20

»Noch ein Stück Larma, Herr?« fragte die Sklavin, die links hinter mir kniete, während ich mit untergeschlagenen Beinen hinter dem niedrigen Tisch saß. Ich drehte mich zur Seite und nahm eine kleine knusprige Scheibe gebratener Larmafrucht in bräunlicher Honigsoße von dem mir gereichten Silbertablett. Das Mädchen trug ein geschmackvolles Gewand aus blauer Gaze, die in drei Schichten um ihren Körper wogte und dennoch den Blick kaum behinderte. Ihr Haar war ziemlich dunkel. Mein Kragen schimmerte an ihrem Hals.

Ich wandte mich den Tänzerinnen zu. Es waren drei. Sie trugen blaue Seide und goldene Kragen. Lola hatte es einem glücklichen Zufall zu verdanken, daß sie sie für heute abend mieten konnte. Sie gehörten einem Mann, der auf dem Weg nach Port Cos und Turmus war, um von dort nach Cos weiterzureisen, wo er die Mädchen ausstellen und verkaufen wollte. Lola hatte sie in einem Wartekäfig unweit des Gewürzkais entdeckt und war an den Besitzer verwiesen worden, der die Mädchen morgen mittag verschiffen wollte. Er hatte aber nichts dagegen, heute abend noch ein paar Münzen mit ihnen zu verdienen.

»Sie sind wunderschön«, sagte Glyco, der Kaufmann aus Port Cos, dem wir viel verdankten. Praktisch er allein hatte den Widerstand der Flußstädte gegen die Piraten organisiert und den berühmten Callimachus aus Port Cos als Feldkommandanten verpflichtet, ein Mann, ohne dessen militärische Kenntnisse und Ruf unser Vorhaben vielleicht gescheitert wäre.

»Vielen Dank«, sagte ich.

Mein Blick wanderte am Tisch entlang. Sieben Männer, mich eingeschlossen, saßen daran. Glyco, bedeutender Kaufmann aus Port Cos; Tasdron, Administrator von Victoria; Aemilianus, Anführer der Marinestreitkräfte Ars auf dem Vosk; Calliodorus, Kapitän der Tais; und meine Freunde Callimachus und Miles aus Vonda, der seine Sklavin Florence mitgebracht hatte. Zu Beginn des Abends hatte sie uns mit ihrem Lautenspiel unterhalten und Lieder gesungen. Dafür hatte sie freundlichen Applaus erhalten, was sicher die Sklavin ebenso freute wie ihren Herrn. Miles aus Vonda hatte sie in Musik unterrichten lassen.

Ich beobachtete Shirley, die hübsch gebaute Sklavin, die ich während der Schlacht auf dem Fluß von Reginalds Tamira entführt hatte. Sie war eine der drei Frauen, mit denen ich mich nach unserem Sieg über die Piraten abgegeben hatte, die anderen waren Lola und die frühere Miß Henderson. Heute abend hatte Lola, die als erstes Mädchen fungierte, Shirley ähnlich gekleidet wie die andere Sklavin, nur daß sie in gelbe Gaze gehüllt war. Ich hatte Shirley in einem öffentlichen Gehege untergebracht; heute abend aber war sie hier, weil sie beim Bedienen helfen sollte – und aus einem anderen Grund. Lola hielt sich in der Küche auf und überwachte die Zubereitung der Speisen. Sie durfte sich erst später blicken lassen … und wartete auf meinen Befehl.

Wieder wandte ich meine Aufmerksamkeit den Tänzerinnen zu. Sie bewegten sich anmutig und reizvoll. Man merkte kaum, daß sie Sklavinnen waren. Ihre Bewegungen waren hübsch anzuschauen und zurückhaltend, und dies entsprach meiner Absicht. Es sollte eine ruhige, gediegene Feier werden.

»Mehr, Herr?« fragte die Sklavin in dem blauen Gewand, die links hinter mir kniete.

»Ja.«

Mit einer Servierzange legte sie mir schmale Streifen gebratenes Boskfleisch und gebratene Sul auf den Teller.

»Genug, Mädchen«, sagte ich.

»Ja, Herr.«

Sieben Musiker spielten für die Tänzerinnen auf, ein Czehar-Spieler, der erste Musiker, zwei Kalikaspieler, drei Flötisten und ein Kaskaspieler. Tasdron hatte mir die Männer ausgeliehen; sie spielten normalerweise in seiner Taverne. In seiner Begleitung war außerdem das frühere Erdenmädchen Peggy, die bei ihm als Sklavin diente. Sie trug den Kragen und eine kurze weiße Tunika und hielt sich stets in seiner Nähe auf, um ihn zu bedienen. Mir fiel allerdings auf, daß sie kaum den Blick von dem mächtigen Callimachus zu wenden vermochte. Tasdron und ich hatten gemeinsam besprochen, daß sie bei der Feier anwesend sein sollte.

Die Musik endete mit einem lebhaften Wirbel, dann war der Tanz beendet. Wir klatschten Beifall. Die Mädchen waren gut gewesen. Mit gesenkten Köpfen standen sie vor uns. Lächelnd, von neu aufklingender Musik begleitet, eilten sie aus dem Saal in die Küche, wo ihr Herr auf sie wartete. Die Musiker spielten leise weiter.

»Ein hübsches Ding«, sagte Glyco und deutete auf die blaugekleidete Sklavin, die uns unterwürfig bediente. Errötend senkte sie den Kopf. »Wie heißt sie?«

»Ich habe ihr noch keinen Namen gegeben«, antwortete ich.

»Ich verstehe.«

»Ich möchte einen Trinkspruch ausbringen!« rief Aemilianus und erhob sich.

»Ein Trinkspruch!« riefen wir.

Shirley eilte herum und sorgte dafür, daß alle Kelche mit Wein gefüllt waren. Callimachus trank nur Wasser, ließ aber für diese Gelegenheit einen Schuß Wein hinzugießen. Übrigens wird auf Gor der Wein oft mit Wasser versetzt, in erster Linie wegen der starken Wirkung vieler goreanischer Sorten. Was ich heute abend anbot, hätte sich allerdings, in vernünftigen Mengen, unverwässert genießen lassen. Bei starken Weinen empfiehlt sich als Alternative zur Verwässerung die Verwendung sehr kleiner Gläser.

Die Musiker hörten auf zu spielen.

»Auf die Vosk-Liga!« rief Aemilianus, Kommandant der Schiffe aus Ar-Station.

»Auf die Vosk-Liga!« wiederholten wir inbrünstig.

