Quellen wartete drei Stunden, bis Koll und Spanner mit anderen Dienstgeschäften beschäftigt waren. Dann ging er den Flur hinunter zum Gewahrsamstank. Er öffnete den Scannerschlitz und spähte hinein. Lanoy schwamm friedlich in der dunkelgrünen Flüssigkeit, völlig entspannt, offenkundig zufrieden. An der geriffelten Tankwandung zeigten die Meßgeräte an, was mit dem Mann vorging. EEG- und EKG-Linien tanzten und wanderten. Herzschlag, Atmung, alles wurde registriert.
Quellen rief einen Techniker und sagte: »Holen Sie ihn da raus.«
»Sir, wir haben ihn erst vor ein paar Stunden wieder hineingetan.«
»Ich will ihn verhören. Holen Sie ihn raus.«
Der Techniker gehorchte. Lanoy wurde abgehängt, gefiltert und ins Bewußtsein zurückgeholt. Dienstroboter rollten ihn in Quellens Büro. Nach kurzer Zeit funktionierten seine Reflexe wieder, und er konnte sich aus eigener Kraft bewegen.
Quellen schaltete alle Aufzeichnungsanlagen in seinem Büro ab. Er hatte stark das Gefühl, daß es ihm lieber war, dieses Gespräch ganz inoffiziell zu führen. Da nur sie beide im Zimmer waren, drehte er auch den Sauerstoffschieber zurück.
»Lassen Sie auf, Quellen«, sagte Lanoy. »Ich atme gerne frei. Geht ja auf Kosten des Staates.«
»Dann führen wir unser Gespräch zu Ende. Was für ein Spiel treiben Sie?« Quellen war zornig. Lanoy war ein völlig unmoralisches Geschöpf, nicht einmal bösartig in seinem Verbrechertum. Das verstieß gegen Quellens Stolz und persönliche Würde.
»Ich will ganz offen sein, Quellen«, sagte Lanoy. »Ich will wieder auf freien Fuß gesetzt werden und mein Geschäft weiterführen. Mir gefällt es so, wie es ist. Das ist, was ich will. Sie wollen mich einsperren und dem Staat oder vielleicht der Hohen Regierung mein Unternehmen zuschanzen. Das ist, was Sie wollen. Richtig?«
»Richtig.«
»In einer solchen Lage haben wir es also mit einem Wechselspiel von gegenseitig unvereinbaren Wünschen zu tun. Die stärkere Seite gewinnt demnach — immer. Ich bin stärker, also müssen Sie mich gehen lassen und alles unterdrücken, was Sie herausgefunden haben.«
»Wer sagt, daß Sie stärker sind, Lanoy?«
»Ich weiß es. Ich bin stark, und Sie sind schwach. Ich weiß vieles über Sie, Quellen. Ich weiß, wie Sie die Massen verabscheuen und frische Luft und Weite lieben. Das sind sehr unangenehme Eigenheiten in einer Welt wie der unsrigen, nicht wahr?«
»Weiter«, sagte Quellen. Innerlich verfluchte er Brogg. Niemand sonst konnte Lanoy sein Geheimnis verraten haben. Und ganz offenkundig wußte Lanoy zuviel über ihn.
»Sie werden mich also als freien Mann gehen lassen«, fuhr Lanoy fort, »oder Sie sitzen wieder in einer Wohnung Stufe Neun oder auch Elf. Da wird es Ihnen nicht gefallen, KrimSek. Sie müssen sich dann ein Zimmer mit jemandem teilen und mögen Ihren Wohngenossen vielleicht nicht, aber es gibt nichts, was Sie dagegen tun können. Und wenn Sie einen Wohngenossen haben, können Sie nie mehr davonlaufen. Er wird Sie melden.«
»Was heißt davonlaufen?« Quellens Stimme war nur noch ein heiseres Wispern.
