2.

Jack Holloway landete seinen Manipulator vor der kleinen Ansammlung vorgefertigter Hütten. Einen kurzen Moment blieb er still sitzen, während ihm bewußt wurde, daß er müde war, dann kletterte er heraus, überquerte die freie Grasfläche hinüber zum Eingang seines Wohngebäudes, öffnete ihn und griff nach dem Lichtschalter. Dann zögerte er und schaute hinauf zu Darius.

Der Mond war von einem großen Ring umgeben, und er erinnerte sich an die kleinen Zirruswolken, die sich während des ganzen Nachmittags über ihm angesammelt hatten. Vielleicht würde es heute nacht regnen. Ewig konnte dieses trockene Wetter ja nicht anhalten. In der letzten Zeit hatte er den Manipulator nachts im Freien stehen lassen; jetzt beschloß er, ihn in den Hangar zu fahren. Er öffnete die Tür des Fahrzeugschuppens, stieg wieder in die Maschine und steuerte sie hinein. Als er zum Wohngebäude zurückkam, sah er, daß er die Tür offen gelassen hatte.

»Verdammter Narr!« schalt er sich. »Hier könnte es jetzt überall von Garnelen wimmeln.«

Schnell sah er sich im Wohnzimmer um — unter dem großen Mehrzwecktisch, unter dem Gewehrschrank, unter den Stühlen, hinter dem Bildschirm, hinter dem Metallschrank mit der Mikrofilmbibliothek — aber es war nichts zu sehen. Dann hing er seinen Hut auf, legte seine Waffe auf dem Tisch ab und ging ins Bad, um sich die Hände zu waschen.

Als er das Licht einschaltete, machte in der Duschkabine etwas »Quiek!«

Er drehte sich schnell herum und sah, wie zwei große Augen ihn aus einem goldenen Flaumball anstarrten. Was immer es auch war, es hatte einen runden Kopf und große Ohren und ein entfernt menschliches Gesicht mit einer kleinen Stupsnase. Es saß auf seinen Hinterbeinen und war in dieser Haltung etwa dreißig Zentimeter groß.

Es besaß zwei winzige Hände mit abstehenden Daumen. Jack kauerte sich nieder, um besser sehen zu können.

»Hallo, du kleiner Kerl«, begrüßte er es. »Sowas wie dich habe ich noch nie gesehen. Was bist du denn überhaupt?«

Das kleine Geschöpf sah ihn ernst an und sagte mit etwas ängstlicher Stimme: »Quiek!«

»Ich werde dich Little Fuzzy nennen, ja, der Name paßt gut zu dir.«

Er ging näher heran, sorgsam bemüht, keine plötzlichen Bewegungen zu machen, und redete weiter auf es ein.

»Ich wette, du bist hereingeschlüpft, während ich die Tür aufgelassen habe. Nun, wenn ein Fuzzy eine offene Tür findet, dann darf er auch hereinkommen und sich umsehen.«

Vorsichtig berührte er das kleine Tier. Es zog sich zurück, griff gleich darauf aber mit einer kleinen Hand nach seinem Hemdärmel. Er streichelte das fremde Wesen und sagte ihm, daß es den weichesten, seidigsten Pelz habe, den er je gesehen hätte. Dann hob er es sich auf den Schoß. Es quiekte vor Vergnügen und legte ihm einen Arm um den Hals.

»Klar, wir werden gute Freunde sein, nicht wahr? Möchtest du etwas essen? Sehen wir doch mal nach, was wir finden können.«

Er trug es mit einer Hand wie ein Baby — zumindest glaubte er sich zu erinnern, daß Babys so getragen wurden. Das Wesen wog zwischen fünfzehn und zwanzig Pfund. Zuerst sträubte es sich, beruhigte sich dann aber und schien es zu genießen, getragen zu werden. Im Wohnzimmer setzte er sich in seinen Lieblingssessel neben einer Stehlampe und betrachtete seinen neuen Bekannten.

