17

Sie heißt die Straße der zuckenden Sklavin. Sie ist dunkel und schmal und zieht sich in engen Windungen vom Hafen empor. Hier versuchen die meisten Münz-Mädchen, von ihren Herren losgeschickt, ihr Geld zu verdienen.

Heute war es schon spät; die meisten dieser Mädchen waren schon wieder hinter die verschlossenen Türen ihrer Herren zurückgekehrt.

In unübersichtlichen Kurven zieht sich die Straße der zuckenden Sklavin durch einen Handelsdistrikt und nähert sich einem hügeligen Wohnbezirk. Freie Frauen lassen sich selten hier sehen.

Wenn ich die Hände ausstreckte, konnte ich beinahe die ganze Breite der Gasse überbrücken.

Ich glaubte ein Läuten zu hören und lächelte. Es war spät für ein Münz-Mädchen.

In der Nähe einer winzigen Tharlarionöl-Lampe blieb ich stehen. Sie hing etwa einen Meter über meinem Kopf und befand sich in einer kleinen Nische. Lampen dieser Art erhellten die Straße. Die Anwohner wechseln sich beim Nachfüllen und Ausbessern dieser Lampen ab. Wie bei vielen solchen Dingen, etwa bei der Straßenreinigung oder Ausbesserung, liegt die Verantwortung beim einzelnen und nicht bei der Gemeinschaft. So gesehen, werden die goreanischen Steuern auf die denkbar direkteste Weise erhoben, durch den Bürger selbst, für Dinge, die ihn selbst betreffen. Dritte sind gar nicht erst eingeschaltet, so daß jeder genau weiß, um wieviel Geld es geht und wie es ausgegeben wird.

Wieder hörte ich das Glöckchen und mußte lächeln. Weiter erstieg ich die Straße. Durch die Sohlen meiner Sandalen spürte ich das rauhe Kopfsteinpflaster.

Ich kam um eine Ecke und erblickte sie; sie waren noch etwa fünfzig Meter entfernt und kamen mir entgegen; dabei näherten sie sich einer der kleinen Tharlarionöl-Lampen. Unter der Lampe wurde das Mädchen, das an der Leine lief, angehalten und blieb stocksteif stehen, um meine Annäherung abzuwarten. Beide Mädchen trugen kurze Sklaventuniken und waren barfuß. Die Begegnung erfolgte gewiß rein zufällig.

»Oh!« murmelte ich und blieb plötzlich stehen, als sei mir im Vorbeigehen etwas eingefallen. Ich wirkte wie ein Mann, der, aus seinen Gedanken gerissen, die Mädchen eben erst gewahrt. Ich schien mir das angebundene Mädchen genau anzuschauen, als versuchte ich sie wiederzuerkennen.

Im gelbflackernden Licht der Lampe betrachtete ich sie – klein, schlank, gut gebaut, schön. Die an der Hüfte von einem Gürtel zusammengehaltene Tunika war braun und bestand aus eng haftendem dünnen Reptuch. Sie trug einen weiten Ausschnitt zur Schau. Um den Hals lag eine Kette, an der zwei Gegenstände befestigt waren: eine schmale bronzene Glocke und ein Metallkästchen mit Münzschlitz und Verschluß. Ich hatte das Kästchen nicht klappern hören: Es schien leer zu sein. Die lange Lederleine, die von ihrem Metallkragen ausging, wurde von dem anderen Mädchen gehalten.

»Beverly!« flüsterte ich. »Bist du das?«

Sie antwortete nicht. In ihren Augen standen Tränen. Ihre Unterlippe bebte.

Das andere Mädchen zog zweimal energisch an der Leine.

»Darf ich dir gefallen, Herr?« fragte das erste Mädchen.

»Sie ist ein Münz-Mädchen«, sagte die Sklavin, die die Leine hielt.

»Für eine Tarsk-Münze gehöre ich dir«, fügte das angebundene Mädchen hinzu.

»Öffne die Tunika!« befahl das andere Mädchen.

Die Angesprochene öffnete den Gürtel aus Bindefaser, hielt mit beiden Händen das Gewand auseinander und bot sich meinen Blicken dar.

Sie war die schönste, anziehendste Frau, die ich je gesehen hatte.

»Ich hoffe, daß ich dem Herrn gefalle«, sagte sie.

»Beverly«, antwortete ich.

»Sie hat keinen Namen«, warf das Mädchen ein. »Ihr Herr hat ihr noch keinen gegeben. Früher einmal, das stimmt, war sie als Beverly bekannt.« Und energisch, nachdrücklich versetzte sie dem Mädchen mit dem losen Ende der Lederleine einen Hieb auf die Rückseite der Beine. »Ist dir eigentlich klar, daß du vor einem freien Mann stehst?« sagte sie.

Und das Mädchen, das einmal Miß Beverly Henderson aus New York gewesen war, kniete vor mir auf den rauhen Steinen der schmalen Straße Victorias nieder. »Verzeih mir, Herr!« flüsterte sie.