»Nach Afrika, meine ich, Quellen.«
Jetzt ist es also passiert, dachte Quellen. Jetzt ist es vorbei, Brogg hat mich verraten und verkauft. Er wußte, daß er Lanoy völlig ausgeliefert war. Er stand regungslos vor dem kleinen Mann und kämpfte gegen die Versuchung an, ein Televektorkabel zu packen und Lanoy damit zu erwürgen.
»Ich mache das ungern, Quellen«, sagte Lanoy. »Ganz ehrlich gesagt. Das ist durchaus nicht persönlich gemeint. Sie sind ein ganz ordentlicher Kerl, gefangen in einer Welt, die Sie nicht gemacht haben und nicht sonderlich mögen. Aber ich kann nicht anders. Entweder Sie oder ich, und Sie wissen, wer in solchen Fällen Sieger bleibt.«
»Wie sind Sie dahintergekommen?«
»Brogg hat es mir gesagt.«
»Warum sollte er so etwas tun? Er bekam viel Geld von mir.«
»Ich habe ihm etwas Besseres gegeben«, sagte Lanoy. »Ich habe ihn in Hadrians Zeit zurückgeschickt, vielleicht auch zu Trajan. Er ist jedenfalls 2400 Jahre zurückgegangen.«
Quellen hatte das Gefühl, daß der Boden unter ihm sich in klebrigen Gummi verwandelte, sich warf und wand und vor Hitze pulsierte. Er klammerte sich an seinen Schreibtisch, um nicht ins Nichts abzurutschen. Brogg ein Springer? Brogg verschwunden? Brogg ein Verräter?
»Wann war das?« fragte Quellen.
»Gestern abend, gegen Sonnenuntergang. Brogg und ich besprachen das Problem, wie ich es vermeiden wollte, aus dem Geschäft gedrängt zu werden. Er deutete an, daß Sie einen verwundbaren Punkt hätten. Ich bekam ihn im Austausch für das eine genannt, was er sich wirklich wünschte. Er ist zurückgegangen, um Rom mit eigenen Augen zu sehen.«
»Das ist unmöglich«, widersprach Quellen. »Es gibt Aufzeichnungen über die bekannten Springer, und Brogg stand nicht auf der Liste.« Noch während er das sagte, sah er ein, wie unsinnig es war. Die Aufzeichnungen reichten nur bis 1979 zurück. Wenn Lanoy nicht nur bluffte, war Brogg um fast neunzehn Jahrhunderte zurückgegangen. Es gab keine Dokumente.
Quellen fühlte sich krank. Er wußte, daß Brogg automatisierte Meldegeräte in ganz Appalachia verteilt hatte, die Bandaufzeichnungen von Quellens Verbrechen enthielten. Die Geräte waren darauf programmiert, im Falle von Broggs Tod oder Verschwinden zur Zentrale zu marschieren. Die kleinen, federnden Beine würden seit gestern nacht in Marsch sein. Ich bin erledigt, dachte Quellen. Außer, Brogg hat den Anstand besessen und die Geräte abgeschaltet, bevor er gesprungen ist. Das hätte er ohne Mühe tun können. Die Geräte reagierten auf Fonanrufe. Ein Anruf hätte sie abgestellt. Aber hatte er es wirklich so gemacht? Im anderen Fall kannte die Hohe Regierung schon jetzt die Wahrheit über Joseph Quellen.
Quellen hatte aber erst heute morgen mit Koll gesprochen, und Koll hatte ihm zu seiner Beförderung gratuliert. Koll war verschlagen, doch nicht in einem solchen Maß. Er wäre ganz gewiß einer der Empfänger von Broggs kleinen Anzeigern gewesen und hätte seine Wut und den Neid angesichts der Entdeckung, daß Quellen die ganze Zeit im Luxus eines Zweiers gelebt hatte, nicht unterdrücken können.
Brogg hatte die Geräte also möglicherweise abgeschaltet. Oder er war gar kein Springer geworden.
