richtig vorbereitet. Unser Termin am Nachmittag wird fünfzehn Minuten später stattfinden. Bestätigen Sie das.« Die Nachricht erreichte über eine Überlandleitung sein Hauptquartier, dann würde sie über die normalen Kanäle weitergeleitet, sodass es so erschien, als komme sie aus dem Hauptquartier. Kai antwortete Augenblicke später, dann nahm Drakon mit den Sub-CEOs Rogero und Gaiene Kontakt auf und teilte ihnen das Gleiche mit.
Er hatte eben die Unterhaltung beendet, als sein Komm-System ihn auf einen Anruf von CEO Hardrad aufmerksam machte. Drakon atmete einmal tief durch, zwang seine Nerven zur Ruhe und nahm Haltung und Ausdruck in einer Form an, die nach völliger Routine aussah. Es half ihm, Selbstbewusstsein auszustrahlen, weil er wusste, dass die fünf Untergebenen, die in alle Details eingeweiht waren und die ihn hätten verraten können, loyal zu ihm standen. Malin, Morgan, Rogero, Gaiene und Kai kannten Drakon schon seit Langem. Er hatte keine Bedenken, mit jedem von ihnen jedes Geheimnis zu teilen, und er war davon überzeugt, dass keiner von ihnen Hardrad irgendetwas verraten hatte.
Dann aktivierte er einen digitalen Hintergrund, der vorgaukeln sollte, dass er sich in seinem Büro befand, und nahm den Anruf an.
Hardrad machte einen leicht verärgerten Eindruck, der bereits genügte, um so gut wie jeden Bewohner in diesem Sternensystem vor Angst zittern zu lassen. »Ich muss etwas mit Ihnen besprechen, Artur.« Es war eine Angewohnheit des ISD-CEOs, andere CEOs mit Vornamen anzureden. Das war nicht als Geste der Kameradschaft gedacht, vielmehr wollte er ihren Status im Verhältnis zu seinem eigenen heruntersetzen und so auf eine nicht gerade dezente Weise auf die Macht hinweisen, die er über sie alle hatte.
»Ich höre.«
»Erstens möchte ich wissen, warum Ihr Bild einen gefälschten Hintergrund zeigt«, sagte Hardrad. Natürlich war das den Systemen der Schlangen aufgefallen.
»Ich komme gerade aus der Dusche.«
»Sonderbare Zeit für eine Dusche«, stellte Hardrad fest.
»Nicht, wenn man sich sportlich betätigt. Was wollten Sie mit mir besprechen?«
»Eine Nachricht aus dem Komm-System. Eine für mich bestimmte Nachricht mit hoher Priorität, die trotzdem tagelang in diesem Sternensystem zurückgehalten wurde.«
Drakon legte die Stirn in Falten. »Ist sie auf einem militärischen Kanal gesendet worden?«
»Nein.«
Damit blieb nur noch eine Alternative, schließlich wurden die Komm-Systeme von Iceni kontrolliert, was Drakon und Hardrad beide wussten. Dennoch sprach keiner von beiden ihren Namen aus. Namensnennungen bei einer Unterhaltung zu vermeiden, war eine Vorsichtsmaßnahme, die jedem CEO so in Fleisch und Blut übergegangen war, dass er nicht bewusst daran denken musste. Diese Angewohnheit war nötig, weil die in Nachrichtenübermittlungen nach Informationen und Warnungen suchenden Sicherheits-Bots sich vor allem auf Namen konzentrierten. »Gut«, meinte Drakon. »Wenn bei meinen Systemen ein solcher Fehler auftauchen würde, dann würden dafür Köpfe rollen.«
Wieder schwieg Hardrad einen Moment lang und beobachtete Drakon sehr gründlich. »Ich würde mit Blick auf die Gründe für dieses Versagen gerne unter vier Augen mit Ihnen reden, CEO Drakon. Hier in meinem Hauptquartier. Das Thema ist so sensibel, dass ich eine solche Unterhaltung nicht über Kommunikationssysteme führen möchte.«
Geschickt. Auch wenn er Hardrad für das hasste, was der Mann verkörperte und was er sich in der Vergangenheit herausgenommen hatte, musste er ihn in diesem Moment bewundern. Es war Hardrad gelungen, die Unterhaltung in eine Richtung zu lenken, die es so erscheinen ließ, als würde er Iceni irgendein Fehlverhalten unterstellen und als wolle er nun sein weiteres Vorgehen mit Drakon abstimmen, ehe er zur Tat schritt.
