Achtzehn

Drakons Laune passte nicht zu den Informationen, die er überbrachte.

»Sie scheinen in allen Punkten erfolgreich gewesen zu sein, bezüglich derer wir beide der Ansicht waren, dass Sie dafür nach Taroa reisen sollten«, sagte Iceni.

»Nicht in allen. Als wir abgereist sind, gab es nicht mal den Ansatz einer stabilen Regierung.«

»Sie wollten wohl nicht ernsthaft so lange warten, bis sie eine Regierung haben. Nach allem, was ich von meinen Repräsentanten gehört habe, tendiert Taroa bereits zu einer formalen Allianz mit uns. Das ist doch schon ein Anfang, und für andere Sternensysteme wird das ein Ansporn sein, so etwas ebenfalls in Erwägung zu ziehen.« Iceni rieb sich mit einer Hand die Augen. »Was die weniger erfreulichen Dinge angeht … ich nehme an, Sie haben bereits von Colonel Rogero gehört, was vorgefallen ist.«

»Und ich nehme an, Sie hatten bislang keinen Erfolg bei der Suche nach dem Attentäter.«

Sie nahm die Hand herunter und sah ihm in die Augen. »Ich hatte den Befehl ausgegeben, Colonel Rogero nichts anzutun. Falls jemand aus meinen Kreisen diesen Versuch unternommen hat, dann geschah das entgegen meinen ausdrücklichen Anweisungen. In dem Fall werde ich dafür sorgen, dass derjenige sein Verhalten bitter bereut.«

Drakon musterte sie einen Moment lang, ehe er erwiderte: »Wollen Sie damit andeuten, jemand aus meinen Kreisen könnte den Anschlag verübt haben?«

»Mir liegen keinerlei Informationen vor, General, daher deute ich so etwas auch nicht an.« Sie fragte sich, wieso Drakon so schnell zu dieser Schlussfolgerung gelangt war. Bereitete ihm jemand aus seinem Umfeld Sorgen? Lief ihre eigene Quelle Gefahr, enttarnt zu werden?

Er schüttelte den Kopf. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass irgendein Bürger auf ihn geschossen haben sollte. Aber wenn sich noch irgendwo Schlangen verborgen halten …«

»… dann wäre das eine Erklärung«, stimmte sie ihm zu. »Alle sind auf der Suche nach einem solchen Nest.«

Diesmal nickte Drakon und legte etwas von seiner schlechten Laune ab. »Ich wollte darauf hinweisen, wie gut sich Kommodor Marphissa geschlagen hat. Es gab nicht ein einziges Problem bei der Koordination und bei der Versorgung. Ich habe noch nie mit einem besseren Befehlshaber der mobilen Streitkräfte zusammengearbeitet.«

»Es freut mich sehr, so etwas zu hören. Ich will ihr das Kommando über das Schlachtschiff übertragen, sobald es einsatzbereit ist.«

»Damit wird sie ohne Probleme zurechtkommen«, sagte Drakon. »Aber ich hoffe, ihre Befehlsgewalt wird sich nicht nur auf dieses Schiff beschränken. Sie hat Formationen und mehrere Einheiten gleichzeitig sehr gut gehandhabt.«

»Das werde ich im Gedächtnis behalten.« Warum überschüttete er Marphissa nur mit so viel Lob? Sie waren beide eine Zeit lang auf dem Schweren Kreuzer unterwegs gewesen. Drakons Stab glaubte mittlerweile, Marphissa arbeite für sie. Hatte er Marphissa also tatsächlich umgedreht? Oder war er zumindest schon weit genug gekommen, um dafür zu sorgen, dass sie bei den mobilen Streitkräften mehr Einfluss bekam? »Sie haben eine große Zahl an guten Werftarbeitern mitgebracht. Sie werden dafür sorgen, dass unser Schlachtschiff viel schneller fertiggestellt wird als bislang erwartet.«

»Wie schnell?«

»Zwei Monate.«

»Damit bleibt immer noch ein verdammt großes Zeitfenster, in dem Bedrohungen auf uns zukommen können«, murmelte Drakon. Als hätte er gemerkt, dass seine Worte als Kritik aufgefasst werden konnten, sah er Iceni an. »Ich sehe ein, dass wir beide so gut wie nichts unternehmen können, um das Schiff eher fertigzustellen. Aber wir werden viele von diesen Arbeitern so bald wie möglich nach Taroa zurückschicken wollen, damit sie mit der Fertigstellung des zweiten Schiffs weitermachen.«

Iceni seufzte frustriert. »Ein Jahr, bis das so weit ist. Hoffen wir, dass uns so viel Zeit bleibt.«

»Offiziell ein Jahr, aber vielleicht lässt sich da noch was machen, indem wir den Arbeitern echte Belohnungen bieten, wenn sie über sich hinauswachsen.« Drakon sah sie fast herausfordernd an. »Womöglich wären Bonuszahlungen an die Arbeiter sinnvoller als an die Executives.«

Verwundert zog sie die Augenbrauen hoch. »Ich hatte Sie gar nicht für so radikal gehalten. Wir dürfen es uns mit den Executives und den Sub-Executives nicht verscherzen. Vielleicht sollten alle einen Bonus abhängig von den tatsächlichen Leistungen erhalten.«

Daraufhin begann Drakon ironisch zu grinsen. »Bonuszahlungen abhängig von den tatsächlichen Leistungen? Und mich bezeichnen Sie als radikal?«

»Wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben, können wir es ja mit diesem System versuchen und sehen, wie es funktioniert. Immerhin wissen wir, dass unsere Leute vom Syndikat-System gedrillt worden sind, sich Bewertungen zu unterziehen. Es könnte Mittel und Wege geben, wie wir sie dazu bringen, dass sie sich ganz darauf konzentrieren, die von uns gewünschten Resultate zu liefern. Gibt es sonst noch was?«, fragte sie dann. Seine seltsame Unruhe machte sie mittlerweile auch nervös. Irgendetwas war vorgefallen – aber was? Togo hatte bislang noch keine Entdeckung melden können, aber seine Quelle war auch nicht so dicht an Drakon dran. »Schön, dass Sie wieder hier sind, General Drakon.«

Er nickte bedächtig, dann stand er auf.

Sie würde bei ihrer besten Quelle nachfragen müssen, aber nicht bloß per übermittelter Nachricht. Trotz aller damit verbundenen Risiken machte diese Situation ein Treffen unter vier Augen erforderlich.

Zurück in ihrem eigenen Büro verriegelte sie die Tür und aktivierte alle Alarmsysteme, dann setzte Iceni sich an ihren Schreibtisch. Warum benahm sich Drakon so, als hätte er ein schlechtes Gewissen? Die wahrscheinlichste und zugleich erschreckendste Erklärung war die, dass er beschlossen hatte, sich gegen sie zu wenden, diese Entscheidung ihm aber aus irgendeinem Grund Unbehagen bereitete.