Es handelte sich um ein Säugetier — die Klasse der Säugetiere war auf Zarathustra recht stark vertreten —, aber darüber hinaus mußte er passen. Dies war kein Primat, wie man sie von der Erde kannte. Überhaupt glich dieses Wesen nichts, was er von Terra oder von Zarathustra her kannte. Als Zweibeiner gehörte das Tierchen jedenfalls auf dieser Welt in eine Klasse für sich. Es war einfach ein kleiner Fuzzy, das reichte ihm im Augenblick.

»Was möchtest du essen, Little Fuzzy?« fragte er. »Mach mal den Mund auf und laß Pappi Jack sehen, was du für Beißerchen hast.«

Little Fuzzys Zähne glichen in ihrer Anordnung und Form stark den seinen, sah man davon ab, daß der Kiefer runder war.

»Wahrscheinlich bist du ein Allesfresser. Wie würde dir eine hübsche Terraföderation-Weltraum-Notration Ex-Te-Drei schmecken?«

Little Fuzzy reagierte mit einem Laut, den man vielleicht als Zustimmung zu dem Versuch werten konnte. Ein Risiko bestand zudem kaum — Ex-Te-Drei war bereits an mehrere Säugetiere auf Zarathustra verfüttert worden, ohne daß nachteilige Folgen eingetreten waren. Er trug Little Fuzzy hinaus in die Küche und setzte ihn auf den Boden, holte dann eine Büchse mit der Notration heraus, öffnete sie und brach ein Stück ab, das er dem Fremden reichte. Little Fuzzy nahm das Stück goldbraunen Kuchens, beschnüffelte es, quiekte begeistert und stopfte es sich ganz in den Mund.

»Du hast bestimmt noch nie einen Monat lang von dem Zeug leben müssen, wette ich!«

Er brach den Kuchen in zwei Hälften, zerkleinerte eine davon noch weiter und legte die Stückchen auf eine Untertasse. Vielleicht wollte Little Fuzzy auch noch etwas trinken. Jack wollte schon eine Pfanne mit Wasser füllen und auf den Boden stellen, dann betrachtete er seinen Gast, der, auf seinen Hinterbeinen sitzend, mit zwei Händen aß, und er füllte statt dessen eine tiefe Schale mit Wasser, schraubte den Verschluß von einer Whiskyflasche ab und stellte ihn daneben. Little Fuzzy hatte Durst, und man brauchte ihm nicht zusagen, wozu die kleine Tasse gedacht war.

Sich selbst jetzt noch etwas Großartiges zu kochen, dazu war es jetzt zu spät. Im Kühlschrank fand er ein paar Reste und warf alles in eine Art Gulaschgericht zusammen. Während das Essen warm wurde, setzte er sich an den Küchentisch und zündete seine Pfeife an. Das kurze Aufblitzen der Feuerzeugflamme ließ Little Fuzzy erschreckt die Augen aufreißen, aber was ihn noch mehr in Erstaunen versetzte, war die Tatsache, daß Pappi Jack Rauch von sich blies. Er saß da und beobachtete dieses Phänomen, bis nach ein paar Minuten das Essen heiß war und Holloway die Pfeife beiseite legte. Dann erst machte sich Little Fuzzy wieder über sein Ex-Te-Drei her.

Plötzlich gab er ein ärgerliches Quieken von sich und rannte in das Wohnzimmer. Im nächsten Moment war er mit einem länglichen, metallischen Gegenstand zurück, den er neben sich auf den Boden legte.

»Was hast du denn da, kleiner Fuzzy? Laß Pappi Jack mal sehen, ja?«

Dann erkannte er es als seinen einzölligen Holzmeißel. Ihm fiel ein, daß er ihn draußen vor dem Schuppen liegengelassen hatte, nachdem er vor etwa einer Woche dort gearbeitet hatte. Anschließend hatte er vergeblich danach gesucht. Dies hatte ihn sehr betrübt, denn wer vergeßlich wurde und seine Ausrüstungsgegenstände verlor, würde in dieser Wildnis nicht lange überleben.

Nachdem er gegessen und das Geschirr in den Abwasch gestellt hatte, hockte er sich neben seinen neuen Freund.

