18

Die dunkelhaarige kleine Sklavin kniete nackt vor dem großen Spiegel und versuchte mit zitternden Händen den blauen Lidschatten anzubringen.

Ich stand hinter einem dunklen Vorhang, der auf beiden Seiten mit Goldstickerei abgesetzt war, und beobachtete die Szene.

»Ich habe Angst«, sagte das kniende Mädchen und senkte die kleine Bürste.

»Dazu hast du auch guten Grund«, antwortete das hinter ihr stehende Mädchen, »denn du sollst bald deinem Herrn vorgestellt werden.«

»Er hat mich sehr grausam behandelt.«

»Du bist einfach so behandelt worden, wie du es verdienst.«

»Ja, Herrin«, sagte das kniende Mädchen. Im Licht der drei an einem Ständer hängenden Tharlarionöl-Lampen war sie von großer Schönheit. »Aber ich habe Angst, vor meinem Herrn zu erscheinen.«

»Eine wohlbegründete Angst für eine Sklavin«, sagte das andere Mädchen.

»Wie sieht er aus? Was für eine Art Mann ist er?«

»Das wirst du erfahren, Sklavin.«

»Aber was ist, wenn er mich nicht leiden kann?« fragte das kniende Mädchen.

»Du bist Sklavin«, antwortete die andere. »Es liegt an dir, dafür zu sorgen, daß er dich reizvoll findet.«

»Was soll ich tun?«

»Sei hübsch … und unterwürfig.«

So wie das Licht eingerichtet war, konnte ich die beiden Mädchen durch den Vorhang sehr gut sehen, während ich selbst im Nebenzimmer im Dunkeln stand. Ein solches Arrangement ist in einem goreanischen Haus übrigens nicht ungewöhnlich, besonders in Zimmern, die dem Aufenthalt von Sklaven dienen.

»Soll ich meinem Herrn angekleidet vorgestellt werden?« fragte das kniende Mädchen.

»Wenigstens zu Anfang«, antwortete die Aufseherin.

»Aha.«

»Steh auf!«

Anmutig erhob sich die Sklavin.

Das andere Mädchen begab sich zu einer großen Truhe an einer Seitenwand und öffnete den Deckel. »Wenn dein Herr dich sehen möchte«, sagte sie, »wird ein Gongschlag dich rufen.«

»Ja, Herrin«, antwortete das Mädchen am Spiegel.

Das Mädchen, das als Aufseherin der kleinen Brünetten fungierte, zog ein knappes durchsichtig gelbes Stück Vergnügungsseide aus der Truhe, ein Gewand, wie es im allgemeinen nur von den aufreizendsten Tanzsklavinnen getragen wurde, die sich in den einfachsten Tavernen Gors vor kräftigen, einfachen Männern präsentieren.

Das Mädchen vor dem Spiegel erschauderte, als der Stoff ihr übergestreift wurde, und lächelte. »Dies ist also die Kleidung, in der ich meinem Herrn vorgestellt werden soll.«

»Ja.«

»Darin ist man ja nackter als nackt.«

»In der Gegenwart deines Herrn wirst du sogar für diesen knappen Fetzen dankbar sein.«

»Ja, Herrin.«

Die Aufseherin kehrte zur Truhe zurück und nahm Glöckchen heraus, wie sie von Sklavinnen an Armen und Beinen getragen wurden.

»Nun bin ich bereit, meinem Herrn präsentiert zu werden«, sagte die hübsche Brünette.

»Ja.«

»Wann wird das sein?«

»Wenn der Gong ertönt.«

»Aber wann wird er ertönen?« fragte die Brünette bedrückt.

»Wenn der Herr es wünscht. Und bis dahin wirst du warten, wie es sich für eine Sklavin geziemt.«

»Ja, Herrin«, flüsterte die kleine Sklavin bekümmert. Bei jeder Bewegung ertönten das aufreizende Schellen der Glöckchen und das Rascheln der Vergnügungsseide an ihrem Körper. Ich widerstand dem beinahe überwältigenden Drang, den Vorhang aufzureißen, mich ihr zu erklären und sie dort gleich auf die Kacheln zu werfen. Aber ich beherrschte mich. Ich bezwang meine Gelüste – nicht auf die ungesunde, unabsehbare Weise, die auf der Erde üblich war, sondern auf goreanische Art, um sie später um so angenehmer und voller auszukosten. ›Geh hungrig zum Bankett‹, lautet ein goreanisches Sprichwort.