Sie drehte sich mit ihrem Bürostuhl um und betrachtete einen Teil des virtuellen Fensters hinter ihrem Schreibtisch. Derzeit war dort die Stadt bei Nacht zu sehen, und das aus einem Winkel, als befände sich ihr Büro in einem Hochhaus, und nicht gut geschützt unter der Oberfläche. Die Lichter der Stadt reichten bis an die Küste, dort schlugen Wellen mit phosphoreszierenden Schaumkronen gegen natürliche Felsblöcke und von Menschen erbaute Mauern. Ihre Hand ruhte auf einem Gebäude, das in der Dunkelheit leuchtete und so abgeflacht war, dass es ihre Fingerabdrücke und die Linien auf ihrer Handfläche scannen konnte. Dann verschwand ein Teil des virtuellen Fensters und wurde durch ein leeres Quadrat ersetzt. Nachdem sie sich durch ein halbes Dutzend Zugangs- und Bestätigungscodes gearbeitet hatte, öffnete sich eine kleine Panzertür.

Iceni zog das Dokument heraus, das in der Kammer hinter der Panzertür lag, ein Textausdruck. Sie schlug es willkürlich auf und fand schnell die Buchstaben, die sie benötigte, um eine Nachricht zu verfassen. Eine Nachricht mittels eines Codes aus einem Buch zusammenzustellen war ein langwieriger Prozess, aber immer noch die einzige Methode, die es nach dem Wissensstand der Menschheit unmöglich machte, einen derart verschlüsselten Text zu knacken. Ihre Kontaktperson würde auf die Bitte um ein Treffen nur reagieren, wenn diese Bitte in einer solchen Form bei ihr eintraf.

Schließlich nahm sie aus dem Safe auch noch ein Mobiltelefon, das von keiner bekannten Technologie abgehört oder zu ihr zurückverfolgt werden konnte, und tippte eine Nummer ein. Nachdem sie einen Moment gewartet hatte, meldete sich eine anonyme Mailbox. »Fünf Eins Eins«, sprach Iceni die Seitenzahl auf die Mailbox, dann folgten: »Siebzehn Sechs Zehn« Die Zahlenkombinationen nannten Seite, Zeile und Stellung der Worte in der Zeile, aus denen sich ihre Botschaft zusammensetzte. Dann beendete sie den Anruf und legte das Mobiltelefon zurück in den Safe.

Iceni hielt inne, gerade als sie das Dokument wieder im Safe verstauen wollte. Unzählige Dinge waren über die Jahrtausende hinweg in Schriftform festgehalten worden, der größte Teil davon war in virtueller Form erhalten geblieben, heute begraben inmitten eines Universums aus überlieferten menschlichen Gedanken. Doch gedruckte und gebundene Bücher konnten Leser immer noch in ihren Bann schlagen. Das half dazu beizutragen, dass die Verwendung eines Büchercodes nach wie vor nicht von Unbefugten entschlüsselt werden konnte, auch wenn Computersysteme noch so schnell alles Material zu durchsuchen vermochten. Da kein Ausdruck hinsichtlich Formatierung und Seitenzahl grundsätzlich mit einem anderen identisch war, ließ sich auch kein Schlüssel finden. Um die Nachricht lesen zu können, benötigte man zwei komplett identische Ausdrucke.

Jetzt betrachtete sie das Dokument, das sie wegen seines hohen Alters ausgewählt hatte, und sie fragte sich unwillkürlich, was der Verfasser wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass sein Buch, das er vor so langer Zeit auf der alten Erde im Sol-Sternensystem – der Wiege der Menschheit, die von den Bürgern immer noch als Heimat ihrer Vorfahren verehrt wurde – geschrieben hatte, auch jetzt noch gelesen wurde. »Die Schlacht um Midway«, flüsterte sie und zeichnete mit einem Finger die Worte des Titels nach. Der Name »Midway« auf dem Buch hatte sie aufmerksam werden lassen, als sie auf der Suche nach einem Dokument für genau diesen Zweck gewesen war. Der Name stand für einen anderen Ort, der vor langer Zeit auch umkämpft gewesen war und der genauso hieß wie dieses Sternensystem. Sie hielt sich nicht für abergläubisch, doch sie hoffte, dass der Titel sich als gutes Omen erweisen würde.

Jeder halbwegs vernünftige CEO verfügte über mindestens einen geheimen Ausgang aus seinem Büro oder seiner Wohnung, über einen Fluchtweg, den nur er allein kannte und der so angelegt war, dass niemand ihn beim Betreten oder Verlassen seiner Räumlichkeiten zu sehen bekam. Nicht einmal Togo kannte den Fluchtweg, den Iceni diesmal genommen hatte. Schließlich konnte sie trotz allem keine wirklich hundertprozentige Gewissheit haben, dass sie Togo vertrauen konnte.

Niemandem konnte man bedenkenlos vertrauen. So etwas lernte man schnell, sonst war einem als CEO kein langes Leben beschieden.

Sie trug einen Mantel, der sie vor dem abendlichen Wind schützte, ihr Gesicht verschwand zur Hälfte hinter dem hochgeschlagenen Kragen. Ohne ihre Leibwächter fühlte sie sich regelrecht nackt, auch wenn ihre Kleidung mit aller nur erdenklichen Technologie vollgestopft war, die der Verteidigung diente. Jeder Bürger, der den Fehler beging, sie anzugreifen oder sie berauben zu wollen, würde seinen Irrtum schnell und nachhaltig bereuen.

Verborgene wie auch für jedermann sichtbare Überwachungskameras schauten in ihre Richtung, sobald sie an ihnen vorbeikam, doch sie waren nicht in der Lage, Iceni zu entdecken. Vom ISD geschaffene Codes, die dafür sorgten, dass bestimmte Personen für die Polizei und für andere routinemäßige Überwachungsdienste unsichtbar blieben, erzeugten für die digitalen Sensoren blinde Bereiche, die man sich zunutze machen konnte, wollte man sich unbeobachtet auf der Straße bewegen.

Dann endlich hatte sie ihr Ziel erreicht, eine abgelegene Ecke an einer Haltestelle des öffentlichen Personentransports. Der Ort war weit genug von Menschenmengen entfernt, um zufällige Kontakte zu vermeiden, aber immer noch nahe genug dran, damit man nicht herausstach. Die Geräuschkulisse sorgte zudem für ein anhaltendes Gemurmel, in dem sich eine einzelne Unterhaltung schnell verlor. Iceni lehnte sich gegen eine Wand und suchte in der Menge der Passanten nach der einen Person, mit der sie hier verabredet war. Die wenigsten Fußgänger nahmen Notiz von ihr, wie sie in ihrem unscheinbaren Mantel dastand. Das war nicht die Art, wie sich hochrangige CEOs und Präsidentinnen kleideten, außerdem würde sich weder ein CEO noch eine Präsidentin ohne Leibwächter auf die Straße wagen.

Ein Mann in gleichermaßen unauffälliger Zivilkleidung schlenderte die Straße entlang und machte einen Schlenker, um sich ihr zu nähern. In ihrer Nähe angekommen, lehnte er sich ebenfalls gegen die Wand und hielt eine Hand so gedreht, dass Iceni ein kleines Gerät mit grün blinkenden Lichtern sehen konnte.

