15. Der Andromedanebel

In Nordafrika, südlich der Großen Syrte, erstreckte sich die weite Ebene von El Homra. Vor der Abschwächung der Passatwinde und der Veränderung des Klimas hatte sich hier eine Hammada befunden, eine Wüste ohne jeden Grashalm. Sie bestand zur Gänze aus einem Panzer aus glänzendem Kies und dreieckigen Steinen mit rötlicher Tönung, denen sie auch ihren Beinamen „Die Rote“ verdankte. An Sonnentagen glich sie einem heißen, gleißenden Flammenmeer, in Herbst- und Winternächten war sie von kalten Winden durchbraust. Nun erinnerte nur noch der Wind an die ehemalige Hammada; er jagte wie wild über das hohe, aus der südafrikanischen Steppe hierher verpflanzte bläulich-silbrige Gras. Das Pfeifen des Windes und das Wogen des Grases erinnerten die Menschen an ein unbestimmtes Gefühl der Trauer und einer Seelenverwandtschaft zur Steppennatur, ein Gefühl, wie sie es schon früher erlebt zu haben glaubten. Und zwar schon öfter und unter verschiedensten Umständen — in Kummer und Freude, in schlechten und guten Zeiten.

Jeder Start und jede Landung eines Sternenschiffs hinterließen eine versengte und verseuchte kreisförmige Fläche von ungefähr einem Kilometer Durchmesser. Diese Kreise wurden mit einem roten Metallnetz eingezäunt und blieben ein Jahrzehnt lang unberührt, also doppelt so lange, wie der Zerfall der Auspuffgase eines Triebwerkes dauerte. Nach jeder Landung oder jedem Start wurde das Kosmodrom an einen anderen Ort verlegt. Dieser Umstand verlieh den Anlagen und Gebäuden des Kosmodroms ein provisorisches und kurzlebiges Aussehen und machte das Personal zu Nomaden, genau wie jene, die einige Jahrtausende zuvor auf ihren höckerigen Tieren mit gebogenen Hälsen und schwieligen Beinen, Kamele genannt, in diesem Raum herumgezogen waren.

Das Planetenschiff Baryon, das sich auf seinem dreizehnten Flug zwischen der Erde und der Satellitenbaustelle befand, brachte Dar Weter in die Steppe von Arizona, die aufgrund der starken Radioaktivität im Boden auch nach der Klimaveränderung Ödland geblieben war. Vor Anbruch des Kernenergiezeitalters in der ÄUW wurde hier eine Vielzahl von Experimenten und Tests der neuen Technik durchgeführt. Bis auf den heutigen Tag hielt die Verseuchung durch radioaktive Zerfallsprodukte an — sie war zwar zu schwach, um dem Menschen Schaden zuzufügen, aber stark genug, um das Wachstum der Bäume und Sträucher zu hemmen.

Dar Weter ergötzte sich nicht nur an dem wunderbaren Zauber der irdischen Natur — dem blauen Himmel, in ein Brautkleid aus leichten, weißen Wolken gehüllt —, sondern auch an dem staubigen Boden und dem spärlichen harten Gras.

Was für eine Freude war es doch, unter den Strahlen der goldenen Sonne wieder über festes Erdreich zu schreiten und das Gesicht dem trockenen und zugleich erfrischenden Wind auszusetzen! Nur wenn man auf der Schwelle des kosmischen Abgrunds gestanden hatte, konnte man die ganze Schönheit des heimatlichen Planeten erfassen, den ihre ahnungslosen Urahnen einst als „Jammertal des Schreckens und der Tränen“ bezeichnet hatten!

Grom Orm und Dar Weter trafen am Tag des Abflugs der Expedition gemeinsam auf El Homra ein.

Aus der Luft bemerkte Dar Weter in der matten, stahlgrauen Ebene zwei sich spiegelnde Flächen, die sich wie zwei gigantische Abdrücke am Boden ausdehnten. Die rechte Fläche war beinahe kreisförmig, die linke eine lang gezogene, spitz zulaufende Ellipse. Dabei handelte es sich um die Spuren der kürzlich gestarteten Schiffe der achtunddreißigsten Sternenexpedition.

Die kreisförmige Fläche stammte vom Start der Tintaschel, die auf den schrecklichen T-Stern entsandt worden war und gewaltige Apparaturen zu einer regelrechten Belagerung des Spiralenschiffes aus den Tiefen des Kosmos an Bord führte. Die Ellipse war die Spur von Aella, dem Sternenschiff, das etwas weniger steil gestartet war und eine große Gruppe von Wissenschaftlern auf den weißen Zwerg des Dreisterns Omikron 2 Eridani brachte. Die eineinhalb Meter dicke Asche, die an der Stelle des Aufpralls der Energie der Triebwerke von dem staubigen Boden übrig geblieben war, war mit einem Bindemittel übergossen worden, um eine Verwehung durch den Wind zu verhindern. Nun mussten nur noch die Umzäunungen zweier älterer Startplätze dorthin versetzt werden — dies würde nach dem Abflug der Lebed geschehen.