»Laß Pappi Jack mal sehen, Little Fuzzy«, sagte er. »Oh, ich nehm’s dir nicht weg, will es nur mal sehen.«

Die Schneide war stumpf und schartig geworden — das Werkzeug war zu vielen Dingen benutzt worden, für die ein Meißel wohl doch nicht das richtige war. Etwa zum Graben, zum Aufbrechen und höchst wahrscheinlich auch als. Waffe. Für einen Little Fuzzy war es in jeder Beziehung ein handliches Allzweckwerkzeug. Er legte es wieder auf den Boden und machte sich daran, sein Geschirr zu waschen.

Little Fuzzy sah ihm eine Weile interessiert zu, dann begann er, die Küche zu erforschen. Einige der Dinge, die er untersuchen wollte, mußte man ihm wegnehmen; anfangs ärgerte ihn das, aber bald lernte er, daß es Dinge gab, die nicht für ihn bestimmt waren. Schließlich war der Abwasch geschafft.

Im Wohnzimmer gab es noch weitere Gegenstände zu erkunden. Einer davon war der Papierkorb. Er fand heraus, daß man ihn ausschütten konnte, und prompt stülpte er ihn um, zerrte alles, was nicht von allein herauskam, noch heraus. Von einem Stück Papier biß er ab, kaute darauf herum und spie es angeekelt wieder aus. Zerknülltes Papier glättete er, fand dann heraus, daß man es auch zusammenknüllen konnte und tat das ausgiebig. Schließlich verhedderte er sich in einigen Metern alten Tonbandes, verlor dann aber das Interesse daran und ging auf andere Entdeckungen aus. Jack fing ihn ein und holte ihn zurück.

»Nein, Little Fuzzy«, sagte er. »Man kippt Papierkörbe nicht aus und läuft dann davon. Räum alles wieder schön ein.« Er berührte den Papierkorb und sagte langsam und deutlich: »Papierkorb.« Dann stellte er ihn auf, nahm ein Stück Papier zur Hand, warf es aus Little Fuzzys Schulterhöhe aus hinein. Jetzt war Little Fuzzy an der Reihe. Jack gab ihm Papier und wiederholte mehrmals: »Papierkorb.«

Little Fuzzy sagte etwas, das fast so klang wie: »Was ist los mit dir, Pappi, bist du verrückt oder was?« Nach zwei weiteren Versuchen aber begriff er es und fing an, alles wieder hineinzuwerfen. Ein paar Minuten später hatte er alles wieder drin bis auf eine grellbunte Plastikschachtel für Munition und eine weithalsige Flasche mit einem Schraubverschluß. Er hielt diese beiden Gegenstände in die Höhe und sagte: »Quiek?«

»Ja, du kannst sie haben. Hier, Pappi Jack zeigt dir etwas.«

Er zeigte Little Fuzzy, wie man die Schachtel öffnete und schloß. Anschließend schraubte er, so daß Little Fuzzy ihm dabei zusehen konnte, den Deckel von der Flasche ab und dann wieder auf.

»Hier, jetzt versuch du es.«

Little Fuzzy sah ihn fragend an und nahm dann die Flasche. Er setzte sich und klemmte sie sich zwischen die Knie. Unglücklicherweise versuchte er, den Deckel nach der falschen Seite zu drehen, wodurch er nur noch fester draufsaß. Er quiekte kläglich.

»Nein, versuch es noch einmal. Du kannst es schon.«

Little Fuzzy betrachtete wieder die Flasche. Dann versuchte er, den Verschluß nach der anderen Seite zu lösen, und er lockerte sich. Er stieß einen Laut aus, der eigentlich nur »Eureka!« heißen konnte, und nahm den Deckel ab, hielt ihn in die Luft. Nachdem er gelobt worden war, untersuchte er die Flasche und den Deckel, betastete das Gewinde und schraubte die Kappe dann wieder auf.