Sie nickte und zeigte ihm im Gegenzug ihren eigenen Überwachungsmelder, der mit ebenfalls grüner Anzeige angab, dass niemand sie belauschen konnte. Es war ihre gegenseitige Versicherung, dass sämtliche auf diesen Punkt gerichteten Ausspähsysteme für den Moment umgeleitet oder getäuscht wurden. Die Passanten konnten sie zwar sehen, aber jemand, der über Kameras und andere Geräte seinen Blick auf diese Stelle richtete, würde sie nicht wahrnehmen. Was technische Überwachungssysteme anging, hielten sie beide sich einfach nicht hier auf. Derart moderne Ausrüstung war nicht preiswert, und es kostete auch einige Arbeit, alle notwendigen Codes herauszufinden, mit denen sich die Aufnahmegeräte täuschen ließen, aber darüber zu verfügen, gehörte zu den Vorteilen, die man genoss, wenn man Präsidentin war. »Irgendwelche Probleme?«, fragte sie leise.

»Nein«, entgegnete der Mann, der nicht im Mindesten nervös wirkte, sondern auf einen zufälligen Betrachter vielmehr einen gelangweilten Eindruck machte. »Was ist denn so wichtig? Sie wissen, wie riskant das hier ist.«

»Ich brauche Antworten, und zwar sofort. Und ich muss wissen, dass es die zutreffenden Antworten sind«, sagte Iceni. »Was macht Drakon?«

Der Mann schwieg, doch schien das nicht in einem Zögern begründet, vielmehr überlegte er. »Nichts Ungewöhnliches. Wegen der Rückkehr unserer Brigaden zur Planetenoberfläche hat er momentan alle Hände voll zu tun, außerdem muss er sich um all die Dinge kümmern, die während seiner Abwesenheit liegen geblieben sind.«

»Plant er einen Schlag gegen mich?«

Wieder folgte eine Pause. Der Mann war offenbar von ihrer Frage völlig überrascht worden. »Nein.«

»Falls Sie mich belügen, wird Drakon noch vor oder gleich nach meinem Tod erfahren, wer mich mit Informationen über ihn versorgt hat.«

»Ich habe keinen Zweifel daran, dass er nichts plant.« Er schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Er arbeitet nicht gegen Sie. Das soll natürlich nicht heißen, dass es keinerlei Bedrohung für Sie gibt, aber von ihm geht keine aus.«

»Warum benimmt er sich dann so seltsam?«, wollte sie wissen.

Nun folgte eine längere Pause. »Er hat mit Colonel Morgan geschlafen.«

»Oh.«

Sie fragte sich, wie diese eine Silbe geklungen haben musste, da der Mann sie fast empört ansah. »General Drakon hatte getrunken, sie hat das ausgenutzt und diese eine Nacht mit ihm verbracht. Er hat deswegen jetzt ein schlechtes Gewissen.«

»Sie machen Witze.« Sie hätte schon blind sein müssen, um nicht zu erkennen, wie begehrenswert Colonel Morgan für einen Mann sein musste. Außerdem war sie alt genug, um zu wissen, dass Männer nicht perfekt waren, vor allem wenn es um ihr Verhältnis zu Frauen ging. Dennoch verspürte sie immer noch Enttäuschung, wenn ein Mann nicht ihre in ihn gesetzten Erwartungen erfüllte. »Nur eine Nacht?«

»Ja, und es wird keine Wiederholung geben.«

Etwas an seinem Tonfall machte sie stutzig. »Was stört Sie daran?«

»Sie wissen, ich vertraue ihr nicht. Meine Befürchtung ist, dass sie eine ganz andere Absicht damit verfolgte, General Drakon zu verführen, und dass sie diese Nacht irgendwann zu ihrem Vorteil nutzen wird.«

»Wenn er sich eine verrückte Hure in sein Bett holt, dann muss er damit rechnen, dass es Probleme gibt«, gab Iceni zurück und bemerkte dabei, wie wütend sie sich anhörte. Man hätte meinen können, dass sie diesen Zwischenfall persönlich nahm. Was natürlich völlig lächerlich war.

»Sie ist nicht verrückt, jedenfalls nicht in der Art, die Sie meinen. Morgan legt immer wieder ein Verhalten an den Tag, das andere dazu veranlasst, sie zu unterschätzen. Genau das hat sich aber bei vielen als der letzte Irrtum in ihrem Leben erwiesen. Sie ist sehr gut sowohl in kurzfristigen wie in langfristigen Plänen. Und sie verfolgt auch jetzt wieder einen. Nehmen Sie sie nicht auf die leichte Schulter.«

Iceni schnaubte gereizt. »Vielleicht wären wir unter diesen Umständen ohne sie besser dran, anstatt uns Sorgen machen zu müssen. Ganz gleich, wie gefährlich sie auch ist, sie kann eliminiert werden. Niemand ist unbesiegbar.«

»Von einer solchen Vorgehensweise muss ich dringend abraten. Ich würde mich auch nicht daran beteiligen.«

Jetzt gesellte sich auch noch Frust zu ihrer Verärgerung. »Sie hassen sie doch so wie jeder andere auch. Sie selbst haben sogar schon versucht, sie zu töten. Und mir wollen Sie jetzt davon abraten?«

Colonel Bran Malin verzog den Mund. »Ich habe nicht versucht, sie zu töten.«

»Wieso nicht?«

Abermals hielt er eine Weile inne. »Drei Gründe. Erstens: Sie ist hart im Nehmen und sehr intelligent. Jeder Attentatsversuch wäre ein mühsames Unterfangen, und die Folgen eines Scheiterns wären gravierend. Zweitens schätzt General Drakon ihre Ratschläge und ihre Fähigkeiten. Fände er heraus, dass jemand einen Anschlag auf Morgan geplant hat, dann wäre er sehr unglücklich. Und wenn ich dabei auch noch eine Rolle spielen würde, dann hätte ich nie wieder eine Chance an ihn heranzukommen. Nicht mal mir würde er einen Anschlag verzeihen, der sich auf einen aus seiner Sicht treuen Untergebenen richtet. Ich hatte meinen Platz an seiner Seite beinahe verspielt, nachdem es zu diesem … Missverständnis gekommen war, als der Angriff auf die Orbitaleinrichtung hier im System stattfand. Hätte ich im Verlauf dieses Vorfalls nicht jemanden getötet, der seinerseits eindeutig Morgans Tod wollte, dann wäre es mir nicht möglich gewesen, Drakon vom Gegenteil zu überzeugen. Und er hätte mir niemals verziehen. Wenn er Sie im Verdacht hätte, an einem Attentatsversuch auf Morgan beteiligt zu sein, könnte das für ihn Grund genug sein, Sie aus dem Weg zu räumen, weil er dann davon ausginge, der Anschlag auf Morgan sei nur eine Vorstufe zu einem Angriff auf ihn selbst.«

Diese Argumente waren so überzeugend, dass Iceni sie nicht ignorieren konnte, auch wenn sie ihre Zweifel hatte, was Malins Erklärung für das »Missverständnis« betraf, bei dem er angeblich nicht auf Morgan geschossen hatte. Da war noch irgendwas anderes, aber sie konnte es nicht näher bestimmen. »Und der dritte Grund?«, hakte sie nach.