Und da stand sie auch schon, die Lebed, mit ihrem stahlgrauen Hitzeschutz, der beim Durchstoßen der Atmosphäre verbrennen würde. Danach würde das Schiff in seiner glitzernden, alle Arten von Strahlung reflektierenden Außenverkleidung weiterfliegen, und niemand würde es in seiner ganzen Pracht sehen, außer den astronomischen Robotern, die den Flug beobachteten. Die Automaten würden nur Bilder eines leuchtenden Punktes an die Erde übermitteln, und zurückkehren würde das Schiff eines Tages mit einem oxidierten Rumpf und überzogen mit Schrammen und Beulen vom Aufprall kleiner Meteoritenteilchen. In jedem Fall würde keiner der hier versammelten Menschen die Lebed je wiedersehen, da sie die hundertzweiundsiebzig Jahre bis zur Rückkehr der Expedition unmöglich überleben konnten. Davon würden hundertachtundsechzig unabhängige Jahre auf den Flug und vier Jahre auf die Erforschung der Planeten entfallen, für die Reisenden selbst würden es aber nur achtzig Jahre sein.

Dar Weter würde bei seiner Art von Beschäftigung nicht einmal die Ankunft der Lebed auf den Planeten des grünen Sterns erleben. Wie schon in jener ersten Phase des Zweifelns und Abwägens dachte Dar Weter begeistert an die kühne Idee von Ren Boos und Mwen Maas. Mochte ihr Experiment auch misslungen sein, mochte diese Frage, welche die Grundfesten des Kosmos erschütterte, auch weit von einer Lösung entfernt sein, mochte sie sich als fixe Idee herausstellen, es änderte nichts daran — diese beiden Verrückten waren Giganten menschlichen schöpferischen Denkens, da die Menschheit selbst durch die Widerlegung ihrer Theorien und ihrer Experimente einen Riesenschritt vorwärts in der Aneignung neuer Kenntnisse machen würde.

In Gedanken versunken, hätte Dar Weter beinahe das Alarmsignal der Sicherheitszone ausgelöst. Er machte kehrt und erblickte am Fuße des sich drehenden Fernsehturms eine ihm bekannte Gestalt. Mit zusammengekniffenen Augen kam Ren Boos auf ihn zugelaufen. Ein Netz aus feinen, kaum wahrnehmbaren Schrammen hatte das Gesicht des Physikers verändert, es in Falten qualvoller Anspannung gelegt.

„Ich freue mich, Sie gesund wiederzusehen, Ren!“

„Ich brauche Sie dringend!“ Ren Boos streckte Dar Weter seine nach wie vor mit Sommersprossen bedeckten kleinen Hände entgegen.

„Was machen Sie hier, es dauert doch noch lange bis zum Start?“

„Ich habe die Aella verabschiedet — für mich sind die Forschungsergebnisse hinsichtlich der Gravitation eines so schweren Sterns von großer Wichtigkeit. Als ich dann erfuhr, dass Sie kommen würden, bin ich gleich geblieben…“

Dar Weter schwieg, als warte er auf eine Erklärung.

„Sie kehren auf die Bitte von Junius Antus in das Observatorium der Außenstationen zurück?“

Dar Weter nickte.

„Antus hat in letzter Zeit einige nicht entschlüsselte Botschaften über den Ring aufgezeichnet…“

„Jeden Monat werden außerhalb der üblichen Übertragungszeit Botschaften empfangen, und der Zeitpunkt, zu dem sich die Stationen einschalten, wird jeweils zwei Erdenstunden vorverlegt. In einem Jahr nimmt die Kontrolle einen ganzen Erdentag, in acht Jahren ein Hunderttausendstel einer galaktischen Sekunde in Anspruch. So werden die Pausen zwischen den Ringsendungen gefüllt. Im letzten Halbjahr des Achtjahreszyklus haben wir Botschaften empfangen, die uns unverständlich sind und zweifellos von sehr weit her kommen.“

„Das interessiert mich ganz außerordentlich.“

„Ich werde Ihnen alles, was ich erfahre, umgehend mitteilen. Oder noch besser — nehmen Sie doch selbst an der Auswertung teil!“

Ren Boos seufzte erfreut auf und fragte dann:

„Wird Weda Kong auch kommen?“

„Ja, ich erwarte sie. Wissen Sie, dass sie bei der Erforschung einer Höhle — einem Lager alter Technik — beinahe ums Leben gekommen wäre — wegen einer verschlossenen Stahltür!“

„Nichts davon gehört.“

„Oh, ich habe ganz vergessen, dass Sie sich nicht so sehr für Altertumsgeschichte interessieren wie Mwen Maas. Auf dem gesamten Planeten rätselt man, was sich hinter dieser Tür befinden könnte. Millionen Freiwilliger haben sich für die Ausgrabungen gemeldet. Weda hat beschlossen, die Angelegenheit an die Akademie für Stochastik und Vorhersage der Zukunft weiterzuleiten. Wird Ewda Nal auch kommen?“

„Nein, sie kann nicht.“

„Da werden aber viele enttäuscht sein. Weda hat Ewda sehr gern, und Tschara vergöttert sie buchstäblich. Sie erinnern sich doch noch an Tschara?“

„Wer würde das nicht? Diese Wildkatze…“

Dar Weter streckte mit gespieltem Entsetzen die Hände von sich.