Aber selbst wenn er tatsächlich nicht auf den Gedanken gekommen sein sollte, dass Drakon in diese verspätete Übermittlung des von Prime kommenden Befehls verwickelt sein könnte, beabsichtigte er auf jeden Fall, die in der Order enthaltenen Anweisungen auszuführen. Das hieß, er bestellte Drakon ins ISD-Hauptquartier, um ihn zu befragen und eine komplette Sicherheitsüberprüfung vorzunehmen.
Drakon tat so, als überlege er, was für den heutigen Tag noch auf seinem Terminplan stand. »Also gut. Wie eilig ist das?«
»Je eher Sie hier sind, umso besser. Ich schicke Ihnen eine Eskorte.«
Eine Eskorte. Von wegen. Einen kompletten Zug Vipern in vollständiger Gefechtsrüstung würde er ihm schicken. »Ich möchte nicht, dass irgendetwas die Aufmerksamkeit von irgendwelchen Leuten auf mich lenkt, das werden Sie sicher verstehen. Ich benötige keine Eskorte, meine Leibwächter kommen mit allem zurecht, was sich uns unterwegs in den Weg stellen könnte.« Er sprach seine Worte mit einer ruhigen Arroganz aus, so wie ein CEO von Rang und Namen, der sich seiner Macht bewusst ist. Drakon entging nicht, dass sich Hardrad ein wenig entspannte, in etwa so wie eine Katze, die festgestellt hatte, dass die Maus ihr noch ein Stück entgegenkam und keine Ahnung von der Gefahr hatte, in der sie schwebte. »Wie wäre es, wenn ich mein Büro in … sagen wir, in einer halben Stunde verlasse?«
Diesmal folgte eine noch längere Pause. Drakon begann sich zu fragen, ob ihm inzwischen der Schweiß ausgebrochen war und ob Hardrad ihm das anzusehen vermochte. Aber dann nickte der CEO und lächelte oberflächlich. »In einer halben Stunde. Wenn Sie sich verspäten, werde ich … besorgt sein.«
»Verstanden. Wir sehen uns in Kürze.« Sollte Hardrad diese Leitung mit einem Täuschungsdetektor ausgestattet haben, würde der in Drakons Worten und Tonfall keine Falschheit erkennen können, schließlich entsprach es ja tatsächlich Drakons Absichten, in weniger als einer halben Stunde das ISD-Hauptquartier zu betreten.
Sollte er Iceni warnen, dass Hardrad nun doch den zurückgehaltenen Befehl bekommen hatte, alle CEO einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen? Aber Iceni war bereits auf dem Weg zu ihrem Schweren Kreuzer, und es gab keine Möglichkeit, ihr eine Warnung zukommen zu lassen, ohne dass Hardrad diese Übermittlung registrierte. Gerade auf so etwas würde er genau jetzt nur warten, da er hoffte, dass etwaige Verschwörer in Panik gerieten und ihre Komplizen vor dem Zugriff des ISD zu warnen versuchten. »Malin, Morgan, die Schlangen verhalten sich nicht so seltsam, weil sie wissen, was wir vorhaben, sondern weil Hardrad jetzt doch den besagten Befehl erhalten hat und mit Unruhen rechnet, wenn er mich erst mal festgenommen hat. In einer halben Stunde erwartet er mich in seinem Büro.«
Morgan klang so, als hätte sie sich vor Schadenfreude fast verschluckt. »O ja. In einer halben Stunde werden wir alle in seinem Büro auftauchen. Boom, Boom, Baby.«
»Können Sie CEO Iceni die Verzögerung mitteilen, Sir?«, wollte Malin wissen. »Es könnte sie beunruhigen, wenn wir nicht dem Zeitplan entsprechend angreifen.«
»Ihr wird die Verzögerung nicht gefallen. Sie gefällt mir ja nicht einmal. Aber es lässt sich nicht vermeiden. Wenn Sie eine Idee haben, wie wir Iceni eine Mitteilung über die Verspätung zukommen lassen können, ohne dass sie von den Schlangen abgefangen wird, dann lassen Sie es mich wissen.«
Iceni würde einfach darauf vertrauen müssen, dass er sich an die Vereinbarung hielt. Doch es war schon fast unverschämt, dass ein CEO der Syndikatwelten so etwas von einem anderen CEO erwartete.