Zwei der am Tisch Sitzenden waren Mitunterzeichner des Gründungsvertrages der Vosk-Liga, der gestern zur zehnten Ahn mit großem Pomp am Hafen von Victoria unter breiten Baldachinen geschlossen worden war. Glyco, der für Port Cos unterzeichnet hatte, und Tasdron, Administrator Victorias, der für die Stadt seine Unterschrift leistete. Alles in allem waren neunzehn Städte Mitglieder der Liga geworden – Turmus, Ven, Tetrapoli, Port Cos, Tafa, Victoria, Fina, Ragnars Siedlung, Hammerfest, Sulport, Sais, Siba, Jasmine, Kap Alfred, Jorts Fähre, Waldhafen, Iskander, Tancreds Furt und Weißwasser.

»Auf Ar-Station!« rief Callimachus und hielt seinen Kelch in Aemilianus’ Richtung.

»Auf Ar-Station!« antworteten wir.

»Ich bin euch allen für eure Großzügigkeit dankbar«, sagte Aemilianus. »Ich bedaure wirklich, daß mir nicht gestattet wurde, den Vertrag für Ar-Station mitzuunterzeichnen.« Seine Verbitterung in dieser Sache war uns bestens bekannt. Abgesandte aus Ar waren zwar bei der Vertragsunterzeichnung zugegen und beglückwünschten die Liga zu ihrer Gründung und Ausrichtung, doch hatten sie nicht zugelassen, daß Ar-Station an dem Verband teilnahm. Obwohl dies für Aemilianus und andere Männer aus Ar-Station, die mit uns gekämpft hatten, eine große Enttäuschung war, stellte die Entscheidung für die Menschen am Fluß im Grunde keine Überraschung dar. Ar hatte schon genug Schwierigkeiten mit der Salerianischen Konföderation im Osten, um am Vosk noch die Bildung einer neuen Liga willkommen zu heißen. Eine solche Liga konnte sich in der Tat nachteilig auf Ars Pläne am Vosk und im Vosk-Becken auswirken. Port Cos dagegen hatte solche Probleme nicht. Sie war eine unabhängige Stadt und völlig selbständig und konnte daher der neuen Allianz beitreten. Interessanterweise nahmen weder aus Cos noch aus der Salerianischen Konföderation Abgesandte an der Gründungsfeier teil. Anscheinend wollten sie abwarten, ob sich die Liga zu einer effektiven politischen Realität am Vosk entwickelte. Wenn es so kam, war dann für sie später noch Zeit genug, sich mit der Vosk-Liga zu befassen.

»Auf Port Cos!« rief Tasdron und hob seinen Kelch.

»Auf Port Cos!« riefen wir alle und tranken tief.

»Auf Victoria!« Glyco gab die Ehre zurück, die Tasdron seiner Stadt erwiesen hatte.

»Auf Victoria!« antworteten wir und tranken wieder ausgiebig. Als ich meinen Kelch absetzte, stellte ich zu meiner Verblüffung fest, daß ich Tränen in den Augen hatte.

»Was ist los?« fragte Callimachus lächelnd.

»Der Rauch von den Lampen«, sagte ich.

»Nein«, widersprach er lächelnd. »Es liegt daran, daß Victoria deine Stadt ist.«

»Aemilianus!« sagte ich mit heiserer Stimme, um die seltsamen Gefühle zu vertreiben, die mich beschlichen hatten.

»Ja?«

»Seit Tagen trage ich mich mit der Absicht, dir ein Geschenk zu machen, das ich eigens für dich aufgehoben habe.«

»Ach?«

Mein Blick fiel auf Shirley. »Zu ihm, Sklavin!« befahl ich.

Erstaunt stellte Shirley den Wein fort und kniete vor Aemilianus nieder.

»Ich habe sie Reginald fortgenommen, dem Kapitän der Tamira«, sagte ich.

»Das ist mir bekannt.«

»Gefällt sie dir?«

»Ja!« rief Aemilianus.

»Sie gehört dir!«

Sofort warf sich das Mädchen vor Aemilianus nieder. »Mein Herr!« sagte sie.

»Sei bedankt!« rief Aemilianus.

»Nichts Besonderes«, sagte ich. »Sie ist ja nur eine Sklavin.«

»Sie ist mindestens zehn Silber-Tarsk wert«, bemerkte Tasdron. Und das freute mich, denn Tasdron kannte sich mit den Preisen von Sklavinnen aus. Als Besitzer einer Paga-Taverne hatte er schon viele Mädchen gekauft und verkauft.

Am Tisch gab es Applaus für mich: Auf goreanische Art schlugen sich die Männer mit der Faust gegen die linke Schulter. Natürlich ist eines der schönsten Geschenke, das man einem Mann machen kann, eine schöne Frau.

»Ach sei so nett«, sagte ich, »sie weiter bedienen zu lassen. Du kannst sie dann heute abend mit nach Hause nehmen.«

»Gern«, sagte er grinsend und schickte das Mädchen in die Küche. Ihr folgte die hübsche kleine Sklavin in dem blauen Gazegewand. Zweifellos würden die beiden uns den nächsten Gang der Mahlzeit auftragen, den Nachtisch, dem dann schwarzer Wein und Liköre folgen würden.

»Setzen wir uns wieder«, sagte ich und gab den Musikern das Zeichen weiterzuspielen.

Ich wandte mich an Miles aus Vonda. »Was hast du für Pläne?« fragte ich.

»Ich werde nach Turmus reisen«, antwortete er, »wo ich noch Verbindungen habe. Ich werde dort einen Kredit vereinbaren und mit diesem Geld nach Vonda zurückkehren, um meinen niedergebrannten Hof wieder aufzubauen.«

Mein Blick fiel auf Florence, die dicht neben ihm kniete.

»Was ist mit dem Mädchen?« fragte ich.

»Ich werde sie auf meinen Besitzungen bei Vonda halten. Das wird keine Probleme machen. Sie ist ordentlich gebrandmarkt und trägt den Kragen.«

»Soll deine Sklavin in Victoria bleiben, während du in Turmus weilst?« fragte ich.

Florence verzog angstvoll das Gesicht.

»Nein«, erwiderte er. »Ich nehme sie mit.«

Das Mädchen begann befreit zu lächeln.

»Hattest du dir von Anfang an vorgenommen, Shirley an Aemilianus zu verschenken?« fragte mich Callimachus.

»Ja.«

»Aber eigentlich hättest du das gern etwas später getan?«

»Ja«, räumte ich ein.

»Du brauchst dich deiner Gefühle nicht zu schämen«, ermahnte er mich. Er hatte genau bemerkt, daß ich von meinen Tränen hatte ablenken wollen, indem ich mein Geschenk ankündigte.