„Ein Kenner weiblicher Schönheit! Ich begehe übrigens regelmäßig den Fehler, dem die Menschen der Vergangenheit erlagen, die nichts von den Gesetzen der Psychophysiologie und der Vererbung wussten. Ich glaube immer, andere würden genauso fühlen und denken wie ich.“

„Ewda wird sich wie alle auf dem Planeten den Abflug ansehen“, sagte Ren Boos, ohne auf dieses Bekenntnis einzugehen.

Der Physiker zeigte auf eine Reihe hoher, im Halbkreis um das Sternenschiff aufgestellter Stative mit Kameras für Weißlicht, Infrarot- und Ultraviolettempfang. Die verschiedenen Gruppen von Strahlen im Spektrum ließen bei Farbwiedergabe den Bildschirm vor echter Wärme und echtem Leben erstrahlen, genauso wie die Obertondiaphragmen jeden metallischen Nachklang bei der Wiedergabe einer Stimme beseitigten.

Dar Weter blickte nach Norden, von wo überbeladene automatische Elektrobusse wie Enten angewatschelt kamen. Aus dem ersten Wagen, der anhielt, sprang Weda Kong heraus und rannte, mit den Füßen fast im Gras stolpernd, auf sie zu. In vollem Lauf warf sie sich Dar Weter an die breite Brust, sodass ihm ihre langen, an den Seiten geflochtenen und nun aufgelösten Zöpfe über die Schultern fielen.

Dar Weter hielt sie leicht von sich weg, um ihr in das grenzenlos liebe Gesicht zu blicken, das durch die ungewöhnliche Frisur einen Hauch von etwas ganz Neuem ausstrahlte.

„Ich habe in einem Kinderfilm eine mittelalterliche Göttin des Nordens gespielt und kaum Zeit gehabt, mich umzuziehen“, erklärte die junge Frau etwas außer Atem. „Für die Frisur hat es dann überhaupt nicht mehr gereicht.“

Dar Weter stellte sie sich in einem langen, eng anliegenden Brokatkleid und einer goldenen Krone mit blauen Edelsteinen vor, mit aschblonden Zöpfen bis unter das Knie und einem kühnen Blick in den grauen Augen, und lächelte fröhlich.

„Hast du auch eine Krone gehabt?“

„O ja, so eine.“ Weda zeichnete mit dem Finger die Umrisse eines großen Rings mit breiten Zacken in der Form von Kleeblättern in die Luft.

„Kann ich sie einmal sehen?“

„Noch heute. Ich werde sie bitten, dir den Film zu schicken.“

Dar Weter wollte gerade fragen, wer diese geheimnisvollen „sie“ seien, doch Weda war dabei, den ernst dreinblickenden Physiker zu begrüßen. Dieser lächelte naiv und herzlich.

„Wo sind denn die Helden des Achernar?“ Ren Boos sah sich auf dem leeren Startfeld um.

„Dort!“ Weda zeigte auf ein zeltförmiges Gebäude aus zartgrünen Milchglasscheiben mit silbrigen, durchbrochenen Rippen an den Außenträgern — den Hauptsaal des Kosmodroms.

„Gehen wir!“

„Wir sind dort überflüssig“, sagte Weda entschieden. „Sie sehen sich den Abschiedsgruß der Erde an. Gehen wir lieber zur Lebed.

Die beiden Männer fügten sich.

Als sie neben Dar Weter herging, fragte Weda leise:

„Sehe ich mit dieser seltsamen Frisur auch nicht zu dumm aus? Ich könnte…“

„Nicht nötig. Sie ist ein bezaubernder Kontrast zur modernen Kleidung — die Zöpfe sind länger als der Rock! Lass es so!“

„Ich gehorche, mein Weter!“, flüsterte Weda, und diese Zauberworte ließen sein Herz schneller schlagen.

Hunderte von Menschen gingen gemächlichen Schrittes auf das Schiff zu. Viele von ihnen lächelten Weda zu und grüßten sie, weit öfter als Dar Weter oder Ren Boos, mit erhobenen Händen.

„Sie sind sehr populär, Weda“, bemerkte Ren Boos. „Woran liegt das — an Ihrer Arbeit als Archäologin oder an ihrer Schönheit?“

„Weder noch — das kommt daher, dass ich durch meine Arbeit immer im Kontakt mit Menschen bin und mich zudem gesellschaftlich engagiere. Sie und Weter vergraben sich entweder in irgendwelchen Labors oder ziehen sich zu anstrengender Nachtarbeit zurück. Sie tun weit mehr und weitaus Wichtigeres für die Menschheit als ich, aber in einem Bereich, der dem Herzen der Menschen nicht unbedingt am nächsten steht. Tschara Nandi und Ewda Nal sind noch viel bekannter als ich…“

„Wieder ein Vorwurf an unsere technisierte Zivilisation?“, tadelte sie Dar Weter belustigt.