Mit finsterer Miene drückte Quellen auf die Sprechtaste und sagte: »Geben Sie mir Brogg.«
»Bedaure, UnterSek Brogg hat sich heute nicht gemeldet.«
»Nicht einmal, um den Verbleib mitzuteilen?«
»Wir haben nichts von ihm gehört, Sir.«
»Rufen Sie in seiner Wohnung an. Erkundigen Sie sich im Bezirksamt. Wenn in den nächsten fünfzehn Minuten nichts zu erfahren ist, beginnen Sie mit einer Televektor-Suche. Ich will wissen, wo er ist!«
Lanoy strahlte ihn an.
»Sie werden ihn nicht finden, Quellen. Glauben Sie mir, er ist in Rom. Ich habe die Versetzung selbst ausgeführt — zeitlich und geographisch. Wenn alles gut verlaufen ist, muß er knapp südlich der Stadt angekommen sein, irgendwo an der Via Appia.«
Quellens Lippen zuckten. Er umklammerte die Schreibtischkante jetzt so fest, daß seine Fingerspitzen Vertiefungen in der Platte hervorriefen, die wärmeempfindlich war und eine solche Behandlung nicht vertrug.
»Wenn Sie jemanden in der Zeit so weit zurückschicken können, woher kommt es dann, daß 1979 das Enddatum für die Springererscheinung war?«
»Dafür gibt es viele Gründe.«
»Zum Beispiel?«
»Zum einen war das Verfahren bis vor kurzem über fünfhundert Jahre hinaus nicht verläßlich. Wir haben es verbessert. Neue Forschungsarbeit. Jetzt können wir zuverlässig Leute zweitausend Jahre zurückfeuern und wissen, daß sie ankommen.«
»Die Schweine im zwölften Jahrhundert?«
»Ja«, sagte Lanoy. »Das waren unsere Probeschüsse. Also: Zufällig wurde eine solche Menge von Springern zum Nexus von 1979 zurückgeschickt, daß die Erscheinung den Behörden zu Ohren kam. Jede Springerlandung in einer anderen Zeit führte im allgemeinen dazu, daß der Betreffende wegen Wahnsinns oder Zauberei festgenommen wurde. Wir versuchten deshalb, unsere Springer auf die Zeit zwischen 1979 und 2106 zu beschränken, weil jede Landung dort als das erkannt wurde, was sie war, so daß der Springer nur geringe Schwierigkeiten hatte. Wir sind über diesen Zeitraum nur auf besondere Bitten oder manchmal durch unbeabsichtigtes Danebentreffen hinausgegangen. Verstehen Sie?«
»Ja«, sagte Quellen dumpf. »Und Brogg ist nach Rom gegangen?«
»Ja, wirklich. Gegen einen Preis. Und jetzt lassen Sie mich besser gehen und versprechen, daß Sie die Ergebnisse Ihrer Ermittlungen nicht nach oben dringen lassen, sonst stelle ich Sie bloß und lasse bekannt werden, daß Sie eine Zuflucht in Afrika haben.«
Quellen sagte ruhig: »Ich könnte einen Laserstrahl durch Ihren Kopf jagen und behaupten, Sie hätten mich angegriffen.«
»Nützt nichts, Quellen. Die Hohe Regierung will ja das Zeittransport-Verfahren. Wenn Sie mich umbringen, kriegen Sie es nie.«
»Wir könnten es durch eine Neuroabspielung aus Ihrem Hirn herausholen, tot oder lebendig.«
»Nicht, wenn Sie mir einen Laserstrahl durch den Kopf jagen«, sagte Lanoy. »Außerdem würde die Neuroabspielung auch das mit Afrika preisgeben, nicht? Abgesehen davon würden Sie zu leiden haben, wenn ich sterbe. Wußten Sie nicht, daß Brogg die Geschichte in eine Reihe von selbsttätigen Anzeigern eingespeichert hat, die darauf programmiert sind, zur Zentrale zu laufen, sobald ihm etwas passiert?«