»Ich habe Waffen getragen«, sagte ich. »Ich habe gekämpft.«

»Tränen sind nichts Ehrenrühriges für einen Soldaten«, sagte Callimachus. »Der Soldat ist ein Mann tiefgreifender Leidenschaften und Gefühle. Viele Menschen verstehen die Tiefe seiner Seele nicht. Du brauchst keine Angst zu haben vor den Strömungen, die du in dir gewahrst. Im Soldaten blühen Blumen und toben Stürme. Beides gehört zu ihm, beides ist greifbar vorhanden. Beides mußt du hinnehmen, keine Seite darfst du von dir weisen.«

»Ich danke dir, Callimachus«, sagte ich.

»Ah, Nachtisch!« rief dieser entzückt.

Zwei Mädchen kamen aus der Küche, das Mädchen in blauer Gaze, dem ich noch keinen Namen gegeben hatte, und das Mädchen im gelben Gewand, von mir Shirley genannt und an Aemilianus verschenkt. Es stand ihm frei, ihr einen ganz anderen Namen zu geben. Die Mädchen trugen Tabletts mit leckeren Nachspeisen. Sie knieten am Tisch nieder, zeigten vor, was sie zu bieten hatten, und bedienten dann die Männer, ein Mädchen auf jeder Seite.

»Gebäck, Herr?« fragte die blaugekleidete Sklavin.

Ich betrachtete sie. Ihre kleinen Hände hielten das Tablett. Ich nahm ein kleines Stück Gebäck herunter, und sie wandte sich Miles aus Vonda zu.

Schräg gegenüber kniete Aemilianus’ neue Sklavin zitternd vor ihrem Herrn und hielt ihm das Tablett hin. Aber sein Interesse galt wohl weniger dem leckeren Nachtisch als ihr.

Beim Servieren waren Peggy und Florence natürlich übergangen worden, als gäbe es sie gar nicht. Sie waren Sklavinnen. Aber ebenso natürlich hatten Miles aus Vonda und Tasdron aus Victoria, ihre Herren, die Mädchen von ihrem Teller mit versorgt. Während Florence sichtlich hungrig gewesen war, hatte Peggy kaum etwas gegessen, denn sie vermochte den Blick nicht von Callimachus abzuwenden. Manchmal bewegte sich ihre Hand in seine Richtung, doch wagte sie ihn nicht zu berühren.

Das Gebäck war recht gut.

Ich freute mich, wie gut Lola das Essen vorbereitet hatte – einfach und geschmackvoll.

»Ausgezeichnet!« sagte Tasdron und hob ein kleines Gebäckstück in die Höhe.

»Vielen Dank«, antwortete ich.

Ich blickte mich in dem großen Raum um. Die bunten Bänder verbreiteten festliche Stimmung, die Lampen waren hübsch anzuschauen, ebenso die Blumen, hauptsächlich Larmablüten, Veminia und Teriotrope, die einen angenehmen Duft verströmten. Lola hatte gute Arbeit geleistet.

»Die Tänzerinnen waren nett«, sagte Glyco. »Vielleicht kann ich sie in Port Cos für ein Abendessen mieten, ehe sie nach Turmus weiterverschifft werden.«

»Es freut mich, daß du sie nicht unerfreulich fandest«, sagte ich und folgte mit den Blicken den beiden Sklavinnen, die noch einmal mit den Desserttabletts um den Tisch gingen.

Als ich mich wieder meinen Gästen zuwandte, war Glyco in ein Gespräch mit Callimachus vertieft.

»Männer und Schiffe aus den Städten der Liga müssen eingezogen werden«, sagte er. »Soldaten, die im Wechsel für die Liga eingesetzt werden. Vielleicht wäre auch für die Schiffe ein Rotationsprinzip angebracht. Patrouillen sind zu organisieren. Kommunikationswege und Signale wären von größter Bedeutung.«

»Du bist jetzt Erster Kapitän in Port Cos, nicht wahr?« wandte ich mich an Calliodorus. Er hatte die kampfstarke Tais befehligt. Ich ging davon aus, daß nach Callisthenes’ Sturz der Mantel und Helm des Ersten Kapitäns ihm zufallen würde.

»Ich bin diensthabender Erster Kapitän«, antwortete Calliodorus. »Ich hoffe aber, daß Callimachus, der einst als Erster Kapitän wirkte, sich überreden läßt, auf diesen Posten zurückzukehren.«

Die beiden Sklavinnen hatten das Tablett mit dem restlichen Nachtisch stehengelassen und waren in die Küche zurückgekehrt. Ich erwartete sie in Kürze mit dem schwarzen Wein.

»Wie zu hören ist, wurden die Festungen von Policrates und Ragnar Voskjard niedergebrannt«, sagte ich.

»Ja«, antwortete Tasdron. Ragnar Voskjards Zitadelle war von den Piraten verlassen worden, sobald die Nachricht von der Schlacht bei Victoria eintraf; man wußte genau, daß man die Festung gegen eine konzentrierte Belagerung auf keinen Fall verteidigen konnte.

»Vielleicht hätten sie nützliche Stützpunkte für die Vosk-Liga abgegeben«, sagte ich.

»Die Vosk-Liga«, sagte Tasdron lächelnd, »ist ein ganz simpler Verbund, dem es lediglich darum geht, das Piratenunwesen auf dem Fluß zu beenden.«

»Soweit ich weiß, war das ursprünglich auch das Ziel der Liga am Olni, die sich dann zur Salerianischen Konföderation entwickelte.«

»Wir möchten keinen Ärger mit Cos und Ar«, sagte Tasdron.

»Nicht, solange wir noch schwach sind«, warf Glyco ein.

»Ich verstehe«, sagte ich.

»Die Festungen sind nicht nur niedergebrannt worden«, fuhr Tasdron fort, »sondern werden auch noch abgetragen. Wir haben bereits Angebote von Baumaterialienhändlern vorliegen.«

»Und über die Asche soll Salz gestreut werden«, sagte Glyco.

»Salz kann ein Zeichen des Lebens sein – und ein Glückssymbol«, sagte ich.

»Das stimmt«, bestätigte Tasdron lächelnd.

»Man sagt, das Hauptquartier der Vosk-Liga soll in Victoria eingerichtet werden.«

»Ja«, sagte Tasdron lächelnd. »Wie mir scheint, eine angemessene Wahl.«

»Victoria stand im Kern des Widerstands gegen die Piraten«, bemerkte Aemilianus.

»Und hier wurde der entscheidende Sieg errungen«, sagte Calliodorus.

»Gleichzeitig wird damit erreicht, daß sich das Hauptquartier der Liga nicht in Port Cos befindet.«

»Und auch nicht in Ar-Station«, sagte Calliodorus lächelnd, und am Tisch wurde gelacht.