„Nein, ich meine die Überreste früherer verhängnisvoller Fehler, wie sie unsere Vorfahren begangen haben. Dabei wussten auch sie schon vor Jahrtausenden, dass die Kunst und damit die Entwicklung der menschlichen Gefühle für die Gesellschaft nicht weniger wichtig sind als die Wissenschaft.“

„Im Hinblick auf die zwischenmenschlichen Beziehungen?“, fragte der Physiker interessiert.

„Ja, genau!“

„Irgendein Weiser des Altertums hat einmal gesagt, es sei das Schwierigste auf Erden, sich die Freude zu bewahren“, warf Dar Weter ein. „Schau, Weda, da kommt noch einer deiner treuen Verbündeten!“

Mit leichten und weit ausholenden Schritten kam Mwen Maas geradewegs auf sie zu. Seine riesenhafte Gestalt erregte allgemeines Aufsehen.

„Tschara hat ihren Tanz beendet“, mutmaßte Weda. „Gleich wird auch die Besatzung der Lebed hier sein.“

„Ich an ihrer Stelle würde zu Fuß und so langsam wie möglich gehen“, sagte Dar Weter plötzlich.

„Bist du schon aufgeregt?“, fragte Weda und hakte sich bei ihm unter.

„Natürlich. Mich quält der Gedanke, dass sie für immer von uns gehen und ich das Schiff nie mehr wiedersehe. Irgendetwas in mir sträubt sich gegen diese völlige Ausweglosigkeit. Vielleicht, weil mir diese Menschen nahestehen.“

„Vermutlich nicht deswegen“, mischte sich Mwen Maas ins Gespräch, der nun herangekommen war und schon aus der Ferne Dar Weters Worte mitbekommen hatte. „Das ist der ewige Protest des Menschen gegen die unbarmherzige Zeit.“

„Herbststimmung?“, fragte Ren Boos leicht ironisch und blinzelte dem Freund zu.

„Ist Ihnen eigentlich schon aufgefallen, dass gerade tatkräftige, lebensfrohe und tief empfindende Menschen den schwermütigen Herbst in gemäßigten Breiten am meisten lieben?“, entgegnete Mwen Maas und klopfte dem Physiker freundschaftlich auf die Schulter.

„Sehr gut beobachtet!“, rief Weda begeistert.

„Eine sehr alte…“

„Dar Weter, sind Sie auf dem Startfeld?“, erscholl es plötzlich von allen Seiten. „Dar Weter, sind Sie auf dem Startfeld? Sie werden ans Televideofon im Hauptgebäude gebeten. Junius Antus. Junius Antus verlangt Sie. Am Televideofon im Hauptgebäude…“

Ren Boos fuhr zusammen und richtete sich sogleich wieder auf.

„Darf ich mitkommen. Dar Weter?“

„Gehen Sie an meiner Stelle. Sie versäumen nichts, wenn Sie beim Start nicht dabei sind. Junius Antus liebt es, Beobachtungen auf altmodische Weise direkt zu senden, anstatt Aufzeichnungen zu übermitteln — darin ist er sich mit Mwen Maas einig.“

Das Kosmodrom verfügte über ein starkes Televideofon und einen Hemisphärenbildschirm. Ren Boos betrat den stillen runden Raum. Der diensthabende Operateur drückte auf einen Schalter und zeigte auf den rechten Seitenschirm, auf dem ein höchst erregter Junius Antus erschien. Er musterte den Physiker aufmerksam und nickte ihm zu, nachdem er den Grund für Dar Weters Abwesenheit begriffen hatte.

„Zurzeit sind die Stationen auf außerprogrammmäßigen Empfang gestellt — wir suchen nach wie vor in der Richtung und im Bereich 62/77. Nehmen Sie den Richtstrahlenempfänger und peilen Sie das Observatorium an. Ich richte den Strahlenvektor über das Mittelmeer direkt nach El Homra.“ Junius Antus blickte zur Seite und fügte hinzu: „Beeilen Sie sich!“

Der Wissenschaftler an Junius Antus’ Seite erfüllte die Forderung in wenigen Minuten. In der Tiefe des Hemisphärenbildschirms tauchte eine gigantische Galaxis auf, in der beide Wissenschaftler einwandfrei den dem Menschen seit langer Zeit bekannten Andromedanebel oder M-31 erkannten.

In der dem Zuschauer am nächsten gelegenen äußeren Windung seiner Spirale, beinahe im Zentrum der in der Verkürzung linsenförmig wirkenden Scheibe der Riesengalaxis, leuchtete ein Licht auf. Dort zweigte ein Sternensystem ab, das wie ein winziger Wollfaden aussah, in Wirklichkeit jedoch ein riesenhafter Spiralarm von hundert Parsec Länge sein musste. Das Licht wurde immer größer und mit ihm auch das „Wollfädchen“, während die Galaxis selbst hinter der Grenze des Sichtfeldes verschwand. Ein Strom roter und gelber Sterne erstreckte sich quer über den Bildschirm. Das Licht wurde zu einem kleinen Kreis und leuchtete am äußersten Ende des Sternenstroms. Am Rande des Stroms hob sich ein orangefarbener Stern der Spektralklasse K ab. Um ihn kreisten als kaum sichtbare Punkte Planeten. Auf einem von ihnen ließ sich der kleine Lichtkreis nieder und deckte ihn zur Gänze zu. Und plötzlich begann sich alles in roten Windungen und sprühenden Funken zu drehen. Ren Boos musste die Augen schließen…

„Das ist eine Explosion.“ Junius Antus’ Stimme war vom Seitenbildschirm zu hören. „Ich habe Ihnen eine Beobachtung vom letzten Monat vorgeführt, die von den Gedächtnismaschinen aufgezeichnet wurde. Nun werde ich auf Direktempfang umschalten.“

Auf dem Bildschirm tanzten nach wie vor dunkelrote Funken und Linien im Kreis.