Malins Miene zeigte keine Regung, als er antwortete: »Das ist eine private Angelegenheit.«

»Ich möchte es aber erfahren.«

»Da muss ich Sie leider enttäuschen.«

Verärgert schob sie das Kinn vor und fragte sich, ob sie ihn stärker unter Druck setzen und ihm damit drohen sollte, ihn an Drakon zu verraten, wenn er ihr Ansinnen ablehnte. Ihr war nach wie vor nicht klar, wieso Malin sie überhaupt mit Informationen versorgte, aber bislang hatte er ihr noch nie etwas gesagt, das sich rückblickend als unzutreffend entpuppt hatte. Eine Quelle so dicht an Drakon war unbezahlbar. Malin musste so gut wie sie selbst wissen, dass sie einen solchen Informanten nicht verlieren wollte, solange er für sie weiterhin von Nutzen sein konnte. Also würde er die Drohung, ihn an Drakon zu verraten, auch sofort als Bluff erkennen. »Sie haben keine Ahnung, welchen Plan Morgan verfolgt?«

»Ich kann nur das sagen, was ich über sie weiß. Sie ist ehrgeizig, sie hat keine moralischen Bedenken, und sie scheitert kaum einmal mit einem Vorhaben.«

Iceni lachte leise auf. »Wieso ist sie bloß keine CEO geworden?« Die Frage brachte sie auf einen anderen Gedanken. »Glauben Sie, sie will mich ersetzen?«

»Es wäre möglich. Und vielleicht ist Drakon das Werkzeug, mit dem sie das erreichen will.«

»Wer von uns schwebt dann in größerer Gefahr? Sie oder ich? Oder etwa Drakon selbst?«

»Ich glaube, Drakon ist vor ihr sicher, aber ich kann es nicht mit Gewissheit sagen. Ich weiß es schlichtweg nicht«, fuhr Malin fort. »Wenn ich ums Leben komme, dann versuchen Sie hinter die Kulissen der sich abspielenden Geschehnisse zu schauen. Ich habe nichts darüber herausfinden können, wer Colonel Rogero töten wollte. Vielleicht hatte sie damit auch irgendwas zu tun. Rogero und Gaiene stehen Drakon sehr nahe, Kai ein kleines bisschen weniger. Wenn ich die Lage richtig einschätze, wird Morgan versuchen, Drakon auf lange Sicht von jedem außer ihr selbst zu isolieren, damit niemand mehr da ist, der ihn auf Ideen bringen kann, die ihren Absichten zuwiderlaufen.« Malin blickte Iceni unmittelbar in die Augen. »Dazu gehören Sie auch. Ich bin mir nicht sicher, was General Drakons Gefühle Ihnen gegenüber angeht, aber zumindest respektiert er Sie.«

»Aber er vertraut mir nicht«, räumte Iceni ein.

»Richtig. Er vertraut mir und Morgan, außerdem Rogero, Gaiene und Kai.«

»Ihnen vertraut er, und Sie verraten mir seine Geheimnisse«, wandte sie ein.

Wieder hielt Malin inne. »Ich stehe loyal zu General Drakon.«

Tatsächlich? Welche langfristigen Pläne verfolgen Sie, Colonel Malin? Natürlich werden Sie sie mir nicht verraten, aber wie viel von dem, was Sie mir soeben gesagt haben, ist die Wahrheit, wie Sie sie kennen, und wie viel davon zielt darauf ab, mich davon zu überzeugen, das zu tun, was Sie wollen? »Loyal zu General Drakon? Das müssen Sie mir erst noch beweisen.«

»Es ist wahrscheinlich unmöglich, Ihnen einen überzeugenden Beweis zu liefern.«

»Ganz im Gegenteil«, sagte Iceni. »Töten Sie sie.«

»Morgan? Nein.«

»Behalten Sie sie dann wenigstens im Auge?«, wollte sie wissen.

Malin verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Ich tue kaum etwas anderes, als sie zu beobachten. Und ich drehe ihr nie den Rücken zu.«

»Wenn Sie schon nicht das tun wollen, was mit Blick auf Morgan getan werden müsste, dann behalten Sie zumindest auch General Drakon im Auge. Vielleicht können wir ihn ja so von einer Dummheit abhalten.«

»Ich beobachte ihn auch. Zugegeben, bei Taroa bin ich einmal nicht aufmerksam gewesen, aber sie wird sich ihm so nicht noch einmal nähern können. Und falls sie es versucht, wird General Drakon sie diesmal abweisen.«

»Sie mögen Ihre Zweifel haben, aber ich habe meine eigenen Zweifel«, sagte Iceni. Männer! Wenn man sich bei ihnen doch bloß darauf verlassen könnte, dass sie Entscheidungen mit ihrem Gehirn treffen.

Diese verdammte männliche Fehlbarkeit machte es für Frauen viel leichter, sie wie Werkzeuge für ihre Zwecke zu benutzen.

Frauen wie Morgan.

Frauen wie sie selbst. Sie werden Drakon nicht bekommen, Colonel Morgan. Vielleicht will ich ihn gar nicht haben, aber Sie bekommen ihn ganz sicher nicht. »Und ich werde Sie im Auge behalten, Colonel Malin.«

»Ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass man mich aufmerksam beobachtet«, gab er lächelnd zurück.

»Halten Sie mich auf dem Laufenden«, beendete sie die Unterhaltung und wandte sich zum Gehen. Sie wusste, dass Malin hinter ihr in die Menge eintauchte und verschwand. Er war da, aber die Überwachungssysteme, die nahezu alles aufzeichneten, was irgendwo in der Stadt gesagt und getan wurde, konnten ihn nicht wahrnehmen.

Während sie weiterging, hielt Iceni die Ohren offen. Man konnte wichtige Dinge herausfinden, wenn man sich inmitten der Bürger aufhielt, ohne von ihnen erkannt zu werden. Die Leute sprachen Dinge aus, die man anderswo niemals zu hören bekommen würde. Dinge, die hinter vorgehaltener Hand geflüstert wurden, sodass die allgegenwärtigen Überwachungsanlagen es nicht von der allgemeinen Geräuschkulisse unterscheiden konnten.

Viel wurde über Taroa erzählt, das meiste davon zeugte von guter Stimmung. Die Schlangen waren unschädlich gemacht worden, wir hatten unseren Nachbarn geholfen und keine Gegenleistung gefordert. Drakon war ein guter General. Es gibt ein neues Handelsabkommen. Bald werden wieder Schiffe herkommen. Gute Neuigkeiten, wirklich gute Neuigkeiten.

Haben Sie das von Präsidentin Iceni gehört? Das, was Buthol sagt? Ich kann das nicht glauben. Aber bevor sie unsere Präsidentin war, war sie unsere CEO gewesen. Jeder weiß über CEOs Bescheid. Aber ist sie nicht anders? Warum findet dann keine Wahl statt?

Iceni ging mit gesenktem Kopf weiter, bis sie den geheimen Zugang zu ihrem Büro erreicht hatte. Erst nachdem sie ein Dutzend Schlösser und Sicherungen unterschiedlichster Bauart geöffnet und wieder hinter sich geschlossen hatte, fühlte sie sich sicher genug, frustriert seufzend ihren Mantel auszuziehen. Wer war dieser Buthol? Warum waren die Leute so voll des Lobes, was Drakon anging, und warum stellten sie so viele Fragen, wenn es um Iceni ging? War das Drakons Werk? Betrieb er zu seinen Gunsten Propaganda?

Es war schon spät, sie war müde und musste in Ruhe nachdenken. Sie brauchte Zeit, um alles zu verarbeiten, was sie von Malin erfahren hatte. Und sie brauchte Zeit, um ihr Unterbewusstsein über Malins Mimik und Gestik nachdenken zu lassen.