»Du wirst jetzt niederknien und den Ruf deines Herrn erwarten«, sagte die Aufseherin.

»Ja, Herrin.«

Lautlos verließ ich meinen Posten hinter dem Vorhang. Ich gedachte das Haus zu verlassen und mir in einer Paga-Taverne ein Abendessen vorsetzen zu lassen. Nach dem Essen dann, am frühen Abend, würde ich zurückkehren.


Ich saß auf einem Thronsessel auf einer breiten, mit drei Stufen abgesetzten und teppichbelegten Plattform in einem Haus, das mir für einige Tage ein Freund geliehen hatte, ein Bürger Victorias.

Ich trug eine Maske, die genauso aussah wie die, die ich bei meinem ersten Besuch in Policrates’ Festung aufgehabt hatte, als ich vor langer Zeit den Kurier Ragnar Voskjards spielte, den Überbringer des Topases. Noch gut erinnerte ich mich an das Fest, mit dem man mich erfreut hatte. Zahlreiche hübsche Sklavinnen hatten uns bedient, besonders aber war mir eine in Erinnerung, eine kleine Brünette, die vor mir gekniet und die ich mir später für die Nacht ausgesucht hatte. Als sie, eine Augenbinde tragend, meine Schlafkammer betrat, war sie eine versklavte Frau gewesen, als sie am nächsten Morgen ging, war sie eine Frau, die genau wußte, was es bedeutete, Sklavin zu sein. Sie hatte mich angefleht, sie zu kaufen und mitzunehmen. Später, als Gefangene in der Festung, hatte ich erfahren, daß ihr Herz, ihre unterwürfige, hilflose Sklavenliebe jenem brutalen, anonymen Herrn gehörte, dem sie sich hingab.

Und gestern abend hatte ich ihr, die mit dem Kästchen eines Münz-Mädchens unterwegs war, beigebracht, welchen Respekt sie einem Erdenmann zu zollen hatte, der sich dazu überwunden hatte, seine naturgebundene Rolle zu übernehmen. Als ich sie dann nach Hause schickte, stand sie in einem tiefen Konflikt. Offenbar liebte sie zwei Männer – den Mann, dem sie in Policrates’ Festung gedient hatte, und den anderen, dem sie auf dem Pflaster der Straße der zuckenden Sklavin zu Willen gewesen war.

Ich griff nach rechts und nahm den kurzen Gongschlegel zur Hand. Einmal schlug ich energisch gegen den Gong und lehnte mich zurück.

Noch ehe der Ton verklungen war, hörte ich aus der Tiefe des Hauses das leise Klimpern von Sklavenglocken näher kommen.

Ein Vorhang wurde zur Seite geschoben, dann stand sie vor mir. Sie schien verblüfft zu sein. Wie wunderschön sie in dem knappen gelben Gewand aussah!

Schüchtern, als könnte sie ihren Augen nicht trauen, näherte sie sich der Plattform. Offenbar konnte sie den Blick nicht von der Maske wenden, die ich trug. Zitternd blieb sie vor der untersten Stufe stehen.

»Deine Sklavin«, sagte das Mädchen, das die Brünette hereingeführt hatte.

Ich gab ihr durch eine Handbewegung zu verstehen, daß sie gehen könne. Sie lächelte und zog sich zurück. Auch ich mußte lächeln. Lola hatte gut mit der Brünetten gearbeitet. Lola war natürlich auch die Aufseherin gewesen, die das Mädchen begleitete, als ich sie – als Jason aus Victoria – scheinbar zufällig in der Stadt traf und mir als Münz-Mädchen dienstbar machte. Ich war zufrieden mit Lola. Sie hatte ihre Aufgabe gut erfüllt. Vielleicht konnte ich sie belohnen, indem ich sie an einen passenden Herrn verschenkte.

