8

Das Messer zwischen den Zähnen haltend, klammerte ich mich am Steuerbordruder der Tamira fest und kletterte vorsichtig daran empor. Das Gebilde war etwa acht Fuß lang. Schließlich stand ich mit den Füßen auf der breiten Ruderklinge und umfaßte den Schaft, der nach oben führte. Die geteerten Kabel, die etwa vier Zoll Durchmesser hatten, bewegten sich. Das Ruder ächzte. Ich blickte zu den Fenstern der Heckkabine hinüber. Sie waren schmal und hoch und bildeten ein Muster aus Scheiben und Holzstreben. Die Tamira war einmal ein reich verziertes Handelsschiff gewesen, eine Verkleidung, die ihr wohl auch jetzt noch bei ihrer Arbeit für Ragnar Voskjard nützte. Das respektheischende, vornehme Äußere täuschte über ihre finsteren Absichten hinweg. Ich stieg empor, sprang auf eine Schmuckleiste hinüber und klammerte mich fest. Gleich darauf stand ich neben dem Sims des Backbordfensters, seitlich an die Bordwand gepreßt, um von drinnen nicht gesehen zu werden. Dahinter mußte die Kabine von Kapitän Reginald liegen. Ich war sicher, daß ich das Gesuchte – oder eine Kopie davon – in dieser Kabine finden würde. Die Tamira bewegte sich in der Strömung. Ich legte den Kopf zur Seite und linste in die Kabine. In meinem Blickfeld stand ein Tisch, auf dem Seekarten lagen. Die Koje vermochte ich nicht auszumachen. Vermutlich war die Kabine leer. Sicher befand sich Reginald an Deck, vermutlich auf dem Vorderkastell, um den Fortgang der Schlacht zu überwachen. Für den Fall, daß er doch in der Kabine war oder sie sonstwie benutzt wurde, mußte ich schnell und ohne Vorwarnung eindringen, um im Notfall sofort zuschlagen zu können. Ich wischte mir das Messer am Oberschenkel ab. Für meine Pläne war es nicht unbedingt erforderlich, Reginald oder einen anderen möglichen Kabineninsassen zu verschonen.

Klirrend zerbarst das Fenster unter meinen Füßen, und ich landete in der Kabine.

Sie schrie und richtete sich im Bett in eine kniende Stellung auf. Geduckt stand ich zwischen ihr und der Tür.

»Wer bist du?« fragte sie.

Ich ging einige Schritte rückwärts, drehte mich um und versuchte die Tür zu öffnen. Wie erwartet, war das Mädchen eingeschlossen worden. Ohne den Blick von ihr zu wenden, legte ich von innen den schweren Riegelbalken vor, der links und rechts der Tür von metallenen Klammern gehalten wurde. Mit der Kette sicherte ich den Balken.

»Wer bist du?« fragte sie.

Sie war wohlgebaut, blond und blauäugig. Und sie trug einen Sklavenkragen.

»Ich werde schreien«, drohte sie.

»Tu das! Dann wirst du das Messer an deiner hübschen Kehle spüren.«

»Wer bist du?«

»Dein Herr!«

»Ich bin die Sklavin Reginalds, des Kapitäns der Tamira

»Dies ist Ragnar Voskjards Kundschafterschiff«, stellte ich fest.

»Vielleicht.«

»Warum bist du an Bord?«

»Es gefiel meinem Herrn, mich mitzunehmen.«

»Bist du auch für die Besatzung da?«

»Nur wenn ich meinem Herrn Reginald nicht gefalle.«

»Bemühst du dich, ihm zu gefallen?« fragte ich.

»Ja«, antwortete sie erschaudernd.

»Dieses Schiff«, sagte ich, »überfiel kürzlich hier auf dem Fluß das Handelsschiff Die Blume von Siba, und zwar zusammen mit der Telia, die befehligt wurde von Sirnak aus der Festung des Policrates.« Ich hatte dies in der Festung des Policrates erfahren. Die Beute war aufgeteilt worden, und zu dieser Beute hatte Florence gehört, eine gutgebaute Schönheit mit kastanienbraunem Haar, zuvor die Sklavin eines gewissen Miles aus Vonda.

»Mag sein«, antwortete sie.

