13

Als Nick den Bathyskaphen erreichte, war Easy wieder wach. Er hatte ihn ohne große Mühe gefunden, denn die Scheinwerfer waren schon von der Küste aus deutlich erkennbar gewesen. Der Wind blies genau auf den Lichtschein zu, aber Nick und seine Freunde, die zu diesem Zeitpunkt noch nichts von der Existenz eines Vulkans wußten, brauchten sich keine Sorgen zu machen, ob sie das richtige Licht vor sich hatten. Sie kamen ans Ufer, nahmen das Floß auf die Schultern und begannen zu marschieren.

Fagin und die vier anderen Mitglieder der Gruppe waren bereits vor ihnen eingetroffen; zu Lande kam selbst der Roboter rascher voran als das schwer zu bewegende Floß. Swift schien in bester Stimmung zu sein, denn er unterhielt sich leutselig mit den Neuankömmlingen, obwohl er sie nicht gerade überschwenglich begrüßt hatte. Er hielt sie offenbar für seine Leute — Angehörige seines Stammes, die nach langer Abwesenheit zurückgekehrt waren und jetzt wieder eingegliedert werden mußten. Solange keiner von ihnen seine Autorität als Häuptling zu untergraben versuchte, würde er bestimmt mit sich reden lassen.

Als John, Nancy, Oliver, Dorothy und der Roboter erschienen waren, hatte Swift sie sofort gefragt, wie man Feuer machen konnte. Easy, die wegen der geringeren Entfernung einen Vorsprung von fast zwei Sekunden besaß, hatte John gebeten, es ihm zu zeigen, bevor Raeker überhaupt wußte, was der Häuptling wollte. John, der erfahren hatte, daß die Stimme aus dem Bathyskaphen einem Angehörigen der Rasse des Lehrers gehörte, gehorchte ohne Zögern. Er gebrauchte seinen Feuerbohrer und hatte innerhalb von zwei oder drei Minuten eine Flamme entfacht.

Swift wollte daraufhin das Gerät selbst ausprobieren; und bis Nick, Betsey, Jim und Jane mit dem Floß herangekommen waren, hatte er bereits selbst ein Feuer entzündet und war folglich in glänzender Laune.

Das war mehr, als man von den Männern an Bord der Vindemiatrix behaupten konnte. Aminadabarlee war wieder einmal davon überzeugt, daß alle Menschen mißmutig und unhöflich seien; diesmal hatte er allerdings wirklich Grund zu dieser Annahme. Jeder Wissenschaftler an Bord, der in der Zwischenzeit mit Easy Rich gesprochen hatte, war auf den Drommianer böse. Das Mädchen war heute nicht in der gleichen guten Stimmung wie sonst, sondern weigerte sich strikt, irgend jemand zu erklären, weshalb die Pinasse schon heute warten sollte, weil es fürchtete, daß Aminadabarlee davon hören würde.


Selbstverständlich war das eine kindische Reaktion auf das unhöfliche Benehmen des Drommianers; aber schließlich war Easy eben doch ein Kind, obwohl sie fast erwachsen wirkte. Ihr Vater wurde vorgeschickt, um sie zum Sprechen zu bringen. Er hatte jedoch nur einen kurzen Blick mit ihr gewechselt und dann zu den anderen gesagt: „Bitte, sorgen Sie dafür, daß Mister Sakiiro die Pinasse flugbereit machen läßt. Ich glaube, daß die Anbringung der Zusatztriebwerke einige Zeit erfordert.“ Er ignorierte die Fragen der Wissenschaftler und verließ wortlos den Raum, um in seine Kabine zurückzukehren.

„Was sollen wir jetzt tun?“ Die Frage war keinesweg rhetorisch gemeint, denn der Geophysiker, der sie gestellt hatte, war ein guter Freund der Familie Rich.