»Bist du es wirklich, mein Herr?« flüsterte die brünette Sklavin vor mir.

Ich antwortete nicht.

»Wenn ich nicht sprechen darf«, fuhr sie fort, »gib es mir zu verstehen. Ich möchte dich nicht erzürnen.«

Ich blieb reglos sitzen.

»Du erobertest mein Herz in der Festung des Policrates«, fuhr sie fort. »Seit jener Zeit habe ich dir gehört. Nie hätte ich mir das Glück träumen lassen, von dir in dein Haus geholt zu werden. Ich danke dir, Herr!«

Ich blickte auf sie hinab.

»Ich hoffe inbrünstig, daß du mich reizvoll findest«, sagte sie. »Ich will mich bemühen, dir eine gute Sklavin zu sein. Denn ich liebe dich, Herr! Ich liebe dich seit jener Nacht in der Festung.«

Natürlich sagte ich kein Wort.

»Dein Gesicht ist mir völlig unbekannt, Herr«, fuhr sie fort. »Entweder warst du maskiert, wie jetzt oder beim Fest des Policrates, oder du legtest mir eine Augenbinde um, wie damals nach dem großen Bankett. Du kennst mich gut, aber ich weiß nichts von dir, nicht einmal deinen Namen. Nie habe ich deine Stimme gehört. Du hast noch nicht mit deiner Sklavin gesprochen. Neugier steht einer Sklavin nicht an, das weiß ich. Verzeih mir also, Herr.«

Ich schwieg.

»Verzeih mir, wenn ich dich erzürnt habe, Herr!« fuhr sie fort. »Bitte laß mich wissen, wenn ich nicht weitersprechen soll.«

Ich zeigte keine Reaktion.

»Gestern«, sagte sie und senkte den Kopf, »wurde ich als Münz-Mädchen losgeschickt und verdiente sechs Tarsk-Münzen für dich, meinen Herrn. Ich hoffe, daß dich das freut.« Sie blickte mich an. »Vielleicht hast du mich deshalb heute abend zu dir gerufen.«

Ich bedeutete ihr weiterzusprechen. »Als ich als Münz-Mädchen losging, hielt ich mich für wunderschön und erwartete, bei den Männern großes Interesse zu wecken. Doch je mehr Männer an mir vorbeigingen, desto deutlicher kam mir zu Bewußtsein, daß ich wohl nur ein ganz gewöhnliches Mädchen war. Diese brutale Erkenntnis bestürzte mich.«

Ich lächelte unmerklich. Für mich war diese Sklavin natürlich die wunderschönste Frau auf ganz Gor. Daß sie gestern als Münz-Mädchen keinen Erfolg hatte, lag an der Vorarbeit, die ich auf dem Wege geleistet hatte, den die beiden Mädchen nehmen sollten. Heute wurde schon in der ganzen Stadt darüber gescherzt.

»Niemand wollte mich haben«, sagte sie. »Und meine Verzweiflung wuchs. Dann endlich, spätabends in der Straße der zuckenden Sklavin, begegnete mir ein Mann, den ich schon von der Erde kannte, ein gewisser Jason Marshall. Welche Ironie! Ich verachtete ihn. Für mich war er ein Schwächling von der Erde, so ganz anders als Männer wie du, mein Herr, doch nun mußte ich ihm gefallen. Ich rechnete damit, von einem Erden-Schwächling genommen zu werden. Statt dessen fand ich mich in den Armen eines Mannes von Gor … er war Goreaner geworden. Obwohl er wußte, daß ich von der Erde stammte, behandelte er mich nicht wie eine Frau von der Erde, mit Respekt für meine Würde, sondern als das, was ich bin, eine goreanische Dirne, eine rechtlose Sklavin. Ich vermochte es kaum zu glauben.«

Ich drängte sie nicht zur Eile. Zwei oder drei Ehn vergingen, ehe sie wieder den Kopf hob. Sie zitterte, und Tränen standen ihr in den Augen.