»Dann sind also noch immer Gefangene von der Blume von Siba an Bord«, stellte ich fest.

»Möglich«, sagte sie. Die Art und Weise, wie sie antwortete, verriet mir, daß meine Vermutung zutraf. Außerdem offenbarten mir ihre Worte, was ich wirklich wissen wollte: daß nämlich die Tamira auf dem westlichen Vosk mit Voskjard zusammengetroffen war und nicht in seiner Festung. Hätte die Begegnung in der Festung stattgefunden, wären die Gefangenen vermutlich nicht mehr an Bord.

»Der Kapitän der Tamira ist ein wichtiger Mann«, fuhr ich fort, »und genießt das Vertrauen Ragnar Voskjards.«

»Ja«, sagte sie stolz.

Mir fiel ein, daß die Tamira während der Schlacht von zwei schweren Galeeren gedeckt worden war, eine weitere Bestätigung für meinen Verdacht, daß sie eine überaus wertvolle Ladung an Bord haben mußte.

»Ist Reginald seit seiner Rückkehr aus der Festung des Policrates schon bei Ragnar Voskjard an Bord gewesen?« fragte ich.

»Nein«, antwortete sie. »Allerdings wurden Signalzeichen gegeben. Wieso?«

»Dann muß noch an Bord sein, was ich suche«, sagte ich.

»Ich verstehe nicht, was du meinst.«

»Zweifellos befindet es sich in dieser Kabine. Als Reginald aus Policrates’ Festung zurückkehrte, hast du ihn als kniende nackte Sklavin begrüßt, nicht wahr?«

»Ja«, sagte sie erschaudernd.

»Dabei muß er einen Gegenstand bei sich gehabt haben, so kostbar, daß er ihn gewiß fest in der Hand hielt.«

»Nein«, sagte sie.

»Dann muß es sich um Papiere gehandelt haben, die in seiner Tunika steckten. In seiner Kabine hast du ihn sicher entkleidet, ihn gebadet und bedient. Da mußt du gesehen haben, was er bei sich hatte.«

»Nein!«

»Du darfst nicht auf die Stelle schauen, an der er es versteckt hat«, sagte ich.

Ich bemerkte ihren hastigen Blick nach rechts, zur Seite der Kabine, und lächelte.

Sie merkte sofort, daß sie sich verraten hatte, und glitt in geduckter Stellung aus der Koje.

»Solltest du nicht in der Koje bleiben, bis Reginald zu dir käme?« fragte ich.

Angstvoll blickte sie mich an.

»Hast du nicht Angst, daß du wegen Ungehorsam getötet wirst?«

Sie blickte an mir vorbei quer durch die Kabine. Ich trat zur Seite und gab ihr den Weg frei.

»Ich habe nichts dagegen«, sagte ich, »denn ich habe dir nicht befohlen, in der Koje zu bleiben. Du gehörst jetzt mir.«

Ihr hübscher Körper erstarrte. Ich trat noch weiter zurück. Flink huschte sie an mir vorbei und kniete vor einer großen Seemannskiste nieder. Hastig öffnete sie den Deckel und wühlte mit beiden Händen darin herum.

Unterdessen steckte ich das Messer in den Gürtel und nahm einen Gegenstand von der Kabinenwand.

Im nächsten Moment war sie ruckartig aufgesprungen und hielt etwas über den Kopf, das auf den ersten Blick wie zwei flache rechteckige Bleiplatten aussah, die zusammengebunden worden waren. Sie lief zum Kabinenfenster, durch das ich gewaltsam eingedrungen war. Dort angekommen, nahm sie die Arme zurück, um die zusammengebundenen Bleiplatten in den Vosk zu werfen.

Die Peitsche knallte, vorzuckend, zuschnappend, sich um ihre Handgelenke wickelnd, sie festhaltend. Aufschreiend ließ sie die Bleiplatten fallen. Mit Hilfe der Peitschenschnüre, die um ihre Arme lagen, zerrte ich sie ruckhaft zur Seite und drückte sie am Fuß der Koje nieder. Sie hatte zu wimmern begonnen.