Es war spät, und Präsidentin Iceni begab sich zur Nachtruhe.

Am nächsten Morgen kam sie sich vor, als hätte sie einen Kater, ohne am Abend zuvor auch nur einen Tropfen Alkohol getrunken zu haben. Sie fühlte sich bestraft, ohne dass sie etwas getan hatte, was eine Bestrafung rechtfertigte. Um dem abzuhelfen, schluckte sie schnell ein paar Schmerztabletten.

Als sie an ihrem Schreibtisch Platz genommen hatte, fragte sie sich, wo sie anfangen sollte. Das Schlachtschiff. Die jüngsten Berichte von Kommodor Marphissa waren vor achtundvierzig Stunden eingegangen. Es gab natürlich auch einen ständigen Datenstrom, aber …

Im letzten Moment konnte sie sich davon abhalten, Marphissa eine verärgerte Nachricht zukommen zu lassen. Die Kommodor hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, was eine solche Maßnahme rechtfertigte.

Aber was war mit diesem Mann, dessen Namen sie gestern Abend gehört hatte? Buthol?

Eine schnelle Suche an ihrem Nachrichtenterminal ergab eine Reihe von Artikeln und Kommentaren, die alle von diesem Buthol stammten.

Buthol forderte sofortige Wahlen. Buthol verdächtigte die Präsidentin, Gelder für sich abzuzweigen, und forderte eine Offenlegung der Steuereinnahmen. Buthol argumentierte, dass nur eine vollwertige, umfassende Demokratie im Interesse aller war. Er verlangte, dass jeder Bürger mit seiner Stimme über alle wichtigen Angelegenheiten mitentscheiden konnte, ohne das irgendwelchen Volksvertretern überlassen zu müssen.

Die Meldungen waren einhellig der Ansicht, dass Buthol bislang nur wenige echte Anhänger hatte, dass er mit seinen Auftritten und Veröffentlichungen aber mehr und mehr Aufmerksamkeit auf sich lenkte.

Mit wachsendem Zorn las Iceni weiter. Für wen hält sich dieser Mann? Wie kann er es wagen, mich der Korruption zu beschuldigen? Wie kann er behaupten, ich wolle eine Diktatorin sein? Weil ich dem Pöbel trotz seiner Forderungen nicht die Kontrolle über dieses Sternensystem überlasse?

»Togo! Zu mir!«

So schnell, wie er in ihr Büro geeilt kam, musste ihr Tonfall etwas Beunruhigendes an sich gehabt haben. »Ja, Madam Präsidentin?«

»Warum zum Teufel haben Sie mir nichts von diesem Kater Buthol gesagt?«

Togo stutzte, dann sah er auf seinen Reader. »Ah, der. Ja. Er hat ein paar Anhänger. Wir überwachen ihn.«

»Ihm wird ziemlich viel Aufmerksamkeit zuteil. Und er greift mich persönlich an.«

»Madam Präsidentin, Sie haben uns angewiesen, die Wahlen auf den unteren Verwaltungsebenen ohne Einmischung …«

»Es sei denn, es wird etwas geäußert oder getan, das man als Bedrohung ansehen kann!« Sie sah Togo wütend an. »Hat Kater Buthol gegen irgendein Gesetz verstoßen?«

Togo schüttelte den Kopf. »Er passt sehr genau auf, dass er sich im Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt. Sie könnten ihn festnehmen lassen, aber das müsste auf der Grundlage von frei erfundenen Behauptungen geschehen. Bis heute Abend könnte ich Ihnen die dazu passenden Beweise liefern.«

»Das wird nichts nützen! Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist eine Aktion, die diesen Komiker wie einen Märtyrer dastehen lässt.« Sie lehnte sich zurück und machte eine wütende Geste. »Dieser Buthol ist genau die Sorte Problem, die ich im Moment nicht gebrauchen kann! Finden Sie eine Lösung! Das wäre alles.«

»Ja, Madam Präsidentin.« Togo zog sich schneller als üblich zurück.

Den Rest des Tages verbrachte Iceni damit, sich in ihre Arbeit zu vertiefen und sich um die Entwicklungen bei den Wahlen auf den unteren Verwaltungsebenen zu kümmern, die dem Drängen der Bürger nach mehr Veränderungen entgegenkommen sollten. Es war nur nicht klar, ob diese Wahlen ein solches Ziel tatsächlich erreichen würden.

Am beunruhigendsten waren die gelegentlich auftauchenden Bemerkungen, General Drakon würde einen guten Präsidenten abgeben. Zum Wohl des Sternensystems und angesichts der drohenden Gefahr eines Angriffs durch das Syndikat wäre doch ein neuer Führer erforderlich, der mit solchen Bedrohungen umgehen konnte. Hatte Drakon selbst dieses Gerede in die Welt gesetzt? Das war wirklich bedenklich, aber noch bedenklicher war die Möglichkeit, dass die Bürger von selbst auf einen solchen Gedanken gekommen sein könnten. Es war offensichtlich erforderlich, daran zu arbeiten, wie sie von der Bevölkerung wahrgenommen wurde. Die Leute mussten wissen, wer die Gefechte hier und bei Kane gewonnen hatte, wer das Schlachtschiff an Land gezogen hatte, wer mehr über die Taktiken mobiler Streitkräfte vergessen hatte, als General Drakon sich an Wissen jemals würde aneignen können.

Als Iceni sich schlafen legte, hatte sie in Umrissen festgelegt, wie die PR-Kampagne aussehen sollte, die ihr Ansehen bei der Bevölkerung verbessern würde.

Am nächsten Morgen unterlief ihr der Fehler, ein großes Frühstück zu bestellen. So verschluckte sie sich fast an ihrem Essen, als sie die neuesten Berichte zu Gesicht bekam, die auf der Grundlage ihrer Suche am Abend zuvor zusammengestellt worden waren.

Die Polizei meldet, dass der politische Agitator und Kandidat der Nachbarschaftsvertretung Kater Buthol Opfer eines Raubüberfalls geworden ist. Offenbar hat er sich gegen seinen Angreifer zur Wehr gesetzt und wurde beim anschließenden Gerangel niedergeschossen. Buthol verstarb, noch bevor die Polizei am Tatort eingetroffen war.

Iceni starrte den Bericht an und wunderte sich, warum sie darauf nicht bloß überrascht, sondern schockiert reagierte. Gegen das Timing ist nichts einzuwenden. Jetzt raubt mir dieser Idiot nicht länger den Schlaf, und Togo kann …

Togo.

Was habe ich ihm gestern gesagt? Was habe ich zu Togo gesagt?

Dass er eine Lösung finden soll, was Buthol betrifft?

Was Togo so ausgelegt haben könnte, dass ich Buthol aus dem Weg geräumt wissen wollte.

Dieses eine Mal wollte ich ein Problem nicht auf diese Weise aus der Welt schaffen. Dieses eine Mal wollte ich es richtig machen.

Und trotzdem könnte ich seinen Tod befohlen haben.