»Weißt du, Herr«, sagte sie, »ich hatte ihn schon auf der Erde geliebt, doch zugleich hatte ich ihn verabscheut, war er doch zu schwach, um meine Bedürfnisse zu stillen. Auf Gor hatte er mich nie besessen, obwohl wir eine Zeitlang die Wohnung teilten. Ich hatte es nie zugelassen.« Sie richtete sich auf. »Wie amüsant sich das für dich anhören muß! Ich, eine geborene Sklavin, hatte den Mann nicht an mich herangelassen! Aber bedenke, Herr, daß ich damals noch nicht formell versklavt war. Welch verwirrtes, tragisches Dasein führt eine geborene Sklavin, die noch nicht den Kragen am Hals spürt!«

Wieder hielt sie inne und setzte ihren Bericht nach einiger Zeit fort. »Später, auf der unbewußten Suche nach Sklaverei, betrat ich die Taverne des Hibron in Victoria, die Piratenkette, und geriet dort an einen gewissen Kliomenes, Leutnant des Piraten Policrates. Er machte mich betrunken, entkleidete und fesselte mich vor den lachenden Männern und verschleppte mich auf seine Galeere und anschließend in die Festung des Policrates. Dort wurde ich zur Sklavin gemacht. Dort endlich erhielt ich den Eisenkragen, der mir geziemte.

Als Policrates’ Festung später fiel, wurde seine Habe unter den Siegern aufgeteilt. Und so kam ich in dein Haus. Und offenbar beziehst du einen Teil deines Einkommens aus den Verdiensten von Münz-Mädchen. Jedenfalls wurde ich gestern mit einer Aufseherin losgeschickt und begegnete Jason aus Victoria. Stell dir meine Gefühle vor, Herr! Er hatte mich nie besessen, und jetzt führte kein Weg daran vorbei. Und dann behandelte er mich wie jede andere Sklavin!« Schluchzend barg sie das Gesicht in den Händen.

»Sechsmal nahm er mich, rücksichtslos, achtlos. Als er fertig war, schickte er mich einfach fort. Mit den Münzen in dem Kästchen. Ich konnte es einfach nicht glauben. Ich hatte angenommen, ich bedeute ihm alles, er würde mich voller Zärtlichkeit behandeln. Statt dessen mußte ich feststellen, daß ich ihm nichts bedeutete, daß er meine Dienste als Münz-Mädchen wie selbstverständlich in Anspruch nahm und mich dann fortschickte, als wäre ich eine völlig Fremde. Dabei hatte ich mich Jason aus Victoria voll hingegeben«, fuhr sie fort. »Die Wahrheit muß heraus. Ich konnte nicht anders! Ich erlag ihm, so wie ich zuvor dir erlegen war.«

Ich stand auf, als wäre ich erzürnt.

»Ja!« schluchzte sie. »Er eroberte mich. Verzeih mir, Herr. Ich bin nur eine Frau, eine schwache Sklavin!« Wie schön sie aussah! Wie glücklich kann sich dieser Jason aus Victoria schätzen, einen solchen Schatz erobert zu haben, dachte ich und lächelte vor mich hin.

»Ich liebe dich, Herr«, sagte das Mädchen vor mir, die ehemalige Miß Beverly Henderson von der Erde. »Ich liebe dich. Töte mich nicht!«

Die Dinge hatten sich nach Plan entwickelt. Dem Drang des Sprechenmüssens erliegend, wobei ich ihr genügend Zeit ließ, hatte sie mir ihre Liebe für Jason aus Victoria gestanden.

Ich tat, als wäre ich aufgebracht, und ließ den Gong neben mir ertönen. Sogleich kam Lola herein. Ich verließ die Thronplattform, fesselte und knebelte die entsetzte Sklavin und warf sie mir über die Schulter. Dann verließ ich das Haus meines Freundes. Das Mädchen auf meiner Schulter, das in Todesängsten schwebte, ahnte nicht, wohin ich sie brachte. Sie wußte nur, daß sie dem Willen ihres Sklavenherrn unterlag.

Die ehemalige Miß Henderson, die mir schon viel Ärger gemacht hatte, die aber andererseits ungemein schön war, lag auf meiner Schulter, gefesselt, geknebelt, von einer Augenbinde geblendet. In einer Ahn würde mir Lola folgen. Ich war sehr zufrieden.

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