Die Tatsache, daß die Seemannstruhe nicht verschlossen war, und daß sie so prompt gehandelt hatte, verriet mir, daß sie in der Angelegenheit, die mich interessierte, beauftragt worden war. Dieser Auftrag konnte nur die sofortige Vernichtung der Dokumente betreffen, sollte es jemals zu einem Notfall kommen. Vom Schiff aus konnte man die Dokumente durch einen Wurf ins Wasser sofort loswerden. Die Bleigewichte würden den Fund in den Schlamm am Grund des Flusses sinken lassen, und nach kurzer Zeit würde die Tinte verlaufen und das Papier zwischen den Bleiplatten sich auflösen. Meine Mutmaßungen hatten sich auch in diesem Fall als richtig erwiesen. Das Mädchen war uns nützlich gewesen.

Wimmernd hockte sie auf allen vieren. »Wer bist du?« fragte sie.

»Jason aus Victoria, dein Herr.«

Zornig blickte sie mich an. »Ich bin die Frau des Kapitäns.«

»Du bist Sklavin, weiter nichts«, antwortete ich. »Du mußt jeden gleich behandeln, in dessen Gewalt du bist.«

»Nein!«

»Neigst du etwa zu Hochmut? Hol Öltuch, eine Laterne, Siegelwachs, eine Kerze und solche Sachen!«

Meinem zornigen Blick gehorchend, eilte sie los, um die Sachen zusammenzutragen, und ich hängte die Peitsche wieder an die Wand. Ich nahm die Bleiplatten und schnitt mit dem Messer die Verschnürung auf. Dann nahm ich den Umschlag heraus und öffnete ihn. Die Bögen, die darin gewesen waren, untersuchte ich gründlich. Dann lächelte ich. Sie enthielten das Erwartete.

Aus einem Regal nahm das Mädchen eine große Kerze, die in einer flachen Silberschale stand. Unter der Silberschale befand sich ein langer Stachel, der in einer Öffnung des Regals geruht hatte. Ein ähnliches Loch befand sich auch in der Tischplatte. Sie schob die Spitze in das Loch, und die Silberschale mit der Kerze stand sicher auf dem Tisch, der seinerseits am Boden befestigt war – wie überhaupt der größte Teil des Schiffsmobiliars, das sich ansonsten bei rauhem Seegang auf das unangenehmste bewegt hätte. Aus ähnlichen Gründen hängen Schiffslaternen meistens an Deckenhaken. So können sie zwar schwingen, verschütten aber kein feuergefährliches brennendes Öl. Die Sklavin entzündete die Kerze und legte gleich darauf Wachspapier auf den Tisch. Solches Papier ist an Bord nicht ungewöhnlich; man verwendet es, um Papiere zu schützen, die mit Beibooten von einem großen Schiff zum nächsten oder an Land befördert werden. Neben das Papier legte sie Öltuch und einen rechteckigen Streifen Siegelwachs. Zuletzt kniete sie unterwürfig neben dem Tisch nieder und wagte es nicht, meinem Blick zu begegnen.

Ich tat die Papiere zurück, die ich aus dem Umschlag genommen und untersucht hatte. Anschließend wickelte ich den Umschlag in mehrere Schichten Wachspapier ein. Über der Kerze schmolz ich Siegelwachs, das ich auf das Papier tröpfeln ließ, um damit eine wasserdichte Versiegelung zu erreichen.

Seitlich von mir kniete zitternd das Mädchen. Der Sklavenkragen war deutlich sichtbar an ihrem Hals, daran das kleine schwere Schloß, das ihr kein Entkommen bot.

»Wie heißt du?« fragte ich und arbeitete weiter.

»Luta.«

»Ach?«

»Wie immer mein Herr befiehlt«, sagte sie hastig. »Bitte peitsche mich nicht aus, Herr!«

»Ich werde dich künftig Shirley nennen.«

»Aber das ist ein Erdenname!« rief sie schluchzend.

Ich schob den Umschlag der in mehrere Lagen versiegeltes Wachspapier gewickelt war, in die größere Hülle aus Öltuch.