„Wir können uns nur an das halten, was er gesagt hat“, meinte ein anderer. „Rich scheint überzeugt zu sein, daß seine Tochter keinen Unsinn geredet hat.“

„Ich weiß, daß er davon überzeugt ist; aber ist sie sich denn ganz sicher? Natürlich kennt er sie besser als jeder andere, aber gelegentlich überschätzt er sie doch. Er ist überzeugt; aber wir wissen überhaupt nichts. Was sollen wir also tun?“

„Am besten verständigen wir Saki“, schlug ein anderer vor. „Selbst wenn die kleine Rich sich geirrt hat, kann es nicht schaden, wenn die Pinasse startbereit gemacht wird. Warum macht ihr denn alle so betretene Gesichter?“

„Weil wir uns vorstellen können, was aus Easy und ihrem Vater wird, wenn sie doch unrecht hat“, antwortete der Geophysiker. „Wenn sie mehr weiß als wir, ist alles in bester Ordnung; aber wenn dieses zehnbeinige Wiesel sie nur so geärgert hat, daß sie Märchen erzählt hat, um sich zu rechtfertigen…“ Er schüttelte besorgt den Kopf. „Jetzt glaubt sie noch an ihre eigenen Worte — und ihr Vater ebenfalls. Aber wenn diese Hoffnung sich zerschlägt…“ Er beendete die Diskussion, indem er Richs Bitte an die Ingenieure weitergab.

Raeker hatte in dem Kontrollraum gegessen und gelegentlich sogar dort geschlafen; er wußte nicht einmal, wie lange er sich dort bereits aufhielt. Der Roboter war nur noch ein unbeteiligter Zuschauer, der die Ereignisse registrierte. Seine Schüler schienen in Swifts Stamm aufgenommen worden zu sein und erhielten ihre Anweisungen von dem Häuptling selbst oder von Easy aus dem Bathyskaphen. Niemand fragte Fagin um Rat, aber trotzdem überstürzten sich die Ereignisse, so daß Raeker ihnen kaum noch folgen konnte.

Er wußte, daß Easy einen Streit mit Aminadabarlee gehabt hatte, obwohl er den genauen Hergang nicht erfahren hatte; er war davon unterrichtet worden, daß Easy den Planeten noch im Laufe dieses Tages zu verlassen beabsichtigte, konnte sich aber ebensowenig wie alle anderen vorstellen, wie sie das bewerkstelligen wollte. Zudem hatte er genügend mit Aminadabarlee zu tun gehabt, der ihn davon zu überzeugen versuchte, daß es besser gewesen wäre, von Anfang an — also vor nunmehr sechzehn Jahren — mit Swifts Stamm in Verbindung zu treten, anstatt die Schüler völlig isoliert aufzuziehen.

Raeker hatte keineswegs unhöflich sein wollen, aber die Vorgänge auf Tenebra hatten seine Aufmerksamkeit so in Anspruch genommen, daß er den Drommianer unbeabsichtigt schwerer als jemals zuvor gekränkt hatte. Diese Erkenntnis dämmerte ihm schließlich auch, aber er hatte im Augenblick einfach nicht die Zeit, sich wegen der Folgen dieser Unhöflichkeit Sorgen zu machen.

Er sah, was die Eingeborenen taten, begriff aber nicht was sie damit bezweckten, und wußte niemand, der es ihm hätte erklären können. Trotzdem kam Raeker nicht auf den Gedanken, daß Easy an dieser Nachrichtensperre schuld sein könne; er ahnte nicht, wie sorgfältig sie zu vermeiden versuchte, daß irgendwelche Hinweise an Bord der Vindemiatrix gelangten, wo Aminadabarlee davon erfahren würde.

Er konnte nur beobachten, aufmerksam zuhören und versuchen, die spärlichen Informationen wie ein Puzzlespiel zusammenzusetzen.


Das Floß wurde in den Teich geschoben; dann fuhren Nick, Betsey und Swift zu dem Bathyskaphen hinüber und legten neben einem der Bullaugen an.

Raeker konnte das Treffen zwischen den Eingeborenen und den Insassen des Schiffes beobachten, aber trotzdem die Unterhaltung nicht verfolgen — Easy benützte selbstverständlich die Außenlautsprecher, und der Roboter stand zu weit entfernt, um das Gespräch aufnehmen zu können. Die Unterhaltung dauerte ziemlich lange, aber Raeker war nicht imstande, aus den Bewegungen der Eingeborenen auf das Gesprochene zu schließen.