Er dachte über die mobilen Streitkräfte im Orbit um Midway nach. Zum ersten Mal seit langer Zeit wünschte er, es gäbe da jemanden, den er um Hilfe bitten könnte. Jemanden, der auf das Stoßgebet hörte, dass die eingetretene Verzögerung keine Probleme für Iceni und ihre Pläne für die mobilen Streitkräfte nach sich ziehen sollte.
Die gnadenlosen, knallharten Lebensbedingungen unter der Herrschaft des Syndikats und die wahllose Art, wie der Tod auf dem Schlachtfeld zuschlug, hatten Drakon schon vor langer Zeit jeden Glauben daran verlieren lassen, dass es jemanden oder etwas gab, dem es wichtig war, was mit ihm, Drakon, geschah. In Augenblicken wie diesem fehlte ihm der Trost, den ein solcher Glaube ihm hätte spenden können. Unwillkürlich hoffte er, dass er sich irrte.
Iceni durchschritt zügig den Schlauch, der das Shuttle mit der Einheit C-448, Kreuzer/Schwer/Gefecht, der mobilen Streitkräfte verband, und versuchte, sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen. Stattdessen gab sie sich Mühe, leicht stirnrunzelnd dreinzuschauen, ganz wie eine CEO, die es darauf anlegte, ihre Untergebenen schon mit bloßen Blicken in eine besorgte Defensive zu drängen.
Der Befehlshaber der C-448 salutierte auf Syndikat-Manier, indem er mit der rechten Faust leicht die linke Brust berührte. »Willkommen bei meiner Einheit, CEO Iceni. Es ist uns eine Ehre, dass Sie uns so überraschend einen Besuch abstatten.«
Iceni lächelte ihn kurz an. »Vielen Dank, Sub-CEO Akiri. Ich war schon immer der Meinung, dass man nicht jede Inspektion ankündigen sollte. Sind Sie bereit, das Portal zur Hölle zu stürmen?«
Akiri zwinkerte, als er den verschlüsselten Satz hörte, dann atmete er tief durch und rang sich zu einem ruhigen Nicken durch. »Wir sind bereit, Ihnen zu folgen, CEO Iceni.« Dann wandte er sich der Frau zu, die neben ihm stand, und machte eine knappe Geste in Richtung Heck: »Treffen Sie alle notwendigen Vorkehrungen.«
Ihr Lächeln war etwas zu verkrampft und eifrig, dann salutierte sie hastig. »Fünf Minuten.«
Iceni sah der sich entfernenden Offizierin nach und wusste, von ihr war kein Verrat zu befürchten. Executive Marphissa, die stellvertretende Befehlshaberin der C-448, hatte einmal einen Bruder gehabt, der nicht im Kampf gegen die Allianz gefallen war, sondern von der Inneren Sicherheit verhaftet worden war. In deren Gewalt war er dann während eines Verhörs gestorben, was von den Schlangen wie üblich auf »Herzversagen« zurückgeführt wurde. Iceni wusste, wie sehr diese Frau darauf hoffte, ihren Bruder rächen zu können. Finde das passende Werkzeug und benutze es richtig, hatte eine ihrer alten Mentorinnen immer zu ihr gesagt. Wir sind Künstler, Gwen. Künstler, die Menschen benutzen, um den Ausgang eines Ereignisses zu formen. Wähle die richtigen Leute aus, weise ihnen den Weg, den sie ohnehin schon gehen wollen, und dann werden sie deine Arbeit für dich erledigen. Und nach getaner Arbeit hinterlassen sie keinen von deinen Fingerabdrücken, außer natürlich, du willst das Resultat für dich in Anspruch nehmen.