»Erdenmädchen sind ja so dumm!« sagte das andere Mädchen erschöpft.

»Viele sind nicht dumm«, widersprach ich, »sondern nur unwissend.«

»Jede Frau kann lernen«, meinte sie.

»In der Tat«, antwortete das Mädchen lächelnd und zog an der Leine.

»Nimm mich für eine Tarsk-Münze, Herr!« rief das kniende Mädchen und blickte zu mir auf.

»Nein«, erwiderte ich.

Bestürzt sah sie mich an.

»Glaubst du, ich respektiere dich so wenig?« fragte ich.

»Du hast sein Interesse nicht erweckt«, sagte das Mädchen, das die Leine hielt, und zerrte wütend daran.

»Aber ich bin Sklavin!« rief das kniende Mädchen. »Wolltest du mich nicht die ganze Zeit besitzen?«

»Aber du glaubst doch nicht, daß ich mich dir aufdränge, da du in einer so bedrängten Lage bist«, sagte ich.

Enttäuscht begann sie zu schluchzen.

»Aufstehen, Sklavin!« sagte das andere Mädchen. »Du hast sein Interesse nicht erweckt.« Schluchzend folgte das andere Mädchen dem Befehl. Sie schien kaum stehen zu können, so sehr zitterte sie.

»Was ist los?« fragte ich.

»Sie ist eine absolut wertlose Sklavin«, sagte das Mädchen mit der Leine. »Schau!« Sie schüttelte den Münzkasten, der am Kragen des Mädchens hing. »Leer! Wir sind jetzt schon viele Ahn unterwegs, doch keiner der Männer wollte sie.«

»Warum weint sie dann?«

»Sie fürchtet zu Recht den Zorn ihres Herrn.«

Ich nickte. »Aber vielleicht ist er ja nachsichtig«, sagte ich.

»Er ist ein gnadenloser Antreiber, der mehr Mädchen besitzt, als er braucht«, sagte das Mädchen. »Es ist spät, die neunzehnte Ahn ist vorbei. Daß du jetzt noch unterwegs bist, widerspricht allen Absprachen für Münz-Mädchen.«

»Bitte, Herrin!« flehte das Mädchen.

»Steh auf!« befahl das Mädchen mit der Leine. »Du wirst jetzt zu deinem Herrn zurückgeführt, als Versagerin.«

»Halt!« sagte ich.

Das kniende Mädchen warf mir einen verzweifelten Blick zu.

»Ich habe hier eine Tarsk-Münze«, sagte ich und öffnete meinen Gürtelbeutel. »Sie braucht nicht mit leerem Münzkasten heimzukommen.« Ich lächelte die Kniende an. »Es ist das Mindeste, was ich für dich tun kann.«

Das andere Mädchen aber ließ es nicht zu, daß ich die Münze in den Schlitz steckte. »Zahlung ohne Leistung, das gibt es nicht«, sagte sie. »Die Ehre meines Herrn darf nicht befleckt werden.«

Ich zog die Hand mit der Münze zurück.

Das kniende Mädchen, einst Miß Beverly Henderson und Student der englischen Literatur an einer großen Universität in New York, ließ die Münze nicht aus den Augen. Sie hatte Angst, ich würde sie wieder einstecken.

»Ich will versuchen, mich der Münze würdig zu erweisen, Herr«, flüsterte sie.

Ich ließ das Geldstück in das schmale Metallkästchen fallen und hatte den Eindruck, das Mädchen wäre vor Erleichterung und Freude beinahe ohnmächtig geworden. Dann aber gewahrte ich in ihrem Blick ein anderes Gefühl, das schon schwerer auszuloten war.

Das andere Mädchen befestigte die Leine an einem Sklavenring an einer Hausmauer. »Ich ziehe mich zurück und warte hinter der Ecke«, sagte sie vielsagend. »Aber du weißt, daß du ihre Dienste voll in Anspruch nehmen mußt, nicht wahr?«

»Ich verstehe«, sagte ich.

Das kniende Mädchen legte die Tunika ab und warf sie hinter sich auf die Steine. »Ich hoffe, daß ich dem Herrn gefalle.«

»O gewiß«, sagte ich lächelnd.

»Die ganze Zeit«, sagte sie, »hast du mich nie besessen.«

»Nein.«

»Aber du hättest es gern getan.«

»Ja.«

»Und jetzt hocke ich als Münz-Mädchen vor dir, und du hast eine Tarsk-Münze für mich bezahlt.«

»Ja.«

Sie beugte sich vor und küßte mich zärtlich.

Ich legte ihr die Hände um die Oberarme, und sie schrie vor Schmerzen auf und starrte mich ungläubig an.

»Das ist nicht der Griff eines Mannes von der Erde«, sagte sie, »eines Mannes, der Frauen respektvoll behandelt.« Sie wand sich unter meinen Fingern.

»Du bist Sklavin«, sagte ich.