Erdenmädchen gelten auf Gor als die niedrigsten und liebeshungrigsten Sklavinnen. Dafür gibt es wohl mehrere Gründe. Nicht zuletzt sind es die Männer der Erde, die ihre Frauen sexuell und gefühlsmäßig aushungern. Wird ein Mädchen aber nach Gor gebracht, stößt sie zum erstenmal auf Männer, für die Natur und Macht kein Fremdwort sind. Ein Ausdruck ihrer Kultur ist die weibliche Sklaverei, die eindeutig auf Vorgaben der Natur basiert und ihnen Ausdruck gibt. Die männliche Vorherrschaft und die Unterwerfung der Frau sind auf Gor zu einer komplexen, historisch untermauerten Institution erhoben, mit Hunderten von Aspekten und Facetten im legalen, sozialen und ästhetischen Bereich. Kein Wunder, daß der Frau in ihrer Sensibilität und Verwundbarkeit, in ihrer psychophysischen Komplexität durch die Sklaverei die höchste Erfüllung und vollkommene Ausschöpfung all ihrer Gefühle ermöglicht wird.

Plötzlich wurde laut an die Kabinentür geklopft.

Erschrocken hob das Mädchen den Kopf und blickte mich angstvoll an.

Mit einer knappen Geste bedeutete ich ihr, in die Koje des Kapitäns zurückzukehren. Hastig kroch sie hinein. Ich begleitete sie und baute mich neben ihr auf. Ihre Stimme mußte erkennbar aus der Richtung tönen, in der die Koje lag.

Wieder wurde an die Tür gehämmert. »Luta!« rief eine Stimme. »Luta!«

»Antworte auf diesen falschen Namen«, forderte ich sie leise auf.

»Ja, Herr!« rief sie.

»Bist du nackt, wartest du in der Koje auf deinen Herrn?«

»Ja, Herr«, sagte sie.

»Alles in Ordnung?«

Ich zog mein Messer und drückte die Spitze vorsichtig gegen die hübsch gerundete Hüfte des Mädchens. Zusammenzuckend blickte sie auf die Klinge.

»Ja, Herr.«

»Dann halte dich bereit für deinen Herrn!«

»Ja, Herr. Ist der Kampf bald vorbei?«

»Neugier geziemt einer Kajira nicht!« rief er lachend.

»Ja, Herr. Verzeih mir, Herr!«

Wieder lachte der Mann, gleich darauf entfernten sich Schritte auf dem kurzen Niedergang zum Hauptdeck.

»Wer war das?« fragte ich.

»Artemidorus, der Erste Offizier.«

Zu gern hätte ich gewußt, wie der Kampf stand. Ich steckte das Messer wieder weg, und die Sklavin atmete spürbar auf. Ich befahl ihr, sich in die Koje zu legen. Sie hatte eine hübsche Figur.

Dann näherte ich mich dem zerstörten Heckfenster und schaute unauffällig hinaus.

»Darf ich fragen, wie die Lage steht, Herr?« fragte sie.

»Nein.«

Durch eine Lücke im Gewirr der Piratenflotte konnte ich ausmachen, daß die belagerten Schiffe sich noch immer mutig wehrten. Sicher vermochten sie bis zum Einbruch der Dunkelheit durchzuhalten, aber ein weiterer Tag voller konzentrierter Angriffe war auf keinen Fall zu überstehen. Wie großartig hatten sie gekämpft! Erbitterung durchströmte mich. Zwischen den größeren Schiffen fuhren kleine Boote herum, bemannt von Piraten. Wut erfüllte mich bei ihrem Anblick. Mit diesen Booten wurde nach Überlebenden gesucht, die auf einer solchen Jagd keine Überlebenschance hatten. Sie würden mir die Rückkehr zur Tina erschweren. Mein Blick suchte schließlich das dick umwickelte, wasserdichte Paket auf dem Tisch. Es stellte einen ungeheuren Wert dar, wenn man seinen Inhalt nur richtig einsetzen konnte. Nach einem letzten Blick auf die Schiffe der Piratenflotte und die wehrhaften Verteidiger kehrte ich an den Tisch zurück und setzte mich nieder.

Daß unsere Männer sich so lange hatten halten können, lag vorwiegend an zwei Faktoren: erstens am Gedränge der Piratenflotte, das den Einsatz von Rammen und Scherblättern erschwerte, und zweitens an der ungewöhnlich großen Zahl und Kampfgeschicklichkeit der Ar-Soldaten, die in den Laderäumen der Schiffe aus Ar-Station auf ihren Einsatz gewartet hatten.