„Eine merkwürdige Erscheinung!“, rief der Physiker. „Wie erklären Sie sich diese Explosion?“

„Später. Gleich beginnt die Sendung wieder. Was genau kommt Ihnen so merkwürdig vor?“

„Das rote Spektrum der Explosion. Das Spektrum des Andromedanebels weist eine Violettverschiebung auf, das heißt, er nähert sich uns.“

„Die Explosion hat mit dem Andromedanebel nichts zu tun. Sie ist eine lokale Erscheinung.“

„Glauben Sie, ihre Sendestation wurde zufällig an den äußersten Rand der Galaxis verlegt, in eine Zone, die vom dortigen Zentrum noch weiter entfernt ist als die Sonnenzone in unserer Galaxis?“

Junius Antus warf Ren Boos einen skeptischen Blick zu.

„Sie wollen also diskutieren, offenbar haben Sie ganz vergessen, dass der Andromedanebel aus einer Entfernung von vierhundertfünfzigtausend Parsec zu uns spricht.“

„O ja, richtig!“, rief Ren Boos verlegen. „Noch besser wäre es, zu sagen: aus einer Entfernung von anderthalb Millionen Lichtjahren. Die Botschaft wurde vor fünfzehntausend Jahrhunderten gesendet.“

„Und was wir jetzt sehen, wurde lange vor Beginn der Eiszeit und der Entstehung des Menschen auf der Erde gesendet!“ Junius Antus war jetzt sichtlich versöhnlicher gestimmt.

Die roten Linien verlangsamten ihre kreisförmige Bewegung, der Bildschirm wurde dunkel und flammte von Neuem auf. In dem dürftigen Licht war kaum merklich eine dämmrige flache Ebene zu erkennen. Auf ihr lagen seltsame pilzförmige Gebilde verstreut. Näher am vorderen Rand des sichtbaren Teils leuchtete kalt ein im Vergleich zur Ebene gigantischer blauer Kreis mit einer offensichtlich aus Metall bestehenden Oberfläche. Genau im Zentrum des Kreises hingen große bikonvexe Scheiben — eine über der anderen. Nein, sie hingen nicht, sondern stiegen langsam immer höher und höher. Die Ebene verschwand, und auf dem Bildschirm blieb nur eine Scheibe zurück, die unten mehr gewölbt war als oben und an beiden Seiten dicke Spiralrippen besaß.

„Das ist sie… das ist sie…!“, riefen die Wissenschaftler durcheinander und dachten an die Bilder von der auf dem Planeten des Eisensterns gefundenen Spiralenscheibe, die genau mit dieser Abbildung übereinstimmte.

Ein neuer Wirbel roter Linien, und der Bildschirm erlosch. Ren Boos wartete — er hatte Angst, seinen Blick auch nur für einen Augenblick vom Bildschirm zu wenden. Das erste Mal hatte ein Mensch das Leben und Denken einer anderen Galaxis geschaut! Doch der Bildschirm gab kein Zeichen mehr von sich. Dafür schaltete sich Junius Antus auf dem Seitenbildschirm des Televideofons wieder ein.

„Die Sendung ist unterbrochen worden. Wir können nicht länger warten, da wir zu viel Erdenergie verbrauchen. Unser ganzer Planet wird verblüfft sein. Wir werden den Wirtschaftsrat bitten müssen, den außerprogrammmäßigen Empfang um das Doppelte zu verstärken, doch das wird kaum vor Ablauf eines Jahres möglich sein, also wenn der Verbrauch durch die Entsendung der Lebed wieder ausgeglichen ist. Jetzt wissen wir, dass das Sternenschiff auf dem Eisenstern von dort stammt. Hätte es Erg Noor nicht gefunden, wüssten wir mit dem Gesehenen überhaupt nichts anzufangen.“

„Ist diese Scheibe tatsächlich von dort gekommen?“, fragte Ren Boos, so als spräche er zu sich selbst. „Wie lange ist sie dann geflogen?“

„Sie flog ungefähr zwei Millionen Jahre lang durch den Raum, der die beiden Galaxien voneinander trennt“, entgegnete Junius Antus schroff. „Bis sie auf dem Planeten des T-Sterns Zuflucht fand. Offensichtlich sind diese Sternenschiffe so konstruiert, dass sie automatisch landen, auch wenn Tausende und Abertausende von Jahren kein Lebewesen den Steuerhebel berührt.“

„Vielleicht leben sie sehr lange?“

„Aber doch keine Millionen von Jahren, das würde den Gesetzen der Thermodynamik widersprechen“, antwortete Junius Antus frostig. „Trotz der kolossalen Ausmaße hätte das Tellerschiff niemals einen ganzen Planeten mit denkenden Lebewesen transportieren können. Nein, vorläufig können unsere Galaxien einander weder erreichen noch Botschaften austauschen.“

„Sie werden es können“, sagte Ren Boos überzeugt, verabschiedete sich von Junius Antus und ging auf das Startfeld zurück.