»Weißt du, du bist ein ganz kluger Fuzzy.« Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihm klar wurde, wie klug. Little Fuzzy hatte überlegt, warum man die Kappe nach der einen Seite drehte, um sie abzunehmen und nach der anderen, um sie darauf zuschrauben. Was reines, logisches Denkvermögen betraf, so überstieg diese Leistung jeden Rekord tierischer Intelligenz, von dem er jemals gehört hatte. »Ich werde Ben Rainsford von dir berichten.«

Er ging ans Visifon, stellte die Kombination der Wellenlänge vom Lager des Naturforschers ein, das sich siebzig Kilometer den Snake River hinab an der Mündung des Cold Creek befand. Rainsfords Gerät mußte auf Automatik geschaltet sein, denn sein Bildschirm leuchtete sofort auf. Vor der Kamera lag eine Karte, auf der in großen Buchstaben stand: BIN VERREIST, KOMME AM FÜNFZEHNTEN ZURÜCK. AUFNAHMEGERÄT LÄUFT.

»Jack Holloway hier, Ben«, sagte er. »Ich habe gerade etwas Interessantes gefunden.« Er erklärte mit kurzen Worten, worum es sich handelte. »Ich hoffe, er bleibt bei mir, bis du zurück bist. Auf dem ganzen Planeten habe ich noch nichts Vergleichbares gesehen.«

Little Fuzzy war enttäuscht, als Jack den Bildschirm abschaltete — das war etwas Interessantes gewesen. Er hob ihn auf und trug ihn hinüber zu dem Sessel, wo er ihn auf den Schoß nahm.

»So«, sagte er und griff nach der Bedienung seines TV-Geräts. »Paß auf, wir werden uns etwas Nettes ansehen.«

Als das Bild sich stabilisierte, sah er als erstes eine Luftaufnahme von den großen Feuern, mit denen die Leute der Gesellschaft die eingetrockneten Wälder in den ehemaligen Big Blackwater-Sümpfen niederbrannten. Little Fuzzy schrie erschreckt auf und klammerte sich mit seinen Ärmchen an Pappi Jacks Hals, verbarg das Gesicht in seinem Hemd. Nun, hin und wieder verursachte ein Blitz einen Waldbrand und mußte daher nichts Neues für den Kleinen sein. Er drehte an der Bedienung und schaltete auf eine andere Kamera um, diesmal eine, die sich an der Spitze des Hochhauses der Gesellschaft in Mallorys Port befand, drei Zeitzonen westlich. Unter der Kamera breitete sich die Stadt aus, und der Sonnenuntergang zauberte im Westen prächtige Farben an den Horizont. Little Fuzzy starrte das Bild ehrfurchtsvoll an. Für einen kleinen Burschen wie ihn war das sicherlich beeindruckend, hatte er doch sein ganzes Leben im Wald verbracht.

Interessant waren auch der Raumhafen und viele andere Dinge, eine Gesamtansicht des Planeten von Darius aus verwirrte ihn allerdings erheblich. Dann, mitten in einem Symphoniekonzert aus dem Opernhaus von Mallorys Port, kletterte er herunter, ergriff seinen Meißel und schwang ihn zweihändig über die Schulter.

»Was zum Teufel…? Oh!«

Eine Landgarnele, die hereingekommen sein müßte, während die Tür offengestanden hatte, lief quer durch das Wohnzimmer. Little Fuzzy verfolgte sie, schwang sein Schwert und ließ es genau hinter dem Kopf des Tieres niedersausen. Ein Schlag reichte aus, um Kopf und Körper des Tieres zu trennen. Für einen kurzen Augenblick betrachtete er sein Opfer, dann schob er den Meißel darunter und drehte es auf den Rücken. Zwei Schläge mit der stumpfen Seite des Meißels, und der Panzer war geknackt. Jetzt begann er die Garnele zu zerlegen, wobei er Fleischstücke aus ihr herausriß und mit sichtlichem Behagen verspeiste. Nachdem er die größten Brocken verzehrt hatte, benutzte er den Meißel dazu, eine der Scheren der Garnele abzutrennen und mit ihrer Hilfe die weniger zugänglichen Teile herauszuholen. Als er damit fertig war, leckte er sich die Finger und näherte sich wieder dem Sessel.

»Nein.« Jack deutete auf den Garnelen-Panzer. »Papierkorb.«

»Quiek?«

»Papierkorb.«

Little Fuzzy sammelte die Panzerstücken ein, trug sie dorthin, wo sie hingehörten. Dann kam er zurück und kletterte wieder auf Pappi Jacks Schoß und betrachtete den Bildschirm, bis er einschlief.