»Doch, aber —«
»Er hat sie kurz vor seinem Sprung alle auf mich umgestellt. Ihr Schicksal ist mit dem meinen verbunden, Quellen. Sie tun gut daran, mich gehen zu lassen.«
Quellen spürte, wie seine Gesichtsmuskeln schlaff herabsanken, als ihm aufging, in welcher Lage er sich befand. Wenn er nicht für eine Anklage gegen Lanoy sorgte, lief er Gefahr, degradiert zu werden. Wenn er Lanoy ans Messer lieferte, würde dieser ihn bloßstellen. Er konnte Lanoy aber auch nicht einfach laufenlassen. Es war schon registriert, daß Lanoy mit den Springern zu tun hatte. Koll wußte es, Spanner wußte es. Quellen konnte dieses Wissen nicht leicht aus der Welt schaffen. Wenn er versuchte, Lanoy zu decken, würde er sich in einem Lügengespinst verirren. Er lebte ohnehin schon mit einem Betrug; er konnte die Belastung eines zweiten nicht aushalten.
»Bekomme ich, was ich will?« fragte Lanoy.
Ein gewaltiger Adrenalinstoß durchflutete Quellen. Er saß in der Falle, und jemand, der in der Falle sitzt, kämpft verzweifelt. Er fand unerwartete Kraftreserven.
Es gab eines, was er versuchen konnte, etwas unfaßbar Kühnes, etwas so ungeheuerlich Riskantes, daß es auf seine Art beinahe schon wieder vernünftig erschien. Vielleicht scheiterte es, sogar wahrscheinlich. Aber es war besser, als mit Lanoy einen Handel abzuschließen und immer tiefer in den Morast von Bestechung und Zugeständnissen zu versinken.
»Nein«, sagte er. »Sie bekommen nicht, was Sie wollen. Ich lasse Sie nicht frei, Lanoy. Ich überstelle Sie dem Gericht.«
»Sind Sie wahnsinnig?«
»Ich glaube nicht.«
Quellen ließ Mitarbeiter kommen. »Tun Sie den Mann wieder in den Gewahrsamstank«, sagte er knapp. »Lassen Sie ihn bis auf weiteres dort.«
Lanoy wurde fortgeschleppt, trotz seiner Proteste.
Nun den Köder für den Leviathan festmachen, den er fangen wollte.
Quellen drückte auf Tasten.
»Die Unterlagen Donald Mortensen«, befahl er.
Man brachte ihm die Spule. Er schob sie in den Projektor und ließ Broggs Ermittlungsarbeit an sich vorüberziehen. Das Gesicht Mortensens schimmerte ihn an, jugendlich, rosig. Er sah aus wie ein Albino, dachte Quellen, mit dem weißen Haar und den weißen Brauen. Aber Albinos haben rötliche Augen, nicht? Die von Mortensen waren blau. Nordisch. Wie hatte er seine Herkunft so rein erhalten können? fragte sich Quellen. Er ging die Aufzeichnungen durch.
Mortensen hatte mit seiner Frau gestritten, wie sich aus den Tonaufnahmen ergab. Er hatte verhandelt um einen Zeitsprung in einigen Wochen; er hatte eine Summe angezahlt und strengte sich an, den Rest von Lanoys Honorar aufzubringen. Dann endete die Aufzeichnung mit Broggs Vermerk: ERMITTLUNGEN AUF ANWEISUNG VON OBEN EINGESTELLT.
Quellen rief im Abhörraum an. Er nannte die Nummer des Ohrs, das Mortensen in die Handfläche gedrückt worden war, und fragte, ob es noch funktioniere.
»Das Ohr ist abgeschaltet worden, KrimSek«, hörte er.