Dar Weter, Weda, Tschara und Mwen Maas standen etwas abseits der großen Gruppen von Menschen, die zur Verabschiedung des Schiffes gekommen waren. Aller Augen waren auf das Hauptgebäude gerichtet. Geräuschlos jagte eine breite Plattform an ihnen vorüber, begleitet vom Winken und — was sich die Menschen in der Öffentlichkeit nur in Ausnahmefällen erlaubten — Zurufen. Auf der Plattform befanden sich alle zweiundzwanzig Besatzungsmitglieder der Lebed.

Die Plattform fuhr an das Sternenschiff heran. Um den hohen fahrbaren Aufzug herum standen Leute in weißen Overalls, die Gesichter grau vor Müdigkeit — die zwanzig Mitglieder der Startkommission, die sich zum Großteil aus Ingenieuren, Angestellten des Kosmodroms, zusammensetzte. In den letzten vierundzwanzig Stunden hatten sie mit Spezialmaschinen die gesamte Ausrüstung der Expedition überprüft und die Zuverlässigkeit des Schiffes noch einmal mit Tensorapparaten kontrolliert.

Nach einem alten Brauch aus den Anfangszeiten der Sternenschifffahrt erstattete der Vorsitzende der Kommission Erg Noor Bericht, der erneut zum Schiffskommandanten und Leiter der Expedition zum Achernar ernannt worden war. Die restlichen Mitglieder der Kommission setzten ihre Chiffren auf die kleine Bronzetafel mit ihren Porträts und Namen, die sie Erg Noor überreichten. Nachdem sie sich verabschiedet hatten, traten sie zur Seite. Nun strömten alle anderen, die zum Start gekommen waren, auf das Schiff zu. Sie stellten sich in einer Reihe vor den Reisenden auf, nachdem sie deren Angehörige zu dem kleinen freien Platz vor dem Lift durchgelassen hatten. Die Kameraleute hielten jede Geste der abfliegenden Besatzung fest — eine letzte Erinnerung für jene, die auf dem heimatlichen Planeten zurückbleiben würde.

Erg Noor hatte Weda aus der Ferne bemerkt und ging, nachdem er die Bronzetafel hinter den breiten Sternfliegergürtel gesteckt hatte, mit schnellen Schritten auf die junge Frau zu.

„Wie schön, dass Sie gekommen sind, Weda…!“

„War denn das nicht selbstverständlich?“

„Sie sind für mich das Symbol der Erde und meiner vergangenen Jugend.“

„Nisas Jugend wird nun für immer mit Ihnen sein.“

„Ich kann nicht sagen, dass ich nichts bedaure — das wäre eine Lüge. Und vor allem bedaure ich Nisa, meine Kollegen, ja, und mich selbst auch… zu groß ist unser Verlust. Bei meiner letzten Rückkehr habe ich die Erde lieben gelernt — noch inniger, gründlicher und bedingungsloser…“

„Und trotzdem fliegen Sie, Erg?“

„Ich kann nicht anders. Hätte ich abgelehnt, so wäre für mich nicht nur der Kosmos, sondern auch die Erde verloren gewesen.“

„Je größer die Liebe, desto schwerer die Heldentat?“

„Sie haben mich immer bestens verstanden, Weda. Da kommt Nisa.“

Das schmaler gewordene, knabenhaft wirkende Mädchen mit den roten Locken kam auf sie zu und senkte den Blick.

„Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer sein würde. Sie sind alle… so lieb, so rein… so schön… Auseinanderzugehen, seinen lebendigen Leib von der Mutter Erde loszureißen…“ Die Stimme der Astronavigatorin zitterte.

Weda zog sie instinktiv an sich und flüsterte ihr geheimnisvolle Worte weiblichen Trostes ins Ohr.

„Noch neun Minuten bis zum Schließen der Luken“, sagte Erg Noor tonlos, ohne Weda aus den Augen zu lassen.

„Noch so lange…!“, rief Nisa mit tränenerstickter Stimme aus.

Weda, Erg, Dar Weter, Mwen Maas und alle anderen, die zur Verabschiedung gekommen waren, fühlten mit Wehmut und Erstaunen, dass es keine Worte für diese Situation gab. Wie sollten sie ihre Gefühle zum Ausdruck bringen, angesichts einer Heldentat, die für Menschen begangen wurde, die noch nicht geboren waren, für Menschen, die erst viel später das Licht der Welt erblicken würden. Die Scheidenden wie die Abschiednehmenden waren sich dieser Tatsache bewusst… Was sollten da viele Worte?