Jack hob ihn vorsichtig auf und legte ihn, ohne ihn aufzuwecken, auf den warmen Sessel. Dann ging er in die Küche, schenkte sich einen Drink ein, den er auf den Wohnzimmertisch stellte, entzündete seine Pfeife und machte sich an die Tagebucheintragungen dieses Tages. Nach einer Weile wachte Little Fuzzy auf, stellte fest, daß der Schoß, auf dem er eingeschlafen war, verschwunden war, und quiekte erbärmlich.

Eine zusammengefaltete Decke in einer Ecke des Schlafzimmers wurde zu seinem Bett, nachdem Little Fuzzy sich vergewissert hatte, daß kein Ungeziefer darin war. Er holte noch seine Flasche und seine Schachtel heran und legte sie neben sich auf den Boden. Dann rannte er zum Eingang und quiekte, bis Jack ihn hinausließ. In etwa sechs Meter Entfernung benutzte er den Meißel dazu, ein kleines Loch auszuheben, das er, nachdem es seinen Zweck erfüllt hatte, sorgfältig wieder mit Erde ausfüllte und dann zurückgerannt kam.

Vielleicht waren Fuzzys von Natur aus gesellig und bauten sich ihre Unterkünfte selbst — Astlöcher, Erdhöhlen, irgend so etwas. Dies hier, so schien es jetzt, war Little Fuzzys Heim, und er zeigte, daß er sich darin zu benehmen wußte.


Am nächsten Morgen, bei Tagesanbruch, versuchte er, Pappi Jack aus seinen Decken hervorzuheben. Abgesehen von seinen Fähigkeiten als zuverlässiger Garnelenbeseitiger, war er also auch ein erstklassiger Wecker. Aber vor allem war er eben Pappi Jacks Little Fuzzy. Er wollte wieder hinaus; diesmal griff Jack sich seine Filmkamera und hielt den gesamten Vorgang damit fest. Als erstes würde er eine kleine Tür mit einer Feder einbauen müssen, die Little Fuzzy allein bedienen konnte. Er entwarf sie während des Frühstücks. Nach knapp zwei Stunden war sie hergestellt und eingebaut — Little Fuzzy begriff ihre Funktion sofort und fand allein heraus, wie er sie zu bedienen hatte.

Jack ging wieder in seine Werkstatt und machte auf der kleinen Esse Feuer und schmiedete darauf eine zugespitzte, breite Klinge, vier Zoll lang, am Ende einer viertelzölligen, etwa dreißig Zentimeter langen Stahlstange. Als er damit fertig war, stellte er fest, daß die Spitze Übergewicht hatte, und so schweißte er an das andere Ende als Gegengewicht einen Knauf an. Little Fuzzy erkannte sofort den Zweck des Gerätes; er rannte hinaus, grub zur Übung ein paar Löcher und begann dann, im Gras nach Landgarnelen zu suchen.

Jack folgte ihm mit der Kamera und filmte zwei erfolgreiche Garnelen Jagden, die alle mit einer erstaunlichen Präzision vor sich gingen. Little Fuzzy hatte seine Geschicklichkeit bestimmt nicht erst in der Woche erlernt, seit er den Meißel besaß.

Er ging in den Schuppen und suchte darin herum, ohne genau zu wissen, was er eigentlich suchte. Aber dann fand er etwas, was Little Fuzzy liegengelassen hatte, als er den Meißel an sich genommen hatte. Es war ein Stück glattgeschliffenes Hartholz. An einem Ende war es abgeflacht und scharf genug, um eine Garnele zu köpfen, während die andere Seite nadelspitz gearbeitet war. Jack nahm den Fund mit in sein Wohngebäude und untersuchte ihn auf seinem Tisch mit einem Vergrößerungsglas.

An der Spitze klebten noch Erdreste — sie war also als Picke benutzt worden. Das flache Ende hatte als Schaufel, als Schwert und Schalenknacker gedient. Little Fuzzy hatte genau gewußt, was er wollte, als er sich dieses Gerät angefertigt hatte, und hatte solange daran gearbeitet, bis es so perfekt war, wie er es brauchte; sorgsam hatte er dabei vermieden, es durch extreme Bearbeitung zu empfindlich werden zu lassen.

