4.

Am nächsten Morgen regten sich die Fuzzys gar nicht mehr über den Manipulator auf; er war für sie kein schreckliches Monstrum mehr, sondern einfach etwas, in dem Pappi Jack herumfuhr. An diesem Tag fand er gleich früh einen Sonnenstein und am Nachmittag zwei weitere. Als er relativ früh wieder nach Hause zurückkehrte, fand er die Fuzzy-Familie im Wohnzimmer vor — sie hatten den Papierkorb ausgeschüttet und waren dabei, alles wieder einzusammeln. Außerdem schien sich eine Landgarnele ins Haus geschlichen zu haben, denn in all dem Abfall fanden sich auch Schalenreste. Sie aßen alle zusammen etwas, dann lud Jack die ganze Gruppe in seinen Gleiter ein und machte mit ihnen einen langen Ausflug nach Süden und Westen.

Der nächste Tag sah ihn wieder bei der Arbeit. Er fand drei Steine, und es sah wirklich so aus, als hätte er einen großen Fund gemacht — dies war ein Quallenfriedhof gewesen. Früh am Nachmittag machte er Schluß, und als er sich seinem Lager näherte, sah er auf dem Rasen einen Gleiter stehen. Ein Mann mit einem roten Bart in einer verwaschenen Khakijacke saß, umgeben von Fuzzys, auf der Bank vor der Küchentür. Eine Kamera und andere Ausrüstungsgegenstände waren so abgelegt worden, daß die Fuzzys sie nicht ergreifen konnten. Baby Fuzzy saß natürlich auf seinem Kopf. Jetzt blickte der Mann auf und winkte Jack zu. Dann gab er Baby seiner Mutter und stand auf.

»Nun, was hältst du von ihnen, Ben?« rief Jack, während er den Manipulator landete.

»Mein Gott, Überfall mich doch nicht gleich«, antwortete Ben Rainsford und lachte. »Ich habe auf meinem Heimweg beim Polizeiposten haltgemacht. Zuerst dachte ich, George Lunt sei der größte Lügner der bekannten Galaxis, aber als ich dann nach Hause kam, fand ich deinen Anruf auf dem Band vor und bin auch gleich herübergekommen.«

»Hast du schon lange gewartet?«

»Nein, nicht sehr.« Rainsford sah auf seine Uhr. »Mein Gott, es sind tatsächlich schon dreieinhalb Stunden. Die Zeit ist schnell vergangen. Weißt du, deine kleinen Freunde haben ein gutes Gehör — sie haben dich schon lange vor mir kommen hören.«

»Hast du gesehen, wie sie Garnelen umbringen?«

»Allerdings! Ich habe fast alles gefilmt.« Langsam schüttelte er den Kopf. »Jack, das ist ja beinahe unglaublich.«

»Du bleibst doch sicher zum Essen?«

»Versuch doch, mich fortzujagen, Jack. Ich will alles hören, was du über sie weißt. Wenn du so nett bist, alles auf Band zu sprechen.«

»Gern, aber erst essen wir etwas.« Dann stellte er Ben die Fuzzys der Reihe nach vor. »Dies ist der erste, Little Fuzzy. Er hat den Rest mitgebracht. Dies ist Mama Fuzzy, das Baby Fuzzy. Und das sind Mike und Mitzi. Diesen nenne ich Ko-Ko, und zwar wegen seiner umständlichen Art, eine Garnele zu köpfen.«

»George sagte, daß du sie Fuzzys nennst. Möchtest du das als offizielle Bezeichnung registriert haben?«

»Klar. Das sind sie doch, oder?«

»Nun, nennen wir ihre Art Hollowayan«, meinte Rainsdorf. »Gehörig zur Familie der Fuzzys, Gattung Fuzzy. Also die Spezies Holloways Fuzzy — Fuzzy fuzzy holloway. Wie wäre das?«

Jack war damit zufrieden. Immerhin hatten sie nicht versucht, extraterrestrische Zoologie mit lateinischen Begriffen zu erfassen.