»Sie ist sehr fähig«, sagte Akiri leise, nachdem Marphissa gegangen war. »Aber man darf sie nicht aus den Augen lassen.«
Untergebene herunterzuputzen war keineswegs ungewöhnlich (schließlich brauchte jeder Executive jemanden, dem er die Schuld zuschieben konnte, wenn etwas schiefging), doch die plumpe und ungeschickte Art, die Akiri dabei an den Tag legte, sorgte nur dafür, dass er in Icenis Achtung noch ein wenig mehr sank. Haben Sie sich eigentlich nie gefragt, CEO Akiri, warum ich von allen Einheiten der mobilen Streitkräfte, deren Befehlshaber mir ihre Treue geschworen haben, ausgerechnet Ihren Kreuzer ausgesucht habe, um diese Operation zu befehligen? Halten Sie das etwa für ein Kompliment? Ich weiß sehr genau, wann ich einen Untergebenen nicht aus den Augen lassen darf, und Marphissa ist hier ganz sicher nicht diejenige, die unter ständiger Beobachtung stehen muss.
Akiri setzte erneut zum Reden an, doch Iceni hob abwehrend die Hand, während im gleichen Moment der Komm-Alarm ertönte, der eine Nachricht von hoher Priorität ankündigte. Ihr gereizter Gesichtsausdruck war nicht bloß gespielt, als sie die Nachricht mit einem Daumendruck annahm. Das Bild von Mehmet Togo erschien, ihr persönlicher Assistent für alle Zwecke und manchmal auch ihr Auftragskiller.
»Wir haben eine Nachricht vom ISD-Hauptquartier erhalten«, berichtete Togo mit gefühlloser Stimme. »Man hat eine Mitteilung von CEO Kolani empfangen, in der behauptet wird, Sie hätten die für Kolani bestimmten Befehle der Regierung auf Prime vorsätzlich zurückgehalten.«
Verdammt. Der an Hardrad gerichtete Befehl war so lange im System festgehalten worden, wie es nur irgend möglich gewesen war. Aber der Befehl für Kolani hätte noch tagelang im System steckenbleiben sollen. Irgendein überschlauer Komm-Techniker musste die Nachricht entdeckt und die Sperren aufgehoben haben, die dafür sorgten, dass bestimmte Mitteilungen einfach in der Nachrichtenverarbeitungssoftware hängen blieben.
Allen Sicherheitscodes und Verschlüsselungsprogrammen zum Trotz, die diese Unterhaltung auf ihrem privaten Kanal schützen sollten, wusste Iceni nur zu genau, dass sie auf einen solchen Schutz gar nicht hoffen musste. Praktisch jeder, der nicht davon ausging, dass der ISD immer mithörte, musste für seine Gedankenlosigkeit früher oder später teuer bezahlen. Also setzte Iceni eine Miene auf, die eine Mischung aus Ratlosigkeit und Verärgerung darstellte. »Befehle? Was für Befehle?«
Togo spreizte die Hände und täuschte gleichfalls Ahnungslosigkeit vor. »Das weiß ich nicht.«
»Wie sollen wir dann bitte dem ISD eine Antwort geben, wenn wir nicht wissen, welche Befehle angeblich zurückgehalten wurden?«, empörte sich Iceni. »Militärische Befehle? Hätten die nicht auf diesen Kanälen weitergeleitet werden müssen?«
»Das würde ich schon annehmen, Madam CEO. Soll ich den CEO anrufen, der für diesen Bereich zuständig ist?«
Das wäre natürlich Drakon. »Nein, noch nicht. Ich bin zwar schockiert, so etwas zu hören, aber ich kann nicht jemand anders zur Rede stellen, wenn ich selbst kaum Informationen habe. Nehmen Sie Kontakt mit CEO Hardrad auf und sagen Sie ihm, ich muss wissen, um was es hier genau geht, damit ich die entsprechenden Maßnahmen ergreifen kann.«
Der Bildschirm erlosch, und Iceni sah zu Akiri. »Haben Sie diese Befehle schon gesehen?«
Er nickte. »CEO Kolani hat sie an alle Schiffe weitergeleitet. Wir haben die Befehle vor ein paar Minuten erhalten. Alle mobilen Streitkräfte in diesem Sternensystem sollen sich nach Prime begeben, um der direkten Kontrolle durch den Obersten Rat der Syndikatwelten unterstellt zu werden. Es überrascht mich, dass Sie in der Lage waren, eine solche Anweisung im Komm-System festzuhalten, ohne dass irgendein Alarm ausgelöst wurde.«
»Es war nicht leicht.« Hatte jemand aus Drakons Reihen die Nachricht weitergeleitet? Oder Drakon selbst? Wenn er vorhatte sie zu hintergehen, würde er das bitter bereuen. Was sie ihm dazu gesagt hatte, war kein Bluff gewesen. »Hat CEO Kolani Ihnen zusammen mit der weitergeleiteten Nachricht auch schon den Marschbefehl zukommen lassen?«