Sie saß da und schaute auf ihr Display. Togo zu sich zu zitieren, würde nichts bringen. Er wusste, wie es ablief. Das war keine routinemäßige Angelegenheit, so als würde man für jemanden ein Erschießungskommando kommen lassen, das diesen Jemand öffentlich für sein Versagen im Dienst bestrafen sollte. Unter dem richtigen Vorwand konnte man so ohne viel Theater eine Person aus den unteren Reihen der Hierarchie loswerden. Aber nicht jeder, der eliminiert werden musste, hatte ein Verbrechen begangen, und manche Personen, die eigentlich neutralisiert werden sollten, hatten mächtige und einflussreiche Gönner. Es existierten bewährte Mittel und Wege, wie man das erledigen konnte und gleichzeitig jede persönliche Schuld für die Tat vermied. Wenn sie Togo fragte, ob er Buthol selbst getötet oder jemanden damit beauftragt hatte, würde er das leugnen. So war es immer. Schließlich versetzte er sie damit in die Lage, selber reinen Gewissens alles leugnen zu können. Sie hatte ihm nicht gesagt, er solle Buthol töten, und Togo würde einen Mord nicht zugeben. Wie oft hatten sie dieses Spiel schon gespielt, um Gewissheit zu haben, dass ein Verhör durch den ISD ergebnislos verlief?

Haben Sie den Auftrag gegeben, ihn zu töten?

Ich habe niemandem gesagt, er solle ihn töten.

Die Antwort wird als wahrheitsgemäß eingestuft.

Warum störte es sie nur so sehr, dass dieser Buthol womöglich auf ihre Veranlassung hin sein Leben verloren hatte? Es lag an dieser verdammten Marphissa und ihrem Vortrag über den Schutz des Volks.

Aber es ging auch um ihren eigenen Schutz und den ihrer Leute. Ich hatte eigentlich etwas dagegen unternehmen wollen. Ich hatte Attentate von der Liste der möglichen Mittel des Personalmanagements streichen lassen wollen.

Vielleicht hat Drakon ja damit zu tun. Buthol hat auch ein paar hässliche Dinge über ihn gesagt.

Sie zögerte, dann rief sie Drakon.

»Stimmt was nicht?«, fragte er, kaum dass er sie sah.

Das war nicht gut. Das Ganze hatte sie so mitgenommen, dass es ihr anzusehen war. »Ich wollte mich nur erkundigen, General, ob in Ihrem Büro in letzter Zeit Personal entlassen wurde.« Der Satz war alter Code, mit dem nachgefragt wurde, ob irgendwelche Attentate ausgeführt worden waren.

Drakon ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »In letzter Zeit nicht.«

Entweder hatte er den Mord nicht angeordnet, oder er wollte es nicht zugeben. Sie musste mit jemandem reden, der verstehen würde, was vorgefallen war. Aber wie sollte sie Drakon gegenüber zugeben, dass sie womöglich ein Attentat befohlen hatte? Zugegeben, CEOs machten so etwas ständig, aber streng genommen war es dennoch illegal. Und wenn sie jetzt ihre Beteiligung einräumte, konnte das später gegen sie verwendet werden – und das auch noch von jemandem, der diesen Beweis benutzen konnte, um sie von der Bildfläche verschwinden zu lassen und die alleinige Macht über dieses Sternensystem für sich zu beanspruchen.

Hatte Malin ihr die Wahrheit über Drakons Absichten gesagt? Konnte sie es wagen, dem Mann zu glauben?

Wenn dieser Idiot bloß nicht mit Morgan geschlafen hätte! Ich konnte spüren, wie wir uns näher gekommen waren, wie sich ein Gefühl dafür entwickelte, dem jeweils anderen schon mal ein Stück weit zu vertrauen …

Ein anderer Gedanke schoss ihr förmlich durch den Kopf und traf sie so unvorbereitet, dass Iceni nur hoffen konnte, dass Drakon sie nicht sofort durchschaute. War das Morgans Absicht gewesen? Hat sie gemerkt, dass ich mich in Drakons Nähe allmählich wohler gefühlt habe? Hat sie Sex als Mittel benutzt, um einen Keil zwischen uns zu treiben? Sie muss gewusst haben, dass ich auf irgendeinem Umweg davon erfahren würde.

Gehört das mit zu Morgans Spiel? Will sie mein Misstrauen gegenüber Drakon schüren, damit ich die Arbeit mit ihm aufkündige, weil er nicht die Finger von ihr lassen konnte? Aber wie konnte sie sich so sicher sein, dass ich das Ganze nicht nur als Gerücht abtun würde?

Augenblick mal. Malin hat es mir gesagt.

War Malin nur eine Marionette, die von Morgan als Botenjunge benutzt wurde, wenn sie etwas durchsickern lassen wollte? Oder machten die beiden womöglich gemeinsame Sache? War der Zwischenfall auf der Orbitaleinrichtung nur inszeniert gewesen, um allen weiszumachen, dass zwischen Malin und Morgan böses Blut herrschte und eine Zusammenarbeit der beiden schlicht undenkbar war?

Aber wie konnte Togo die Anzeichen für eine solche Zusammenarbeit übersehen? Er hat mir nie gesagt …

Du kannst niemandem vertrauen.

Absolut niemandem.

Iceni sah Drakon an, der sie anschaute und geduldig auf ihre Reaktion wartete. Ihr Instinkt forderte sie auf, sich von diesem Mann fernzuhalten und alles zu unternehmen, um seinen Einfluss so weit wie möglich zu beschneiden und ihn schließlich ganz aus dem Verkehr zu ziehen. Drakon besaß als Einziger im ganzen Sternensystem genug Macht, um ihre Position unmittelbar zu gefährden.

Aber was, wenn das die falsche Antwort war? Was, wenn sie nur dann eine echte Chance hatte, wenn sie ein wenig Vertrauen in den Idioten setzte, der dumm genug war, um mit einem verrückten Miststück ins Bett zu gehen, und der zynisch genug war, um sich nicht darum zu kümmern, dass er gegen eine seiner wenigen selbst auferlegten Regeln verstoßen hatte und für ein kurzes Vergnügen seine eigene Position in Gefahr brachte.

Oder wurde er all seiner Macht zum Trotz von seinen Untergebenen in diese Richtung manipuliert?

»Viele CEOs begehen den Fehler, sich nur über diejenigen Sorgen zu machen, die in der Rangordnung über ihnen stehen«, hatte ihr ein Mentor einmal gesagt. »Dabei sollten sie sich lieber Sorgen machen, was wohl ihre Untergebenen vorhaben. Man muss nicht viel Kraft aufwenden, um jemanden zum Stolpern zu bringen. Man muss nur wissen, wann der Moment gekommen ist, um ihm ein winziges Hindernis vor die Füße zu legen. Und wer kann so etwas besser als die Leute, die man kaum wahrnimmt, während sie für einen die Drecksarbeit erledigen?«

»General Drakon.« Das wird mir noch leid tun. Das weiß ich. Aber ich tue es einfach. Es ist das, was jeder von mir als Letztes erwarten würde. »Ich möchte mich gern mit Ihnen persönlich treffen. Neutrales Terrain, keine Adjutanten, keine Assistenten.«

Er sah sie sekundenlang an, dann nickte er. »Gut. Der übliche Treffpunkt? Ich kann in einer halben Stunde da sein.«

»Dann werden wir uns dort treffen.«

Nachdem sich die Tür zum Konferenzraum geschlossen hatte, setzte sich Drakon hin und sah Iceni an.