»Ich nehme an, daß die ungeheuer vielen Garnelen, die wir in diesem Jahr haben, Schuld an ihrem Erscheinen sind.«

»Ja, natürlich. George sagte mir, daß du glaubst, sie wären aus dem Norden gekommen; vermutlich stimmt das. Dann könnten sie aber auch eine Art Vorhut sein; es wird nicht lange dauern, bis es hier von Fuzzys wimmelt. Ich möchte wissen, wie schnell sie sich vermehren.«

»Nicht sehr schnell. Die Bande hier besteht aus drei Männchen und zwei Weibchen und nur einem Kind.« Er nahm Mike und Mitzi von seinem Schoß und erhob sich. »Ich mache jetzt etwas zu essen — sieh dir nur inzwischen die Dinge an, die sie mitgebracht haben.«

Als er das Essen in den Ofen geschoben und zwei Drinks mit ins Wohnzimmer gebracht hatte, saß Rainsford noch immer am Schreibtisch und musterte die Artefakte. Er nahm sein Getränk, nippte geistesabwesend daran und sah dann auf.

»Jack, dieses Zeug hier ist unglaublich.«

»Noch mehr als das. Es ist einzigartig. Die einzige Sammlung von Eingeborenenwaffen und -geräten auf ganz Zarathustra.«

Ben Rainsford musterte ihn. »Denkst du das gleiche wie ich?« fragte er. »Ja, du tust es.« Er nahm noch einen Schluck von seinem Highball, stellte das Glas ab und ergriff den polierten Garnelentöter. »Jeder, der solche Arbeit anfertigt, hat alle Voraussetzungen, ein Eingeborener zu sein.« Er zögerte kurz. »Du sagtest, du würdest einen Bericht auf Band sprechen, Jack. Kannst du eine Kopie davon Juan Jimenez zukommen lassen? Er ist der Chefexperte für Säugetiere bei der wissenschaftlichen Abteilung der Gesellschaft — wir tauschen unsere Informationen gegenseitig aus. Und dann ist da noch ein Angestellter der Gesellschaft, Gerd van Riebeek. Er ist allgemeiner Xeno-Wissenschaftler wie ich, interessiert sich aber besonders für Evolutionsfragen.«

»Warum nicht? Die Fuzzys sind eine wissenschaftliche Entdeckung. Entdeckungen sollten gemeldet werden.«

»Würde es dich stören, wenn sie hier heraus kommen würden, um sich die Fuzzys anzusehen?«

»Aber nein; die Fuzzys mögen das sehr gern. Sie leben vorzugsweise in Gesellschaft.«

Little Fuzzy hatte kurz zuvor das Fernsehgerät eingeschaltet, und jetzt kamen Mama und Baby und Ko-Ko herein und gesellten sich interessiert zu den Fernsehzuschauern. Als dann die Küchenglocke das Essen ankündigte, sprangen sie alle auf, und Ko-Ko sprang auf den Stuhl und schaltete das Gerät aus. Ben Rainsford betrachtete ihn einen Augenblick lang.

»Weißt du, ich habe Freunde, die Kinder haben, und sie haben es verdammt schwer, ihrem Achtjährigen beizubringen, die Kiste abzustellen, wenn die Sendung vorbei ist«, merkte er an.


Nach dem Essen dauerte es etwa eine Stunde, bis die ganze Geschichte vom ersten Quieken in der Duschkabine bis heute auf Band gesprochen war. Als Jack fertig war, fügte Ben Rainsford noch ein paar Bemerkungen hinzu, schaltete das Gerät aus und sah auf die Uhr.

»Zwanzig Uhr. In Mallorys Port ist es jetzt sieben Uhr«, sagte er. »Ich könnte Jimenez noch im Wissenschaftszentrum erreichen, wenn ich ihn jetzt anrufe. Er arbeitet meistens etwas länger.«

»Nur zu. Möchtest du ihm einige Fuzzys zeigen?« Jack nahm seine Waffe und einige andere Gerätschaften vom Tisch und setzte Little Fuzzy und Mama Fuzzy und Baby darauf. Dann zog er sich einen Stuhl heran, von dem aus er das Gerät bedienen konnte, und ließ dann Mike und Mitzi und Ko-Ko auf seinen Schoß klettern. Rainsford stellte die Verbindung her. Dann nahm er Baby Fuzzy und setzte ihn sich auf den Kopf.

Sekunden später flackerte der Bildschirm, und dann sah ihnen ein junges Gesicht entgegen. Es war eines jener offenen, nichtssagenden, quasi angepaßten Gesichter, wie sie in tausendfacher Ausfertigung in jedem Jahr von den Fließbändernder terranischen Bildungsanstalten ausgespuckt wurden.