Die beiden Sklavinnen kehrten zurück und begannen schwarzen Wein auszuschenken. Die gutgebaute Sklavin Aemilianus’ stellte die winzigen Silberbecher auf kleinen Podesten vor uns hin. Die hübsche kleine Sklavin in blauer Gaze hielt das mit einem langen Gießschnabel versehene silberne Gefäß in einem dicken Tuch, um die Wärme zu erhalten und ihre Hände zu schützen, und goß die dampfende schwarze Flüssigkeit in die winzigen Gefäße, jeweils nur soviel, wie von den Trinkern gewünscht wurde, um noch Platz zu lassen für verschiedene Zuckerund Sahnesorten, die dann, soweit erbeten, durch Aemilianus’ Sklavin zugegeben und eingerührt wurden.

»Und hat man sich der Piraten auf passende Weise entledigt?« fragte ich Tasdron.

»Ja«, sagte Tasdron. »Wir teilten sie auf verschiedene Großhändler auf mit der Bedingung daß pro Markt und pro Ort nicht mehr als einer verkauft wird. Auf diese Weise kommen die Burschen weit im Land herum, überall im bekannten Gor.«

»Ich verstehe«, sagte ich. Policrates, Kliomenes, Callisthenes und ihresgleichen würden bald Sklavenkragen tragen und für ihre Herren schuften. Auf Gor hat man gute Verwendung für solche Männer. Man erwirbt sie für Arbeitskolonnen, die von ihren Herren vermietet werden. Sie werden auch in Bergwerken, Steinbrüchen und in großen landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt.

»Wo ist Krondar?« fragte ich Miles aus Vonda.

»Auf dem Weg nach Ar.«

»Nach Ar?« Ich war erstaunt.

»Er hat auf unserer Seite vorzüglich gekämpft«, sagte Miles. »Ich gab ihm die Freiheit.«

»Ausgezeichnet!« rief ich. »Er ist ein guter Bursche.«

»Und ich überließ ihm einen Teil meiner Beute aus Policrates’ Festung.«

»Ausgezeichnet!«

»Erinnerst du dich an Bikkie, die aufreizende kleine Brünette aus der Festung?«

»Natürlich«, antwortete ich. »Sie und Florence wurden dir bei der Aufteilung der Beute zugesprochen.«

»Ich habe sie Krondar geschenkt«, sagte Miles.

»Sehr gut«, sagte ich. »Er wird sie gut zu nutzen wissen.«

»Soviel steht fest!« rief Miles lachend.

»Wie ihr Männer über uns redet!« sagte Florence.

»Still, Sklavin!«

»Ja, Herr«, sagte sie und senkte scheu den Kopf.

Die beiden Sklavinnen kehrten gleich darauf in die Küche zurück.

»Warum reist Krondar nach Ar?« fragte ich.

»Er will Kampfsklaven kaufen«, sagte Miles. »Anschließend gedenkt er sie freizulassen und Kämpfe unter freien Männern zu organisieren. Hat man so etwas schon einmal gehört?«

»Es mag Orte geben, wo solche Dinge geschehen«, sagte ich.

»Freie Männer kämpfen mit Waffen«, sagte Miles. »Es sind doch keine Tiere.«

»Krieger werden im waffenlosen Kampf ausgebildet«, gab ich zu bedenken.

»Doch nur für den Fall, daß sie einmal in der Klemme stecken und nicht mehr anders können«, wandte Miles ein.

Ich zuckte die Achseln. Gewiß gab es Männer am Tisch, die von solchen Dingen mehr verstanden als ich.

»Es ist schwierig, einen Mann mit bloßen Händen zu töten«, sagte Miles.

»Es gibt aber mehrere gute Methoden«, widersprach Callimachus, und wir bestätigten diese Aussage nickend.

»Ach?« sagte Miles aus Vonda.

»Gefällt dir das Essen?« fragte ich Calliodorus, der bisher ziemlich schweigsam gewesen war.

»Ja«, sagte er, »sehr sogar.«

»Wie ich sehe, hast du dir keine Sklavin mitgebracht«, stellte ich fest.

»Nein.«

Calliodorus, das wußten wir, hatte vor längerer Zeit in Port Cos ein Mädchen umworben. Die Gefährtenschaft war jedoch nicht zustande gekommen. Anscheinend hatte das Mädchen vor der großen Feier die Stadt verlassen.

»Du solltest aber eine Sklavin haben«, sagte ich. »Es gibt nichts Besseres, um einen Mann zu beruhigen.«

»Für mich gibt es nur eine Frau«, antwortete er, »um deren hübschen Hals ich jemals einen Sklavenkragen legen wollte.«

Ich hob den winzigen Silberkelch an die Lippen und trank einen Schluck des schwarzen Weins. Das Getränk ist dermaßen stark und schmeckt so bitter, daß es normalerweise nur so getrunken wird, in winzigen Schlucken. Dabei wird der Geschmack auch durch Sahne und Zucker gedämpft. Ich verzichtete auf diese Zutaten, wohl weil ich es auf der Erde gewöhnt gewesen war, meinen Kaffe schwarz zu trinken, und der schwarze Wein Gors eindeutig ein vergleichbares Getränk ist.

Ich sah Aemilianus’ Sklavin aus der Küche kommen und lauschte gleichzeitig den unaufdringlich spielenden Musikern, die einige Fuß schräg vor meinem Tisch auf einem Teppich saßen.

Die hübsche Blondine begann damit, einige Lampen herunterzuschrauben.

»Was machst du?« fragte ich.

»Verzeih, Herr!« antwortete sie und huschte in die Küche. Die Beleuchtung war nun romantisch gedämpft, und nur vor den Tischen war ein Bereich noch etwas heller bestrahlt. Als die Sklavin den Raum verließ, hörten die Musiker auf zu spielen. Es schien interessant zu werden.

»Was ist los?« wollte Miles aus Vonda wissen.

»Ich weiß nicht«, gab ich zurück.

»Eine kleine Vorstellung?«

»Vielleicht.«

In diesem Moment kehrte Aemilianus’ blonde Sklavin zurück und legte ein großes Stück schimmerndes Leinen über das untere Ende des Tisches. Dann entzündete sie eine niedrige dicke Kerze, die auf einem Teller stand, und hinterließ sie auf dem Tisch.

Ich betrachtete das weiße Tischtuch und die Kerze im Halbdämmer. Ich war verblüfft. Welche Erinnerungen sich da regten!

Leise begannen die Musiker wieder zu spielen. Das Mädchen erschien an der Küchentür.

Freudige und überraschte Ausrufe wurden laut.

»Sie ist wunderschön«, sagte Tasdron.