»Es ist der Griff eines goreanischen Mannes, eines Mannes, der eine Frau zu beherrschen versteht.«

»Ach, wirklich?«

»Ja. Laß mich frei, bitte. Du bist ein Mann von der Erde. Du mußt tun, worum eine Frau dich bittet.«

»Warum? Du willst wirklich, daß ich dich freilasse?«

»Ja, ja!«

»Lügnerin!«

»Bitte bestraf mich nicht, Herr!« wimmerte sie.

»Den goreanischen Grobianen dienst du fraglos«, sagte ich. »Da soll sich ein Mann von der Erde mit weniger zufriedengeben?«

»Du behandelst mich nicht wie ein Mann von der Erde.«

»Ich bin auch keiner«, antwortete ich. »Ich bin Goreaner.« Und ich drückte sie rücklings auf die Steine.

»Was tust du?« rief sie.

»Ich bin geduldig gewesen«, sagte ich. »Ich habe lange auf dich gewartet.« Sie wand sich unter mir. Sie vermochte sich meiner nicht zu erwehren. »Sei zart!« flehte sie.

»Nein!«

»Oh!« rief sie.

»Du scheinst sexuell erregt zu sein, Beverly«, sagte ich.

»Das bin ich, Herr«, sagte sie. »Bitte, bitte!«

»Sprich, Sklavin!« sagte ich.

»Beverly bittet, ihrem Herrn dienen zu dürfen.«

Und ich nahm sie, und es dauerte nur wenige Sekunden, da zuckte sie in hilflosen Krämpfen unter mir und schrie sich die sklavische Unterwerfung heraus. »Ich bin eine goreanische Sklavin!« rief sie. »Und ich gehöre dir, Herr! Ich gehöre dir!«


Sie lag neben mir.

»Wir müssen dich langsam zu deinem Herrn zurückschicken«, sagte ich.

»O bitte, Herr, noch nicht!« flehte sie. »Laß mich noch ein Weilchen bei dir bleiben.«

»Wer besitzt dich?« fragte ich.

»Das weiß ich nicht«, sagte sie. »Wahrscheinlich jemand, der Münz-Mädchen vermietet. Ich wurde ihm bei der Verteilung der Beute aus Policrates’ Festung überlassen.«

»Wie sieht er aus?«

»Keine Ahnung. Ich habe ihn noch nie gesehen.«

»Was ist er für ein Mann?«

»Er ist streng und grausam, kompromißlos und gnadenlos«, sagte sie. »Er läßt mich spüren, daß ich Sklavin bin.«

»Gar nicht übel. Aber er ist sicher nicht dein erster Herr. Ein anderer muß dich zur wahren Sklavin gemacht haben.«

»Ja«, sagte sie und senkte den Blick.

»Und?« fragte ich.

»Einmal, in der Festung des Policrates, wurde ich einem Mann überlassen, den wir damals für den Kurier Ragnar Voskjards hielten«, flüsterte sie. »Er …«

»Schau mich an, Sklavin!« befahl ich.

»Ja, Herr.«

»Hast du dich ihm hingegeben?«

»Ja, Herr«, sagte sie, »ich gab mich ihm hin, als die unwürdige Sklavin, die ich bin.«

»War deine Hingabe an ihn größer als an mich?«

»Nein«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Ihr beide seid die mächtigsten Herren, denen ich zu Gefallen sein mußte.«

»Aha«, sagte ich.

»Er war es, der mir zum erstenmal zeigte, was es bedeutet, Sklavin zu sein.«

»Bist du ihm dankbar?«

»Ja, Herr.«

»Vielleicht kommst du eines Tages wieder in seinen Besitz«, sagte ich.

»Nein, Herr«, erwiderte sie. »Zweifellos verfügt er über zahlreiche vornehme, wunderschöne goreanische Mädchen, die ihm dienen. Ich bin nur eine elende Erdensklavin. Sicher hat er mich längst vergessen.«

»Wie du mir vorhin sagtest, hast du deinen Herrn noch nicht gesehen«, bemerkte ich. »Vielleicht ist er derselbe Mann – ohne daß du es weißt.«

»Nein, Herr«, sagte sie lächelnd. »Einen solchen Mann kenne ich. Er wäre längst zu mir gekommen und hätte meine Dienste in Anspruch genommen.«

»Liebst du ihn?« fragte ich.

»Ja, Herr!« schluchzte sie. »Aber ich bin die elendste aller Sklavinnen.«

»Wieso?«

»Denn ich liebe zwei Männer!«

»Wer ist der andere?« fragte ich.

Entsetzt blickte sie mich an. »Zwinge mich nicht zu sprechen, Herr!« flehte sie.

Ich zuckte die Achseln. »Na, schön.«

Sie richtete sich auf und klammerte sich an mich. »Kauf mich!« flehte sie. »Behalte mich! Ich möchte dich nie verlassen! Kauf mich, Herr. Ich werde dir eine gute Sklavin sein!«

Ich stand auf und zog meine Tunika an. »Es wird Zeit, daß du zu deinem Herrn zurückkehrst«, sagte ich.

»Ja, Herr«, flüsterte sie.

Ich deutete die Straße entlang.

Weinend wandte sie sich ab.

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