Das Gespräch wurde erst gegen Abend abgebrochen; dann kehrte das Floß ans Ufer zurück, und die Eingeborenen machten sich marschbereit. Ein Dutzend Höhlenbewohner schleppte das Floß, andere zogen den Karren. Swift schien erst jetzt die Anwesenheit des Roboters zu bemerken; er befahl ihm, den anderen zu folgen, wobei Nick als Dolmetscher fungieren mußte. Raeker stimmte sofort zu; der Marsch sollte offensichtlich landeinwärts führen, wo keine Gefahr bestand, nachts vom Meer überrascht zu werden.

„Wie finden wir morgen das große Schiff wieder?“

erkundigte er sich — nicht so sehr, weil ihn die Frage wirklich interessierte, sondern weil er eine weitere Demonstration der außergewöhnlichen Fähigkeiten der Eingeborenen erwartete. Eigentlich hatte er nicht gehofft, daß Swift überhaupt antworten würde, aber der Häuptling befand sich offenbar in bester Stimmung — kein Wunder, denn er hatte schließlich einen sehr erfolgreichen Tag hinter sich.

Nachdem die Eingeborenen sich in Marsch gesetzt hatten, ging Swift neben dem Roboter her und sprach ununterbrochen auf ihn ein. Nick übersetzte jedes Wort, während der Häuptling genau beschrieb, wo und weshalb er den Bathyskaphen am nächsten Morgen zu finden erwartete. Die Geophysiker an Bord der Vindemiatrix rieben sich die Hände und beobachteten die Tonbandgeräte, die das Gespräch aufzeichneten. Die einzigen Lebewesen zwischen Tenebra und Altair, die nicht von der allgemeinen fröhlichen Stimmung angesteckt wurden, waren Aminadabarlee und Raeker.

Swift erklärte den langsamen Marsch bereits nach zwei Stunden für beendet. Da es bereits zu regnen begonnen hatte, ließ er seine Leute Holz sammeln und befahl Nick, die Feuerstellen auszusuchen. Nick und seine Freunde gehorchten widerspruchslos; Raeker hatte den Verdacht, daß sie die Gelegenheit begrüßten, ihre Kenntnisse unter Beweis stellen zu können. Die Höhlenbewohner verteilten sich auf die einzelnen Holzstapel und übten dort selbst mit den Feuerbohrern, bis alle Feuer brannten.


Sechzehn Jahre lang hatte das Anzünden der Feuer eine achtundvierzigstündige Ruheperiode an Bord der Vindemiatrix eingeleitet, weil während der Nächte auf Tenebra nichts als Regen zu erwarten war. Diesmal lagen die Dinge anders; überall fanden lebhafte Diskussionen statt, die in einigen Fällen fast in einen Streit ausarteten. Die Ingenieure waren eifrig damit beschäftigt, die Pinasse mit Zusatztriebwerken auszurüsten. Die beiden Diplomaten hätten am liebsten kein Wort miteinander gewechselt, aber beruflicher Ehrgeiz ließ eine derartige Unhöflichkeit nicht zu.

Wer ihre Unterhaltung jedoch verfolgte, hatte das unangenehme Gefühl, vor einem Atommeiler zu stehen, dessen Graphitstäbe sich nicht mehr einschieben ließen.

Einige Wissenschaftler beobachteten die Bildschirme des Roboters — vielleicht hofften sie tatsächlich, daß sich etwas ereignen würde, aber vermutlich wollten sie nur Raeker Gesellschaft leisten. Der Biologe verließ den Raum nicht mehr; er hatte das bestimmte Gefühl, daß die Ereignisse einem Höhepunkt zusteuerten, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, wie dieser Abschluß aussehen würde. Im Verlauf der Nacht verstärkte sich dieses Gefühl immer mehr — besonders dann, wenn er einen der beiden Diplomaten sah oder sprechen hörte.

Tatsächlich hatte sein bisher bewiesenes Selbstvertrauen einen schweren Schlag erlitten; er fragte sich, wie er seinen Schülern die notwendigen Arbeiten an dem Bathyskaphen erklären sollte, selbst wenn sie ihm wie früher zuhörten. Wenn sie aber nicht wollten oder nicht konnten, durfte er sich Rich und Aminadabarlee nicht wieder unter die Augen wagen; er war allmählich selbst davon überzeugt, daß nur er sie dazu überredet hatte, keine anderen Rettungsversuche einzuleiten.