Die Taktik, die mir in einer solchen Situation auf der Hand zu liegen schien, hatte Voskjard noch nicht angewandt. Daraus begann ich zu schließen, daß er vielleicht gar nicht bei seiner Flotte war, daß sie womöglich unter dem Kommando eines Untergebenen stand.

Mit Siegelwachs schloß ich behutsam die Öltuchhülle, die ich zu einem rechteckigen Päckchen zusammenfaltete und mit Bindefaser sicherte. Das Mädchen beobachtete mich. Ich stand auf, riß einen Streifen der Bettdecke ab und benutzte ihn als Augenbinde.

»Verzeih mir, Herr!« sagte sie wimmernd.

Nun brach ich ein Brett von der Wand, ein zwei Fuß langes Regal mit allerlei Stecklöchern, um darin Dochte wie den des silbernen Kerzenhalters unterzubringen. Mit Bindefaser befestigte ich das Paket an dem Brett, von dem ich eine Art Zugschlinge ausgehen ließ. Das Brett mitsamt seiner Fracht und der Zugleine legte ich am Fenster zurecht.

Etwa um diese Zeit hörte ich die Signalhörner der Piratenflotte, Befehle, die nach meiner Auffassung zu spät kamen. Ich schaute aus dem Fenster. Wie erwartet zog sich die Piratenflotte zurück. Die Sinnlosigkeit des Angriffs, stur und phantasielos vorgetragen, war dem Oberkommandierenden anscheinend endlich bewußt geworden. Geschickt allein oder zu zweit losgeschickt, an der Flanke abgesichert, konnten die Piratenschiffe nun ihre Rammen und Scherblätter gegen die eingeschlossenen, hilflosen, unterlegenen Schiffe einsetzen. Aber es war schon ziemlich spät. Zweifellos würde man den Angriff auf den nächsten Tag verschieben, damit sich im Schutz der Dunkelheit nicht etwa Überlebende davonmachen konnten.

Langsam kehrte ich zur Koje zurück und nahm dem Mädchen die Augenbinde ab.

Angstvoll blickte sie zu mir auf und kauerte sich tief in die Koje. Sie war die Frau Reginalds gewesen, eines Kapitäns der Piratenflotte.

»Bitte, Herr!« flehte sie. »Tu mir nichts!«

Wie wunderschön sie aussah in ihrem schimmernden, knappsitzenden Sklavenkragen, dessen eigentliche Schönheit in der Tiefe seiner Bedeutung lag, in dem Besitzverhältnis der Frau, die ihn trug.

»Ein hübscher Happen bist du«, sagte ich nachdenklich. »Kein Wunder, daß Reginald dich in Bereitschaft hielt.«

»Ja, Herr.«

»Warum ist Artemidorus, der Erste Offizier, nicht in die Kabine gekommen und hat sich direkt überzeugt, daß du deinen Herrn angemessen erwartest?«

»Außer meinem Herrn Reginald darf mich niemand berühren«, sagte sie stolz. »Oh!« rief sie dann. »Oh!«

»Hast du so schnell vergessen, wem du jetzt gehörst?«

»Dir, Herr, dir! Oh!«

»Anscheinend bist du immer noch bereit, du kleine Köstlichkeit!«

Mit flackerndem Blick starrte sie mich an. »Deine Hand, was tut sie mir an!« Und hilflos hob sie mir ihren Körper entgegen. »Sei gnädig!« flehte sie.

»Nein«, sagte ich.


Die Kerze auf dem Tisch war niedergebrannt. Draußen war es dunkel geworden.

»Bitte, Herr, noch einmal!« flehte sie.

»Du bist ein liebeshungriges, leidenschaftliches Ding«, sagte ich.

»Ich kann nicht anders«, antwortete sie. »Ich bin Sklavin.«

Ich lächelte vor mich hin. Die Sklaverei erweckt in jeder Frau ihr ureigenstes Wesen.

Sanft beugte ich mich in der Koje zum wiederholten Mal über sie. Mein Messer steckte oberhalb des Bettes tief im Holz; im Notfall konnte ich schnell danach greifen.