»Was ist das für Kleidung?« wollte Glyco wissen.

Das hübsche dunkelhaarige Mädchen stand im Licht auf den Kacheln vor den Tischen. Das Haar hatte sie streng zurückgekämmt und festgebunden. Ihren Körper umhüllte ein Gewand, das wie ein schulterfreies gürtelloses Seidenkleid wirkte. Goldene Schnüre wanden sich um ihre Füße.

»Ich verstehe das nicht«, sagte Miles aus Vonda. »Hat dies eine Bedeutung?«

Ich war beinahe überwältigt. »Mir bedeutet es sehr viel«, sagte ich. »Ich möchte euch das erklären. Zunächst einmal mußt du wissen, Glyco, daß die Kleidung, die sie trägt, sehr an die Aufmachung einer freien Frau auf der Erde erinnert.«

Anmutig drehte sich das Mädchen vor uns hin und her.

»Die Sachen sollen mich hier und jetzt an die Kleidung erinnern, die dieses Mädchen vor langer Zeit als freie Frau trug, bei einer wichtigen Begegnung.«

»Ich verstehe«, sagte Glyco.

»Und es war die Kleidung, in der sie meines Wissens zum erstenmal ihre Weiblichkeit eingestand.«

»Tun das die Frauen der Erde nicht?« fragte Glyco.

»Viele fürchten sich davor.«

»Und die Männer der Erde?«

»Viele ermutigen die Frauen, sich als Pseudo-Männer zu gebärden. Auch in ihrer strengen Aufmachung, die Tüchtigkeit und Männlichkeit vorstellen soll.«

»Interessant«, sagte Glyco. »So etwas trifft auf diese Kleidung aber nicht zu, die mir ziemlich weiblich vorkommt.«

»Solche Ungereimtheiten«, antwortete ich, »sind für viele Erdenfrauen eben nicht untypisch. Sie deuten auf Unsicherheiten im Eigenbild der Frau hin, und vor allem auf eine gewisse Verwirrung in bezug auf ihre Sexualität. Es mag darüber hinaus noch viele andere Gründe geben. In manchen Fällen kann eine solche Aufmachung andeuten, daß tatsächlich der Weg zur wahren Weiblichkeit schon betreten wurde.«

»Das Tuch auf dem Tisch und die Kerze«, sagte Miles aus Vonda, »sollen wohl den Ort der Zusammenkunft darstellen, von der du sprachst.«

»Ja«, gab ich zurück. »Es war ein Ort, an dem Nahrung aufgetragen wurde und man sich angenehm unterhalten konnte.«

»Eine Taverne?«

»Eigentlich nicht.« Auf Gor gibt es kein Wort für Restaurant. »Es gab dort keine Pagasklavinnen und auch keine Tänzerinnen.«

»Wieso geht man dann dorthin?« fragte Miles aus Vonda.

»Sie suchte diesen Ort auf, um mit mir eine delikate, intime Angelegenheit zu besprechen«, antwortete ich.

»Sie wollte sich dir als Sklavin anbieten?«

»Wenn das der Fall war, so wurde das von keiner Seite so aufgefaßt.«

»So erscheint sie nun vor uns, wie sie damals ausgesehen hat?« fragte Glyco.

»Ja«, sagte ich, »obwohl es natürlich Unterschiede gibt. Zum Beispiel war ihr Hals damals nackt.« Heute trug das Mädchen ein dünnes Halstuch, das sie um ihren Sklavenkragen gewickelt hatte.

Die hübsche Erscheinung aus meiner Vergangenheit begann sich anmutig im Takt der Musik zu wiegen, drehte sich, streckte die Hände aus und zeigte uns das Gewand, das sie trug. Dann kehrte sie auf die Tanzfläche zurück.

Ich betrachtete sie. Wie schön sie war! Sie blickte mich an. Und begann entschlossen im Takt zur Musik ihr Haar zu öffnen.

Am Tisch gab es Beifall dafür, denn sie bewegte sich wohlgefällig für das Auge.

»Ihr seht, wie schön eine Erdenfrau sein kann.«

Vorsichtig löste sie das Kleid unter dem Arm, an der Hüfte, am Oberschenkel und am Knie und zog es aus. Dabei sah ich, daß hier lediglich ein rechteckiges weißes Tuch genommen und geschickt umgeschlagen und vernäht worden war, um einem schulterfreien Kleid zu ähneln.

Leiser Applaus klang auf; die Männer an den Tischen schlugen sich mit den Fäusten an die Schultern.

Die Sklavin stand in einem kurzen Unterrock vor uns.

»Das ist nun aber wirklich ein Sklavengewand«, bemerkte Glyco.

»Stimmt«, sagte ich. Doch ich mußte lächeln, wußte ich doch, daß solche Gewänder auf der Erde von freien Frauen getragen wurden, allerdings als Unterkleidung.

Das Mädchen setzte sich anmutig nieder und begann die goldenen Riemen von den Füßen zu lösen. Im Restaurant hatte sie vor langer Zeit goldene Pumps getragen, die ähnlich festgeschnallt gewesen waren. Sie sah mich an. Jeder der Anwesenden wußte, was ihre Vorstellung bedeutete.

Unter Applaus richtete sie sich auf und löste den Unterrock.

»Ah!« murmelte mehr als ein Mann.

»Interessant«, bemerkte Glyco.

»Was ihr hier seht«, erklärte ich, »ist eine Nachbildung der typischen Unterkleidung für eine Erdenfrau.«

Der Büstenhalter war auf raffinierte Weise mit weicher weißer Seide nachgebildet worden. Ihre Schönheit, weich und beinahe gegen die Einengung protestierend, war dennoch offensichtlich. Sie hob lasziv die Hände, was ihre Brüste auf das hübscheste zur Geltung brachte, griff nach hinten und ließ den Stoffstreifen fallen.

Unsere Blicke begegneten sich.

»Ausgezeichnet«, sagte Glyco.

Das Mädchen bewegte die rechte Hand an die Hüfte, öffnete den Stoff des kurzen Lendenschurzes, den sie noch trug, wand ihn ab und ließ ihn zu Boden fallen.

Anschließend kroch sie auf Händen und Knien zu mir.

»Ausgezeichnet!« rief Glyco. Es gab lebhaften Beifall.

Ich ergriff die kleine Sklavin an den Oberarmen und hielt sie fest. Tief blickte ich ihr in die Augen. Sie atmete schwer, von Gefühlen überwältigt. Flehend blickte sie zu mir auf.