»Ja, ich weiß. Aber kann man es wieder in Betrieb nehmen?«
Man prüfte nach. Einige Minuten danach erhielt er die schlechte Nachricht: Das Ohr hatte sich vor ein oder zwei Tagen aufgelöst, wie vorgesehen. Es gab keine weiteren Sendungen von Mortensen. Quellen war enttäuscht, aber der Rückschlag entschied nicht alles. Er ordnete eine Televektor-Suche nach Mortensen an, in der verzweifelten Hoffnung, daß er Appalachia nicht verlassen hatte.
Mortensen hatte es nicht getan. Nach der Televektor-Peilung befand er sich in einem Schnüffellokal, keine zehn Meilen von Quellens Büro entfernt. Ausgezeichnet, dachte Quellen. Er würde die Festnahme selbst durchführen. Die Sache war viel zu delikat, als daß man sie einem Untergebenen hätte überlassen können.
Quellen fuhr mit dem Schnellboot durch die Stadt und stellte sich vor das Schnüffellokal. Er wartete auf der Straße darauf, daß Mortensen von unten heraufkam. Abgerissene, verdächtige Gestalten schlichen immer wieder an ihm vorbei. Quellen unterdrückte sein Mißbehagen und sah sich jeden, der heraufkam, genau an.
Da war Mortensen.
Es war lange her, seit Quellen selbst eine Verhaftung vorgenommen hatte. Er war ein Mann des Schreibtisches, der solche Dinge Untergebene ausführen ließ. Trotzdem blieb er ruhig. Er war gut bewaffnet; an der Handfläche war eine Narkosekralle angebracht, die auf eine Muskelbewegung hin hinauszucken würde, und unter der Achsel befand sich ein Nervenspray für den Fall, daß die Kralle versagte. Er hatte auch eine Laserpistole dabei, aber er dachte nicht im Traum daran, sie bei Mortensen zu verwenden.
Er trat hinter den Mann, als dieser davonschritt, klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »Ruhig weitergehen, Mortensen. Sie sind verhaftet.«
»Was, zum Teufel —?«
»Ich bin vom Sekretariat Verbrechen. Ich habe Anweisung, Sie zu holen. In meiner Hand befindet sich eine Kralle, die Sie sofort spüren, wenn Sie sich zu wehren versuchen. Gehen Sie ruhig vor mir her, bis wir die Schnellboot-Rampe erreichen. Tun Sie, was ich sage, und es passiert Ihnen nichts.«
»Ich habe nichts getan. Ich will wissen, was mir vorgeworfen wird.«
»Später«, sagte Quellen. »Gehen Sie weiter.«
»Ich habe Rechte. Ein Anwalt —«
»Später. Weitergehen.«
Sie stiegen die Rampe hinauf. Mortensen murrte immer noch, leistete aber keinen Widerstand. Er war ein hochgewachsener Mann, größer als Quellen. Er sah aber nicht sonderlich kräftig aus. Quellen hatte die Hand mit der Kralle in Bereitschaft. Seine ganze Zukunft hing vom erfolgreichen Ablauf dieses Manövers ab.
Das Schnellboot brachte sie zu Quellens Wohnhaus.
Mortensen wirkte betroffen. Als sie ausstiegen, murrte er verdrossen: »Das sieht mir nicht nach einem Amtsgebäude aus.«
»Die Rampe hinunter, bitte«, sagte Quellen.
»Was soll das sein, eine Entführung?«
»Ich zeige Ihnen meinen Ausweis, wenn Sie wollen. Ich bin echter Polizeibeamter. Übrigens bekleide ich den Rang des KrimSek. Hier herein.«
Sie betraten Quellens Wohnung. Mortensen drehte sich herum und starrte Quellen ungläubig an.
»Das ist eine Privatwohnung«, sagte er.