»Ich werde jetzt etwas Dummes tun«, verkündete sie.

»Tatsächlich? Das scheint momentan um sich zu greifen«, gab Drakon mit einer Mischung aus Spott und Verbitterung zurück. »Ich hoffe, es ist so dumm wie das, was ich getan habe.«

»Ich werde Ihnen sagen, dass ich durch eine nachlässig formulierte Aussage womöglich den Tod eines Mannes herbeigeführt habe«, sagte sie und führte aus, was sich zugetragen hatte, dann wartete sie seine Reaktion ab.

»Warum erzählen Sie mir das?«, wollte er wissen. »Ihnen muss doch klar sein, was ich mit dieser Information bewirken könnte.«

»Ich … vertraue darauf … dass Sie das nicht machen werden.«

Zum ersten Mal seit seiner Rückkehr von Taroa sah sie ihn daraufhin lächeln. »Sie haben recht. Das war wirklich dumm. Aber Sie können froh sein, denn ich war sogar noch viel dümmer. Ich will nicht, dass jemand in meinem Keller nach vergrabenen Leichen sucht, also werde ich auch niemanden zu Ihnen schicken, um in Ihrem Keller zu suchen. Das ist eine von diesen Situationen, die sich noch böse rächen können. Zu der Frage, was mit Buthol passiert ist oder was mit ihm passiert sein könnte …« Drakon zuckte mit den Schultern. »Lassen Sie sich davon nicht den Schlaf rauben. Wenn Sie dieses Mal einen Fehler gemacht haben, dann wissen Sie, was Sie beim nächsten Mal nicht sagen dürfen.«

Konnte er tatsächlich verstehen, wie es ihr erging? »Unter welchen Umständen ist ein Fehler hinnehmbar, wenn dadurch ein Mensch gestorben ist?«

Drakon schaute zur Seite. »Präsidentin Iceni …«

»Sagen Sie verdammt noch mal Gwen, wenn Sie mit mir reden.«

Einen Augenblick lang schien er verblüfft zu sein. »Also gut. Gwen, haben Sie eine Ahnung, wie viele Gefechte ich ausgetragen habe und wie viele kleine Fehler mir dabei unterlaufen sind? Und wie viele Soldaten wegen dieser kleinen Fehler gestorben sind?«

»Das ist was anderes. Sie haben versucht, Ihren Job zu tun. Sie haben noch gelernt, wie …«

»Es kommt mir aber nicht wie etwas anderes vor. Nicht, wenn man sich selbst verdammt noch mal was wert ist.« Diesmal schien Drakon überrascht darüber zu sein, dass er sich soeben zu seinen Gefühlen bekannt hatte.

»Dann verstehen Sie mich. Vergessen Sie, was man uns beigebracht hat. Vergessen Sie alle Lektionen, die Sie auf dem Weg zum CEO gelernt haben. Wollen wir das haben? Diese Fähigkeit, mächtig genug zu sein, um aus einer bloßen Laune heraus oder auch nur aufgrund eines Fehlers einen Menschen zu töten?«

Sie hatte einen Streit erwartet, eine wütende Verteidigung von Prinzipien. Aber Drakon saß lange Zeit nur schweigend da.

Nach einer Weile erwiderte er: »Keiner von uns ist vollkommen. Wir beide sind menschlich genug, um mehr Fehler zu machen, als wir eigentlich sollten.«

»Sollten dann unseren Fähigkeiten Grenzen gesetzt werden, damit uns weniger Fehler von dieser Art unterlaufen?«

»Hat das was mit den Dingen zu tun, die Sie zuvor über die Änderungen im Rechtssystem gesagt hatten?«

»Zum Teil ja.«

»Was genau wollen Sie von mir?«

Iceni atmete tief durch. »Würden Sie mir zustimmen, dass wir keine weiteren Hinrichtungen und Attentate mehr anordnen? Außer wenn wir beide der Meinung sind, dass das im Einzelfall doch angebracht ist?«

Nach einer Pause fragte er: »Haben Sie herausgefunden, wer Rogero töten wollte?«

»Nein, aber ich frage mich, ob jemand, der für Sie oder für mich arbeitet, die einsame Entscheidung getroffen hat, so vorzugehen, weil er glaubt, dass eine solche Taktik die Standardvorgehensweise ist.«

»Weil es die Art ist, wie die Dinge erledigt werden.« Drakon formulierte es als Feststellung, nicht als Frage.

»Und wer weiß, wen er zu seinem nächsten Ziel erklärt hat?«, fügte Iceni hinzu. »Ich will wissen, ob es jemand auf mich abgesehen hat, dem Sie nicht den Befehl dazu gegeben haben. Wir stehen hier am Anfang einer großen Sache. Wir haben die Stabilität in diesem Sternensystem gewahrt, wir haben zwei andere Sternensysteme als potenzielle Verbündete, und wenn wir nicht ausgelöscht werden, können wir immer weiter wachsen. Bedrohungen von außen sind eine Sache, die wir nicht kontrollieren können. Aber Bedrohungen von innen können uns genauso vernichten. Wir beide müssen einander vertrauen können, und eine Vereinbarung, auf außerrechtliche Tötungen zu verzichten, kann ein wichtiger Beitrag sein, um dieses Vertrauen zu begründen.«

»Warum sollten Sie mir glauben, wenn ich behaupte, ich werde keine weiteren Tötungen befehlen?«, wollte Drakon wissen.

»Weil ich glaube, dass Sie sich verdammt noch mal etwas wert sind, General Drakon.«

Warum zum Teufel musste ich das jetzt sagen?

Aber gleich darauf lächelte er sie an. »Dann schlage ich Ihnen etwas vor. Ich werde mich einverstanden erklären, ohne Ihre Zustimmung keine Hinrichtungen oder Attentate anzuordnen, und ich werde meine Leute noch einmal eindringlich darauf hinweisen, dass sie auch nicht eigenmächtig tätig werden dürfen. Im Gegenzug …«

»Ja?«

»… nennen Sie mich Artur anstatt General Drakon. Zumindest wenn wir allein sind.«

»Ich weiß nicht. Das ist ein großer Schritt«, gab Iceni zurück. »Wer nennt Sie sonst noch Artur?«

»Niemand. Schon lange nicht mehr.«

»Dann bin ich einverstanden.« Aber wenn du noch einmal mit dieser Frau schläfst, dann wirst du für mich bis zum Ende aller Zeiten »General Drakon« bleiben.

Ehe sie weiterreden konnte, begann ihre Komm-Einheit eilig zu pulsieren. Sie hörte, dass Drakons Einheit gleichzeitig anschlug. »Was ist jetzt los?«, knurrte sie gereizt. »Ich hoffe, das ist was Wichtiges.«

»Das ist es«, erwiderte Togo. »Aktualisieren Sie Ihr Systemdisplay.«

Das über dem Tisch schwebende Bild des Midway-Sternensystems flackerte kurz.

»Verdammt«, murmelte Drakon.

Am Hypernet-Portal wurden Schiffe angezeigt, die ins System gekommen waren. Iceni warf einen Blick auf die Identifizierungen gleich neben den Schiffen. »Eine Syndikat-Flotte.«

»Und sie haben ein Schlachtschiff«, ergänzte Drakon.