Das zweite Signalsystem des Menschen erwies sich als unvollkommen und machte dem dritten Platz. Tiefe Blicke, in denen sich leidenschaftliche, mit Worten nicht wiederzugebende Gefühlsausbrüche widerspiegelten, wurden wortlos und unter größter Anspannung gewechselt oder saugten die karge Natur von El Homra gierig in sich auf.

„Es wird Zeit!“ Erg Noors metallische Stimme klang wie das Schnalzen einer Peitsche auf den angespannten Nerven.

Weda schmiegte sich schluchzend an Nisa. Die beiden Frauen blieben einige Augenblicke lang Wange an Wange und mit fest zugedrückten Augen stehen, während die Männer zum Abschied Blicke und einen letzten Händedruck tauschten. Der Aufzug hatte bereits acht Sternflieger in der ovalen schwarzen Luke verschwinden lassen. Erg Noor nahm Nisa an der Hand und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Das Mädchen errötete, riss sich los und stürzte auf das Sternenschiff zu.

Gemeinsam fuhren Erg Noor und Nisa nach oben.

Den Zuschauern blieb das Herz stehen, als auf dem Vorsprung vor der schwarzen Luke der hell erleuchteten Seite der Lebed zwei Gestalten — ein großer Mann und ein schlankes Mädchen — für einen Augenblick verharrten und die letzten Grüße der Erde entgegennahmen.

Weda Kong presste die Hände so fest zusammen, dass Dar Weter die Gelenke ihrer Finger knacken hörte.

Erg Noor und Nisa verschwanden. Aus der schwarzen Öffnung wurde eine ovale Platte in demselben Grau wie der gesamte Rumpf des Schiffes ausgefahren. Einen Augenblick später hätte selbst das schärfste Auge die Konturen der Öffnung auf den steilen Flanken des kolossalen Schiffsrumpfes nicht mehr ausmachen können.

Das vertikal aufragende Sternenschiff, das auf zwei ausgefahrenen Landestützen stand, hatte etwas Menschliches an sich. Vielleicht entstand dieser Eindruck durch die Kugel am Bug, die mit einer spitzen Haube gekrönt und mit Signallichtern wie Augen versehen war. Oder durch die gerippten Schotten am Mittelteil des Schiffes, in dem sich die Container befanden und die wie die Schulterstücke eines Ritterharnisches aussahen. Das Sternenschiff ragte auf seinen Stützen auf wie ein Riese mit gespreizten Beinen, der verächtlich und selbstsicher über die Köpfe der Menge hinwegblickte.

Drohend heulten die Signale der ersten Bereitschaftsstufe auf. Wie durch Zauber herbeigeholt, erschienen breite, fahrbare Plattformen am Schiff, um die Menge der Abschiednehmenden wegzubringen. Die Stative der Televideofone und Scheinwerfer krochen ebenfalls in alle Richtungen auseinander, ohne jedoch ihre Linsen und Strahlen vom Sternenschiff abzuwenden. Der graue Rumpf der Lebed verblasste und schien an Größe zu verlieren. Am Kopf des Schiffes leuchteten unheimliche rote Lichter auf — das war das Signal für die Startbereitschaft. Die Vibration der starken Triebwerke ließ den harten Boden erzittern — das Sternenschiff begann sich auf seinen Stützen zu drehen, um in Startposition zu gehen. Die Plattformen entfernten sich immer weiter bis hinter die in der Dunkelheit leuchtende Sicherheitslinie auf der Windseite. Dort sprangen die Passagiere eilig ab, und die Fahrzeuge rasten zurück, um die restlichen Zuschauer einzusammeln.

„Sie werden uns und unseren Himmel wirklich nie wiedersehen?“, fragte Tschara Mwen Maas, der sich weit zu ihr hinuntergebeugt hatte.

„Nein. Es sei denn in einem Stereoteleskop…“

Unter dem Kiel des Sternenschiffes leuchteten grüne Lichter auf. Auf dem Turm des Hauptgebäudes drehte sich wie wild das Funkfeuer und schickte eine Warnung über den Start des Riesenschiffes in alle Richtungen.

„Das Sternenschiff erhält das Startzeichen!“, erdröhnte plötzlich eine metallische Stimme von solcher Stärke, dass Tschara zusammenfuhr und sich fest an Mwen Maas klammerte. „Wenn sich noch jemand innerhalb der Gefahrenzone befindet, dann soll er die Hand heben! Heben Sie die Hand, sonst ist es um Sie geschehen! Heben Sie die Hand, sonst…!“ Immer wieder wiederholte der Automat donnernd seine Warnung, während er mit seinen Scheinwerfern das Feld nach zufällig innerhalb der Gefahrenzone zurückgebliebenen Zuschauern absuchte. Nachdem niemand zu entdecken war, erloschen die Scheinwerfer. Der Roboter begann von Neuem zu brüllen, dieses Mal noch grimmiger, wie es Tschara schien.

„Drehen Sie sich nach Erklingen des Glockenzeichens mit dem Rücken zum Sternenschiff, und schließen Sie die Augen! Öffnen Sie die Augen erst wieder beim zweiten Glockenzeichen. Drehen Sie sich mit dem Rücken zum Schiff, und schließen Sie die Augen!“ Donnernd und besorgt erschallte die mechanische Stimme des Roboters über dem Startplatz.