Nie hätte ich es für möglich gehalten, daß sie uns eine solche Vorstellung geben könnte. Ich hatte Lola wohl gesagt, daß sie an der Unterhaltung unserer Gäste teilnehmen sollte, doch hatte ich so etwas Überraschendes und Schönes nicht erwartet. Offenbar hatte dieses Mädchen ihren Auftritt selbst vorgeschlagen und ausgearbeitet, denn von vielen der darin enthaltenen Einzelheiten konnte Lola nichts wissen. Mit ihrem Auftritt hatte also die kleine dunkelhaarige Sklavin zu mir gesprochen. Ein wunderschönes Geschenk für mich.

Das Zimmer war nun wieder normal beleuchtet, und man hatte die Kerze und das Tischchen fortgeräumt. Florence kniete mit leuchtenden Augen hinter Miles aus Vonda und streichelte seinen Rücken.

Ich blickte in die Augen der kleinen Sklavin, die mich flehend ansahen. »Herr«, flüsterte sie.

»Es wird Zeit für Likör und Branntwein, Sklavin«, sagte ich.

»Ja, Herr«, flüsterte sie. Dann richtete sie sich auf und eilte auf die Küche zu.

»Sklavin!« rief ich.

»Ja, Herr?« gab sie zurück.

»Du wirst bedienen, wie du bist.«

»Ja, Herr.«

»Ah!« rief Glyco. »Eine Stärkung!«

Als erste verließ Aemilianus’ gutgebaute Sklavin die Küche; sie trug ebenso ein Tablett wie die kleine brünette Sklavin, die ihr dichtauf folgte. Die beiden boten Liköre und Branntwein an.

»Eine freie Frau!« rief Glyco plötzlich erstaunt.

Ich lächelte.

In der Küchentür war eine Frauengestalt erschienen, die eine Verhüllungsrobe trug.

Die Männer erhoben sich, denn auf Gor ist diese Geste üblich, wenn eine freie Frau ins Zimmer kommt. Nur ich blieb sitzen.

Aemilianus’ gutgewachsene Sklavin kniete hastig nieder und machte sich dabei so klein wie möglich. Meine kleine dunkelhaarige Sklavin folgte ihrem Beispiel, ebenso Peggy und Florence. Sklavinnen fürchten freie Frauen sehr.

Die Frau in der Verhüllungsrobe schien unsicher zu sein, sogar ängstlich. Zögernd näherte sie sich dem Tisch. Sie wußte nicht genau, was sie tun sollte.

»Eine freie Frau ist anwesend«, flüsterte Glyco mir zu.

Doch ich stand nicht auf.

»Du!« sagte sie plötzlich hinter ihrem Schleier hervor und deutete auf Calliodorus aus Port Cos. »Du bist hier?«

Er schien erstaunt zu sein. Er beugte sich vor, wie um durch die Schleier zu schauen.

»Du bist Calliodorus aus Port Cos?« fragte sie. Ich hatte ihr natürlich nicht gesagt, daß Calliodorus als Gast zu unserem Abendessen erwartet wurde.

»Du!« rief er plötzlich. »Ist es wirklich möglich? Nein! Du kannst es nicht sein! Nicht nach all den Jahren!«

»Ich bin es aber«, sagte sie zitternd.

»Meine Herren«, sagte Calliodorus mit heiserer Stimme, »dies ist die freie Frau Lola aus Port Cos.«

Plötzlich begann das Mädchen schluchzend an den Schleiern und ihrer Robe zu zerren und offenbarte auf diese Weise, daß sie eine Sklaventunika und einen Metallkragen trug.

»Ich bin keine freie Frau!« rief sie und warf sich Calliodorus zu Füßen. »Ich bin Sklavin!«

»Und sie gehört dir!« rief ich.

Wie betäubt betrachtete Calliodorus die Schönheit vor sich.

Ich stand auf.

Mit wildem Blick schaute sie sich zu mir um. »Herr!« rief sie.

»Du gehörst jetzt ihm«, sagte ich und deutete auf Calliodorus.

»Danke, Herr!« rief sie. »Danke, Herr!« Sie sprang auf, eilte zu mir und fiel schluchzend vor mir auf die Knie. Ihre Freude beglückte mich. Wenn man richtig mit ihr umging, war sie eine hervorragende Sklavin. Sie hatte mir gut gedient. Ich hielt es nicht für unangebracht, sie zu belohnen. Und so hatte ich sie Calliodorus geschenkt.

Das Mädchen erhob sich und kehrte im Laufschritt zu Calliodorus zurück. Tränen standen ihr in den Augen, als sie fragte: »Nimmst du mich, Herr?«

»In Port Cos«, sagte er, »vor langer Zeit, da umwarb ich dich in aller Form und Ehre, wie es einer freien Frau zustand. Sehr gut waren wir bekannt, und oft sprachen wir lange und eingehend miteinander.« Sein Blick war abweisend. »Und bei einem dieser Gespräche machtest du mir ein unaussprechliches Geständnis, du gestandest mir deine Sklavensehnsüchte ein.«

»Ich schämte mich ja so!« antwortete sie und wandte den Blick ab.

»Wie konnte ich mein Bett auf ehrenvolle Weise mit einer Frau teilen, die mir ihre Sehnsucht nach der Sklaverei gestanden hatte? Solche Mädchen konnte ich mir auf dem Markt kaufen. So trennten wir uns natürlich. Unsere Familien aber bestanden auf einer Erklärung. Wir schwiegen aus Furcht von Entehrung.«

»Aber damit unsere Verlobung nicht nach außen hin gescheitert aussah«, fuhr sie mit feuchten Augen fort, »und damit unsere Familien nicht ins Gerede kamen, erklärtest du dich bereit, die Gefährtenschaft dennoch weiter zu betreiben. Du sahst es als deine Pflicht als Offizier und Ehrenmann.«

Schweigend musterte er sie.

»Ich aber hatte keine Lust, verachtet und vernachlässigt in einem kalten Bett zu darben, während du dich mit Mädchen vom Markt vergnügtest. So floh ich aus der Stadt.«

»In mindestens einem Punkt irrst du dich«, sagte er. »Ich hatte mich nicht wegen des Drucks der Familie dann doch für die Gefährtenschaft entschieden. So schwach bin ich nicht. Auch hatten meine Pflichten als Offizier und Ehrenmann nichts damit zu tun.«

»Was war es dann?« fragte sie.

»Ich wollte dich haben«, antwortete er.

»Aber ich hatte dir meine Sehnsüchte gestanden«, sagte sie.