Trotz dieser Befürchtungen, die ihn kaum schlafen ließen, überstand er die Nacht irgendwie. Der Start der Pinasse lenkte ihn für kurze Zeit ab — er wäre am liebsten mitgeflogen, aber schließlich siegte doch der gesunde Menschenverstand. Von Zeit zu Zeit spielten sich in dem Lager der Eingeborenen Szenen ab, die ihn unter anderen Umständen sicher zum Lachen gebracht hätten.

Die Höhlenbewohner konnten sich nicht recht an die Feuer gewöhnen und hatten vorläufig noch nicht die geringste Vorstellung davon, wie man sie richtig gebrauchte und was man von ihnen erwarten durfte.

Nick und seine Freunde waren ständig damit beschäftigt, Swifts Leuten zu erklären, daß die Feuer den Regen nur dann abhielten, wenn sie brannten, daß das Holz die ganze Nacht lang reichen würde, daß rechtzeitig Brennmaterial nachgelegt werden mußte und daß man dabei aber auf keinen Fall übertreiben durfte, wie es die Höhlenbewohner mit Begeisterung taten. Raeker verfolgte diese Belehrungen nicht im einzelnen, aber er hörte aus den Bemerkungen seiner Schüler, daß sie sich über die Ungeschicklichkeit der anderen ärgerten. Das war ein gewisser Trost für ihn; wenn Nick und seine Freunde sich den Höhlenbewohnern überlegen fühlten, würden sie vielleicht eher bereit sein, auf ihren alten Lehrer zu hören.

Als der Morgen herankam, war weder dem Lager noch dem Bathyskaphen etwas zugestoßen; als die Wassermassen am Fuß des Hügels verdampft waren, brach der Stamm zu der Stelle auf, wo Swift nach einem zweistündigen Marsch den Bathyskaphen zu finden erwartete. Die Eingeborenen schienen anzunehmen, daß das Schiff sich nicht weit bewegt haben würde.

Raeker wußte nicht, ob er der Vorhersage des Häuptlings Glauben schenken sollte; er wußte vor allem nicht, ob er wirklich daran glauben wollte. Wenn sie sich als zutreffend erwies, hatten die Geophysiker allen Grund zur Freude; aber das bedeutete auch, daß Easy ihren bisherigen Optimismus bestätigt fand. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, auf welche Weise der Bathyskaph nach Easys Meinung einen Punkt erreichen sollte, an dem er mit der Pinasse zusammentreffen konnte. Die wenigen Minuten, in denen er geschlafen hatte, waren voller Alpträume gewesen, in denen Vulkane, Schwebetiere und geheimnisvolle Seeungeheuer eine Hauptrolle spielten.

Die Geophysiker waren sprachlos, als die Eingeborenen die Stelle erreichten, an der sich das Schiff befinden sollte — und sich doch keineswegs befand. Sie summten wie ein ganzer Bienenschwarm und überboten sich gegenseitig mit den wildesten Theorien, ohne daß einer auf den anderen gehört hätte. Aminadabarlee fiel in Ohnmacht und stellte ein weiteres Problem dar, weil kein Mensch wußte, was man mit ihm machen sollte. Zum Glück wachte er aber schon bald wieder auf.

Kurze Zeit später wurde der Bathyskaph an genau der Stelle entdeckt, wo die Eingeborenen ihn vor achtundvierzig Stunden zurückgelassen hatten. Die beiden Väter waren natürlich erleichtert, aber die Wissenschaftler rätselten weiter, bis einer auf die gute Idee kam, daß das Wasser eben nicht mehr genügend Tragfähigkeit besessen habe, denn in dieser Entfernung von der Küste bestand das Meer fast nur noch aus reinem Wasser. Raeker schüttelte nur den Kopf, als er diese Erklärung hörte, mit der die Wissenschaftler zufrieden zu sein schienen. Er fragte sich, welche Ausrede Swift sich hatte einfallen lassen, erkundigte sich aber nicht danach.