Schließlich legte Jack es in die oberste Schublade seines Tisches. Er überlegte gerade, was er sich zu Mittag zubereiten sollte, als Little Fuzzy hereingestürmt kam, seine neue Waffe krampfhaft festhielt und aufgeregt quiekte.

»Was ist los, Kleiner? Wo brennt’s denn?« Er stand auf, ging zu seinem Gewehrschrank, nahm eine Waffe heraus und überprüfte deren Schloß. »Zeig Pappi Jack, was passiert ist.«

Little Fuzzy folgte ihm zu der Tür, die für Gestalten von der Größe der Erdbewohner gebaut war und stand bereit, jederzeit schnell wieder ins Haus zu verschwinden. Draußen war eine Harpyie erschienen — ein Ding von der Größe und Gestalt eines Pterodaktyls aus der terranischen Jurazeit, groß genug, um einen Little Fuzzy mit einem Bissen zu verschlucken. Einen Angriff mußte die Bestie bereits gegen Little Fuzzy gemacht haben, und jetzt setzte sie zu einem zweiten an. Aber eine Sechs-Millimeter-Kugel aus Jacks Gewehr traf sie mitten im Lauf, warf sie zurück. Wie ein Stein brach sie zusammen.

Little Fuzzy gab einen überraschten Laut von sich, sah einen Moment zu der toten Harpyie und entdeckte dann die ausgeworfene Patronenhülse. Er ergriff sie und hielt sie fragend hoch. Jack erlaubte ihm, sie zu behalten, und sofort rannte der Kleine damit ins Schlafzimmer zurück. Als er wiederkam, nahm Pappi Jack ihn auf den Arm und trug ihn zum Hangar hinüber, setzte ihn neben sich in die Kontrollkabine des Manipulators.

Das dumpfe Brummen des Antigrav-Generators und das Gefühl, angehoben zu werden, verängstigten Little Fuzzy anfangs, aber nachdem sie die Harpyie mit dem Greifer aufgehoben hatten und auf einhundert Meter Höhe angestiegen waren, begann er, sich an dem Flug zu erfreuen. Sie ließen die Harpyie in einer Entfernung von zwei Meilen in einem Gebiet fallen, das auf neuesten Karten als Holloways Run bezeichnet wurde. Dann flogen sie in großem Bogen über die Berge wieder nach Hause. Little Fuzzy hatte großen Spaß daran.

Nach dem Mittagessen machte Little Fuzzy auf Pappi Jacks Bett ein Nickerchen. Jack selbst flog mit dem Manipulator zu der Stelle, wo er am Vortage die Sonnensteine freigelegt hatte, machte ein paar Sprengungen, legte mehr Kiesel frei und fand auch einen weiteren Sonnenstein. Es kam selten vor, daß er an zwei Tagen hintereinander fündig wurde. Als er zu seiner Hütte zurückkehrte, war Little Fuzzy davor gerade mit dem Zerlegen einer weiteren Landgarnele beschäftigt.

Nach dem Abendessen — Little Fuzzy liebte auch gekochte Speisen, wenn sie nicht zu heiß waren — gingen sie gemeinsam ins Wohnzimmer. Jack erinnerte sich an eine Schraube und eine Mutter, die er in seinem Schubfach gesehen hatte, und er holte sie heraus, zeigte sie Little Fuzzy. Little Fuzzy studierte sie einen Augenblick, rannte dann ins Schlafzimmer und kam mit der Schraubverschlußflasche zurück. Er nahm den Deckel ab, drehte ihn wieder drauf, drehte dann die Mutter von der Schraube und hielt sie hoch.

»Siehst du, Pappi«, schien er zu quieken. »Ist ganz einfach!«

Dann schraubte er die Mutter wieder auf die Schraube, warf beides in die Flasche und verschloß sie schließlich.

»Quiek«, sagte er mit höchster Befriedigung.