»Nein, Madam CEO. Wir sollen uns nur auf die Abreise vorbereiten, mehr wurde uns nicht gesagt.«
Iceni lächelte und zwang sich zur Ruhe. »Zweifellos will CEO Kolani erst noch miterleben, wie man mich ins ISD-Hauptquartier schleift und zu Hackfleisch verarbeitet.« Sie sah auf die Uhr. »In ein paar Minuten werden sich auf der Planetenoberfläche Dinge in Bewegung setzen.«
Wieder meldete ihr privater Kanal den Eingang einer Nachricht, aber die Tonfolge war eine andere und kündigte etwas Unheilvolles an, da Iceni wusste, wessen Anruf da soeben angekündigt worden war. Sie sammelte sich kurz, dann nahm sie das Gespräch an. Diesmal sah sie in das trügerisch ausdruckslose Gesicht des Leiters des Inneren Sicherheitsdienstes in diesem Sternensystem. »CEO Hardrad, ich bin froh, dass Sie sich melden. Was hat es mit diesen Befehlen auf sich, die angeblich zurückgehalten wurden?«
Iceni hatte Hardrad nie als eine Schlange angesehen, was ihm womöglich dabei geholfen hatte, im ISD Karriere zu machen. Sein Gesicht war unauffällig; Haare, Haut und Kleidung erschienen ihr allesamt wie Beigetöne in leicht unterschiedlichen Schattierungen. Selbst nach einer eindringlichen Betrachtung wirkte der Mann wie der geborene farblose Bürokrat. Sogar seine Augen ließen außer kaum verhohlenem Desinteresse so gut wie keine Regungen erkennen. Iceni, die sich nicht nur mit Hardrads Aussehen, sondern auch intensiv mit seiner Karriere beschäftigt hatte, wusste nur zu gut, dass man sich von der äußerlichen Belanglosigkeit des Mannes nicht täuschen lassen durfte. Nach seinen Handlungen zu urteilen, verbarg sich dahinter nämlich ein gnadenloses Wesen. Jetzt schürzte er ein wenig die Lippen, aber das war auch schon die einzige erkennbare Reaktion auf Icenis Frage. »Eine Kommandoanweisung von Prime, Gwen«, antwortete er dann.
»Die hätte ich sehen müssen«, protestierte sie sofort. »Ich bin für die Verteidigung dieses Sternensystems verantwortlich. Wieso habe ich sie nicht gesehen?«
»Sie war für CEO Kolani bestimmt«, erklärte er.
Iceni hatte gar nicht erst erwartet, Hardrad von einer nervösen oder angespannten Seite zu erleben, doch es hatte etwas Beunruhigendes, dass er sie ansah, als wäre sie eine Figur in einem Spiel, dessen Ausgang längst feststand. »Wieso sind Sie im Orbit?«, fragte er.
»Als Senior-CEO in diesem Sternensystem bin ich für sämtliche Vermögensgegenstände der Syndikatwelten verantwortlich.« Sie machte eine fahrige Handbewegung. »Ich führe eine Inspektion durch.«
»Es war keine Inspektion angesetzt.«
»Ich bevorzuge Überraschungen«, machte sie ihm klar. »Damit erreicht man mehr.«
»Da haben Sie recht«, stimmte Hardrad ihr zu. Jeder andere Mann hätte spätestens jetzt irgendeine Regung gezeigt, vielleicht ein finsteres Lächeln als Bestätigung dafür, dass sie beide in Wahrheit über den ISD und seine Taktiken redeten. Aber Hardrad machte so etwas nicht, er zuckte nicht mal mit der Wimper. »Sie werden Ihre Inspektion jedoch auf einen anderen Tag verschieben müssen. Ich muss mit Ihnen reden, unter vier Augen. Jetzt sofort.«
Sie reagierte mit ihrer besten empörten Miene. »Weil CEO Kolani als Befehlshaberin der tödlichsten Streitkräfte in diesem System mir ein Fehlverhalten unterstellt, das sehr wahrscheinlich ihr eigener Komm-Stab zu verantworten hat? Verzeihen Sie, aber ich kontrolliere die militärische Kommunikation in diesem System nicht.«
»Nein, das tun Sie nicht. Wir müssen darüber reden, wer sie kontrolliert. Sie verstehen?«
Dann hatte er also Drakon im Verdacht? Unter den gegebenen Umständen war das durchaus nachvollziehbar, aber trotzdem … Wenn seine Befehle jetzt auch bei ihm angekommen sind, dann will Hardrad mich ins Hauptquartier zitieren, damit er jeden illoyalen Gedanken zutage fördern kann, der mir je durch den Kopf gegangen ist. Geschickter lässt es sich kaum anstellen, als mich in sein Gebäude zu locken und dabei anzudeuten, dass wir gemeinsam gegen Drakon vorgehen werden.