„Das ist ja schrecklich!“, flüsterte Weda.

Dar Weter nahm ruhig die zusammengerollten Halbmasken mit schwarzen Gläsern von seinem Gürtel und setzte die eine Weda und die andere selbst auf. Kaum hatte er die Spange geschlossen, als eine große Glocke mit hohem Ton wie wild zu schrillen begann.

Das Läuten brach ab, und es trat eine solche Stille ein, dass auf einmal selbst das Zirpen der gleichgültigen Zikaden zu hören war.

Plötzlich heulte das Sternenschiff auf, und seine Lichter erloschen. Ein-, zwei-, drei-, viermal zog dieses herzzerreißende Heulen über die dunkle Ebene. Den sensibleren unter den Zuschauern kam es vor, als heulte das Sternenschiff selbst vor Abschiedsschmerz auf.

Das Heulen brach genauso unerwartet ab, wie es eingesetzt hatte. Eine Mauer unvorstellbar heller Flammen begann sich um das Sternenschiff zu erheben. Für einen Augenblick schien außer diesem kosmischen Feuer alles andere auf der Welt stillzustehen. Die Mauer verwandelte sich in eine Feuersäule, wurde immer länger und länger, bis schließlich nur noch ein blendend heller Strich zu sehen war. Die Glocke schrillte zum zweiten Mal, und als die Menschen sich umdrehten, erblickten sie eine leere Ebene, auf der ein riesiger Fleck verbrannten Bodens rot glühte. Hoch am Himmel stand ein großer Stern — das war die Lebed, die sich immer weiter entfernte.

Langsam schlenderte die Menge der Zuschauer zu den Elektrobussen, bald blickten die Menschen zum Himmel, bald auf das Startfeld, das plötzlich unsagbar leblos dalag, als wäre die Hammada von El Homra — der Schrecken und das Unglück vieler Reisender in vergangenen Zeiten — von Neuem erstanden.

Am Südhimmel leuchteten die wohlbekannten Sterne. Aller Augen wandten sich dorthin, wo der grelle, blaue Achernar eben aufging. Bei diesem Stern würde die Lebed nach vierundachtzig Jahren Flugs mit einer Geschwindigkeit von neunhundert Millionen Kilometern in der Stunde ankommen. Nach irdischer Zeitrechnung vierundachtzig, für die Lebed siebenundvierzig Jahre. Vielleicht würden sie dort unter den grünen Strahlen des Zirkoniumsterns eine neue Welt errichten, ebenso schön und glücklich wie die auf dem Planeten Erde.

Dar Weter und Weda Kong holten Tschara und Mwen Maas ein. Der Afrikaner beantwortete gerade eine Frage des Mädchens.

„Nein, nicht Schwermut, sondern großer und wehmütiger Stolz erfüllt mich heute“, sagte er. „Ich bin stolz auf uns, die wir immer weiter über unseren Planeten hinausfliegen und uns mit dem Kosmos vereinigen. Wehmütig deshalb, weil unsere gute alte Erde immer kleiner wird… Vor unendlich langer Zeit hinterließen die Mayas — die rothäutigen Indianer Mittelamerikas — eine stolz und zugleich wehmütig klingende Inschrift. Ich habe sie Erg Noor gegeben, und er wird sie in der Schiffsbibliothek der Lebed aufhängen.“

Der Afrikaner wandte sich um, als er merkte, dass ihm die näher gekommenen Freunde zuhörten.

„›Du, der Du nach uns Dein Antlitz hier zeigen wirst! Wenn Du denken kannst, dann wirst Du fragen, wer wir sind? Wer sind wir? Frage die Morgenröte, frage den Wald, frage die Welle, frage den Sturm, frage die Liebe. Frage die Erde, die Erde des Leids, die geliebte Erde. Wer sind wir? Wir sind die Erde!‹“

Und nach kurzem Schweigen fügte er hinzu. „Und auch ich bin durch und durch Erde!“

Keuchend kam ihnen Ren Boos entgegengelaufen. Die Freunde umringten den Physiker und erfuhren das Unerhörte — von dem ersten Kontakt zweier riesiger Sterneninseln.

„Ich wollte so gerne noch vor dem Start hier sein, um es Erg Noor zu erzählen“, sagte Ren Boos betrübt. „Er hat bereits auf dem schwarzen Planeten erkannt, dass die Spiralenscheibe ein Sternenschiff von einer unwahrscheinlich fernen, uns völlig fremden Welt ist und dass dieses seltsame Schiff sehr lange durch den Kosmos geflogen sein muss.“

„Erg Noor wird wohl nie erfahren, dass seine Spiralenscheibe aus so unvorstellbaren Tiefen des Universums — von einer anderen Galaxis, vom Andromedanebel, stammt?“, sagte Weda. „Oh, wie bitter!“

„Er wird es erfahren!“, sagte Dar Weter entschieden. „Wir werden den Rat um die Energie für eine Sondermeldung über den Satelliten 36 bitten. Die Lebed ist noch neunzehn Stunden lang innerhalb unseres Sendebereichs!“

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