Er hatte auch das Recht, zufrieden zu sein. Was er soeben geleistet hatte, war eine Klassifizierung gewesen. Schraubverschlüsse und Muttern gehörten in die gleiche allgemeine Klasse von Dingen, die man auf andere Dinge schraubte. Um sie abzunehmen, drehte man nach links, um sie wieder aufzuschrauben, nach rechts, nachdem man sich vergewissert hatte, daß die Gewinde zueinanderpaßten. Und da ihm Begriffe wie links und rechts offenbar begreiflich waren, bedeutete das, daß er sich auch abstrakte Begriffe, nicht nur konkrete Gegenstände vorstellen konnte. Vielleicht ging dieser Schluß ein wenig zu weit, aber…

»Weißt du, Pappi Jack hat wirklich einen sehr klugen Little Fuzzy. Bist du nun ein erwachsener Little Fuzzy oder nur ein Baby Fuzzy? Hm, ich wette, du bist ein Professor Dr. Fuzzy.«

Er überlegte, womit er den Professor, falls er einer war, als nächstes beschäftigen sollte. Im Augenblick erschien es ihm zudem unklug, ihm zuviel darüber beizubringen, wie man etwas auseinandernahm. Bestimmt würde er dann eines Tages nach Hause kommen und wichtige Teile oder Geräte zerlegt vorfinden. Schließlich ging er in seine Gerätekammer, suchte dort herum, bis er einen Blechkanister gefunden hatte. Als er in die Stube zurückkehrte, war Little Fuzzy auf den Tisch geklettert und paffte hustend und keuchend an Jacks Pfeife.

»He, ich glaube, das ist gar nicht gut für dich!«

Schnell nahm er seine Pfeife an sich, wischte das Mundstück ab und steckte sie sich in den Mund. Dann stellte er den Kanister, in dem sich etwa zehn Pfund Steine befanden, auf den Boden und Little Fuzzy daneben. Die Steine waren der Rest seiner Sammlung hiesiger Mineralien, und er war froh, sie nicht alle bereits wieder fortgeworfen zu haben.

Little Fuzzy inspizierte den Kanister, erkannte dann, daß der Deckel zur Familie der Dinge gehörte, die man auf- und abschrauben konnte, und hob ihn auf. Als er die Steine entdeckte, kam er sehr schnell darauf, daß sie zu dem gehörten, was man herausnehmen und verstreuen konnte. Das tat er, und als sie alle auf dem Boden des Zimmers lagen, begann er, sie nach Farben zu sortieren.

Dies war der erste Beweis dafür, daß er Farben wahrnehmen konnte, sah man von seinem Interesse für den Fernsehschirm ab. Nach und nach ordnete er sie in spektraler Reihenfolge an — auf ein Stück Amethyst-Quarz folgte ein dunkelroter Stein. Vielleicht hatte er schon viele Regenbogen beobachtet, vielleicht lebte er in der Nähe eines Wasserfalls, wo es ständig Regenbögen gab, wenn die Sonne schien…

Als er damit fertig war, kam ihm plötzlich ein neuer Gedanke: Jetzt legte er die Steine in Muster, in Ringen und Spiralen aus. Jedesmal, wenn ihm ein Muster gelungen war, quiekte er glücklich und heischte Aufmerksamkeit. Er besah sich sein Werk einige Zeit und veränderte dann die Lage der Steine erneut. Little Fuzzy, das war deutlich zu erkennen, war imstande, künstlerisch zu arbeiten. Er ordnete diese Steine einfach, weil es ihm Freude machte, sie anzuschauen.

Schließlich tat er sie alle wieder zurück in den Kanister, legte den Deckel drauf, schob ihn ins Schlafzimmer genau neben seine Lagerstatt zu den anderen Schätzen. Seine neue Waffe legte er neben sich auf die Decke, bevor er einschlief.


Am nächsten Morgen zerlegte Jack einen ganzen Kuchen Ex-Te-Drei und stellte ihn hinunter. Er füllte die Schale mit Wasser auf, und nachdem er sich vergewissert hatte, das nichts herumlag, was Little Fuzzy zerstören oder womit er sich weh tun konnte, flog er mit seinem Manipulator an seine Arbeitsstelle. Den ganzen Morgen arbeitete er schwer, knackte fast eineinhalb Tonnen Kiesel, ohne daß er etwas fand. Dann löste er eine Reihe weiterer Explosionen aus, bis eine ganze Steinlawine herunterging, die weiteren Kieselstein freilegte. Anschließend ließ er sich unter einem Kugelbaum sein Mittagessen schmecken.