Natürlich immer vorausgesetzt, dass Drakon mich nicht inzwischen ans Messer geliefert hat.
»Wir sollten jetzt sofort darüber reden, Gwen«, redete er weiter. Sie hatte es noch nie gemocht, wenn er sie in Unterhaltungen wie dieser mit dem Vornamen anredete; was nicht nur Vertrautheit andeuten, sondern vor allem darauf hinweisen sollte, dass sie in der Rangordnung unter ihm stand. »Ich habe die ISD-Repräsentanten an Bord der C-448 informiert, damit ein paar von ihnen Sie auf den Planeten begleiten.«
Iceni starrte noch sekundenlang auf den leeren Schirm, nachdem Hardrads Bild längst verschwunden war. So viel Macht er auch besaß, wusste Hardrad dennoch, dass er Senior-CEOs gegenüber Respekt zumindest vortäuschen sollte. Momentan führte er sich aber viel zu großspurig auf. Was hatte er gegen sie in der Hand, dass er einen so offenen Schachzug gegen sie unternahm? Sie sah auf die Uhr, und ihr Atem stockte. Drakon hätte bereits vor zwei Minuten den Angriff beginnen müssen.
»Ihre Befehle?«, fragte Akiri verhalten.
Sollte sie jetzt gegen die ISD-Repräsentanten auf diesem und den anderen Kriegsschiffen vorgehen? Aber wenn Drakon gezwungen worden war, seinen Angriff zu verschieben, wenn er sie also nicht wissentlich den Schlangen zum Fraß vorgeworfen hatte, dann würde sie mit ihrem eigenen Zug Drakons bevorstehenden Schlag zunichtemachen, obwohl gerade der unbedingt erfolgreich sein musste. Hardrad würde fast augenblicklich merken, dass etwas nicht stimmte, wenn der Datenstrom der Statusmeldungen seiner Repräsentanten an Bord der C-448 mit einem Mal versiegte. Wenn das geschah, konnte Iceni auch genauso gut die Nachricht verbreiten, dass sie mit sofortiger Wirkung das Kommando über alle mobilen Streitkräfte im System übernahm, und Kolani dazu auffordern, sich ihrer Autorität zu unterwerfen. Drakons Attacke auf dem Planeten sollte das Zeichen für ihre Agenten sein, dass der Moment gekommen war, in Aktion zu treten. Wenn die nun ausblieb, wäre sie wohl sogar gezwungen, eine solche Nachricht in Umlauf zu bringen. Andernfalls lief sie Gefahr, dass die Schlangen auf den anderen Schiffen gegen die Offiziere vorgingen oder Würmer aktivierten, von denen bekannt war, dass die Innere Sicherheit sie in allen wichtigen Systemen versteckt hatte, um die Anlagen bei Bedarf lahmzulegen.
Akiri nahm auf seiner eigenen Komm-Einheit eine Nachricht entgegen, dann drehte er sich zu Iceni um. »Die Repräsentanten des ISD an Bord dieser Einheit werden in fünf Minuten eintreffen, um Sie zurück auf die Oberfläche zu eskortieren.«
Was zum Teufel hat Drakon vor? Wie viel Zeit benötigt er noch? Oder ist er mir bereits in den Rücken gefallen? In dem Fall muss ich jetzt handeln, wenn ich noch meine eigene Haut retten will.
»Ihre Befehle?«, wiederholte Akiri etwas drängender und ängstlicher.