Er war wieder einmal damit beschäftigt, die Eingeborenen durch die Augen des Roboters zu beobachten, um herauszubekommen, was sie vorhatten.

Der Stamm ging in kleinen Gruppen auf die Jagd — das war aus der Bewaffnung zu erkennen —, wobei jede Gruppe von einem Schüler begleitet wurde, der seine Axt mitnahm. Das Floß überquerte den Teich, bis es den Bathyskaphen erreicht hatte; Swift und andere schienen sich dort mit Easy zu unterhalten, während sie das Schiff untersuchten. Schließlich versuchten sie sogar die Oberseite des Bathyskaphen zu erklettern, sprangen aber rasch wieder auf das Floß, als der runde Schiffskörper sich zu drehen begann.

Einer der Eingeborenen fiel dabei in den Teich, verlor das Bewußtsein und mußte von den übrigen mühsam ans Ufer geschoben werden. Im Verlauf der Rettungsaktion gelangte das Floß etwas näher an den Roboter, so daß Raeker ein Gespräch zwischen Nick und Betsey verfolgen konnte.

„Auf diese Weise könnten wir eine Menge Zeit sparen. Wenn die beiden Lehrer nichts dagegen einzuwenden haben, rollen wir das Ding einfach ans Ufer und arbeiten dann daran weiter.“

„Wahrscheinlich müssen wir es auf jeden Fall tun, wenn Swift erst einmal auf die Idee kommt“, antwortete Betsey. „Vielleicht fragen wir lieber erst auf Englisch.“

„Einverstanden.“ Die beiden Eingeborenen schoben das Floß in den Teich und paddelten zu dem Schiff zurück. Raeker wußte, was dort besprochen werden sollte, und rief die Ingenieure an.

„Kann der Bathyskaph beschädigt werden, wenn er auf den Rücken gedreht wird?“ fragte er ohne weitere Einleitung. „Die Eingeborenen wollen ihn aus dem Teich rollen!“

Die Männer in der Konstruktionsabteilung sahen sich gegenseitig an und zuckten mit den Schultern.

„Eigentlich kaum“, antwortete schließlich einer von ihnen. „Der Bathyskaph ist stabil genug gebaut und für jede Fluglage konstruiert. Die Kinder fallen vielleicht durcheinander, aber sonst ist nichts zu befürchten.“

„Gott sei Dank“, sagte Raeker erleichtert und sah wieder auf die Bildschirme. Das Floß befand sich auf der Rückfahrt, um Swift aufzunehmen, der am Ufer stand. Als Nick, Betsey und der Häuptling den Bathyskaphen erreicht hatten, begannen Betsey und Swift an der Außenseite nach oben zu klettern, wodurch sich der Schiffskörper drehte. Die beiden bewiesen eine überraschende Geschicklichkeit und dirigierten das Schiff auf das Ufer zu, während Nick das Floß für Notfälle in Bereitschaft hielt.

Zwei Umdrehungen genügten, um das Schiff in seichtes Wasser zu bringen, wo die übrigen Eingeborenen zugreifen konnten. Nach drei weiteren Umdrehungen stand der Bathyskaph in der richtigen Lage am Ufer, wo sich eine Komplikation ergab, weil er zurückrollte, als der Druck gegen die Außenwand nachließ. In diesem Augenblick griff Raeker helfend ein und gab Nick den guten Rat, einige größere Holzstücke unter den Schiffskörper zu schieben. Als der Bathyskaph endlich sicher in der Nähe des Roboters stand, dachte Raeker, daß jetzt die Zeit für ein Informationsgespräch gekommen sei, und benützte den Lautsprecher der Maschine.

„Guten Morgen, Easy. Jetzt sind wir endlich beisammen.“

„Guten Morgen, Doktor Raeker. Ja, Ihre Schüler sind hier. Ich dachte, daß wir ohne sie auskommen würden, aber sie haben uns doch viel helfen können.

Bleiben Sie hier, um den Rest zu beobachten?“

Der Biologe war einigermaßen verblüfft, um es milde auszudrücken.