»Nach unserem Gespräch dachte ich gründlich nach«, fuhr er fort. »Du hattest es gewagt, mir dieses Geständnis zu machen, und im ersten Moment war ich beschämt und schockiert. Später fragte ich mich nach dem Grund. Wäre eine bewußte Täuschung von deiner Seite nicht viel beschämender gewesen als diese Wahrheit? Liegt denn wirklich größere Ehre in Heuchelei als in Ehrlichkeit? Das konnte ich nicht bejahen. Da ging mir auf, wie mutig du mir gegenüber gewesen warst. Meine Entrüstung wich Dankbarkeit und Bewunderung. Gleichzeitig fragte ich mich, weshalb ich mich eigentlich aufregte. Hatte das ganze Zerwürfnis nicht auch mit ureigenen Ängsten auf meiner Seite zu tun, die darauf hinausliefen, daß ich in mir womöglich entsprechende Sehnsüchte entdecken könnte, das Bedürfnis, dich zu beherrschen? Du hattest es gewagt, die Grenzen der Heuchelei zu überschreiten. Hier schien ein Alltagsmythos ausgeräumt zu sein, was ich zuweilen bedauerte. Doch solche Mythen schützen uns eben nicht ewig. Irgendwann fallen sie den Flammen der Wahrheit zum Opfer.«

»Du hättest mich trotz meines Geständnisses genommen?«

»Deine Sehnsüchte machten dich tausendmal begehrenswerter«, antwortete er. »Welcher Mann wünscht sich keine Sklavin?«

Verblüfft blickte sie ihn an.

»Dann darf ich vermuten, daß du das Geschenk annimmst?« fragte ich.

»In der Tat!« sagte er. »Und ich danke dir.«

»Ich hatte sie Lola genannt«, sagte ich. »Du kannst dir natürlich einen neuen Namen für sie aussuchen.«

»Du bist Lola«, sagte er zu der Sklavin.

»Danke, Herr«, antwortete sie und neigte den Kopf.

Gelächter brandete auf, und es gab goreanischen Applaus. Calliodorus wurde für seine Gabe beglückwünscht, und mir gratulierte man zu der Großzügigkeit und Umsicht meines Geschenks. Und wieder setzten wir uns. Das Geschenk hockte liebevoll neben seinem neuen Herrn.

»Es scheint an der Zeit«, sagte Tasdron lachend, »meinen Beitrag für diesen Abend zu leisten.« Verwirrt sah Peggy ihn an. »Steh auf, Sklavin!« sagte er zu ihr. »Und zieh dich aus!«

Sofort gehorchte das Mädchen. Einem Befehl ihres Herrn wagte sie nicht zu widersprechen. Gleichwohl errötete sie, denn sie hatte sich vor dem Mann entkleiden müssen, den sie liebte.

»In der Taverne«, sagte Tasdron, »hast du doch schon verschiedene Tänze gesehen, nicht wahr?«

»Ja, Herr«, sagte sie.

»Und dazu gehört doch sicher auch Sa-eela?«

»Ja, Herr.«

»Dann tanz ihn jetzt.«

»Aber ich bin keine Tänzerin!« rief sie.

»Muß ich meinen Befehl wiederholen?« fragte er.

»Nein, Herr!« rief sie und hob die Hände, die Handrücken aneinandergelegt, über dem Kopf.

Wie schön Peggy in diesem Moment aussah, obwohl sie Todesängste ausstand!

Der Sa-eela ist einer der bewegendsten, rhythmischsten und erotischsten Sklaventänze Gors und gehört zur Gruppe der Locktänze, mit denen ein vernachlässigtes Sklavenmädchen die Aufmerksamkeit ihres Herrn zu erwecken versucht.

Tasdron gab den Musikern ein Zeichen.

Und dann begann Peggy zu tanzen.

Ich erinnerte mich an sie; vor langer Zeit hatte sie auf der Erde in dem Restaurant als Garderobenmädchen gearbeitet. Welch weiter Weg bis zu dieser aufreizenden, hübschen Erscheinung, die uns in ihren Bann zog! Niemand vermochte sich der erotischen Wirkung der Darbietung zu entziehen, so unerfahren Peggy als Tänzerin auch sein mochte. Die kleine Sklavin an meiner Seite reagierte ebenso wie die anderen Zuschauer. Mein Blick wanderte zu Lola, die in Calliodorus’ Armen lag, zu Florence, die hinter Miles aus Vonda kniete, zu dem Mädchen, das zuvor Shirley geheißen hatte und jetzt die Sklavin Aemilianus’ war. Sie alle atmeten tief, und ihre Augen funkelten. Fasziniert, erregt, verängstigt beobachteten sie die wunderschöne Sklavin. Sie wußten, daß auch sie den Sklavenkragen trugen.

Der Tanz ging allmählich seinem Höhepunkt entgegen. Peggy begann zu schwitzen. Sie tanzte vorzüglich. Frauen sind unglaublich schön! Es ist ein Wunder, daß Männer bei ihrem Anblick nicht losschreien müssen. Kein Wunder, daß die Goreaner ihnen Eisenkragen umlegen und sie besitzen wollen.

»Oh!« keuchte die kleine Schönheit, die neben mir kniete. Ich lächelte, wußte ich doch, daß sie bisher auf Gor noch nicht viele Sklavinnen hatte tanzen sehen.

Die Musik wurde schneller und endete jäh, und Peggy warf sich aus einer letzten Drehung heraus vor Callimachus aus Port Cos auf die Bodenfliesen. Sie streckte einen Arm in seine Richtung und blickte ihn offen an.

Überwältigt stand Callimachus auf. Er hatte die Fäuste geballt. Wortlos starrte er die schwitzende Sklavin zu seinen Füßen an.

»Sie gehört selbstverständlich dir«, sagte Tasdron. »Jason und ich waren der Meinung, daß du sie interessant finden könntest.«

Callimachus löste den Blick nicht von dem Mädchen. »Von dem ersten Moment, als ich dich sah«, sagte er, »wollte ich dich als Sklavin besitzen.«

»Und von dem ersten Moment, als ich dich sah, Herr«, antwortete das Mädchen, »war ich deine Sklavin.«

Und er zog das Mädchen hoch, preßte sie an sich und begann ihr Gesicht, ihren Mund, ihren Hals und ihre Brüste mit Küssen zu bedecken.

»O Herr!« flehte Florence. »Bitte bring mich nach Hause!«

»Es war ein schöner Abend«, sagte Miles aus Vonda grinsend und stand auf.

Wir machten es ihm nach.

»Ich werde dich Peggy nennen«, sagte Callimachus zu seiner neuen Sklavin. »Ein hervorragender Name für eine Sklavin von der Erde.«

»Ja, Herr!« rief sie. »Ich bin Peggy!«

Tasdron gab den Musikern das Zeichen zum Aufbruch. Dann schnippte er mit den Fingern und rief Peggy zu sich. Er nahm ihr den Kragen ab, und sie kehrte unterwürfig zu ihrem neuen Herrn Callimachus zurück. Ich warf Aemilianus den Schlüssel zu Shirleys Kragen zu, und er öffnete ihn. Ich selbst nahm Lola den Stahl ihrer Sklaverei ab, damit ihr neuer Herr Calliodorus sein eigenes Besitzzeichen anbringen konnte.