»Oh, Bennet, das ist aber eine nette Überraschung«, begann er. »Ich hätte nie erwartet…« Dann verschluckte er sich und konnte nur noch einen Laut der Überraschung von sich geben. »Was, beim Dai Butsu, ist das da vor Ihnen auf dem Tisch? Sowas habe ich noch nie gesehen. Und was ist das da auf Ihrem Kopf?«

»Eine Fuzzy-Familie«, sagte Rainsford. »Ein ausgewachsenes Männchen, ein erwachsenes Weibchen und ein junges Männchen.« Er hob Baby Fuzzy auf und legte ihn zurück in die Arme seiner Mutter. »Die Spezies nennt sich Fuzzy Fuzzy Holloway Zarathustra. Der Herr links von mir ist Jack Holloway, ein Sonnensteinprospektor. Er ist der ursprüngliche Entdecker dieser Art. Jack, das ist Juan Jimenez.«

Sie schüttelten sich die Hand auf eine terranisch-chinesische Art und Weise, wie sie sich an Bildsprechgeräten eingebürgert hatte, und versicherten sich, daß es ihnen ein Vergnügen sei. Jimenez war dabei recht abwesend, denn er konnte den Blick nicht von den Fuzzys nehmen.

»Woher kommen die?« wollte er wissen. »Sind Sie auch sicher, daß sie von hier stammen?«

»Ja. Raumschiffe haben sie bisher noch nicht entwickelt, Dr. Jimenez. Ich würde sagen: frühes Steinzeitalter.«

Jimenez hielt das für einen Witz und lachte. Und zwar eine Art von Lachen, die man nach Belieben an oder abschalten konnte. Rainsford versicherte ihm, daß die Fuzzys wirklich Eingeborene waren.

»Wir haben alles, was wir über sie wissen, auf Band gespeichert«, sagte er. »Etwa eine Stunde. Können Sie mit sechziger Geschwindigkeit aufnehmen?« Während er sprach, nahm er an dem Gerät einige Schaltungen vor. »Also gut, wir werden es Ihnen überspielen. Und können Sie Gerd van Riebeek erreichen? Ich möchte, daß er es auch hört. Es ist genauso gut sein Fach.«

Als Jimenez das Zeichen gab, drückte Rainsford den Abspielknopf, und eine Minute lang gab das Bandgerät einen hohen Pfeifton ab. Die Fuzzys sahen sich erstaunt an. Dann war es vorbei.

»Ich denke mir: wenn Sie das gehört haben, werden Sie und Gerd hier herauskommen und sich dieses Völkchen ansehen wollen. Wenn es möglich ist, sollten Sie noch jemanden mitbringen, der als qualifizierter Psychologe gilt, jemand, der die geistigen Fähigkeiten der Fuzzys beurteilen kann. Jack hatte recht, als er von frühem Steinzeitalter sprach. Wenn die nicht vernunftbegabt sind, dann aber höchstens ein Milliardstel Millimeter davon entfernt.«

Jimenez starrte ihn überrascht an. »Das ist doch nicht Ihr Ernst?« Er sah von Rainsford zu Jack Holloway und wieder zurück. »Nun, ich werde mich wieder bei Ihnen melden, wenn ich das Band gehört habe. Sie befinden sich drei Zeitzonen westlich von uns, nicht wahr? Dann beeilen wir uns, daß wir vor Mitternacht Ihrer Zeit anrufen — das wäre hier einundzwanzig Uhr.«

Er meldete sich sogar eine halbe Stunde vor der angegebenen Zeit zurück. Diesmal aber aus einem Wohnzimmer statt aus einem Büro. Neben ihm saßen zwei Leute, auf der einen Seite ein Mann mit einem freundlichen, offenen, ein wenig vom Wetter gegerbten Gesicht. Die andere Person war eine Frau mit schimmernd schwarzem Haar und einem Mona-Lisa-ähnlichen Lächeln im Gesicht. Die Fuzzys waren inzwischen müde geworden und nur durch Sonderrationen Ex-Te-Drei dazu zu bewegen gewesen, noch aufzubleiben.

Jimenez stellte seine Begleiter als Gerd van Riebeek und Ruth Ortheris vor. »Ruth gehört zu Dr. Mallins Abteilung; sie hat im Bereich Schulpsychologie und im Jugendgerichtswesen gearbeitet.«

»Und mit Außerirdischen«, ergänzte die Frau. »Ich war auf Loki, Thor und Shesba.«

Jack nickte. »Ich war auf diesen drei Planeten auch. Kommen Sie heraus?«

»Oh ja«, sagte van Riebeek. »Morgen gegen Mittag werden wir ankommen und vielleicht zwei Tage bleiben. Wir werden Sie aber nicht belästigen — ich habe einen Gleiter, der für uns drei groß genug ist, um darin wohnen zu können. Wo finden wir Sie?«

Jack gab ihm die Koordinaten durch.

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