„Beobachten? Die Arbeit fängt doch erst an! Ich verständige jetzt die Ingenieure und lasse sie zuhören, während ich Nick und den anderen erkläre, was sie zu tun haben; Sakiiros Leute wären bereits hier, wenn sie gewußt hätten, daß die Arbeit so rasch beginnen kann. Wir müssen feststellen, welche Drähte korrodiert sind und sie dann…“ An dieser Stelle wurde er von Easy unterbrochen.

„Tut mir leid, Doktor, aber mir wäre es lieber, wenn Nick die Finger von den Drähten ließe. Ich verstehe selbst nichts davon und glaube nicht, daß er fehlerlos arbeiten könnte. Wir starten ohnehin bald, deshalb möchte ich Sie bitten, ihn von den Inspektionsluken fernzuhalten, falls sie wirklich offenstehen.“

Easy sprach so freundlich wie immer, aber der bestimmte Tonfall ihrer Stimme ließ die Worte fast wie einen Befehl erklingen. Raeker war überrascht und empört.

„Was soll das heißen, Miß Rich?“ erkundigte er sich wütend. „Warum muß Nick plötzlich lieber die Finger von den Drähten lassen? Wer soll denn sonst die Arbeit ausführen? Vielleicht etwa Swift? Wir haben uns bereits vor einigen Wochen auf diesen Plan geeinigt, und Sie können jetzt nicht einfach…“

„Doch, doch, ich kann! “ unterbrach ihn Easy freundlich, aber bestimmt. „Swift tut, was ich sage, und Nick tut, was Swift anordnet. Wir wollen es zunächst mit Swifts Idee versuchen; ich bin davon überzeugt, daß wir Erfolg haben, aber wenn etwas schiefgeht, kommen wir gern auf Ihren Vorschlag zurück.“

Raeker sah sich hilflos um; das Mädchen hatte recht. Er konnte ihr seinen Willen nicht aufzwingen.

Vielleicht Easys Vater …? Nein; Richs Gesichtsausdruck zeigte deutlich eine gewisse Zufriedenheit. Der Biologe zuckte mit den Schultern und fügte sich in das Unvermeidbare.


„Okay, Easy. Wollen Sie mir nicht wenigstens erklären, was Swift vorhat? Warum haben Sie zu diesem ungebildeten Höhlenbewohner mehr Vertrauen als zu Nick und mir?“

„Die anderen Wissenschaftler halten ihn keineswegs für ungebildet“, antwortete Easy spitz. „Wenn ich Ihnen den Plan erkläre, erfährt Aminadabarlee davon und macht meinen Vater nervös. Sehen Sie uns ruhig zu; es dauert bestimmt nicht mehr lange.“

„Was hält Ihr junger Freund von dem Gedanken, seinen Vater nicht zu informieren?“

„Du hast nichts dagegen, nicht wahr, ›Mina‹?“

„Nein“, stimmte der junge Drommianer zu. „Dad hat mir gesagt, daß ich alles tun muß, was Easy sagt, und außerdem war er nicht nett zu ihr. Wir werden es ihm schon zeigen!“

Raeker zog die Augenbrauen in die Höhe und war plötzlich wieder in etwas optimistischerer Stimmung.

Wenn die beiden diesen Aminadabarlee hereinlegen wollten …

Dann wurde offenbar, was Swift vorhatte. Eine Gruppe von Jägern erschien und schleppte ein Schwebetier hinter sich her. Die gefährlichen Fangarme und Nesselfäden waren entfernt worden — deshalb hatte also jede Gruppe einen mit einer Axt bewaffneten Eingeborenen mitgenommen — und die meisten der Gaszellen waren durchlöchert, damit das Tier am Boden blieb. Andererseits waren noch genügend Zellen gefüllt, über deren beabsichtigte Verwendung jetzt kaum noch ein Zweifel bestehen konnte.

Die Wasserstoffzellen des Bathyskaphen waren selbstverständlich mit Druckausgleichventilen ausgerüstet, die verhinderten, daß in den einzelnen Zellen ein gefährlicher Überdruck entstehen konnte. Diese Öffnungen waren normalerweise geschlossen, aber es war durchaus möglich, von außen ein dünnes Rohr in sie hineinzuschieben und die Zelle mit Gas oder einer Flüssigkeit zu füllen.