»Bin ich nicht genauso begierig und leidenschaftlich wie die Sklavendirnen von der Erde?« fragte sie.

Ich hieß sie vor dem Bett aufstehen und band ihr die Hände auf dem Rücken zusammen. »Es gibt noch Hoffnung für dich«, sagte ich.

»Bah!« rief sie. »Eine Goreanerin ist tausendmal leidenschaftlicher als eine Erdendirne.«

»Möglich«, sagte ich lächelnd. »Geh zum Fenster. Es ist spät geworden.«

Durch die dunkle Kabine ging sie vorsichtig zwischen den Scherben hindurch zum Fenster. Ich band der Sklavin die Augenbinde wieder um den Kopf und hielt ein Stück Seidenstoff als Knebel bereit.

»Willst du mich mitnehmen?« fragte sie.

»Ja«, antwortete ich. Ich sagte mir, daß ich einen Abnehmer für sie finden könnte. Vielleicht Aemilianus.

»Oh!« sagte ich plötzlich. Auf dem Niedergang vor der Tür waren Schritte zu hören.

»Das ist Reginald«, sagte sie und hob den Kopf. Ich zweifelte nicht an ihren Worten. Sklavinnen kennen oft den Schritt ihres Herrn.

»Reginald«, flüsterte sie verängstigt. Ihre Unterlippe zitterte. Der Mann war vor der Kabinentür stehengeblieben. Schwungvoll wurde ein schwerer Schlüssel ins Türschloß geschoben. Es war spät. Reginald war gekommen, um sich mit seiner Sklavin zu vergnügen.

Ich hörte, wie das Vorhängeschloß an seiner Kette zur Seite fiel. »Flieh!« flüsterte mir das Mädchen zu und drehte den Kopf herum. Ihre schmalen Handgelenke wanden sich nutzlos in den Fesseln.

Die Tür wurde nach innen geschoben, fand dann aber am Sperriegel ihren Halt. Stille trat ein.

Ich ergriff das Zugseil, das am Brett mit dem Päckchen befestigt war, zog es durch den Sklavenkragen des Mädchens und verknüpfte die Schnur.

»Was tust du?« wollte sie wissen.

»Ist diese Tür verschlossen?« fragte Reginald aufgebracht von der anderen Seite. Ich lächelte. Natürlich war sie verriegelt.

»Mach die Tür auf!« brüllte Reginald und hämmerte mit der Faust gegen das dicke Holz.

Das Mädchen ächzte. Als sie sich bewegte, prallte ihr das an der Zugleine hängende Brett gegen das Bein.

»Tür aufmachen!« wiederholte Reginald zornig.

»Kannst du schwimmen?« fragte ich.

»Nein«, antwortete sie. »Außerdem bin ich gefesselt.«

»Mach die Tür auf!« befahl Reginald und brüllte. »Artemidorus! Surtus!«

Ich packte das Mädchen an einem Oberarm und schob sie auf das Fenster zu. Beim Hinausblicken machte ich in der Nähe keine kleinen Boote aus.

»O nein!« stöhnte das Mädchen. »Bitte nein!«

Weitere Männer gesellten sich vor der Tür zu Reginald.

Ich zog den Knebel aus meinem Gürtel und stopfte ihn ihr in den Mund. Dann warf ich das Holzbrett mitsamt dem Paket aus dem offenen Kabinenfenster; die Schnur straffte sich, bis die Last an ihrem Halskragen hing.

»Luta! Luta!« rief Reginald. »Bist du da?«

»Hier ist niemand, der Luta heißt!« gab ich fröhlich zurück. »Sie trägt jetzt einen Namen, den ich für sie ausgesucht habe: Shirley!«

»Wer bist du? Wer redet da?« wollte Reginald wissen.

»Ich nehme deine Sklavin mit, die recht ordentlich ist«, sagte ich. »Außerdem noch etwas anderes, das ich ganz interessant fand.«

»Wer ist da? Wer ist da?« rief Reginald.

»Jason«, antwortete ich. »Jason aus Victoria.« Ich stieg auf das Sims des zerstörten Fensters, zog das Mädchen zu mir heran und sprang ins Wasser. Im gleichen Moment hörte ich, wie sich Männer mit den Schultern gegen die verriegelte Tür zu werfen begannen.

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