»Ich habe eine Ansage zu machen«, sagte Tasdron in die Runde, »die ich mir bis jetzt aufgehoben habe.« Wir blickten ihn an. »Die Streitkräfte der Vosk-Liga müssen in der nächsten Zeit aufgestellt werden«, sagte Tasdron. »Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, euch mitzuteilen, daß einer aus unserer Runde sich einverstanden erklärt hat, als Kommandant dieser Streitmacht zu wirken. Natürlich meine ich Callimachus aus Port Cos!«

»Glückwunsch!« rief ich und schüttelte Callimachus die Hand. Es gab goreanischen Applaus.

»Die Ernennung wurde heute nachmittag in einer Geheimsitzung des Hohen Rats der Vosk-Liga beschlossen«, fuhr Tasdron fort. »In diesem Rat sitzen Vertreter aller Mitgliedsstädte. Hier und jetzt schien es mir geraten, diese Ernennung publik zu machen.«

»Vielen Dank, Tasdron«, sagte ich. Er hatte meinem Haus eine große Ehre erwiesen. Mit leuchtenden Augen blickte Peggy zu Callimachus auf. Wie stolz sie auf ihren Herrn war!

»Aber was ist mit Port Cos?« fragte Calliodorus. »Willst du nicht nach Port Cos zurückkehren, um Callisthenes als Erster Kapitän abzulösen?«

»Dieser Posten gehört dir, mein Freund Calliodorus«, sagte Glyco.

»Mein Dank!« rief Calliodorus.

Wir applaudierten ihm, beglückwünschten ihn und ließen erkennen, wie klug wir die Entscheidung fanden. Auch Lola hatte Grund, auf ihren Herrn stolz zu sein.

Tasdron griff in seinen Gürtelbeutel. »Ich bin sicher, ihr alle erkennt das«, sagte er und hielt zwei Steinstücke in den Händen.

»Der Topas!« rief Aemilianus.

»Der Topas!« sagte Calliodorus.

»Was ihr nicht wißt«, fuhr Tasdron fort, »ist, daß dieser Stein vor über einem Jahrhundert in seiner unzerbrochenen Form der Heimstein Victorias war.«

Wir waren erstaunt. Es wurde still in dem großen Raum.

»Vor über hundert Jahren«, sagte Tasdron, »wurde der Stein von Piraten entführt und zerteilt. Seit dieser Zeit hat Victoria keinen Heimstein besessen. Der ehemalige Heimstein diente in dieser Zeit als Allianz-Symbol unter Flußräubern. In wenigen Tagen werden die Mitglieder des Rats von Victoria zum Fluß hinabgehen und am Ufer des Vosk einen ganz gewöhnlichen Stein erwählen, der sich wohl kaum von anderen unterscheiden wird. Dieser Stein soll dann der neue Heimstein Victorias sein.«

Mir schossen die Tränen in die Augen.

»Und der Topas?« fragte Aemilianus.

»Der ist zerbrochen«, sagte Tasdron, »und kann nicht mehr als Heimstein dienen.«

»Warum hast du ihn mitgebracht?« wollte Calliodorus wissen.

»Ar-Station und Port Cos«, antwortete Tasdron, »üben am Fluß großen Einfluß aus. Ich habe den Stein mitgebracht, um eine Hälfte dir zu geben, Aemilianus, und die andere dir, Calliodorus. Er soll euch daran erinnern, daß ihr, was immer sich später noch ergeben mag, hier einmal zusammen gekämpft habt und Kameraden wart.«

Und Tasdron gab eine Hälfte Aemilianus und die andere Calliodorus.

»Vielen Dank«, sagte Aemilianus.

»Vielen Dank«, sagte auch Calliodorus.

Und Aemilianus schaute Calliodorus an. »Wir wollen den Topas niemals vergessen«, sagte er.

»Niemals«, sagte Calliodorus.

Dann gingen wir zur Tür, und nacheinander verabschiedeten sich die Gäste. Miles aus Vonda war der erste, gefolgt von der gutgebauten Schönheit Florence. Aemilianus empfahl sich, gefolgt von Shirley. Dann verabschiedeten sich Glyco und Calliodorus, beide aus Port Cos. Ihnen schloß sich Lola an.

Tasdron und Callimachus blieben an der Tür stehen.

»Tasdron«, sagte ich, »wenn der Rat zum Vosk-Ufer hinabgeht, so hoffe ich dort zu sein.«

»Das hoffen wir auch«, erwiderte Tasdron. »Du und alle anderen Victorianer, ihr seid willkommen.«

Wir gaben uns die Hände, und Tasdron ging.

»Noch einmal herzlichen Glückwunsch«, sagte ich zu Callimachus.

»Vielen Dank«, antwortete er. »Natürlich brauche ich kräftige Männer, Männer aus allen Städten, ehrliche, kampferfahrene Soldaten.«

»Du wirst sie sicher finden«, gab ich zurück. »Die besten Schwertkämpfer des Flusses werden begierig sein, sich in deine Dienste zu begeben.«

Achtlos schob er Peggy vor sich durch die Tür. »Das vorläufige Hauptquartier der Streitkräfte der Vosk-Liga befindet sich im privaten Hinterzimmer von Tasdrons Taverne. Du kennst den Ort.«

»Natürlich«, sagte ich. Wir hatten uns dort oft getroffen.

»In fünf Tagen«, fuhr Callimachus fort, »wirst du dich dort bei mir melden.«

»Melden?«

»Ich habe dich zu meinem Stellvertreter erwählt.«

»Callimachus!« rief ich.

»Oder fürchtest du, nachdem du nun reich bist, die Mühen des Militärdienstes, die Verantwortung eines solchen Wächteramts?«

»Nein!« rief ich.

»Dann kennst du deinen Marschbefehl«, sagte er.

»Ja, Kapitän!« sagte ich.

Er ging einige Stufen der Treppe hinab und drehte sich noch einmal um. »Wir könnten ausführlich darüber sprechen, aber du verstehst sicher, daß ich es eilig habe, die hübsche Peggy nach Hause zu schaffen.«

»Ja, Kapitän!« sagte ich grinsend.

Er wandte sich ab, und ich schloß die Tür und legte die Riegel vor. Dann wandte ich mich der kleinen Sklavin zu, die hinter mir wartete.

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