»So was haben wir auch.«

»Ja, aber wahrscheinlich ist deren Schlachtschiff voll einsatzfähig.«

Darauf wusste Iceni keine Antwort. »Und sechs Schwere Kreuzer. Wie viele Leichte Kreuzer? Ah, vier. Dazu zehn Jäger.« Selbst ohne das Schlachtschiff hätte diese Flotte ein Problem für Icenis Kriegsschiffe dargestellt, da denen ein einsatzbereites Schlachtschiff fehlte. »Die wollen das System unbedingt zurückerobern.«

»Wir erhalten eine Nachricht von der Flotte.« Drakon betätigte eine Taste.

Ein Fenster öffnete sich vor ihnen, darin tauchte das vertraute Gesicht eines Mannes in CEO-Kleidung auf. »Hier spricht CEO Boyens. An die ehemaligen CEOs Iceni und Drakon. Ich wurde hergeschickt, um dieses Sternensystem wieder der Kontrolle durch die Syndikatwelten zu unterstellen. Sie haben sich beide des Verrats schuldig gemacht. Wenn Sie an einem Deal interessiert sind, dann rate ich Ihnen, mir umgehend ein sehr gutes Angebot zu machen.« Boyens lächelte auf die typische CEO-Weise, die immer eine Spur Überheblichkeit erkennen ließ, dann endete die kurze Nachricht.

Nach längerem Schweigen sah Drakon Iceni an. »Irgendwelche Vorschläge?«

Sie schüttelte den Kopf. »An CEO Boyens’ Mitgefühl zu appellieren dürfte wohl sinnlos sein. Er ist zwar längst nicht der schlimmste Syndikat-Offizier, den ich kenne, aber er ist sehr ehrgeizig. Was können wir ihm anbieten?«

»Als Bestechung?«, fragte er. »Das Wertvollste in diesem System sind momentan wir beide. Wenn Sie wollen, werfe ich eine Münze, damit wir bestimmen können, wer hier wen opfert.«

»Er muss sich nicht mit einem von uns begnügen«, sagte Iceni. »Nicht, wenn er eine so große Streitmacht mitgebracht hat. Was wir brauchen …« Sie brach ab, da ein weiterer Alarm ertönte, diesmal in einer Tonlage, die ihr so vertraut war, dass sie sie niemals würde vergessen können. »Nein!«

Drakon sah sich das Display an, dabei nahm sein Gesicht einen noch düstereren Ausdruck an. »Doch. Die Enigmas sind zurück.«

Die Syndikat-Flotte war vor Stunden durch das Hypernet-Portal ins System gekommen, aber die Enigmas, die durch den Sprungpunkt von Pele eingetroffen waren, hielten sich ebenfalls seit einigen Stunden im System auf. Es war bloß das Licht ihrer Ankunft, das den Planeten erst jetzt erreichte. Boyens würde sie ungefähr zur gleichen Zeit sehen und sich damit abfinden müssen, dass er seine Rückeroberungspläne an die aktuelle Situation anpassen musste.

Iceni beobachtete skeptisch die Symbole der fremden Kriegsschiffe, die in raschem Tempo immer zahlreicher wurden. »Das ist eine große Streitmacht«, sagte sie schließlich und wunderte sich darüber, wie ruhig ihre Stimme klang. »Die sind nicht hier, um im Vorbeiflug auf uns zu schießen und dann gleich wieder abzuhauen.«

»Das sind genug Kriegsschiffe, um alles menschliche Leben hier im System auszulöschen«, stimmte Drakon ihr zu. »Wenigstens können wir sie jetzt sehen, da unsere Sensoren von den Würmern gereinigt worden sind. Aber wo zum Teufel steckt Black Jack? Was hat er angestellt? Hat er bei ihnen für Unruhe gesorgt und sich dann aus dem Staub gemacht? Und weil er weg ist, wollen die sich jetzt an uns rächen?«

Eine sonderbare kalte Leere überkam Iceni, während sie weiter das Display betrachtete. »Oder die Enigmas haben sich als eine Herausforderung erwiesen, der nicht einmal Black Jack gewachsen war. Falls die seine Flotte ausgelöscht haben, welche Chancen sollen wir denn dann noch haben?«

Drakon überraschte sie mit einem Lächeln, doch dann erkannte sie, dass es mehr wie das Zähnefletschen eines Wolfs aussah, das mit Humor gar nichts zu tun hatte. »Rufen wir Boyens und sagen wir ihm, dass er sich mit uns verbünden soll, wenn er ein Held sein will.«

»Und wenn er gar kein Held sein will? Wenn er lieber die Flucht ergreift, weil er nicht hier sterben will?«

»Die Enigmas werden uns abschlachten«, stellte Drakon fest, dann hob er beiläufig die Schultern. »Bei diesem Kräfteverhältnis werden wir sowieso alle sterben, völlig ohne Rücksicht darauf, was Boyens macht. Aber wenn er uns hilft, könnten wir noch etwas Zeit gewinnen.«

»Und was sollen wir damit anfangen?«, gab sie zurück. »Oder erwarten Sie, dass uns irgendwer helfen wird?«

»Ich weiß nicht«, räumte er ein. »Vielleicht taucht ja in letzter Sekunde Ihr Ritter in strahlender Rüstung auf, um uns zu retten.«

»Ich habe keine Ritter, General Drakon. Eine kluge Frau verlässt sich nie darauf, dass jemand kommt, um sie zu retten.«

»Und worauf verlässt sie sich stattdessen?«, hakte Drakon nach, der das Display betrachtete, als würde er soeben die wenigen Optionen durchrechnen, die ihnen zur Verfügung standen.

Auch Iceni hatte ihren Blick auf die im Angriffsflug befindlichen Enigma-Schiffe gerichtet, denen sich nur die eben erst eingetroffene Syndikat-Flotte sowie die viel zu kleine eigene Flotte entgegenstellen konnten. »Sie verlässt sich auf ihre eigene Urteilsfähigkeit, um herauszufinden, wem sie wirklich vertrauen kann, General Drakon.«

Er lachte zynisch auf. »Und warum sind Sie dann immer noch hier bei mir?«

»Warum haben Sie nicht längst Ihre Waffe auf mich gerichtet?«

Diesmal grinste er sie amüsiert an. »Weil ich nie ein richtig guter CEO gewesen bin. Rufen Sie schon mal Boyens, während ich die Bodenstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetze.«

Vielleicht habe ich ja einen Ritter, überlegte Iceni. Keinen Ritter in strahlender Rüstung, sondern einen aus Dunkelheit und Schatten. Aber vielleicht ist ja auch nur die Rüstung angelaufen. Vielleicht steckt unter dieser Rüstung jemand, der immer noch fähig ist, etwas zu tun, was ihm nicht nur persönliche Vorteile einbringt. Jemand, der – so wie er es mir einmal sagte – wirklich etwas haben will, für das es sich zu sterben lohnt. Oder ist er unter der Rüstung auch mit Makeln behaftet und sieht bloß ein, dass unsere minimalen Chancen restlos schwinden, wenn wir uns gegeneinander wenden, anstatt uns gemeinsam den Enigmas in den Weg zu stellen?

Sie sagte weiter nichts zu Drakon, sondern nahm Kontakt mit der Syndikat-Flotte auf, um ihr ein Angebot zu machen, das sie hoffentlich nicht ablehnen würde.

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