Genau das taten die Eingeborenen unter Nicks Anleitung jetzt; Raeker konnte nicht erkennen, was sie als Rohr benützten, war aber keineswegs überrascht, daß sie eines improvisiert hatten. Der Transfer des Gases von einer Zelle in die andere gelang natürlich nicht restlos, aber niemand schien sich deswegen Sorgen zu machen. Schließlich standen Schwebetiere in jeder beliebigen Menge zur Verfügung.

„Jetzt sehe ich auch, was Sie vorhaben“, sagte Raeker nach wenigen Minuten durch den Roboter. „Aber vielleicht hat die Sache doch einen Haken.“

„Welchen?“ erkundigte Easy sich sofort, woraus zu entnehmen war, daß auch sie gewisse Zweifel empfand.

„Der Bathyskaph ist so konstruiert, daß er Wasserstoffgas braucht, um schweben zu können. Woher wissen Sie denn, daß dieses Zeug das Schiff so hoch trägt, daß Sie die Triebwerke zünden können, selbst wenn ein Ingenieur an Bord kommt, um…“

„Warum glauben Sie, daß es nicht Wasserstoff ist?“

„Warum glauben Sie, daß es welcher ist?“

„Welche Gase kann es Ihrer Meinung nach vermutlich auf Tenebra geben?“

„Oh, ziemlich viele, nehme ich an … Nein, vielleicht doch nicht; ich weiß es nicht, weil ich mich noch nie mit diesem Problem beschäftigt habe.“ Raeker wurde plötzlich einiges klar. „Sie haben mit unseren Ingenieuren gesprochen!“

„Selbstverständlich. Ich wollte nicht unhöflich sein, aber von wem hätte ich sonst etwas über die Konstruktion des Bathyskaphen erfahren können? Ich gebe gern zu, daß Sie Tenebra wie Ihre Hosentasche kennen, aber das war für meine Zwecke nicht ausreichend.“

„Aha“, sagte Raeker nachdenklich. „Richtig, ich habe mich vielleicht nicht genügend mit der Maschine befaßt, sondern vor allem an die Rolle gedacht, die Nick und seine Gruppe spielen sollten. Aber wie steht es mit der elektrischen Anlage; brauchen Sie die nicht doch? Was wollen Sie tun, wenn die Zellen genug Gas enthalten, um den Bathyskaphen einige Meter hochzuheben, so daß die Eingeborenen ihn nicht mehr erreichen können — aber noch zuwenig, um genügend Auftrieb zu liefern? Wäre es nicht besser, wenn Swifts Leute das Schiff wenigstens festhalten würden? Vielleicht warten Sie überhaupt lieber…“

Lautes Gelächter unterbrach ihn. Es kam nicht von Easy, die einen Augenblick lang beeindruckt gewesen war, sondern von den Wissenschaftlern, die hinter Raeker in dem Kontrollraum standen. Raeker merkte, daß sie über ihn lachten. Er war wütend; dann fiel ihm ein, daß er selbst daran schuld war. Er stimmte in das Gelächter ein, während einer der Wissenschaftler ihm einen kleinen Vortrag über Elementarphysik zu halten begann.

Um mehr handelte es sich nämlich im Grunde genommen wirklich nicht. Nick machte von der Erkenntnis Gebrauch, die er während der ersten Versuche mit dem Floß gewonnen hatte, und sorgte dafür, daß immer mehr vordere als hintere Zellen gefüllt wurden. Als der Bathyskaph langsam nach oben schwebte, wurde er natürlich von dem Wind auf den Vulkan zugetrieben; er stieg zunächst nur so wenig, daß die beiden Kinder Gelegenheit hatten, das glühende Innere des Kraters aus verhältnismäßig niedriger Höhe zu betrachten. Das Schiff sank erschreckend rasch, als es wärmere Luftschichten erreichte, stieg aber rechtzeitig wieder auf, weil die Gasfüllung der Zellen sich ebenfalls erwärmte. Als der Lichtschein allmählich unter ihnen versank, warteten Easy und Aminadorneldo freudig erregt auf die Ankunft der Pinasse.

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