Eine halbe Stunde, nachdem er wieder zu arbeiten begonnen hatte, fand er das Fossil einer Qualle, die sich nicht richtig ernährt hatte, aber kurz darauf entdeckte er vier Einlagerungen, von denen zwei Sonnensteine waren, vier oder fünf Versuche später einen dritten. Kein Zweifel, das mußte so etwas wie ein Quallenfriedhof gewesen sein! Am Spätnachmittag, als er alle lose herumliegenden Kiesel untersucht hatte, besaß er neun Steine, darunter einen tiefroten von einem Zoll Durchmesser. Hier mußte eine Strömung in einem urzeitlichen Ozean alle Quallen an eine Stelle getrieben haben. Kurz überlegte er, ob er noch einige Sprengungen vornehmen sollte, entschied aber, daß es dazu bereits zu spät war, und kehrte in sein Lager zurück.

»Little Fuzzy!« rief er, als er die Tür zum Wohnzimmer öffnete. »Wo steckst du, Little Fuzzy? Pappi Jack ist reich, das werden wir feiern!«

Schweigen. Er rief noch einmal, aber immer noch keine Antwort, kein Trappeln kleiner Füße. Vielleicht hat er alle Garnelen im Umkreis des Lagers ausgerottet und ist jetzt tiefer im Wald auf Jagd, dachte Jack. Er schnallte seine Pistole ab und ging in die Küche. Das meiste des Ex-Te-Drei war verschwunden. Im Schlafzimmer stellte er fest, daß Little Fuzzy die Steine aus der Keksdose ausgeschüttet und ein Muster gelegt hatte, in dem der Meißel diagonal auf der Bettdecke lag.

Nachdem er sich sein Essen zubereitet und in den Ofen geschoben hatte, ging er vor das Haus und rief eine Weile nach Little Fuzzy. Als sich nichts regte, ging er wieder hinein, mixte sich einen Highball und nahm ihn mit ins Wohnzimmer. Beinahe ungläubig machte er sich langsam klar, daß er für insgesamt fast fünfundsiebzigtausend Sols Sonnensteine gefunden hatte. Er tat die Steine in den Beutel und gab sich angenehmen Gedanken hin, während er an seinem Drink nippte, bis eine Küchenglocke ihn daran erinnerte, daß das Essen fertig war.

Die ganzen Jahre hindurch hatte er allein gegessen und war’s zufrieden gewesen — plötzlich schien es ihm unerträglich zu sein. Anschließend suchte er in seiner Mikrofilmbibliothek herum, fand aber nur Bücher, die er meist schon ein dutzendmal gelesen hatte oder Bücher, die er als Nachschlagewerke aufhob. Mehrmals glaubte er zu hören, wie das Türchen sich öffnete, aber jedesmal stellte sich heraus, daß er einem Irrtum zum Opfer gefallen war. Schließlich legte er sich schlafen.

Am nächsten Tag waren der Meißel, war das Ex-Te-Drei unberührt. Jack erneuerte noch das Wasser in der kleinen Schale, dann machte er sich an seine Arbeit. An diesem Tag fand er drei weitere Sonnensteine, aber lustlos und kaum interessiert steckte er sie in seinen Beutel. Relativ früh bereits hörte er mit seiner Arbeit auf, verbrachte noch eine Stunde damit, sein Lager zu umrunden, sah aber nichts.

Deprimiert suchte er kurz darauf seine Küche auf, um sich einen Drink zu holen, hielt aber plötzlich inne. Trinkt man erst einen, weil man sich selbst bedauert, hat der Drink kurz darauf Mitleid mit einem und braucht noch einen. Und zwei Drinks sind gar nichts ohne einen dritten. Nein, er wollte es bei einem belassen. Vielleicht fiel er größer aus als sonst, aber auf jeden Fall würde er ihn sich erst vor dem Zubettgehen genehmigen.

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