»Richtig. Meine.«
»Jemand hat Ihnen einen ganz falschen Hinweis auf meine sexuellen Neigungen gegeben, mein Lieber. Ich bin kein —«
»Ich auch nicht«, sagte Quellen scharf. »Mortensen, haben Sie die Absicht, in der ersten Maiwoche Zeitspringer zu werden?«
Mortensen funkelte ihn böse an.
»Was geht Sie das an?« — »Sehr viel. Ist es wahr?«
»Vielleicht. Ich sage nichts.« — Quellen seufzte.
»Sie stehen auf der Liste der Springer, die zurückgegangen sind, wissen Sie das? Eine vollständig dokumentierte Liste mit Namen, Geburtsdatum, dem Tag, an dem Sie in der Vergangenheit angekommen, an dem Sie hier weggegangen sind. Nach der Liste sind Sie am 4. Mai dieses Jahres zurückgegangen. Wollen Sie jetzt noch bestreiten, daß Sie springen wollen?«
»Ich sage gar nichts. Holen Sie mir einen Anwalt. Verdammt noch mal, ich habe Sie in keiner Weise bedroht. Wie kommen Sie dazu, in meinem Leben herumzupfuschen?«
»Das kann ich jetzt nicht erklären«, sagte Quellen. »Zufällig sind Sie das bedauerliche Opfer einer Situation, die außer Kontrolle gerät. Mortensen, ich werde Sie auf eine Reise schicken. Sie werden Urlaub nehmen. Ich kann nicht sagen, wie lange Sie fort sein werden, aber wenigstens werden Sie es dort schön haben. Sie finden ein vollständiges Essensprogramm; bedienen Sie sich. Und Sie können sich darauf verlassen, daß ich auf Ihr Wohlergehen achte. Ich bin in Wahrheit auf Ihrer Seite und habe tiefes Verständnis für Sie. Aber zuerst muß ich für mich sorgen.«
Mortensen, der sehr bedrückt wirkte, hob die Hand, als wolle er zuschlagen. Quellen trat rasch vor und betätigte die Narkosekralle. Sie durchstach Mortensens Haut. Die Sofortnarkose begann zu wirken. Mortensen sackte bewußtlos zusammen. Er würde ungefähr eine Stunde ohnmächtig sein. Zeit genug.
Quellen schaltete das Statfeld ein und schob Mortensen hindurch. Der blonde Mann verschwand. Er würde im afrikanischen Haus des KrimSek aufwachen. Zweifellos würde das seine Verwirrung noch steigern, aber Quellen hatte keine Erklärungen abgeben können.
Einen Augenblick später wurde das Stat in Quellens Wohnung abgeschaltet. Das würde Mortensen daran hindern, zurückzukommen, solange Quellen das wollte.
Wellenartig erfaßte Quellen Schwindel.
Den Köder hatte er. Nun mußte er den Fisch an Land ziehen. Es erschien unfaßbar, daß er Erfolg haben würde, aber er war zu weit gegangen, um jetzt noch umkehren zu können. Und wenn er scheiterte, so blieb noch ein anderer Ausweg, wie ihm aufging, eine weniger ehrenhafte, aber vielleicht vernünftigere Lösung als jene, die er im Sinn hatte.
Kann ich das schaffen? dachte er. Kann ich wirklich versuchen, die Hohe Regierung zu erpressen und damit durchzukommen? Oder habe ich jetzt völlig den Verstand verloren? Er würde es bald genug erfahren. Inzwischen hatte er eine Geisel — Mortensen. Eine Geisel gegen den Zorn der Hohen Regierung.
Nun blieb nur noch eine Kleinigkeit: ein Gespräch mit Peter Kloofman. Höchstpersönlich. Ließ sich das einrichten? Es war ein unfaßbarer Traum. Wie konnte ein Bürokrat Stufe Sieben zu Kloofman vordringen?
Er wird mit mir sprechen, dachte Quellen. Wenn er erfährt, daß ich Donald Mortensen gekidnappt habe.